Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AL 97/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 56/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.7.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 1050.- EUR wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Der am 00.00.1959 geborene Kläger stand bis zum 15.1.2005 in einem Beschäftigungsverhältnis als Dachdeckerhelfer. Nach Kündigung dieses Beschäftigungsverhältnisses meldete er sich am 20.12.2004 zum 16.1.2005 arbeitslos. Im Kündigungsschreiben war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass er sich zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld unverzüglich arbeitslos zu melden habe. Bei Arbeitslosmeldung bescheinigte der Kläger, das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten zu haben. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab 16.1.2005.
Der Kläger nahm vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 eine Beschäftigung als Dachdeckerhelfer bei der Fa. S T GmbH, X, auf, ohne dies der Beklagten zu melden. Es handelte sich um ein vollschichtiges, von vornherein für die Zeit vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 befristetes Beschäftigungsverhältnis. Der Arbeitsvertrag datiert vom 25.5.2005 und enthält keinen Hinweis auf die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung. Die Beklagte erfuhr von dieser Beschäftigung erstmals durch eine "Überschneidungsmitteilung" am 25.6.2005. Am 31.8.2005 sprach der Kläger bei der Beklagten vor, um sich arbeitslos zu melden. Er gab an, dass er vom 28.5.2005 bis zum 31.8.2005 in einem Beschäftigungsverhältnis stand und der Arbeitgeber ihn bei der Beklagten habe "abmelden" wollen.
Die Beklagte hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 auf und forderte überzahltes Arbeitslosengeld i.H.v. 2357, 96 EUR zurück. Diese Entscheidung hat der Kläger akzeptiert. Ein Verfahren nach dem OWiG wurde von der Staatsanwaltschaft Arnsberg gem. § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Vom 21.9.2005 bis zum 14.10.2005 nahm der Kläger wieder eine Beschäftigung bei Fa. T auf.
Mit einer "Erläuterung zum Bewilligungsbescheid" vom 20.10.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld werde gem. § 140 SGB III um 1050.- EUR gemindert. Er sei gem. § 37b SGB III verpflichtet gewesen, sich spätestens am 1.6.2005 arbeitsuchend zu melden. Seine Meldung am 31.8.2005 sei um 91 Tage zu spät erfolgt. Der Leistungsanspruch mindere sich um 35.- EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, begrenzt auf 30 Tage. Die Beklagte behielt 12,81 EUR vom täglichen Leistungssatz ein. Mit Bescheid vom 21.10.2005 bewilligte die Beklagte ab 1.9.2005 Arbeitslosengeld unter Abzug des o.g. täglichen Minderungsbetrages.
Gegen den Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 legte der Kläger am 25.11.2005 Widerspruch ein. Er trug vor, er habe noch nie einen Zeitvertrag gehabt und sei daher davon ausgegangen, dass er sich erst zum Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit melden müsse. Außerdem regele § 37b SGB III für befristete Arbeitsverträge nur den Zeitpunkt der frühesten, nicht der spätesten Meldung. Schließlich habe er mit dem Arbeitgeber über eine Verlängerung der Beschäftigung verhandelt, weshalb der Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht festgestanden habe.
Mit Bescheid vom 6.2.2006 verwarf die Beklagte den Widerspruch als verfristet. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs habe am 24.11.2005 geendet.
Mit der am 2.3.2006 erhobenen Klage hat der Kläger sich gegen die mit dem Erläuterungsschreiben vom 20.10.2005 und dem Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2005 ausgesprochene Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld gewendet. Er hat ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen gemeint, aus dem Umstand, dass der Beklagten die Beschäftigung unbekannt gewesen sei, folge, dass die Pflicht zur frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend nicht gelte. Denn die Beklagte habe ihn weiterhin durchgehend als arbeitsuchend geführt und in ihre Vermittlungsbemühungen einbeziehen müssen. Sinn und Zweck von § 37b SGB III - frühzeitige Entfaltung von Vermittlungsbemühungen - sei daher nicht berührt, weshalb eine Pflicht zu frühzeitigen Meldung nicht bestanden habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.10.2005 und des Schreibens vom 20.10.2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 26.2.2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ohne Abzug eines Minderungsbetrages von 1050.-EUR nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Meinung, der Widerspruch sei verfristet, angesichts der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung im Schreiben vom 20.10.2005 nicht festgehalten. Im Übrigen ist sie der Auffassung des Klägers entgegengetreten. Sie hat gemeint, aus dem Umstand, dass der Kläger es pflichtwidrig unterlassen habe, die Beschäftigungsaufnahme zu melden, könne er keine Vorteile (Absehen von der Minderung) ziehen.
Das Sozialgericht hat den Kläger hinsichtlich der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses vernommen. Mit Urteil vom 23.7.2007 hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, seine Meldeobliegenheit nicht gekannt zu haben, da er das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten habe. Dies enthalte eine ausreichende Belehrung über die Meldeobliegenheit. Diese habe ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger die Beschäftigung pflichtwidrig nicht mitgeteilt hat, bestanden, weil mit Aufnahme der Beschäftigung die Wirkung der vorherigen Arbeitslosmeldung entfallen sei. Schließlich habe der Kläger Kenntnis von dem Zeitpunkt der Beendigung der Beschäftigung gehabt, da dieser sich aus dem befristeten Arbeitsvertrag sicher ergeben habe. Eine verbindliche Weiterbeschäftigungszusage habe der Kläger nicht erhalten.
Gegen diese am 23.8.2007 zugestellte Entscheidung richtete sich die am 20.9.2007 erhobene Berufung des Klägers.
Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor: - Ihm sei die Meldeobliegenheit nicht bekannt gewesen. Das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" habe er lediglich im Hinblick auf den bevorstehenden Bezug von Arbeitslosengeld studiert. Bei Eingehen des befristeten Beschäftigungsverhältnisses habe er keine Erinnerung an einen Hinweis auf die Meldeobliegenheit im Merkblatt gehabt. Dies sei ihm nicht als fahrlässige Unkenntnis anzulasten, weil auch von einem verständigen Leistungsbezieher nicht erwartet werden könne, sämtliche Eventualitäten bereits bei Arbeitslosmeldung im Auge zu behalten. - Die Vorschrift des § 37b SGB III gelte in seinem Fall nicht, da er durchgehend arbeitsuchend gemeldet gewesen sei und ein Festhalten an der Meldeobliegenheit damit sinnlos und bloße Förmelei sei. - Er sei bis zum 31.8.2005 von einer Verlängerung der Beschäftigung ausgegangen und habe daher den Beendigungszeitpunkt nicht gekannt. Die Tatsache, dass er bereits am 21.9. 2005 wieder beim alten Arbeitgeber eingestellt worden sei, belege diesen Umstand.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.7.2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2005 und Abänderung des Bescheides vom 21.10.2005 - beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2006 - zu verurteilen, ungemindert Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, § 37b SGB III sei auch im Falle eines nicht mitgeteilten Beschäftigungsverhältnisses anwendbar. Das Merkblatt für Arbeitslose habe der Kläger zur Kenntnis nehmen müssen. Anhaltspunkte für eine verbindliche Weiterbeschäftigungszusage durch den Arbeitgeber lägen nicht vor.
Auf Anforderung durch den Senat hat die Beklagte das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" - Stand 2004 - übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreites sind das Schreiben vom 20.10.2005 und der Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2006. Das Schreiben vom 20.10.2005 und der Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 bilden zusammen eine rechtliche Einheit im Sinne eines Verwaltungsaktes (BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R).
Der Kläger hat zutreffend als Klageart die Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG gewählt. Eine Beschränkung des Klageantrags allein auf die Anfechtung der Minderung (die rechtlich zulässig wäre, vergl. BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R) ist nicht erfolgt, so dass der Anspruch auf ungeminderte Zahlung von Arbeitslosengeld zu prüfen ist ( BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R).
Die Klage ist nicht etwa allein deswegen unbegründet, weil der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden wäre (§ 77 SGG). Die Beklagte hat den Widerspruch - wie sie selbst nach Klageerhebung zutreffend erkannt hat - zu Unrecht als verfristet verworfen. Das Schreiben vom 20.10.2005, das im Sinne eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) die maßgebliche Regelung zur Anspruchsminderung enthält, ist entgegen § 36 SGB X nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass gem. § 66 Abs. 2 SGG der Widerspruch innerhalb eines Jahres erhoben werden konnte. Diese Frist hat der Kläger eingehalten.
Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten ist § 140 SGB III in der in der Zeit vom 1.1.2005 bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung. Mittlerweile wurde die Vorschrift durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 (BGBl. I S. 3676) ab 31.12.2005 aufgehoben und durch die Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung gem. § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB III ersetzt; gem. Art 6 Abs. 1 dieses Gesetzes ist § 140 SGB III für den vorliegenden Fall aber noch anwendbar. Die Vorschrift wurde mit Wirkung ab 1.7.2003 eingefügt durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607) und basiert in der hier anwendbaren Fassung auf Art. 1 Nr. 72a des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848).
Voraussetzung für eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist gem. § 140 S. 1 SGB III a.F., dass der Arbeitslose sich entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet hat.
§ 37 b SGB III wurde ebenfalls durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung ab 1.7.2003 eingefügt, lediglich redaktionell durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung ab 1.1.2004 geändert ("Agentur für Arbeit" statt "Arbeitsamt"), durch Art. 1 Nr. 2 des Fünften Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze mit Wirkung ab 31.12.2005 neu gefasst und mittlerweile durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917) mit Wirkung ab 1.1.2009 aufgehoben und durch eine Neufassung von § 38 SGB III ersetzt. Für den vorliegenden Fall ist die vom 1.1.2004 bis zum 30.12.2005 geltende Fassung maßgeblich.
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind nach dieser Vorschrift verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen.
Die aus § 37b SGB III a.F. resultierende Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch anwendbar, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld eingegangen wurde und - wie hier - pflichtwidrig der Agentur für Arbeit nicht mitgeteilt wurde. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. § 37b SGB III a.F. knüpft die Meldeobliegenheit an die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses. Vorliegend stand der Kläger als Beschäftigter gem. § 25 Abs. 1 SGB III in einem Versicherungspflichtverhältnis. Der Umstand, dass er sich nicht aus dem Leistungsbezug abgemeldet hat, ändert hieran nichts. Dieses aus dem Wortlaut gewonnen Ergebnis ist nicht etwa wegen Sinn und Zweck der Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion zu korrigieren. Eine derartige Reduktion des Anwendungsbereiches einer Norm kann geboten sein, wenn Gerechtigkeitsgesichtspunkte und die immanente Teleologie einer Norm fordern, Ungleiches ungleich zu behandeln. Eine teleologische Reduktion hat zu unterbleiben, wenn ein vorrangiges Interesse an Rechtssicherheit die strikte Einhaltung eindeutiger Normen verlangt (näher Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 391 ff.). Im vorliegenden Fall ist damit zu prüfen, ob Gerechtigkeitsgesichtspunkte unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 37b SGB III a.F. es gebieten, diese Norm nicht anzuwenden, wenn das Versicherungspflichtverhältnis während des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld eintrat und der Beklagten pflichtwidrig nicht gemeldet wurde und ob umgekehrt ein vorrangiges Interesse an Rechtssicherheit besteht, von einer evtl. einschränkenden Auslegung abzusehen. § 37 b SGB III a.F. hat zum Ziel, die Eingliederung von Arbeitslosen zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer von Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Die Agentur für Arbeit soll noch vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mit der Vermittlungstätigkeit beginnen können (BT-Drucks. 15/25 S. 27). Dieser Normzweck greift in der Tat nicht, wenn die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses der Agentur für Arbeit nicht gemeldet wurde und diese daher ihre aus der ursprünglichen Arbeitslosmeldung resultierende Vermittlungstätigkeit gar nicht eingestellt hat. Insofern könnte eine teleologische Reduktion geboten sein. Gegen eine derartige Reduktion spricht jedoch nach Überzeugung des Senats entscheidend der auch von der Beklagten betonte Gerechtigkeitsgesichtspunkt. Hiermit ist nicht vereinbar, Personen, die pflichtgemäß die Arbeitsaufnahme mitgeteilt haben, schlechter zu behandeln als Personen, die - wie der Kläger - diese Mitteilungspflicht verletzt haben. Insofern steht auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit der teleologischen Reduktion entgegen. Auch systematische Gesichtspunkte sprechen gegen eine derartige Rechtsfortbildung: Die Arbeitslosigkeit umfasst die Arbeitsuche (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Die nach § 122 S. 1 SGB III für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderliche persönliche Arbeitslosmeldung umfasst daher die Mitteilung, Arbeit zu suchen. Gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erlischt die Wirkung der Arbeitslosmeldung - mithin auch die Mitteilung der Arbeitsuche - mit der Aufnahme der Beschäftigung, wenn der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Der Kläger kann sich damit nicht darauf berufen, auch während der Beschäftigung vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 dauerhaft arbeitsuchend gewesen zu sein.
Geklärt ist die anfangs umstrittene Frage, ob § 37b S. 2 SGB III a.F. auch für befristete Arbeitsverhältnisse den Zeitpunkt der Meldeobliegenheit hinreichend deutlich festlegt (ablehnend zunächst z.B. SG Aachen, Urteil vom 24.9.2008 - S 8 AL 81/04 = SuP 2004, 738). Die als versicherungsrechtliche Obliegenheit ausgestaltete Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung wird auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen durch § 37b SGB III a.F. ausreichend in dem Sinne bestimmt, dass sich der Arbeitnehmer spätestens drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses - hier also am 1.6.2005 - persönlich arbeitsuchend zu melden hat (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = BSGE 95,191; Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R).
Der Arbeitnehmer verletzt seine Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nicht, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist bei der Agentur für Arbeit meldet. Den Betroffenen muss also zumindest ein (einfacher) Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden können, wobei ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab zugrunde zu legen ist (grundlegend BSG, Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R = BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr. 1, BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R). Rechtlicher Ansatzpunkt hierfür ist der Begriff "unverzüglich", der gem. der auch für das öffentliche Recht geltenden Legaldefinition des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB Handeln "ohne schuldhaftes Zögern" erfordert.
Dem Kläger ist vorliegend ein Schuldvorwurf jedenfalls in der Form zu machen, dass er die Meldobliegenheit hätte kennen können: Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass sie im "Merkblatt 1 für Arbeitslose" deutlich und nicht nur mit lediglich formelhafter Wiederholung des Gesetzestextes auf die Meldeobliegenheit hinweist. Derartige Hinweise im Merkblatt sind vom BSG, dem der Senat sich insoweit ausdrücklich anschließt, als ausreichend zur Begründung des subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs angesehen worden (BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 44/06 R). Zudem ist erwiesen, dass der Kläger jedenfalls die grundsätzliche Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung kannte, denn im Kündigungsschreiben hatte der Arbeitgeber, bei dem der Kläger vor Eintritt der Arbeitslosigkeit beschäftigt war, auf die Meldeobliegenheit hingewiesen und der Kläger hatte sich in Erfüllung dieser Pflicht bereits am 20.12.2004 (bei Eintritt der Arbeitslosigkeit zum 16.1.2005) arbeitsuchend gemeldet.
Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger aufgrund seines geistigen Leistungsvermögens subjektiv die Kenntnis seiner Meldeobliegenheit verschlossen gewesen sein könnte, sind nicht vorhanden. Der Kläger hat anlässlich seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gezeigt, dass er die rechtliche Problematik durchschaut und in keiner Weise den Eindruck erweckt, nicht in der Lage zu sein, die Meldeobliegenheit und die entsprechenden Hinweise im Merkblatt zu verstehen. Zudem belegt seine frühzeitige Meldung anlässlich der am 16.1.2005 eingetretenen Arbeitslosigkeit, dass er die Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend kannte und in der Lage war, sich hiernach zu richten.
Nach seinem eigenen Vorbringen ist der Kläger schließlich der Meinung gewesen, sein Arbeitgeber habe ihn aus dem Leistungsbezug abgemeldet, so dass er annehmen musste, dass Vermittlungsbemühungen bis zur erneuten Arbeitsuchendmeldung von der Beklagten eingestellt wurden.
Schließlich greift der Einwand nicht durch, dass der Kläger davon ausging, das Beschäftigungsverhältnis werde über den 31.8.2005 hinaus verlängert. Zum einen war dem Kläger aufgrund der eindeutigen Bestimmung im Arbeitsvertrag bewusst, dass es sich lediglich um ein befristetes Beschäftigungsverhältnis handelt. Wenn der Arbeitgeber nach den Einlassungen des Klägers vor dem Sozialgericht gesagt haben sollte, dass der Kläger sich nicht zu melden bräuchte, weil er ihn über die drei Monate hinaus habe weiterbeschäftigen wollen, entlastet dies den Kläger nicht. Denn diese Aussage - sollte sie zutreffend sein - ändert nichts daran, dass die Vertragsparteien rechtsverbindlich nur einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben. Abgesehen davon steht diese Aussage des Klägers im Widerspruch zu seiner Einlassung dahingehend, dass er die Meldeobliegenheit nicht gekannt habe, weshalb der Senat sie nicht für glaubhaft hält. Schließlich ist nach der Rechtsprechung des BSG für die Feststellung des Fahrlässigkeitsvorwurfs unbeachtlich, ob der Betroffene fest mit einer Wiedereinstellung bzw. Weiterbeschäftigung bei seinem Arbeitgeber gerechnet hat (BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R).
Die Beklagte hat den Minderungsbetrag gem. § 140 Abs. 1 S. 2 SGB III a.F. richtig berechnet. Das der Bemessung des geminderten Arbeitslosengeld zugrundeliegende Bemessungsentgelt beträgt 65,14 EUR , so dass sich bei einer Verspätung von 91 Tagen gem. § 140 Abs. 1 S. 3 SGB III a.F. ein Minderungsbetrag i.H.v. 1050.- EUR ergibt. Die Einbehaltung der hälftigen Leistung beruht auf § 140 S. 4 SGB III a.F.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die Frage, ob § 37b SGB III auch für während des Bezugs von Arbeitslosengeld ausgeübte, nicht mitgeteilte Beschäftigungsverhältnisse gilt, zuzulassen. Die Rechtsfrage ist auch unter Geltung der Neufassung von § 38 SGB III noch relevant und bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 1050.- EUR wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Der am 00.00.1959 geborene Kläger stand bis zum 15.1.2005 in einem Beschäftigungsverhältnis als Dachdeckerhelfer. Nach Kündigung dieses Beschäftigungsverhältnisses meldete er sich am 20.12.2004 zum 16.1.2005 arbeitslos. Im Kündigungsschreiben war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass er sich zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld unverzüglich arbeitslos zu melden habe. Bei Arbeitslosmeldung bescheinigte der Kläger, das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten zu haben. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab 16.1.2005.
Der Kläger nahm vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 eine Beschäftigung als Dachdeckerhelfer bei der Fa. S T GmbH, X, auf, ohne dies der Beklagten zu melden. Es handelte sich um ein vollschichtiges, von vornherein für die Zeit vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 befristetes Beschäftigungsverhältnis. Der Arbeitsvertrag datiert vom 25.5.2005 und enthält keinen Hinweis auf die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung. Die Beklagte erfuhr von dieser Beschäftigung erstmals durch eine "Überschneidungsmitteilung" am 25.6.2005. Am 31.8.2005 sprach der Kläger bei der Beklagten vor, um sich arbeitslos zu melden. Er gab an, dass er vom 28.5.2005 bis zum 31.8.2005 in einem Beschäftigungsverhältnis stand und der Arbeitgeber ihn bei der Beklagten habe "abmelden" wollen.
Die Beklagte hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 auf und forderte überzahltes Arbeitslosengeld i.H.v. 2357, 96 EUR zurück. Diese Entscheidung hat der Kläger akzeptiert. Ein Verfahren nach dem OWiG wurde von der Staatsanwaltschaft Arnsberg gem. § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Vom 21.9.2005 bis zum 14.10.2005 nahm der Kläger wieder eine Beschäftigung bei Fa. T auf.
Mit einer "Erläuterung zum Bewilligungsbescheid" vom 20.10.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld werde gem. § 140 SGB III um 1050.- EUR gemindert. Er sei gem. § 37b SGB III verpflichtet gewesen, sich spätestens am 1.6.2005 arbeitsuchend zu melden. Seine Meldung am 31.8.2005 sei um 91 Tage zu spät erfolgt. Der Leistungsanspruch mindere sich um 35.- EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, begrenzt auf 30 Tage. Die Beklagte behielt 12,81 EUR vom täglichen Leistungssatz ein. Mit Bescheid vom 21.10.2005 bewilligte die Beklagte ab 1.9.2005 Arbeitslosengeld unter Abzug des o.g. täglichen Minderungsbetrages.
Gegen den Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 legte der Kläger am 25.11.2005 Widerspruch ein. Er trug vor, er habe noch nie einen Zeitvertrag gehabt und sei daher davon ausgegangen, dass er sich erst zum Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit melden müsse. Außerdem regele § 37b SGB III für befristete Arbeitsverträge nur den Zeitpunkt der frühesten, nicht der spätesten Meldung. Schließlich habe er mit dem Arbeitgeber über eine Verlängerung der Beschäftigung verhandelt, weshalb der Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht festgestanden habe.
Mit Bescheid vom 6.2.2006 verwarf die Beklagte den Widerspruch als verfristet. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs habe am 24.11.2005 geendet.
Mit der am 2.3.2006 erhobenen Klage hat der Kläger sich gegen die mit dem Erläuterungsschreiben vom 20.10.2005 und dem Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2005 ausgesprochene Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld gewendet. Er hat ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen gemeint, aus dem Umstand, dass der Beklagten die Beschäftigung unbekannt gewesen sei, folge, dass die Pflicht zur frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend nicht gelte. Denn die Beklagte habe ihn weiterhin durchgehend als arbeitsuchend geführt und in ihre Vermittlungsbemühungen einbeziehen müssen. Sinn und Zweck von § 37b SGB III - frühzeitige Entfaltung von Vermittlungsbemühungen - sei daher nicht berührt, weshalb eine Pflicht zu frühzeitigen Meldung nicht bestanden habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.10.2005 und des Schreibens vom 20.10.2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 26.2.2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ohne Abzug eines Minderungsbetrages von 1050.-EUR nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Meinung, der Widerspruch sei verfristet, angesichts der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung im Schreiben vom 20.10.2005 nicht festgehalten. Im Übrigen ist sie der Auffassung des Klägers entgegengetreten. Sie hat gemeint, aus dem Umstand, dass der Kläger es pflichtwidrig unterlassen habe, die Beschäftigungsaufnahme zu melden, könne er keine Vorteile (Absehen von der Minderung) ziehen.
Das Sozialgericht hat den Kläger hinsichtlich der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses vernommen. Mit Urteil vom 23.7.2007 hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, seine Meldeobliegenheit nicht gekannt zu haben, da er das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten habe. Dies enthalte eine ausreichende Belehrung über die Meldeobliegenheit. Diese habe ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger die Beschäftigung pflichtwidrig nicht mitgeteilt hat, bestanden, weil mit Aufnahme der Beschäftigung die Wirkung der vorherigen Arbeitslosmeldung entfallen sei. Schließlich habe der Kläger Kenntnis von dem Zeitpunkt der Beendigung der Beschäftigung gehabt, da dieser sich aus dem befristeten Arbeitsvertrag sicher ergeben habe. Eine verbindliche Weiterbeschäftigungszusage habe der Kläger nicht erhalten.
Gegen diese am 23.8.2007 zugestellte Entscheidung richtete sich die am 20.9.2007 erhobene Berufung des Klägers.
Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor: - Ihm sei die Meldeobliegenheit nicht bekannt gewesen. Das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" habe er lediglich im Hinblick auf den bevorstehenden Bezug von Arbeitslosengeld studiert. Bei Eingehen des befristeten Beschäftigungsverhältnisses habe er keine Erinnerung an einen Hinweis auf die Meldeobliegenheit im Merkblatt gehabt. Dies sei ihm nicht als fahrlässige Unkenntnis anzulasten, weil auch von einem verständigen Leistungsbezieher nicht erwartet werden könne, sämtliche Eventualitäten bereits bei Arbeitslosmeldung im Auge zu behalten. - Die Vorschrift des § 37b SGB III gelte in seinem Fall nicht, da er durchgehend arbeitsuchend gemeldet gewesen sei und ein Festhalten an der Meldeobliegenheit damit sinnlos und bloße Förmelei sei. - Er sei bis zum 31.8.2005 von einer Verlängerung der Beschäftigung ausgegangen und habe daher den Beendigungszeitpunkt nicht gekannt. Die Tatsache, dass er bereits am 21.9. 2005 wieder beim alten Arbeitgeber eingestellt worden sei, belege diesen Umstand.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.7.2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2005 und Abänderung des Bescheides vom 21.10.2005 - beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2006 - zu verurteilen, ungemindert Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, § 37b SGB III sei auch im Falle eines nicht mitgeteilten Beschäftigungsverhältnisses anwendbar. Das Merkblatt für Arbeitslose habe der Kläger zur Kenntnis nehmen müssen. Anhaltspunkte für eine verbindliche Weiterbeschäftigungszusage durch den Arbeitgeber lägen nicht vor.
Auf Anforderung durch den Senat hat die Beklagte das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" - Stand 2004 - übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreites sind das Schreiben vom 20.10.2005 und der Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2006. Das Schreiben vom 20.10.2005 und der Bewilligungsbescheid vom 21.10.2005 bilden zusammen eine rechtliche Einheit im Sinne eines Verwaltungsaktes (BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R).
Der Kläger hat zutreffend als Klageart die Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG gewählt. Eine Beschränkung des Klageantrags allein auf die Anfechtung der Minderung (die rechtlich zulässig wäre, vergl. BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R) ist nicht erfolgt, so dass der Anspruch auf ungeminderte Zahlung von Arbeitslosengeld zu prüfen ist ( BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R).
Die Klage ist nicht etwa allein deswegen unbegründet, weil der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden wäre (§ 77 SGG). Die Beklagte hat den Widerspruch - wie sie selbst nach Klageerhebung zutreffend erkannt hat - zu Unrecht als verfristet verworfen. Das Schreiben vom 20.10.2005, das im Sinne eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) die maßgebliche Regelung zur Anspruchsminderung enthält, ist entgegen § 36 SGB X nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass gem. § 66 Abs. 2 SGG der Widerspruch innerhalb eines Jahres erhoben werden konnte. Diese Frist hat der Kläger eingehalten.
Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten ist § 140 SGB III in der in der Zeit vom 1.1.2005 bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung. Mittlerweile wurde die Vorschrift durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 (BGBl. I S. 3676) ab 31.12.2005 aufgehoben und durch die Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung gem. § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB III ersetzt; gem. Art 6 Abs. 1 dieses Gesetzes ist § 140 SGB III für den vorliegenden Fall aber noch anwendbar. Die Vorschrift wurde mit Wirkung ab 1.7.2003 eingefügt durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607) und basiert in der hier anwendbaren Fassung auf Art. 1 Nr. 72a des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848).
Voraussetzung für eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist gem. § 140 S. 1 SGB III a.F., dass der Arbeitslose sich entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet hat.
§ 37 b SGB III wurde ebenfalls durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung ab 1.7.2003 eingefügt, lediglich redaktionell durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung ab 1.1.2004 geändert ("Agentur für Arbeit" statt "Arbeitsamt"), durch Art. 1 Nr. 2 des Fünften Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze mit Wirkung ab 31.12.2005 neu gefasst und mittlerweile durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917) mit Wirkung ab 1.1.2009 aufgehoben und durch eine Neufassung von § 38 SGB III ersetzt. Für den vorliegenden Fall ist die vom 1.1.2004 bis zum 30.12.2005 geltende Fassung maßgeblich.
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind nach dieser Vorschrift verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen.
Die aus § 37b SGB III a.F. resultierende Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch anwendbar, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld eingegangen wurde und - wie hier - pflichtwidrig der Agentur für Arbeit nicht mitgeteilt wurde. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. § 37b SGB III a.F. knüpft die Meldeobliegenheit an die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses. Vorliegend stand der Kläger als Beschäftigter gem. § 25 Abs. 1 SGB III in einem Versicherungspflichtverhältnis. Der Umstand, dass er sich nicht aus dem Leistungsbezug abgemeldet hat, ändert hieran nichts. Dieses aus dem Wortlaut gewonnen Ergebnis ist nicht etwa wegen Sinn und Zweck der Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion zu korrigieren. Eine derartige Reduktion des Anwendungsbereiches einer Norm kann geboten sein, wenn Gerechtigkeitsgesichtspunkte und die immanente Teleologie einer Norm fordern, Ungleiches ungleich zu behandeln. Eine teleologische Reduktion hat zu unterbleiben, wenn ein vorrangiges Interesse an Rechtssicherheit die strikte Einhaltung eindeutiger Normen verlangt (näher Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 391 ff.). Im vorliegenden Fall ist damit zu prüfen, ob Gerechtigkeitsgesichtspunkte unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 37b SGB III a.F. es gebieten, diese Norm nicht anzuwenden, wenn das Versicherungspflichtverhältnis während des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld eintrat und der Beklagten pflichtwidrig nicht gemeldet wurde und ob umgekehrt ein vorrangiges Interesse an Rechtssicherheit besteht, von einer evtl. einschränkenden Auslegung abzusehen. § 37 b SGB III a.F. hat zum Ziel, die Eingliederung von Arbeitslosen zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer von Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Die Agentur für Arbeit soll noch vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mit der Vermittlungstätigkeit beginnen können (BT-Drucks. 15/25 S. 27). Dieser Normzweck greift in der Tat nicht, wenn die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses der Agentur für Arbeit nicht gemeldet wurde und diese daher ihre aus der ursprünglichen Arbeitslosmeldung resultierende Vermittlungstätigkeit gar nicht eingestellt hat. Insofern könnte eine teleologische Reduktion geboten sein. Gegen eine derartige Reduktion spricht jedoch nach Überzeugung des Senats entscheidend der auch von der Beklagten betonte Gerechtigkeitsgesichtspunkt. Hiermit ist nicht vereinbar, Personen, die pflichtgemäß die Arbeitsaufnahme mitgeteilt haben, schlechter zu behandeln als Personen, die - wie der Kläger - diese Mitteilungspflicht verletzt haben. Insofern steht auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit der teleologischen Reduktion entgegen. Auch systematische Gesichtspunkte sprechen gegen eine derartige Rechtsfortbildung: Die Arbeitslosigkeit umfasst die Arbeitsuche (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Die nach § 122 S. 1 SGB III für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderliche persönliche Arbeitslosmeldung umfasst daher die Mitteilung, Arbeit zu suchen. Gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erlischt die Wirkung der Arbeitslosmeldung - mithin auch die Mitteilung der Arbeitsuche - mit der Aufnahme der Beschäftigung, wenn der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Der Kläger kann sich damit nicht darauf berufen, auch während der Beschäftigung vom 30.5.2005 bis zum 31.8.2005 dauerhaft arbeitsuchend gewesen zu sein.
Geklärt ist die anfangs umstrittene Frage, ob § 37b S. 2 SGB III a.F. auch für befristete Arbeitsverhältnisse den Zeitpunkt der Meldeobliegenheit hinreichend deutlich festlegt (ablehnend zunächst z.B. SG Aachen, Urteil vom 24.9.2008 - S 8 AL 81/04 = SuP 2004, 738). Die als versicherungsrechtliche Obliegenheit ausgestaltete Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung wird auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen durch § 37b SGB III a.F. ausreichend in dem Sinne bestimmt, dass sich der Arbeitnehmer spätestens drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses - hier also am 1.6.2005 - persönlich arbeitsuchend zu melden hat (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = BSGE 95,191; Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R).
Der Arbeitnehmer verletzt seine Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nicht, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist bei der Agentur für Arbeit meldet. Den Betroffenen muss also zumindest ein (einfacher) Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden können, wobei ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab zugrunde zu legen ist (grundlegend BSG, Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R = BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr. 1, BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R). Rechtlicher Ansatzpunkt hierfür ist der Begriff "unverzüglich", der gem. der auch für das öffentliche Recht geltenden Legaldefinition des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB Handeln "ohne schuldhaftes Zögern" erfordert.
Dem Kläger ist vorliegend ein Schuldvorwurf jedenfalls in der Form zu machen, dass er die Meldobliegenheit hätte kennen können: Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass sie im "Merkblatt 1 für Arbeitslose" deutlich und nicht nur mit lediglich formelhafter Wiederholung des Gesetzestextes auf die Meldeobliegenheit hinweist. Derartige Hinweise im Merkblatt sind vom BSG, dem der Senat sich insoweit ausdrücklich anschließt, als ausreichend zur Begründung des subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurfs angesehen worden (BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 44/06 R). Zudem ist erwiesen, dass der Kläger jedenfalls die grundsätzliche Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung kannte, denn im Kündigungsschreiben hatte der Arbeitgeber, bei dem der Kläger vor Eintritt der Arbeitslosigkeit beschäftigt war, auf die Meldeobliegenheit hingewiesen und der Kläger hatte sich in Erfüllung dieser Pflicht bereits am 20.12.2004 (bei Eintritt der Arbeitslosigkeit zum 16.1.2005) arbeitsuchend gemeldet.
Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger aufgrund seines geistigen Leistungsvermögens subjektiv die Kenntnis seiner Meldeobliegenheit verschlossen gewesen sein könnte, sind nicht vorhanden. Der Kläger hat anlässlich seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gezeigt, dass er die rechtliche Problematik durchschaut und in keiner Weise den Eindruck erweckt, nicht in der Lage zu sein, die Meldeobliegenheit und die entsprechenden Hinweise im Merkblatt zu verstehen. Zudem belegt seine frühzeitige Meldung anlässlich der am 16.1.2005 eingetretenen Arbeitslosigkeit, dass er die Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend kannte und in der Lage war, sich hiernach zu richten.
Nach seinem eigenen Vorbringen ist der Kläger schließlich der Meinung gewesen, sein Arbeitgeber habe ihn aus dem Leistungsbezug abgemeldet, so dass er annehmen musste, dass Vermittlungsbemühungen bis zur erneuten Arbeitsuchendmeldung von der Beklagten eingestellt wurden.
Schließlich greift der Einwand nicht durch, dass der Kläger davon ausging, das Beschäftigungsverhältnis werde über den 31.8.2005 hinaus verlängert. Zum einen war dem Kläger aufgrund der eindeutigen Bestimmung im Arbeitsvertrag bewusst, dass es sich lediglich um ein befristetes Beschäftigungsverhältnis handelt. Wenn der Arbeitgeber nach den Einlassungen des Klägers vor dem Sozialgericht gesagt haben sollte, dass der Kläger sich nicht zu melden bräuchte, weil er ihn über die drei Monate hinaus habe weiterbeschäftigen wollen, entlastet dies den Kläger nicht. Denn diese Aussage - sollte sie zutreffend sein - ändert nichts daran, dass die Vertragsparteien rechtsverbindlich nur einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben. Abgesehen davon steht diese Aussage des Klägers im Widerspruch zu seiner Einlassung dahingehend, dass er die Meldeobliegenheit nicht gekannt habe, weshalb der Senat sie nicht für glaubhaft hält. Schließlich ist nach der Rechtsprechung des BSG für die Feststellung des Fahrlässigkeitsvorwurfs unbeachtlich, ob der Betroffene fest mit einer Wiedereinstellung bzw. Weiterbeschäftigung bei seinem Arbeitgeber gerechnet hat (BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R).
Die Beklagte hat den Minderungsbetrag gem. § 140 Abs. 1 S. 2 SGB III a.F. richtig berechnet. Das der Bemessung des geminderten Arbeitslosengeld zugrundeliegende Bemessungsentgelt beträgt 65,14 EUR , so dass sich bei einer Verspätung von 91 Tagen gem. § 140 Abs. 1 S. 3 SGB III a.F. ein Minderungsbetrag i.H.v. 1050.- EUR ergibt. Die Einbehaltung der hälftigen Leistung beruht auf § 140 S. 4 SGB III a.F.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die Frage, ob § 37b SGB III auch für während des Bezugs von Arbeitslosengeld ausgeübte, nicht mitgeteilte Beschäftigungsverhältnisse gilt, zuzulassen. Die Rechtsfrage ist auch unter Geltung der Neufassung von § 38 SGB III noch relevant und bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Rechtskraft
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