Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 11 SO 78/05
Datum
-
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 SO 38/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Aus der rechtlichenSelbständigkeit des Sozialhilfeanspruchs des Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft folgt, dass eine Rücknahme- und Erstattungsregelung wirksam nur gegenüber dem jeweiligen einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfolgen kann.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
Der Kostenantrag gemäß § 193 SGG hat in der Sache Erfolg.
Die durch Beschluss auszusprechende Kostenentscheidung steht im sachgemäßen Ermessen des Gerichts. Hierbei entspricht es der Billigkeit, dass derjenige die Kosten trägt, der, wenn sich das Verfahren anders als durch Urteil erledigt, bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre. Da das Gericht auf der Grundlage der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden hat, kann es daneben jedoch sachgerecht sein, auch auf andere Umstände als auf das Ergebnis des Rechtsstreits abzustellen. Bei Erlass der Kostenentscheidung ist das Gericht grundsätzlich weder gehalten, jeder für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs maßgeblichen Rechtsfrage bis ins Einzelne nachzugehen, noch ist es geboten, den Sachverhalt einzig zur Vorbereitung der Kostenentscheidung weiter aufzuklären.
Unter Anwendung dieser Grundsätze entspricht es vorliegend billigem Ermessen, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen aufzuerlegen, da der Kläger mit seiner Berufung Erfolg gehabt hätte, da sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11.02.2004 in der Fassung des "Änderungsbescheides" vom 15.04.2005, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005, als rechtswidrig erweist. Hierzu im Einzelnen:
Mit den angefochtenen Bescheiden wollte die Beklagte die die dem Kläger, seiner Ehefrau und seinem Sohn (Bedarfsgemeinschaft R ) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz bewilligenden Bescheide vom 04.07.2003, 08.12.2003 und 12.12.2003 nach § 45 SGB X aufheben und nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X vom Kläger die an die Bedarfsgemeinschaft insgesamt erbrachten Leistungen in Höhe von 9748,48 Euro zurückfordern.
Der angefochtene Bescheid vom 11.02.2004 in der Fassung des "Änderungsbescheides" vom 15.04.2005, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005 genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis des §§ 33 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Norm muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. aus seinen Inhalt muss klar hervorgehen, was die Behörde verfügt hat. Ist ein Verwaltungsakt inhaltlich unbestimmt, so erweist er sich als materiell rechtswidrig.
Die angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheide sind inhaltlich unbestimmt und wären daher aufzuheben gewesen.
Der Bescheid vom 11.02.2004 ist deshalb inhaltlich unbestimmt, weil er in seinem Verfügungssatz (Tenor) die Einstellung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zum 01.03.2004, nicht hingegen die Rücknahme der ergangenen Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der gewährten Sozialhilfeleistungen ausspricht. Der unter der Überschrift "Grund der Einstellung" angeführte Satz "Dieser Rückforderungsbescheid ergeht gemäß § 45 i.V.m. § 50 SGB X und § 92 a BSHG" stellt ebenfalls keinen Verfügungssatz dar. Zum einen deshalb, weil er in der Begründung der Einstellungsverfügung angeführt wird; zum anderen, weil er bereits nicht erkennen lässt, welche Bescheide aufgehoben und welche Leistungen zurückgefordert werden sollen.
Dieser Mangel kann auch nicht durch den allein an den Kläger adressierten Bescheid vom 15.04.2005 beseitigt werden, da auch dieser Bescheid dem inhaltlichen Bestimmtheitserfordernis nicht genügt:
Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X kann rechtmäßigerweise nur gegenüber dem Begünstigten erfolgen. Auch für das Erstattungsverhältnis nach § 50 SGB X gilt, dass dieses als Spiegelbild des Leistungsverhältnisses ein sozialrechtliches Leistungsverhältnisses voraussetzt, aus dem der zur Erstattung Herangezogene unmittelbar von der Beklagten etwas erhalten hat. Für die Sozialhilfe gilt, dass als sozialhilfeberechtigt nicht eine Bedarfsgemeinschaft mehrerer sozialhilfebedürftiger Personen anzusehen ist, sondern jedem einzelnen Hilfesuchenden von Gesetzes wegen ein eigener Anspruch auf Hilfe zusteht, auch wenn - wie hier - eine Familie hilfebedürftig ist (vgl. etwa BVerwGE 55, 148). Jedem einzelnen Familienangehörigen steht mithin ein rechtlich selbstständiger individueller Hilfeanspruch zu. Dies hat zur Folge, dass die Rücknahme der Bewilligung jeweils für die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu erfolgen hat.
Der allein an den Kläger adressierte Bescheid vom 15.04.2005 lässt jedoch nicht erkennen, inwieweit sich die Rücknahme der Bewilligungen jeweils auf die Leistungen an diesen, seine Ehefrau oder aber seinem Sohn beziehen soll. Auch ist nicht erkennbar, welcher Erstattungsbetrag jeweils auf den Kläger, seine Ehefrau und seinen Sohn als Einzelpersonen entfallen soll und in welcher Höhe jeder von ihnen im Einzelnen Erstattungsschuldner sein soll. Vielmehr bringt der Bescheid eindeutig zum Ausdruck, dass der Kläger für den gesamten Erstattungsbetrag in Anspruch genommen wird. Eine Rücknahme- und Erstattungsregelung muss jedoch im Hinblick auf die Selbstständigkeit des jeweiligen sozialhilferechtlichen Leistungsanspruchs auch bei einer Bedarfsgemeinschaft im Hinblick auf das jeweilige Mitglied klar regeln, in welcher Höhe die Bewilligung aufgehoben und die Erstattung verlangt wird.
Der Widerspruchsbescheid vom 23.05.2005 beseitigt diesen Mangel inhaltlicher Unbestimmtheit nicht, da er sich mit dieser Frage nicht auseinander setzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Der Kostenantrag gemäß § 193 SGG hat in der Sache Erfolg.
Die durch Beschluss auszusprechende Kostenentscheidung steht im sachgemäßen Ermessen des Gerichts. Hierbei entspricht es der Billigkeit, dass derjenige die Kosten trägt, der, wenn sich das Verfahren anders als durch Urteil erledigt, bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre. Da das Gericht auf der Grundlage der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden hat, kann es daneben jedoch sachgerecht sein, auch auf andere Umstände als auf das Ergebnis des Rechtsstreits abzustellen. Bei Erlass der Kostenentscheidung ist das Gericht grundsätzlich weder gehalten, jeder für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs maßgeblichen Rechtsfrage bis ins Einzelne nachzugehen, noch ist es geboten, den Sachverhalt einzig zur Vorbereitung der Kostenentscheidung weiter aufzuklären.
Unter Anwendung dieser Grundsätze entspricht es vorliegend billigem Ermessen, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen aufzuerlegen, da der Kläger mit seiner Berufung Erfolg gehabt hätte, da sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11.02.2004 in der Fassung des "Änderungsbescheides" vom 15.04.2005, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005, als rechtswidrig erweist. Hierzu im Einzelnen:
Mit den angefochtenen Bescheiden wollte die Beklagte die die dem Kläger, seiner Ehefrau und seinem Sohn (Bedarfsgemeinschaft R ) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz bewilligenden Bescheide vom 04.07.2003, 08.12.2003 und 12.12.2003 nach § 45 SGB X aufheben und nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X vom Kläger die an die Bedarfsgemeinschaft insgesamt erbrachten Leistungen in Höhe von 9748,48 Euro zurückfordern.
Der angefochtene Bescheid vom 11.02.2004 in der Fassung des "Änderungsbescheides" vom 15.04.2005, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005 genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis des §§ 33 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Norm muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. aus seinen Inhalt muss klar hervorgehen, was die Behörde verfügt hat. Ist ein Verwaltungsakt inhaltlich unbestimmt, so erweist er sich als materiell rechtswidrig.
Die angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheide sind inhaltlich unbestimmt und wären daher aufzuheben gewesen.
Der Bescheid vom 11.02.2004 ist deshalb inhaltlich unbestimmt, weil er in seinem Verfügungssatz (Tenor) die Einstellung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zum 01.03.2004, nicht hingegen die Rücknahme der ergangenen Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der gewährten Sozialhilfeleistungen ausspricht. Der unter der Überschrift "Grund der Einstellung" angeführte Satz "Dieser Rückforderungsbescheid ergeht gemäß § 45 i.V.m. § 50 SGB X und § 92 a BSHG" stellt ebenfalls keinen Verfügungssatz dar. Zum einen deshalb, weil er in der Begründung der Einstellungsverfügung angeführt wird; zum anderen, weil er bereits nicht erkennen lässt, welche Bescheide aufgehoben und welche Leistungen zurückgefordert werden sollen.
Dieser Mangel kann auch nicht durch den allein an den Kläger adressierten Bescheid vom 15.04.2005 beseitigt werden, da auch dieser Bescheid dem inhaltlichen Bestimmtheitserfordernis nicht genügt:
Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X kann rechtmäßigerweise nur gegenüber dem Begünstigten erfolgen. Auch für das Erstattungsverhältnis nach § 50 SGB X gilt, dass dieses als Spiegelbild des Leistungsverhältnisses ein sozialrechtliches Leistungsverhältnisses voraussetzt, aus dem der zur Erstattung Herangezogene unmittelbar von der Beklagten etwas erhalten hat. Für die Sozialhilfe gilt, dass als sozialhilfeberechtigt nicht eine Bedarfsgemeinschaft mehrerer sozialhilfebedürftiger Personen anzusehen ist, sondern jedem einzelnen Hilfesuchenden von Gesetzes wegen ein eigener Anspruch auf Hilfe zusteht, auch wenn - wie hier - eine Familie hilfebedürftig ist (vgl. etwa BVerwGE 55, 148). Jedem einzelnen Familienangehörigen steht mithin ein rechtlich selbstständiger individueller Hilfeanspruch zu. Dies hat zur Folge, dass die Rücknahme der Bewilligung jeweils für die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu erfolgen hat.
Der allein an den Kläger adressierte Bescheid vom 15.04.2005 lässt jedoch nicht erkennen, inwieweit sich die Rücknahme der Bewilligungen jeweils auf die Leistungen an diesen, seine Ehefrau oder aber seinem Sohn beziehen soll. Auch ist nicht erkennbar, welcher Erstattungsbetrag jeweils auf den Kläger, seine Ehefrau und seinen Sohn als Einzelpersonen entfallen soll und in welcher Höhe jeder von ihnen im Einzelnen Erstattungsschuldner sein soll. Vielmehr bringt der Bescheid eindeutig zum Ausdruck, dass der Kläger für den gesamten Erstattungsbetrag in Anspruch genommen wird. Eine Rücknahme- und Erstattungsregelung muss jedoch im Hinblick auf die Selbstständigkeit des jeweiligen sozialhilferechtlichen Leistungsanspruchs auch bei einer Bedarfsgemeinschaft im Hinblick auf das jeweilige Mitglied klar regeln, in welcher Höhe die Bewilligung aufgehoben und die Erstattung verlangt wird.
Der Widerspruchsbescheid vom 23.05.2005 beseitigt diesen Mangel inhaltlicher Unbestimmtheit nicht, da er sich mit dieser Frage nicht auseinander setzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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