S 47 SO 1643/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
47
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 1643/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin, die von dem Beklagten bis Ende Januar 2008 Leistungen nach dem dritten Kapi-tel des SGB XII bezog, begehrt, ihr "Leistungen der Grundsicherung ab dem 1. Februar 2008 fortlaufend weiter zu gewähren".

Die im Oktober 1953 geborene Klägerin, die eine Hinterbliebenenrente nach K B bezieht und Eigentümerin einer nicht an Dritte vermieteten Eigentumswohnung in Bad N ist, leidet an Be-schwerden der linken Schulter (insoweit liegt ein MRT-Befund vom 10. Juni 2002 und der Bericht über einen stationären Aufenthalt im A-V-Klinikum vom 4. bis 9. Juli 2002 vor), daneben bestehen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und eine Konversionsneurose mit Panikattacken und Depressionen, ausweislich eines Befundberichtes der Neurologen und Psy-chiaters Dr. H vom 24. Mai 2005 könne die Klägerin nur noch 10 Minuten gehen und wage sich nicht, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. In einem MDK-Gutachten vom November 2005 wird dargelegt, eine Kur sei nicht erforderlich, weil eine ambulante psychotherapeutische Behandlung ausreichend sei. Für das Versorgungsamt legte Dr. D in einer nervenfachärztlichen Stellungnahme vom 17. Januar 2006 dar, angesichts des negativen Einflusses der psychischen Erkrankung (Konversionsneurose, ab Mai 2004 Einzel-GdB 50, woraus sich dann ein Gesamt-GdB von 70 ergab) auf die Wegefähigkeit lägen die Voraussetzungen der Merkzeichen B und G vor. Obwohl in einem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 26. August 2008 die Ansicht vertreten worden war, das Leistungsvermögen der Klägerin sei voraussichtlich länger als 6 Monate auf unter 3 Stunden/Tag herabgesunken, bewilligte ihr das zuständige JobCenter mit Bescheid vom 29. August 2006 Leistungen bis März 2007. Mit Wirkung ab April 2007 wurde die Leistung vom JobCenter aufgehoben (Bescheid vom 16. Februar 2007).

Auf einen Antrag vom März 2007, zu dem eine Befürwortung eines Mehrbedarfs für Kranken-kost von Dr. H vom 8. März 2007 (Diagnosen: Multiple Sklerose und Polyneuropathie) zur Akte gelangte, bewilligte der Beklagte der Klägerin mit "Bescheid über die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem drittem Kapitel des SGB XII" vom 15. März 2007 "vom 1. April 2007 bis auf weiteres, längstens für die Dauer der Hilfebedürftigkeit" Leistungen in Höhe von 466,26 EUR monatlich, wobei die Hilfe als verzinsliches Darlehen gewährt wurde. In dem beigefügten Berechnungsbogen war ebenfalls an zahlreichen Stellen als Zeitraum "vom 1. April 2007 bis auf weiteres" angegeben. Der Bescheid vom 15. März 2007 enthält folgenden Hinweis: "Die Bewilligung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für den vor-genannten Zeitraum bzw. für die Zeit "bis auf weiteres" stellt lediglich die weitere Erbringung von Leistungen bei Fortbestand der Bewilligungsvoraussetzungen in Aus-sicht. Die fortlaufende Zahlung stellt keine rentengleiche Dauerleistung dar; vielmehr ist in der fortlaufenden Zahlung jeweils der Erlass eines neuen Verwaltungsaktes durch nach außen hin erkennbares Handeln zu sehen". Mit Bescheiden vom 5. April 2007 (es wurde zusätzlich der AOK-Beitrag in Höhe von monat-lich 147,95 EUR übernommen) und 18. April 2007 (Berücksichtigung der Ausgaben für Vermie-tung) wurde die Höhe der laufenden Leistung ab April 2007 geändert, so dass nun monatlich 644,26 EUR als Darlehen gezahlt wurden. Weitere Änderungen der laufenden Leistung infolge einer Neuberechnung erfolgten mit Bescheid vom 7. Juni 2007 (Änderung ab Mai 2007) und 9. Oktober 2007 (Neuberechnung ab Juli 2007).

Am 31. Oktober 2007 ersuchte der Beklagte den Rentenversicherungsträger nach § 45 SGB XII. Der Rentenversicherungsträger hatte zuvor mit Bescheid vom 12. April 2007 die Gewäh-rung einer Erwerbsminderungsrente wegen Nichterfüllung der 3/5-Belegung abgelehnt und hierbei das Vorliegen von Erwerbsminderung nicht geprüft. Aus dieser Zeit liegen weiter vor - ein Attest der Internistin Dr. W vom 4. Mai 2007 betreffend eines Schilddrüsenknotens - ein Befundbericht des Orthopäden Dr. B vom 15. Juni 2007, der ein unauffälliges Gangbild beschreibt - ein Befund einer Schilddrüsensonographie vom November 2007 - und ein Befund der Rheumapraxis S vom 13. November 2007, der keinen Hinweis auf eine entzündliche rheumatische Erkrankung ergab, Ursache der Beschwerden sei eine Epicondylitis (sog. Tennisellenbogen) und eine Gonarthrose. Für den ersuchten Rentenversicherungsträger (DRV Berlin-Brandenburg) erstellte Frau Dr. S am 11. Dezember 2007 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, auf das Bezug genommen wird. Die DRV Berlin-Brandenburg teilte nunmehr am 15. Januar 2008 dem Beklagten mit, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII nicht, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Nunmehr erließ der Beklagte die beiden im vorliegenden Gerichtsverfahren streitgegenständli-chen Bescheide vom 21. Januar 2008: - In dem ersten Bescheid stellte er die bisher nach den Bestimmungen des dritten Kapi-tels des SGB XII gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt mit Wirkung ab dem 1. Februar 2008 ein und wies zur Begründung daraufhin, er sei an das Gutachten des Rentenversi-cherungsträgers gebunden, nach diesem erfülle die Klägerin die medizinischen Voraus-setzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. In diesem Bescheid wurde die sofortige Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet. - Mit dem zweiten Bescheid gleichen Datums lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII (Grundsicherung bei Erwerbsminderung) mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht leistungsberechtigt sei, weil sie nicht unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert sei.

Mit Widerspruch vom 12. Februar 2008 macht die Klägerin geltend, ihr sei die Beurteilung der Rentenversicherung nicht nachvollziehbar. Ohne Schmerzen könne sie keine langen Wege aushalten, weite Strecken seien nur mit Begleitperson oder Taxi möglich. Die Klägerin bezog ab Februar 2008 wieder Leistungen vom JobCenter. Für den Rentenversicherungsträger nahm die Nervenärztin W am 21. Februar 2008 dahinge-hend Stellung, es verbleibe bei der Leistungseinschätzung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2008 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Versagung der weiteren Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt mit Wirkung ab dem 1. Februar 2008 sei rechtmäßig. Der Rentenversicherungsträger habe, für den Beklagten bindend, festgestellt, dass bei der Klägerin eine volle Erwerbsminderung nicht vor-liege. Daher erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) nicht. Da sie dem Grunde nach gemäß dem SGB II leistungsberechtigt sei, seien nach § 21 SGB XII Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen.

Die Klägerin hat am 19. Juni 2008 Klage beim Urkundsbeamten des Sozialgerichtes Berlin erhoben. Sie könne keine drei Stunden täglich arbeiten und könne wegen Angst/Panik manch-mal nicht das Haus verlassen. Sie überreicht einen Befund der C vom 12. Juni 2008 über eine Verbesserung des Tennisellenbogens nach durchgeführter Röntgentiefentherapie und einen Befund einer Protoskopie vom 17. Juni 2008 (Hämorrhoiden I. Grades).

Für die Klägerin ist in der Rechtantragsstelle der Antrag aufgenommen worden, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2008 zu verurteilen, Leistungen der Grundsicherung ab dem 1. Februar 2008 fortlaufend weiter zu gewähren

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit ausführlichem richterlichem Schreiben vom 28. August 2008, auf das Bezug genommen wird, wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid ange-hört.

Der Beklagte hat Bedenken geäußert, ob die Voraussetzungen eines Gerichtsbescheides vorlie-gen würden, weil bei der Frage des Dauerverwaltungsaktes von einer jahrzehntelangen Recht-sprechung des Bundesverwaltungsgerichtes abgewichen werde, wonach es sich nicht um ren-tengleiche Dauerleistungen handle. Der Bescheid habe auch den Hinweis enthalten, es handle sich um keine rentengleiche Dauerleistung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Be-scheid vom 21. Januar 2008 sei irrtümlich erfolgt und könne zur Auslegung des Ausgangsbe-scheides nicht herangezogen werden. Es dürfte gerichtsbekannt sein, dass dem Beklagten nicht daran gelegen sei, dass seine Bescheide nach dem dritten Kapitel als Dauerverwaltungsakte verstanden würden. Die Klägerin hat geltend gemacht, das Gutachten von Frau Dr. S sei nicht ganz richtig, sie nut-ze öffentliche Verkehrsmittel nicht allein, außer zum Üben oder wenn sie zum Arzt müsse. Derzeit entrichte das JobCenter für sie Pflichtbeiträge, so dass künftig die 3/5-Belegung erfüllt werden könne. Die Klägerin überreicht ein Attest des Neurologen M vom 17. September 2008, der angibt, die Klägerin benötige infolge der Erkrankung an MS eine Gehhilfe und könne keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Sie benötige zudem eine ständige Begleitperson und sei krankheitsbe-dingt nur noch in der Lage, drei Stunden täglich zu arbeiten. Der Arzt für Psychiatrie K, der ab April 2008 die psychiatrische Behandlung übernommen hat, hat angegeben, die Klägerin sei nicht dauerhaft in der Lage, ihre Wohnung alleine zu verlassen oder drei Stunden täglich zu arbeiten, aus seiner Sicht sei sie erwerbsunfähig.

Seitens des Gerichtes wurde am 25. September 2008 mitgeteilt, dass keine Veranlassung für weitere medizinische Ermittlungen gesehen und weiter eine Entscheidung mit Gerichtsbe-scheid beabsichtigt sei.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die Klage kann gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschie-den werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten weist die Frage, ob eine Bewilligung "bis auf Weiteres" grundsätzlich einen Dauerverwaltungsakt auslösen kann, keine rechtliche Schwierigkeit mehr auf, weil nicht nur mehr als drei Jahre seit der Ent-scheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 27. Januar 2006 (L 15 B 1105/05 SO ER) verstri-chen sind, in denen die dort entwickelten Grundsätze (soweit ersichtlich) einheitlich von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung in Berlin übernommen worden sind, sondern zudem hierzu zwischenzeitig auch höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen: - Im Urteil vom 8. Februar 2007 (B 9b AY 1/06 R, dort RN 12) macht das BSG darauf aufmerksam, dass die Behörde nicht gehindert sei, den Sozialhilfefall für einen länge-ren Zeitraum zu regeln. Entscheidend sei stets der Inhalt des Bescheides, der durch Auslegung zu ermitteln sei. - Die Bewilligung "bis auf weiteres" kann einen Dauerverwaltungsakt zur Folge haben (BSG Urteil vom 8. Februar 2007, B 9 b AY 2/06 R, RN 27), denn die Regelung "bis auf weiteres" entfaltet Wirkung, bis sie aufgehoben oder abgeändert wird (BSG Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 23/06 R). Die Auslegung im vorliegenden Einzelfall bereitet ebenfalls keine besonderen Schwierigkeiten, zumal das Gericht bereits in der Gerichtsbescheidsanhörung auf den bei der Auslegung zu be-rücksichtigenden und letztlich entscheidenden Bescheidzusatz, dass die fortlaufende Zahlung keine rentenrechtliche Dauerleistung, sondern jeweils ein neuer Verwaltungsakt sei, hingewie-sen hatte.

Die Beteiligten sind vorher vom Gericht zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbe-scheid angehört worden. 2.) Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.

Das Gericht geht bei Auslegung zunächst davon aus, dass mit dem Widerspruchsbescheid über den Widerspruch gegen die beiden Bescheide vom 21. Januar 2008 entschieden wurde (finden sich doch beide Bescheide betreffend inhaltliche Ausführungen im Widerspruchsbescheid) und dass damit für beide Bescheide das Vorverfahren durchgeführt ist. Das Gericht legt zudem den Klageantrag der Klägerin dahingehend aus, dass sie auch beide Bescheide angefochten hat. Warum der Urkundsbeamte des Sozialgerichtes (der kein Jurist ist) den Antrag insoweit nicht klarer formuliert hat, ist nicht ersichtlich (möglicherweise hatte die Klägerin die beiden Aus-gangsbescheide nicht dabei, auch der Widerspruchsbescheid entscheidet vermeintlich nur über einen Bescheid vom 21. Januar 2008), aber auch nicht entscheidungserheblich, weil das tat-sächliche Begehren der Klägerin bei Auslegung des Klageantrages zu ermitteln ist. Das tat-sächliche Begehren geht ersichtlich dahin, Leistungen nach dem 4. Kapitel, hilfsweise nach dem 3. Kapitel des SGB XII zu erhalten.

3.) Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Ka-pitel des SGB XII noch auf Weiterzahlung der Leistungen nach dem dritten Kapitel über Janu-ar 2008 hinaus, die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

a) Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, weil sie nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert ist.

Soweit Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII beantragt und abgelehnt sind, stellt sich zunächst die Frage des Vorliegens eines Dauerverwaltungsaktes nicht, weil der Beklagte in der Vergangenheit das 4. Kapitel betreffend keinen Bewilligungsbescheid (und damit erst Recht keine Bewilligung auf Dauer) erlassen hat.

Der begehrte Anspruch setzt nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII voraus, dass die Klägerin das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und dass es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbs-minderung behoben werden kann. Zwar hat die Klägerin das 18. Lebensjahr vollendet, sie ist jedoch nicht voll erwerbsgemindert. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Es kommt damit nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes zunächst einzig darauf an, ob das quantitative Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich gesunken ist. Bei einem quantitativen Leistungsvermögen von 3 Stunden/Tag kann nur dann ausnahmsweise eine volle Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI angenommen werden, wenn dieses Leistungs-vermögen nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erbracht werden kann, z.B. weil die Wegefähigkeit eingeschränkt ist.

Die Klägerin hat den ihr obliegende Nachweis, dass sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes weniger als 3 Stunden/Tag arbeiten kann und dass es sich insoweit um einen Dauerzustand handelt, nicht erbracht.

Die Klägerin kann zur Überzeugung des Gerichts unter den üblichen Bedingungen des allge-meinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein und ist daher nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens verfügt die Klägerin noch über ein quantitatives Leistungsvermögen von täglich sechs Stunden. Das Gericht stützt sich bei seiner Entscheidung in erster Linie auf das Sachverständigengutachten von Frau Dr. S, der bezüglich der Erkran-kungen der Klägerin und der Beurteilung des Leistungsvermögens gefolgt wird. Dieses Gut-achten hat schon deswegen eine hohe Überzeugung, weil der Gutachterin zahlreiche Vorgut-achten (für das nervenärztliche Fachgebiet Dr. C von Mai 1985, Dr. B von November 1986, Herr R von September 1988, Prof. G von Mai 1991, Dr. Sch von August 1995) vorlagen, an-hand derer sie eine Verlaufsbeobachtung vornehmen konnte, was besonders deshalb von Be-deutung ist, weil die Klägerin nach eigener Einschätzung seit dem 25. Lebensjahr an MS leidet. Die Gutachterin hat sorgfältig und nachvollziehbar begründet, warum bei der Klägerin die Di-agnosen einer Dysthymie auf dem Boden einer neurotischen Fehlentwicklung, einer Ago-raphobie mit Panikattacken leichter Ausprägung sowie eine somatoforme Schmerzstörung leichter Ausprägung zu erheben sind. Eine depressive Symptomatik oder hirnorganische Defi-zite waren nicht festzustellen. Die Gutachterin macht anschaulich darauf aufmerksam, dass die Klägerin diverse freundschaftliche Kontakte aufrechterhält, gemeinsame Unternehmungen macht und ihren Interessen nachgeht. Hier ist es schlüssig, ein quantitativ uneingeschränktes Leistungsvermögen anzunehmen. Das Gericht folgt daher dem Gutachten und sieht auch an-hand der sonstigen Befundlage keinen Anlass, an den darin getroffenen Feststellungen und Schlussfolgerungen zu zweifeln. Soweit dagegen die behandelnden Ärzte die Klägerin in ihrem Begehren unterstützen, stimmen die Atteste des Neurologen Herrn M vom 17. September 2008 und des Arztes für Psychiatrie K vom 16. September 2008 nicht mit dem vorstehend geschilderten tatsächlichen Gegebenheiten überein: Weder hat die Klägerin bei der Begutachtung eine Gehhilfe verwendet noch über das Erfordernis einer ständigen Begleitperson berichtet. Vielmehr hat sie angegeben, ab dem Frühstück den Vormittag in der Stadt zu verbringen, und zwar offenkundig ohne ständige Be-gleitperson. Auch nutzt die Klägerin öffentliche Verkehrsmittel. Nach alledem hat die Klägerin entweder gegenüber ihren Ärzten keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht oder aber diese haben sog. Gefälligkeitsatteste ausgestellt, in beiden Fällen veranlassen die Atteste jedenfalls das Gericht nicht zu weiteren Ermittlungen.

Die Klägerin ist nach dem auch insoweit überzeugenden Gutachten auch nicht wegeunfähig. Zwar meidet sie nach eigener Angabe die U-Bahn und verfügt über keine Fahrerlaubnis. Ande-rerseits ist sie (Gutachten Frau Dr. S Seite 5) nach dem Frühstück meist bis mittags unterwegs, um Einkäufe und Arztbesuche zu erledigen. Sie trifft sich mit einer Bekannten zum Frühstü-cken in der Stadt und besucht auch gerne Einkaufscenter (Seite 7). Einmal pro Woche geht sie zum Gerätetraining ins Fitnesscenter, zweimal pro Woche zur Krankengymnastik. Den Weg zum Beklagten bewältigt sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Seite 8). Für keinen der vorge-nannten Wege wird eine Begleitperson angegeben. Zur Begutachtung bei Frau Dr. S erschien die Klägerin allein mit einem Taxi und gab an, auch sonst allein öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen (Seite 9). Nach alledem bietet sich das Bild einer Klägerin, die ohne größere Probleme und ohne Beglei-tung an zahlreichen sozialen Aktivitäten außerhalb ihrer Wohnung teilnimmt, in ihrer Alltags-gestaltung nicht wesentlich beeinträchtigt ist und offensichtlich nicht wegeunfähig ist. Für eine Wegeunfähigkeit spricht schließlich auch nicht das Merkzeichen B, weil dieses nach dem von Frau Dr. S erhobenen Befund offensichtlich zu Unrecht vergeben worden ist.

b) Die Klägerin hat über Januar 2008 hinaus auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem dritten Kapitel des SGB XII. Bei dem zur Überzeugung des Gerichtes vorliegenden Leistungsvermögen von mehr als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist die Klägerin erwerbsfähig nach § 8 Abs. 1 SGB II und damit dem Grunde nach gemäß dem SGB II leistungsberechtigt. In diesem Fall besteht nach § 21 SGB XII kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus formellen Gründen: Insoweit war zu entscheiden, ob der Bescheid vom 15. März 2007 ein Dauerverwaltungsakt ist und falls ja, ob dieser wirksam aufgehoben/zurückgenommen worden ist. Der Beklagte hat in diesem Bescheid ausdrücklich ausgeführt, für die "Dauer der Hilfebedürftigkeit" Leistungen "bis auf weiteres" erbringen zu wollen. Dies für sich allein genommen spricht zunächst für einen Dauerverwaltungsakt. Aller-dings ist bei der vom Gericht vorzunehmenden Auslegung (orientiert am Empfängerhorizont) die nachfolgende Erklärung in dem Bescheid entscheidend, dass die fortlaufende Zahlung kei-ne rentenrechtliche Dauerleistung sei, sondern jeweils ein neuer Verwaltungsakt. Die Erklä-rung lautet wörtlich: "Die Bewilligung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für den vor-genannten Zeitraum bzw. für die Zeit "bis auf weiteres" stellt lediglich die weitere Erbringung von Leistungen bei Fortbestand der Bewilligungsvoraussetzungen in Aus-sicht. Die fortlaufende Zahlung stellt keine rentengleiche Dauerleistung dar; vielmehr ist in der fortlaufenden Zahlung jeweils der Erlass eines neuen Verwaltungsaktes durch nach außen hin erkennbares Handeln zu sehen". Diese Erklärung genügt, damit auch bei Auslegung aus dem Empfängerhorizont (und nur hier-auf kommt es an, unerheblich ist dagegen z.B. die Frage, ob dem Beklagten daran gelegen ist, Dauerverwaltungsakte zu erlassen und was insoweit gerichtsbekannt ist) von der Annahme eines Dauerverwaltungsakts abzusehen. Das Gericht folgt insoweit dem Urteil des BSG vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R, RN 11): Danach bewirkt in einem Bescheid, der "Leistungen ab dem " gewährt, der Bescheidzusatz "Werden aufgrund gleich gebliebener Verhältnisse Leistungen für künftige Zeiträume durch Überweisung bewilligt, entsprechen die Berechnung und Festsetzung der Einzelansprüche denen des vorliegenden Bescheides", dass es sich bei Auslegung nicht um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Auch im vorliegenden Fall musste ein verständiger Empfänger des Bescheides vom 15. März 2007 diesen im Lichte der vorstehend wörtlich wiedergegebenen Erklärung dahingehend ver-stehen, dass der objektive Regelungsgehalt auf den Monat April 2007 beschränkt ist und dass die Bewilligung in den Folgemonaten nicht schriftlich, sondern nach § 33 Abs. 2 SGB X kon-kludent durch Überweisung erfolgen wird. In diesem Fall liegt dann kein Dauerverwaltungsakt vor.

Unerheblich ist dagegen, ob der Beklagte selber von einem Dauerverwaltungsakt ausgegangen ist, worauf der Umstand hindeuten könnte, dass er in dem Einstellungsbescheid vom 21. Januar 2008 dessen sofortige Vollziehung anordnet. Selbst wenn diese Anordnung nicht "irrtümlich" geschehen sein sollte, sondern der Bescheidverfasser das Vorliegen eines Dauerverwaltungsak-tes annahm, ist jedenfalls nicht seine Einschätzung, sondern die eines objektiven Bescheidemp-fängers entscheidend.

Nach alledem brauchte mangels Vorliegen eines Dauerverwaltungsaktes im vorliegenden Fall nicht mehr gerichtlich entschieden zu werden, ob der Einstellungsbescheid vom 21. Januar 2008 den formalen Erfordernissen der §§ 45, 48 SGB X genügt: Es hätte sich insoweit (hätte ein Dauerverwaltungsakt vorgelegen) um eine Aufhebung/Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft gehandelt, wobei die "Einstellung" nach dem BSG-Urteil vom 17. Juni 2008 (B 8 AY 9/07 R, RN 12) bei Auslegung eine Aufhebung eines Dauerverwaltungsaktes sein kann, es an-dererseits vorliegend aber an der Anhörung (§ 24 SGB X) gefehlt haben könnte.

Die Klage war somit abzuweisen.

Abschließend macht das Gericht die Klägerin darauf aufmerksam, dass sie derzeit, solange sie Leistungen des JobCenters bezieht, hierfür grundsätzlich nach § 3 Nr. 3 a SGB VI Pflichtbei-tragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirbt (anders aber, wenn das JobCenter die Leistung nur darlehensweise erbringt, z.B. wegen der Eigentumswohnung). Derartige Pflichtbeitragszeiten würden künftig nur dann zur Erfüllung der sog. 3/5-Belegung für einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente (§ 43 SGB VI) führen, wenn der sog. Leistungsfall zeitlich erst zu einem Zeitpunkt eintreten würde, zu dem die Klägerin in den fünf Jahren zuvor 36 Monate Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt des Leistungsfalls erworben hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Absatz 1 Satz 3 i.V.m. § 193 SGG und orientiert sich am Ergebnis der Hauptsache, da Anhaltspunkte für eine abweichende Kostenentscheidung nicht ersichtlich waren.
Rechtskraft
Aus
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