L 1 AS 31/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 17 AS 4/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 31/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.07.2008 werden zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Lebensunterhalt der Kläger über den 30. Juni 2007 hinaus sichern muss.

Die Kläger zu 1) und 2) stammen aus Afghanistan, sind verheiratet, deutsche Staatsangehörige und die Eltern der Kläger zu 3) bis 5). Die Schwester der Klägerin zu 2), Frau I Q G, lebt in Kabul, arbeitet dort überwiegend als Journalistin für einen Privatsender und eröffnete am 26. Juli 2004 in der Bundesrepublik Deutschland ein Konto bei der E Bank in C. Für dieses Konto hat sie dem Kläger zu 1) Vollmacht erteilt.

Zur Altersvorsorge schlossen der Kläger zu 1) eine Lebensversicherung (Rückkaufwert am 01. März 2006: 16.364,67 EUR) und die Klägerin zu 2) eine fondsgebundene Rentenversicherung (Rückkaufwert am 01. Februar 2006: 417,36 EUR) bei der E1-X ab. Zudem unterhielten sie ein gemeinsames Wertpapierdepot bei der E2 Investment GmbH. Über dieses Depot kauften sie zu verschiedenen Zeitpunkten Fondsanteile von 3 Investmentfonds für insgesamt 85.797,06 EUR. Außerdem erwarben beide über ihr gemeinsames "B Depot" Investmentfondsanteile des "B Great-Selection100" (Wert am 31. Dezember 1995: 18.638,47 EUR). Als wirtschaftlich Berechtigter iSd Geldwäschegesetzes fungierte jeweils der Kläger zu 1).

Gleichwohl beantragten die Kläger ab Ende 2004 wiederholt Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld und gaben jeweils an, über kein Vermögen zu verfügen. Die Beklagte gewährte ihnen ab dem 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2007 Grundsicherungsleistungen (Bescheide vom 02. Dezember 2004, 08. Juni und 01. Dezember 2005, 30. Juni 2006 und 04. Januar 2007). Nach einem Datenabgleich mit dem Bundesamt der Finanzen erfuhr die Beklagte Anfang 2006 dass die Kläger folgende Wertpapierdepots unterhielten: 1. Depot B am 31.12.2005 mit einem Wert von 18.638,47 EUR 2. Depot E2 Investment am 31.12.2005 mit einem Wert 54.775,67 EUR

Hierzu gab der Kläger zu 1) an, sämtliche Vermögenswerte stünden "im wirtschaftlichen Eigentum" seiner Schwägerin I Q G, die in Afghanistan kein Geld anlegen könne. Deshalb habe sie ihm und der Klägerin zu 2) verschiedene Geldbeträge "zum Zwecke der Anlage in Deutschland" zukommen lassen. Im September 2006 löste er beide Depots auf und überwies auf das Konto der Schwägerin bei der E Bank in C 18.500,00 EUR und 53.000,00 EUR.

Wegen fehlender Hilfebedürftigkeit lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 31. Mai 2007 ab, den Klägern über den 30. Juni 2007 hinaus Grundsicherungsleistungen zu gewähren, weil ihr verwertbares Vermögen i.H.v. 89.778,90 EUR die Freibeträge (20.750,00 EUR) um 69.028,90 EUR übersteige. Dagegen erhoben die Kläger am 12. Juni 2007 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07. Dezember 2007 zurückwies.

Hiergegen haben die Kläger am 07. Januar 2008 vor dem Sozialgericht (SG) Köln geklagt und vorgetragen, es seien keine Vermögenswerte (mehr) vorhanden, die einer Leistungsbewilligung entgegenstünden. Denn die Investmentfondsanteile seien zwischenzeitlich an die Schwägerin zurückübertragen worden.

Die Kläger haben beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2007 zu verurteilen, ihnen über den 30. Juni 2007 hinaus Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 30. Juli 2008 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Kläger könnten keine Grundsicherungsleistungen über den 30. Juni 2007 hinaus beanspruchen, weil das verwertbare Vermögen der Bedarfsgemeinschaft die Freibeträge um 69.028,90 EUR übersteige. Soweit die Kläger zu 1) und 2) am 20. September 2006 insgesamt 71.500,00 EUR auf das Konto ihrer Schwägerin/Schwester bei der E Bank überwiesen hätten, sei dies als "Versuch der Verdunklung des Sachverhaltes" zu werten. Denn sie hätten weiterhin Zugriff auf dieses Konto gehabt, wie aus ihren inkonstanten Angaben zum Vorliegen einer Kontovollmacht zu schließen sei. Die angebliche Treuhandvereinbarung mit der Schwägerin habe nie existiert und sei als bloße Schutzbehauptung zu klassifizieren.

Nach Zustellung am 20. August 2008 haben die Kläger am 19. September 2008 Berufung eingelegt und nochmals darauf hingewiesen, dass sie mittellos und deshalb hilfebedürftig seien. Herkunft, Zahlungsströme und Verbleib der Geldbeträge, die nach Deutschland transferiert worden seien, könne niemand lückenlos belegen. Wer wem an welchen Tagen welche DM-Beträge übergeben habe, sei nicht mehr nachvollziehbar. Die unbekannten Kontaktpersonen seien Vertraute der Schwägerin gewesen. Sicher sei nur, dass er über das Fondsvermögen "keinerlei Verfügungsbefugnis" gehabt und das Vermögen der Schwägerin lediglich als Treuhänder verwaltet habe. Das Treugut sei durch die strenge soziale Kontrolle der Familiensippe gesichert.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30. Juli 2008 zu ändern, den Bescheid vom 31. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen über den 30. Juni 2007 hinaus Grundsicherungsleistungen zu zahlen.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Az.: 000) sowie auf die Gerichtsakte aus dem Parallelverfahren (L 1 AS 30/08) verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid vom 31. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Dezember 2007 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) rechtmäßig ist und die Kläger nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn sie haben keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen (Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld) über den 30. Juni 2007 hinaus, weil sie aufgrund der verwertbaren Lebensversicherungen und des Fondsvermögens nicht hilfebedürftig waren.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) erhalten (Grundsicherungs-)Leistungen nur erwerbsfähige Personen, die hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen, sichern kann. Als Vermögen sind dabei alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Im Juli 2007 verfügten die Kläger über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von 16.364,67 EUR (Stichtag: 01.03.2006) sowie über Bankguthaben i.H.v. 71.5000,00 EUR, das auf dem Konto der Frau I Q G bei der E Bank in C verbucht war. Zieht man hiervon einen den Freibetrag von 20.750,00 EUR ab (vgl. dazu die zutreffende Berechnung im Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2007), so standen den Klägern mindestens 67.114,67 EUR zur Verfügung, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Bei dem Buchgeld auf dem Konto der Schwägerin handelte es sich für die Kläger um "bereite Mittel". Denn der Kläger zu 1) besaß Vollmacht für das Konto seiner Schwägerin, wie er mit Schriftsatz vom 11. April 2008 bekräftigt hat. Mit Hilfe dieser Vollmacht konnte er im maßgeblichen Zeitraum (ab 01. Juli 2007) seinen Bereicherungsanspruch realisieren, den er gem. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegenüber seiner Schwägerin am 20. September 2006 erworben hatte: Denn an diesem Tag hatte er ihr 71.500,00 EUR überwiesen und ihr damit einen Anspruch auf Auszahlung des Buchgeldes gegen die E Bank verschafft. Da dies "ohne Rechtsgrund" geschah, ist ihm die Schwägerin gem. §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1.Fall, 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet.

Die Überweisung erfolgte rechtsgrundlos, weil der angebliche schuldrechtliche Herausgabeanspruch der Schwägerin aus dem vermeintlichen Treuhandvertrag nicht existierte: Die Depotguthaben bei der E Bank und der D i.H.v. 73.414,23 EUR (per 31. Dezember 2005) waren nämlich nicht Gegenstand von Treuhandvereinbarungen zwischen den Klägern zu 1) und 2) sowie ihrer Schwägerin/Schwester. Beim Treuhandvertrag überträgt der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte, beschränkt aber die sich daraus im Außenverhältnis ergebende Rechtsmacht im Innenverhältnis (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 25. Januar 2006, Az.: B 12 KR 30/04 R und vom 24. Mai 2006, Az.: B 11a AL 49/05 R). Folglich erwirbt der Treuhänder im Rahmen der Treuhandabrede ein Vermögensrecht hinzu, das aber mit einer schuldrechtlichen (Herausgabe-)Pflicht belastet ist. Wegen der Manipulationsmöglichkeiten und Missbrauchsgefahren, die mit verdeckten Treuhandverhältnissen typischerweise verbunden sind, ist bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis tatsächlich besteht, ein strenger Maßstab anzulegen; das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse muss eindeutig erkennbar sein. (Depot-) Guthaben ist somit als Treugut anzusehen, das nicht zum Vermögen des Kontoinhabers gehört, wenn a) Treugeber und Treuhänder - bezogen auf das jeweilige Treugut - nachweislich einen Treuhandvertrag geschlossen haben, b) die Beweggründe für die Treuhandkonstruktion nachvollziehbar sind, c) das Treugut nachweislich vom Treugeber stammt und d) etwaige Transaktionen, Zahlungsströme, Kontobewegungen u.ä. lückenlos belegbar sind. e) Treuhandverhältnisse unter nahen Angehörigen sind nur anzuerkennen, wenn der Treuhandvertrag und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten dem entsprechen, was zwischen fremden Dritten üblich ist (vgl. BSG, Urteile vom 24. Mai 2006, B 11 a AL 7/05 R, SozR 4-4220 § 6 Nr. 4, vom 13. September 2006, B 11 a AL 13/06 R jeweils zum Arbeitslosenhilferecht).

zu a) Der Kläger zu 1) trägt vor, seine Schwägerin habe ihm aus Afghanistan - über Mittelsmänner - Bargeld zur Geldanlage in Deutschland geschickt. Damit will er, was die rechtliche Einordnung angeht, ganz offensichtlich behaupten, dass ihm die Schwägerin die Banknoten "zu treuen Händen" übereignet habe. Mit dem Hinweis, dass die Banknoten "zur Geldanlage" in Deutschland bestimmt gewesen seien, will er offenbar verdeutlichen, dass ihn die Schwägerin treuhänderisch gebunden hatte. Die Schwägerin gibt in ihrer Erklärung vom 17. Oktober 2007 an, dass sie die Kläger zu 1) und 2) "gebeten habe, mein Geld für mich zu sparen/zu verwahren". Auch dies deutet darauf hin, dass den Eheleuten das Geld "zu treuen Händen" übertragen werden sollte. Dabei sollten die Banknoten offenbar nicht - etwa in einem Tresor - "verwahrt", sondern bei einem Kreditinstitut angelegt (gespart) werden. Unterstellt man diese - insofern übereinstimmenden - Angaben als wahr, dann hätten die Kläger zu 1) und 2) mit ihrer Schwägerin bzw. Schwester - zumindest konkludent und damit formlos mündlich - einen Treuhandvertrag geschlossen. Rechtlich war dies möglich, weil das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das hier nach Art. 11 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum BGB anwendbar ist, für Treuhandverträge kein Schriftformerfordernis vorsieht.

zu b) Die Beweggründe für die Treuhandkonstruktion sind nachvollziehbar, soweit vorgetragen wird, dass die Schwägerin Bargeld von über 140.000 DM während des Bürgerkriegs und nach der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan nicht sicher wähnte. Allerdings ist dieses Motiv für die Treuhandabrede spätestens entfallen, als sie während ihres Deutschlandbesuchs am 26. Juli 2004 ein eigenes Konto auf ihren Namen bei der E Bank in C eröffnete. Nach der Kontoeröffnung gab es für die Treuhandkonstruktion keinen vernünftigen Grund mehr, weil sie ihr Geld nunmehr auf einem eigenen Konto in der Bundesrepublik Deutschland sicher anlegen konnte. Dies lässt erhebliche Zweifel an den Ausführungen der Kläger aufkommen, zumal auf sie die steuer- und sozialrechtlichen Folgen der verdeckten Treuhandkonstruktion zuliefen.

zu c) Dass die Geldbeträge wirklich von der Schwägerin stammten, können weder sie noch die Kläger belegen, weil sie bei den vermeintlichen Geldübergaben angeblich keinen direkten Kontakt hatten. Wer die Mittelmänner und -frauen waren, bleibt dunkel. Auch dies lässt erhebliche Zweifel an den Behauptungen der Kläger aufkommen.

zu d) Der Kläger zu 1) hat selbst angegeben, dass er nicht belegen könne, welche Geldbeträge er wann von wem in welcher Höhe und an welchem Ort erhalten hat. Zahlungsströme und Kontobewegungen (wo sind welche Geldbeträge wann eingezahlt, angelegt, umgebucht, abgehoben worden?) könne er nicht mehr lückenlos belegen, weil er "einen Teil der Unterlagen nicht mehr" besitze. Sind Vorgänge nicht mehr aufklärbar, die in der Sphäre des Arbeitslosen wurzeln, so geht dies zu seinen Lasten (BSG, Urteil vom 21. März 2007, Az.: B 11a AL 21/06 R, info also 2007 S. 166).

zu e) Der Treuhandvertrag und seine tatsächliche Durchführung entsprechen keinesfalls in allen wesentlichen Punkten dem, was zwischen fremden Dritten üblich ist. Denn es wäre unter Fremden undenkbar, dass ein Treugeber einem (fremden) Treuhänder über 71.500,00 EUR zuwendet, ohne sich die Übergabe quittieren zu lassen und ohne seinen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch in einer Urkunde schriftlich (und damit im Streitfall beweiskräftig) zu verbriefen. Bei einer derartigen Summe, die das durchschnittliche Bruttojahresentgelt aller Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung um mehr als das Doppelte übersteigt, werden fremde Dritte "üblicherweise", d.h. im Grunde ausnahmslos, zumindest einen schriftlichen Treuhandvertrag schließen. Darin wird der Treugeber seinen Herausgabeanspruch fixieren und auch dokumentieren wollen, dass er das Treugut bei Tod oder Insolvenz des Treuhänders ebenso wenig verliert wie im Falle der Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Treuhänders. Auf der anderen Seite wird der Treuhänder regeln wollen, ob und ggf. in welcher Höhe er bei Verlust des Treuguts haftet, ob er für seine Bemühungen (und sein evtl. Haftungsrisiko) ein Entgelt oder eine Aufwandsentschädigung erhält, in welcher Form das Treugut anzulegen und wie mit dessen Früchten (z.B. Zinsen) steuer- und sozialrechtlich umzugehen ist. Keinesfalls verlassen sich fremde Dritte "auf den erhöhten Druck" und die soziale Kontrolle irgendeiner Familiensippe, die Fehlverhalten mit Sanktionen belegt, "die von der hiesigen Rechtsordnung nicht gedeckt und dieser nicht geläufig" sind.

Allein mit diesem Vortrag im Berufungsverfahren wird überdeutlich, dass der Treuhandvertrag und seine tatsächliche Durchführung nicht in allen wesentlichen Punkten dem entsprechen, was zwischen fremden Dritten üblich ist. Da zudem zweifelhaft ist, ob das Treugut wirklich von der Treugeberin stammt, die einzelnen Transaktionen, Zahlungsströme, Kontobewegungen u.ä. nicht mehr lückenlos belegbar sind und die Beweggründe für die Treuhandkonstruktion zwischenzeitlich entfallen waren, ohne dass es zeitgleich zur Beendigung des Treuhandverhältnisses gekommen ist, kann die behauptete Treuhandabrede - selbst bei Anlegung eines weniger strengen Maßstabes - nicht anerkannt werden. Gegen die Existenz einer Treuhandabrede spricht schließlich auch, dass der Kläger zu 1) als wirtschaftlich Berechtigter iSd. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Geldwäschegesetzes fungierte und die Klägerin zu 2) steuerrechtliche Freistellungsaufträge auf ihren Namen erteilt hatte, so dass ihr angebliches Handeln im fremden Interesse keinesfalls eindeutig erkennbar ist.

Hat der Kläger zu 1) somit nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB einen realisierbaren Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen seine Schwägerin auf (Rück-)Zahlung von 71.500,00 EUR, so kann sie ihm keinesfalls die Einrede nach § 814 BGB entgegenhalten. Nach dieser Vorschrift kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Da der Kläger zu 1) die 71.500,00 EUR nicht überwiesen hat, um eine (mutmaßliche) Verbindlichkeit aus dem (inexistenten) Treuhandverhältnis zu erfüllen, ist § 814 BGB unanwendbar. Denn diese Bestimmung erfasst keine Leistungen, die nicht der Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern anderen Zwecken dienen und die bewusst ohne Rechtsgrund vollzogen werden (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 20. Juni 1968, Az.: VII ZR 170/66, WM 1968 S. 1201, 1202; Sprau in: Palandt, 66. Aufl. 2009, § 814 Rn. 2).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved