L 2 U 5156/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2563/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 5156/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. August 2008 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung des am 29. Juli 2005 erlittenen Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall.

Der 1962 geborene Kläger war als Leiharbeitnehmer bei der Verleihfirma EMK Personal- und Service GmbH in S., M. 82 beschäftigt. Zum Unfallzeitpunkt war er bei der etwa 6 km von der Verleihfirma entfernten Entleihfirma Adolf Sch. GmbH & Co. KG in S., Stuttgarter Str. 37 eingesetzt. Die Entfernung von der Firma Sch. zu seiner Wohnung in G., L. 4 beträgt ca. 60 km. Nach Ende des Schichtdienstes um 6.00 Uhr morgens fuhr der Kläger zunächst von M. aus Richtung Süden, bog jedoch nach wenigen Kilometern nach Osten Richtung S. ab, um von der Verleihfirma Geld zum Tanken zu holen und Gehaltsunterlagen des Vorjahres zu besorgen, die er zur Klärung unterhaltsrechtlicher Fragen benötigte. Bis zur Öffnung des Personalbüros um 7.30 Uhr hielt er sich auf dem Betriebsgelände auf. Gegen 8.00 Uhr verließ er die Firma und fuhr nach Hause. Hierfür fuhr der Kläger zunächst auf die A 81, die er auf der Höhe B. verließ, um danach auf die B 464 zu kommen. Kurz vor der Einmündung der B 464 auf die L 1183, die der Kläger üblicherweise für seinen Nachhauseweg benutzte, kam er in einer langgezogenen Linkskurve mit seinem Motorrad von der Fahrbahn ab und prallte um 8.18 Uhr gegen die Leitplanke. Bei dem Sturz erlitt der Kläger eine knöcherne Verletzung am rechten Unterschenkel. Zur Klärung des Versicherungsschutzes veranlasste die Beklagte eine Befragung des Klägers am 1. März 2006. Hierbei gab der Kläger an, der Hauptgrund für das Aufsuchen seines Arbeitgebers sei das Besorgen der Gehaltsunterlagen gewesen. Zusätzlich habe er sich noch 20 EUR auszahlen lassen, damit er tanken könne. Er wäre mit der vorhandenen Tankfüllung noch bis nach Hause gekommen, jedoch nicht mehr zur nächsten Nachtschicht um 22.00 Uhr des gleichen Tages. Ein Girokonto besitze er nicht, da ihm dieses wegen erheblicher finanzieller Probleme gekündigt worden sei. Aus diesem Grund laufe er bei seinem Arbeitgeber als Barzahler. Gemäß einer Vereinbarung mit diesem könne er sich je nach Bedarf Geldbeträge auszahlen lassen, sofern sich diese im Rahmen des ihm zustehenden Gehalts bewegen würden. Üblicherweise fahre er von S.-M., wo die Firma Sch. ihren Sitz habe, ohne Benutzung der Autobahn über G., C. und N. nach Hause.

Mit Bescheid vom 5. April 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 29. Juli 2005 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit verrichtet, da er sich aus privaten Gründen Gehaltsunterlagen von seinem Arbeitgeber besorgt habe. Er hätte unter Versicherungsschutz stehen können, sofern er zum Unfallzeitpunkt die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet und den ursprünglichen Weg wieder aufgenommen hätte. Da der Kläger zum Unfallzeitpunkt die für den Weg von der Arbeitsstätte nach Hause benutzte Straße noch nicht erreicht gehabt habe, liege ein Versicherungsschutz nicht vor. Der Unfall habe sich beim Abbiegen von der B 464 auf die D. Straße, d.h. vor Erreichen des gewöhnlichen direkten Weges von der Arbeitsstätte zur Wohnung und somit noch auf dem unversicherten Umweg ereignet. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 zurück.

Der Kläger hat am 13. Juli 2006 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 22. Januar 2007 hat der Kläger geltend gemacht, der Unfall habe sich auf der Strecke ereignet, die er auch bei der unmittelbaren Rückfahrt von der Firma Sch. zu seiner Wohnung befahren hätte. Das SG hat den Arbeitgeber des Klägers schriftlich befragt. Dieser hat am 7. Februar 2007 mitgeteilt, die Angaben des Klägers bezüglich der Barauszahlung und der Übergabe von Gehaltsunterlagen seien zutreffend. Es habe sich um einen Gehaltsvorschuss gehandelt. Ferner erhalte der Kläger für seinen Einsatz bei der Firma Sch. täglich jeweils 6 EUR für Fahrgeld und Verpflegungsmehraufwand.

Mit Urteil vom 18. August 2008 hat das SG, den Bescheid vom 5. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 29. Juli 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der vom Kläger am Unfalltag gewählte Weg über die Verleihfirma EMK Personal- und Service GmbH stelle eine Verlängerung des Heimweges dar, sodass es grundsätzlich auf die Gründe für die Wahl dieser Strecke ankomme. Die Gründe für die Wegeabweichung wären nur dann ohne Bedeutung, wenn der Kläger sich zum Unfallzeitpunkt bereits wieder auf dem versicherten Weg befunden hätte. Dies sei offensichtlich nicht der Fall gewesen, da der Kläger wenige Meter vor Erreichen der versicherten Strecke auf dem Zubringer zur L 1183 in einer Linkskurve der B 464 verunglückt sei. Somit komme es maßgeblich darauf an, zu welchem Zweck der Kläger seinen Arbeitgeber aufgesucht habe. Soweit der Kläger seinen Arbeitgeber aufgesucht habe, um sich Geld auszahlen zu lassen, sei ein betrieblicher Bezug gegeben. Keine andere Beurteilung ergebe sich vorliegend unter dem Aspekt, dass sich der Kläger einen Gehaltsvorschuss habe auszahlen lassen. Der Kläger sei nach seinen eigenen Angaben in der Lage gewesen, mit der vorhandenen Tankfüllung noch seine Wohnung zu erreichen. Die Fahrt zur Spätschicht am gleichen Tag wäre ihm jedoch nicht mehr möglich gewesen. Damit sei der Weg am Unfalltag zu seinem Arbeitgeber nicht nur durch private Belange, sondern wesentlich auch durch betriebliche Gründe geprägt gewesen. Dies reiche aus, um einen Versicherungsschutz zu begründen. Der Versicherungsschutz ergebe sich nach Auffassung des SG auch daraus, dass der besonderen Situation von Leiharbeitnehmern Rechnung zu tragen sei. Üblicherweise würden die mit dem Beschäftigungsverhältnis zusammenhängenden Fragen durch die Personalabteilung vor Ort geregelt, sodass der Versicherungsschutz des Arbeitnehmers nicht gefährdet sei. Die durch den Entleihstatus geschaffene Risikoerhöhung sei jedoch nicht dem Leiharbeitnehmer zuzuordnen.

Gegen dieses ihr am 10. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. November 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Vorschusszahlung eigenwirtschaftlichen Interessen diene. Ein innerer Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit ergebe sich nicht aus der Absicht, den Vorschuss für das Tanken zu verwenden, da auch das Tanken eigenwirtschaftlich sei. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn eine Tankstelle unvorhergesehen aufgesucht werden müsse, um eine versicherte Fahrt zum Endpunkt fortsetzen zu können.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat das Sach- und Rechtsverhältnis mit dem Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung am 3. Juni 2009 erörtert.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Berufungsakte des Senats, die Gerichtsakte des SG sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Ereignis vom 29. Juli 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Ereignis vom 29. Juli 2005 ein Arbeitsunfall war.

Mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 29. Juli 2005 als Arbeitsunfall "anzuerkennen", erstrebt der Kläger bei sachgerechter Auslegung die gerichtliche Feststellung, dass er auf dem unfallbringenden Weg unter Versicherungsschutz gestanden hat und der erlittene Unfall demzufolge ein Arbeitsunfall war. Dafür, dass der Kläger mit dem als Leistungsantrag formulierten Klageantrag eine Verpflichtungsklage stellen wollte, um eine Entscheidung der Beklagten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls statt der entsprechenden Feststellung unmittelbar durch das Gericht zu erreichen, liegen keine Anhaltspunkte vor. Richtige Klageart zur Verfolgung des klägerischen Begehrens auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist damit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die auf Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten und Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Arbeitsunfall nicht gegeben ist, dessen Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr. 1 SGG klären lassen (BSG, Beschluss vom 27. Juni 2006 - B 2 U 77/06 B - SozR 4-1500 § 55 Nr. 4 RdNr. 8 f.; Urteil vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 RdNr. 5; Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 45/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 RdNr. 4, jeweils m.w.N.).

Die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist jedoch unbegründet. Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wie in § 550 Abs. 1 RVO ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist - nach wie vor - gesetzlich nicht festgelegt (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 6 m.w.N.). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen - rechtlich - zusammenhängt, d.h. dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung - in der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 39; SozR 3-2700 § 8 Nr. 6). Für die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens versicherter Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht werden, das Vorhandensein versicherter Tätigkeit also sicher feststehen (vgl. BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84 m.w.N.), während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt (vgl BSGE 58, 80, 82 = SozR 2200 § 555a Nr. 1 m.w.N.). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG SozR 3-2200 § 550 RVO Nr. 21 m.w.N.; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10 m.w.N.; BSG Urteil vom 24. Juni 2003 - B 2 U 40/02 R -, veröffentlicht in Juris).

Nach diesem Maßstab war der Kläger zur Zeit des Unfalls nicht versichert. Er befand sich nicht auf dem Rückweg von einer betrieblichen Tätigkeit. Der Kläger befand sich zunächst nicht auf dem unmittelbaren Weg von der Frühschicht nach Hause. Ein vom Versicherten eingeschlagener Weg, der nicht nur unbedeutend länger ist als der kürzeste Weg, ist als unmittelbarer Weg nur anzusehen, wenn die Wahl der weiteren Wegstrecke aus der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges von dem Ort der Tätigkeit nach Hause oder einem anderen, sogenannten dritten Ort zuzurechnen wäre, etwa weil dieser Weg weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger (bei Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels) als der entfernungsmäßig kürzeste Weg ist. Lässt sich allerdings nicht feststellen, ob der Umweg im inneren Zusammenhang mit dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stand oder nur geringfügig war, besteht kein Versicherungsschutz (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2001 - B 2 U 34/00 R = SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Nach diesen Grundsätzen befindet sich die Verleihfirma nicht auf dem unmittelbaren Weg von der Arbeitstätte zur Wohnung. Denn von seiner Arbeitsstätte in M. wäre der Kläger nicht zunächst nach S. gefahren. Die Verleihfirma befindet sich von der Entleihfirma aus östlich auf der L 1183 (Mahdentalstaraße), die der Kläger regelmäßig in westlicher Richtung zur Heimfahrt benutzt hat. Auch wenn der Kläger die Autobahn hätte für die Heimfahrt benutzen wollen, hätte er die L 1183 nicht in östlicher Richtung befahren, sondern wäre über die Konrad-Adenauer Straße, die L 1185 und die B 464 zur Autobahn gelangt. Er hat dementsprechend an der Kreuzung Konrad-Adenauer Straße/Sindelfinger Straße den unmittelbaren Weg von seiner Arbeitsstätte zu seiner Wohnung verlassen.

Der Kläger hat damit, nachdem er die Arbeitsschicht bei der Entleihfirma in der Stuttgarter Straße 37 in S. beendet hatte, seinen Heimweg unterbrochen, um die Verleihfirma auszusuchen. Der Unfall des Klägers ereignete sich auf dem Weg von seiner Verleihfirma zu seiner Wohnung. Auf diesem Weg stand der Kläger nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Während einer Unterbrechung besteht der Versicherungsschutz grundsätzlich nur dann weiter, wenn die eingeschobene Verrichtung ihrerseits im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (vgl. etwa BSG SozR Nr. 45 und Nr. 63 zu § 543 RVO a.F.; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 16; Urteil des BSG vom 26. Mai 1977 - 2 RU 97/75 - USK 77139). Etwas anderes gilt nur für ganz kurze und geringfügige Unterbrechungen. Um solche rechtlich nicht ins Gewicht fallenden Ereignisse handelt es sich, wenn der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist oder, anders gewendet, wenn die Besorgung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf die Arbeitsstätte darstellt, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist (BSG SozR Nr. 5 und Nr. 28 zu § 543 RVO a.F.; BSG Urteil vom 31. Juli 1985 - 2 RU 63/84 - USK 85252). Geringfügig ist eine Unterbrechung nach diesen Kriterien, wenn die private Besorgung unmittelbar im Bereich der Straße und ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung, also gleichsam "im Vorbeigehen", erledigt werden kann (vgl. etwa BSG SozR Nr. 28 zu § 543 RVO: Besorgen von Zigaretten aus einem Automaten am Straßenrand; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 21: Hilfeleistung beim Öffnen einer Straßenbahntür; Urteil des BSG vom 31. Januar 1974 - 2 RU 165/72 - USK 7405 = Die Leistungen 1975, 123: Hilfe beim Hineinheben eines Kinderwagens in den Autobus). Diese Voraussetzungen sind hier weder in räumlicher noch zeitlicher Hinsicht gegeben. Die Unterbrechung dauerte zum Zeitpunkt des Unfalls möglicherweise schon zwei Stunden an, wobei der genaue Zeitpunkt zu dem der Kläger seinen unmittelbaren Heimweg verlassen hat, nicht mehr feststellbar ist (zur Frage der Beweislast vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 26/06 R -). Nach seinen Angaben vom 1. März 2006 gegenüber Herrn G.-K. von der Beklagten hatte er die Arbeitsstätte gegen 6.15 Uhr verlassen. Bis zur Kreuzung K. Straße/S. Straße sind es von seiner Arbeitsstätte aus ca. 2,5 km, so dass er diese in etwa 3 bis 4 Minuten nach Fahrtantritt erreicht haben könnte. Auch in räumlicher Hinsicht war die Unterbrechung schon deshalb nicht geringfügig, weil der Kläger nicht zurück zur Kreuzung K. Straße/S. Straße gefahren und dort den unmittelbaren Heimweg wieder aufgenommen hat, sondern nach Osten zur A 81 gefahren ist, die er an der Anschlussstelle B. verließ, um über die B 464 Richtung Norden auf die L 1183 zu gelangen. Erst auf der L 1183 Richtung Westen wäre die Unterbrechung beendet gewesen (vgl. unten).

Entgegen der Ansicht des SG stand auch die eingeschobene Verrichtung nicht in einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit. Das Abholen von Unterlagen, die der Kläger zur Klärung von unterhaltsrechtlichen Fragen benötigte, war ausschließlich eigenwirtschaftlich. Eine betriebliche Tätigkeit lässt sich aber auch seinem Vorbringen nicht entnehmen, er habe sich Geld auszahlen lassen, weil er dieses zum Tanken benötigt habe. Zwar hätte er noch mit der Tankfüllung nach Hause fahren können, vor der Fahrt von seiner Wohnung zur Spätschicht hätte er jedoch tanken müssen. Zunächst ist das Abholen eines Lohnvorschusses, den sich der Kläger im vorliegenden Fall hat auszahlen lassen, nachdem er den fälligen Lohn bereits vollständig erhalten hatte, keine versicherte Tätigkeit. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum von jeher vertretenen Auffassung dient nur der Empfang von fälligem Lohn im Lohnbüro des Beschäftigungsunternehmens im Regelfall nicht überwiegend eigenwirtschaftlichen Interessen, sondern wesentlich auch denen des Unternehmens. Bei dem Antrag oder dem Empfang von Lohnvorauszahlungen überwiegt dagegen das eigenwirtschaftliche Interesse des Versicherten und besteht deshalb kein Versicherungsschutz in der Unfallversicherung (so BSG 13, 178, 179; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand Februar 1975, II S. 483, 484 mit weiteren Hinweisen auch auf die Rechtsprechung des früheren Reichsversicherungsamts – RVA –). An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger den Vorschuss zum Tanken verwenden wollte, um am Abend des gleichen Tages von seiner Wohnung aus zur Spätschicht an seine Arbeitsstätte fahren zu können. Soweit der Kläger erstmals im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage geltend gemacht hat, er habe auch neue Aufschriebformulare von der Verleihfirma mitgenommen, die er benötigt habe, war nach Überzeugung des Senats jedenfalls seine Handlungstendenz nicht hierauf gerichtet. Denn, wenn er in der Absicht, Formulare zu holen, die Verleihfirma aufgesucht hätte, hätte er dies bereits wesentlich früher angegeben. Stattdessen hat er bisher ausschließlich geltend gemacht, dass er Unterlagen wegen Unterhaltszahlungen und 20 EUR, die er nötigt habe, um vor der Spätschicht zu tanken, habe abholen müssen. Dass ihm nun nach fast vier Jahren einfällt, er habe auch Aufschriebformulare mitgenommen, steht - den Vortrag als wahr unterstellt - fest, dass dies lediglich gelegentlich des aus anderen Gründen erfolgten Aufsuchens der Firma erfolgt ist.

Unabhängig hiervon waren nicht nur die Tätigkeiten, auf die die Handlungstendenz des Klägers beim Aufsuchen der Verleihfirma gerichtet war, sondern auch die nun vorgetragene Mitnahme von Aufschriebformularen, worauf es allerdings nicht entscheidungserheblich ankommt, weil diese, wie dargelegt, nicht von der Handlungstendenz umfasst war, sondern allenfalls gelegentlich erfolgte, nicht unter dem hier allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt einer so genannten Vorbereitungshandlung gesetzlich unfallversichert. Als Vorbereitungshandlung oder vorbereitende Tätigkeit werden Verrichtungen bezeichnet, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Die Frage nach dem Unfallversicherungsschutz bei solchen Vorbereitungshandlungen hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen beschäftigt, wobei u.a. speziell betriebsbezogene Handlungen (Kauf einer Bahnfahrkarte für den Weg zur Arbeit: BSGE 7, 255; Erkundungsfahrt zur neuen Arbeitsstelle: Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 8/91 - USK 91162; Erkundungsfahrt vor einer Dienstreise: Urteil vom 28. März 1985 - 2 RU 74/83 - HV-Info 1986, 1296; Besorgen von Arbeitsunterlagen oder Hilfsmitteln: SozR 2200 § 550 Nr. 25; SozR 3-2700 § 8 Nr. 3) und die Beseitigung von Hindernissen bei der Zurücklegung des Arbeitsweges (unvorhergesehener Benzinmangel: SozR Nr. 63 zu § 543 RVO a.F.; Schneeschippen zur Freilegung der Garagenausfahrt: Urteil vom 28. Juni 1988 - 2 RU 14/88 - USK 88112 = HV-Info 1988, 1718 sowie Urteil vom 28. September 1999 - B 2 U 33/98 R - USK 99123 = HVBG-Info 1999, 3383) Gegenstand waren. Es wurde davon ausgegangen, dass Vorbereitungshandlungen trotz ihrer Betriebsdienlichkeit grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind und Versicherungsschutz nur ausnahmsweise besteht, wenn diese Tätigkeiten einen besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit aufweisen. Die darin liegende Beschränkung trägt den gesetzlichen Vorgaben und der Systematik der §§ 548 ff. RVO bzw. jetzt des § 8 SGB VII Rechnung. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in §§ 549, 550 RVO (heute: § 8 Abs. 2 SGB VII) bestimmte typische Vorbereitungshandlungen selbst dem Versicherungsschutz unterstellt, weil er insoweit ein über die eigentliche berufliche Tätigkeit hinausreichendes soziales Schutzbedürfnis angenommen hat. Er ist dabei ersichtlich davon ausgegangen, dass etwa das Zurücklegen des Weges zum und vom Ort der Tätigkeit als die - der betrieblichen Tätigkeit sachlich, zeitlich und örtlich besonders nahe - klassische Vorbereitungshandlung nicht schon nach der Grundnorm des § 548 Abs. 1 RVO (heute: § 8 Abs. 1 SGB VII) mit versichert ist, es für ihre Einbeziehung vielmehr einer besonderen Regelung bedurft hat (so auch Brackmann/Krasney, a.a.O., § 8 RdNr. 64). Diese Konzeption lässt erkennen, dass der Versicherungsschutz für vorbereitende Tätigkeiten grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt ist, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt, und dass Ausnahmen nur in Betracht kommen, wenn die Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden ist, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden.

Nach den dargestellten Grundsätzen stand weder das Geldholen zum Tanken, noch das Holen von Aufschriebformularen vor der beabsichtigten betrieblichen Tätigkeit durch den Kläger unter Unfallversicherungsschutz, weil kein unmittelbarer sachlicher, räumlicher und zeitlicher Bezug zu dieser Tätigkeit bestand und es keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift gibt, die diese Vorbereitungshandlungen dem Versicherungsschutz unterstellen. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die Verrichtungen bei der Zurücklegung des Weges zum oder vom Ort der Tätigkeit unerwartet notwendig geworden wären, um weiterhin betriebliche Arbeit verrichten bzw. den Weg zum Zielort zurücklegen zu können. So hat das BSG etwa Unfallversicherungsschutz angenommen für das Auftanken eines Kraftfahrzeugs bei unvorhergesehenem Benzinmangel (BSG, Urteil vom 30. Januar 1968 - 2 RU 51/65 - SozR Nr. 63 zu § 543 a. F.; BSG, Urteil vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 59/78 - SozR 2200 § 550 Nr. 39; BSG, Urteil vom 24. Januar 1995 - 8 RKnU 1/94 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 23) oder beim Beschaffen von Medikamenten, wenn dies dazu diente, trotz einer während der Dienstzeit oder auf einer Geschäftsreise plötzlich aufgetretenen Gesundheitsstörung die betriebliche Tätigkeit fortsetzen zu können (BSG, Urteil vom 26. Juni 1970 - 2 RU 113/68 - USK 70105; BSG, Urteil vom 26. Mai 1977 - 2 RU 97/76 - SozR 2200 § 548 Nr 31; andererseits aber BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 - B 2 U 30/00 R - SozR 3-2200 § 548 Nr. 43) bzw. bei unmittelbar vor Dienstantritt aufgetretenen Beschwerden dies erst zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 18. März 1997 - 2 RU 17/96 - SozR 3-2200 § 550 Nr. 16). Eine solche Sachlage ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Für den Senat steht fest, dass der Kläger seinen eigenen Angaben entsprechend davon überzeugt war, mit dem Tankinhalt den versicherten Nachhauseweg zurücklegen zu können. Auch die Formulare benötigte er nicht unmittelbar, um seine Arbeit fortzusetzen oder anzutreten. Die Frühschicht war bereits beendet. Die nächst Schicht war erst die Spätschicht ab 22 Uhr des gleichen Tages. Er war damit nicht aus unvorhersehbaren Gründen gezwungen, das Geld zum Tanken oder die Formulare unmittelbar im Anschluss an die Frühschicht vor Antritt der Heimfahrt abzuholen. Dass ihm dies zweckmäßig erschien, ist nachvollziehbar und sein Verhalten ist ihm auch in keiner Weise vorwerfbar. Dies ändert aber nichts daran, dass dieses nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Ein entsprechender Zusammenhang mit der beendeten Frühschicht war auch nicht gegeben. Soweit der Kläger im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage behauptet hat, er könne sich nun erinnern, dass er damals auch den Stundenzettel für die Woche habe abgeben müssen, hat er auf Vorhalt, dass er noch eine Spätschicht von Freitagabend bis Samstagmorgen habe arbeiten müssen, eingeräumt, dass er erst nach dieser Schicht den Stundenzettel für die Woche hätte abgeben können. Der Kläger hatte von seiner Verleihfirma aus den Weg zu seiner Wohnung angetreten, als der Unfall passierte. Dieser Weg war, wie dargelegt, nicht versichert, weil der Ausgangspunkt (Verleihfirma) nicht Ort einer betrieblichen Tätigkeit war.

Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung, wie hier, mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz; dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird (Nachweise bei Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl. 2001, § 8 RdNr. 235). Auch dies war hier nicht der Fall, so dass es auf die Frage, ob die Unterbrechung länger als zwei Stunden gedauert hat, nicht ankommt. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte der Kläger den unmittelbaren Heimweg von seiner Entleihfirma zur Wohnung noch nicht erreicht. Der Kläger wäre, wenn er von seiner Arbeitsstelle gekommen wäre, entweder auf der L 1183 gefahren oder aber von dieser in Richtung Süden auf die B 464 abgebogen, um die Autobahn zu erreichen. Der Unfall ist passiert, als er die B 464 in Richtung Norden befuhr und von dort auf die L 1183 abbiegen wollte. Von seiner Arbeitsstätte in M. aus war das Befahren der B 464 in nördlicher Richtung und damit auch das Befahren der entsprechenden Auffahrt auf die L 1183 in nördlicher Richtung keine zweckmäßige Wegführung zum Erreichen seines Wohnorts.

Einen Zusammenhang zwischen der Risikoverteilung im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit ein Leiharbeiter seine nicht am Ort seiner betrieblichen Tätigkeit befindliche Verleihfirma im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Leiharbeitnehmer aufsuchen muss, steht auch er unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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