Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 3 KR 825/08 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 324/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Tenor des Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 13. März 2008 insoweit abgeändert, als sie im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, die Beschwerdegegnerin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses zuzulassen.
Es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin längstens bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses einstweilig zugelassen ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.900,- Euro festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung darum, ob die Beschwerdegegnerin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin mit Hilfsmitteln der aufsaugenden Inkontinenz zugelassen ist.
Sie versorgte als zugelassene Leistungserbringerin gesetzlich Versicherte der Beschwerdeführerin mit allen Produkten der Produktgruppe 15 (Inkontinenzhilfen) des Hilfsmittelverzeichnisses, bis die Beschwerdeführerin die Zulassung zur Versorgung mit diesen Produkten bundesweit ausschrieb und (u.a.) den Zuschlag für das das Gebiet des Freistaats Thüringen betreffende Los einem Ausschreibungskonkurrenten der Beschwerdegegnerin erteilte sowie einer Vielzahl ihrer Versicherten durch Schreiben vom 25. Januar 2008 mitteilte, dass ab dem 1. Februar 2008 ausschließlich der Ausschreibungsgewinner die Beratung und Belieferung mit Inkontinenzartikeln vornehmen dürfe.
Die Beschwerdegegnerin hat am 21. Februar 2008 beim Sozialgericht Gotha (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Feststellung begehrt, weiterhin bis 31. Dezember 2008 berechtigt zu sein, Versicherte der Beschwerdeführerin in der gesetzlichen Krankenversicherung mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln und Krankenunterlagen zu versorgen, selbst wenn diese einem anderen Leistungserbringer im Wege einer Ausschreibung bereits einen Zuschlag erteilt habe. Sie habe im Jahr 2006 einen Umsatz von 1.715,20 EUR und im Jahr 2007 einen Umsatz von 2.073,94 EUR bei der Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Produkten der aufsaugenden Inkontinenz erwirtschaftet. Ohne eine Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sei zu befürchten, dass die sie die Versorgungsmög¬lichkeit im Jahr 2008 nicht mehr oder nur in geringem Umfang nutzen könne. Hierin liege ein schwerer und unzumutbarer Nachteil, da ihr so die vom Gesetzgeber geschaffene Übergangszeit, sich auf die neue Praxis der Auftragsvergabe einzustellen, genommen oder zumindest verkürzt werde. Es handele sich nicht um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Ihr drohten nicht hinnehmbare Nachteile, wenn das Gericht nicht unter Vorwegnahme der Hauptsacheentschei¬dung entscheide. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache könne ihr nicht zugemutet werden. Da durch die Ablehnung und Nichtdurchführung der Versorgung Tatsa¬chen geschaffen würden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, liege eine be¬sondere Eilbedürftigkeit vor. Es liege auch ein Anordnungsanspruch vor, da sie nach der gesetzlichen Regelung weiterhin abgabeberechtigt sei und rechtswidrig von der Leis¬tungserbringung ausgeschlossen werde. Um Benachteiligungen der bisherigen Zulassungsinhaber zu vermeiden, habe der Gesetzgeber mit § 126 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Übergangsvorschrift geschaffen, die diesen die Möglichkeit einräume, die Versicherten weiterhin bis zum 31. Dezember 2008 zu versorgen, sofern sie zum Zeitpunkt der Einführung des neuen Gesetzes zugelassene Leis¬tungserbringer gewesen seien. § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V schränke diese Berechtigung der Leis¬tungserbringer nicht ein. Die gesetzgeberische Absicht des Schutzes der bisher zugelassenen Leistungserbringer werde unterlaufen, wenn aus § 33 Abs. 3 S. 2 SGB V der Schluss gezogen würde, dass auch vor dem 31. Dezember 2008 den Vertragspartnern der Krankenkassen der Vorzug zu geben wäre.
Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin die Ansicht geäußert, § 126 Abs. 2 SGB V bestimme, dass abweichend von Absatz l Leistungserbringer, die am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung verfügten, bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versi¬cherten berechtigt blieben. Dies bedeute nichts anderes als, dass eine vormals bestehende Zulassung in ihren Auswirkungen innerhalb der Übergangsfrist dem Grunde nach fortbestehe. Wel¬che Wirkung eine weitere Zulassung durch die Beschwerdeführerin haben solle, sei nicht ersicht¬lich. Bei dieser Übergangsvorschrift sei zu beachten, dass es sich ausschließlich um eine Über¬gangsvorschrift zu § 126 Abs. l SGB V handele. Sie solle den Beteiligten lediglich die Mög¬lichkeit gewähren, innerhalb der Übergangsfrist Verträge nach § 127 SGB V zu schließen. Eine Übergangsregelung zu anderen Vorschriften des SGB V sei in § 126 Abs. 2 SGB V nicht ent¬halten. Die Frage, ob die Beschwerdegegnerin die Versicherten der Beschwerdeführerin versorgen dürfe, sei von derjenigen, ob die Versicherten der Beschwerdeführerin Leistungen der Beschwerdegegnerin nach erfolgter Ausschreibung für Leistungen zu Lasten der Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen dürften, vollständig zu trennen. In der leistungsrechtlichen Vorschrift des § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V sei geregelt, dass die Versorgung von Versicherten im Falle eines ausgeschriebe¬nen Vertrages nach § 127 Abs. l SGB V durch einen Vertragspartner erfolge, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen sei. Der benannte Vertragspartner sei der Aus¬schreibungsgewinner. Da es an einem Anordnungsanspruch mangele und im Hauptsachever¬fahren überhaupt keine Erfolgsaussichten bestünden, sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Zudem sei die Ansicht, Umsätze in Höhe von rund 2.000,00 EUR seien ausreichend, um einen Anordnungsgrund zu begründen, abzulehnen. Es sei aus dem betreffenden Vortrag nicht ersichtlich, dass der Beschwerdegegnerin aus der Anwendung des § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V ein unzumutbarer Nachteil entstehen könne. Dazu gehöre zumindest ein gewisser Grad an Existenzgefährdung, den diese nicht einmal behaupte. Im Übrigen werde durch die Entscheidung die Hauptsache vorweg genommen, da mit einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache vor Ablauf der Übergangsfrist in keinem Fall gerechnet werden könne.
Das SG hat die Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 13. März 2008 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Beschwerdegegnerin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 zuzulassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe ein Anordnungsanspruch, da § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V die Übergangsregelung des § 126 Abs. 2 SGB V nicht einschränke. Erstere Vorschrift regle die Beziehung zwischen den Versicherten und den Krankenkassen, eine Einschränkung der Übergangsregelung hätte aber im 6. Abschnitt des 4. Kapitels erfolgen müssen. Dies habe der Gesetzgeber jedoch gerade nicht getan. Eine Einschränkung würde außerdem die gesetzgeberische Intention einer Übergangsregelung zuwider laufen. Unerheblich für die Frage der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sei, wie viel Umsatz oder Gewinn mit den betreffenden Artikel erzielt werde.
Gegen den ihr am 25. März 2008 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 31. März 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass für die im Rahmen einer Regelungsanordnung ausgesprochene Verpflichtung keine Ermächtigungsgrundlage existiere. Zudem spreche die Gesetzesbegründung zu § 33 Abs. 6 SGB V gerade nicht für die vom SG zur Begründung herangezogenen gesetzgeberischen Willen. Vielmehr richteten sich die §§ 33 und 126 SGB V an einen völlig verschiedenen Adressatenkreis und würden sich deshalb nicht gegenseitig einschränken. Die leistungsrechtliche Beschränkung des Wahlrechts des Versicherten habe keinerlei Einfluss auf die Fortdauer der Leistungsberechtigung nach § 126 SGB V sondern äußere sich im Rechtskreis des Leistungserbringers lediglich als Rechtsreflex. Dies sei von der Zielrichtung des Änderungsgesetzes, das den Wettbewerb auch in die Reihen der Leistungserbringer trage, auch so gewollt. Die Frage des Umsatzes schließlich sei für die Frage des Vorliegens eines Anordnungsgrundes von Bedeutung. Es sei jedoch nicht erkennbar, welcher nicht wieder gutzumachende Schaden im Hinblick auf die geringe Höhe des Jahresumsatzes hier die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen solle.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 13. März 2008 aufzuheben und den Antrag der Beschwerdegegnerin abzulehnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung stützt sie sich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschluss des SG ist, jedenfalls im Ergebnis, nicht zu beanstanden, denn der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im tenorierten Umfang begründet. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dabei ist der Antrag nach Absatz 2 – wie im vorliegenden Fall – schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Da das Begehren der Beschwerdegegnerin allein darauf gerichtet ist, ihre bisher innegehabte Rechtsposition, nämlich die Zulassung zur Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses, einstweilen, nämlich bis einschließlich 31. Dezember 2008, weiter wirtschaftlich ausnutzen zu dürfen, kommt hier, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, allein der Erlass einer Sicherungsanordnung in Betracht (a.A,. allerdings ohne nähere Begründung Sächsisches LSG, Beschluss vom 29. April 2008, Az.: L 1 B 207/08 KR-ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom11. Juni 2008, Az.: L 11 KR 2438/08 ER-B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juli 2008, Az.: L 16 B 10/08: Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer derartigen Anordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO die Glaubhaftmachung eines auf die vorläufige Aufrechterhaltung eines streitigen Rechtsverhältnisses gerichteten Anordnungsanspruches sowie eines Anordnungsgrundes. Beides ist hier gegeben.
Der erforderliche Anordnungsanspruch verlangt grundsätzlich die – wenn auch in der Re¬gel nur summarische – Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache. Ist ein Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet, ist auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs grundsätzlich zu bejahen (vgl. Keller in Meyer-La¬dewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 16c und 29). Im vorliegenden Fall hätte eine Klage der Beschwerdegegnerin, gerichtet auf die vorläufige Weiterführung der Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Inkontinenzartikeln, mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Zum 1. April 2007 hat der Bundesgesetzgeber durch das Gesetz zur Stärkung des Wett¬bewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 (GKV-Wett¬bewerbsstärkungsgesetz, im Folgenden: GKV-WSG) u.a. die folgenden, hier relevanten Änderungen in der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln und in den Beziehungen zu Leistungserbringern vorgenommen: Die bis zum 31. März 2007 erforderliche Zulassung von Leistungserbringern durch Verwaltungsakt gemäß § 126 Abs. 1 S. 1 SGB V in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (a.F.) ist im Bereich der Hilfsmittel entfallen. Ge¬mäß § 126 Abs. 1 SGB V in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung (n.F.) dürfen Hilfs¬mittel an Versicherte nur noch auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V n.F. abgegeben werden. Gemäß § 127 Abs. 1 SGB V n.F. sollen die Krankenkas¬sen, ihre Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zu¬sammenschlüssen der Leistungserbringer über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Ver¬sorgung für einen bestimmten Zeitraum schließen. Die Krankenkassen haben ihre Ver¬sicherten nach § 127 Abs. 5 S. 1 SGB V n.F. über die zur Versorgung berechtigten Ver¬tragspartner und auf Nachfrage über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Abweichend von Abs. 1 S. 1 bleiben nach § 126 Abs. 2 SGB V n.F. Leistungserbrin¬ger, die am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 SGB V a.F. verfügen, bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt, um den bisher an der Ver¬sorgung der gesetzlich Versicherten beteiligten zugelassenen Leistungserbringern zu er¬möglichen, sich auf die geänderten Marktbedingungen einzustellen (Bundestags-Druck¬sache 16/3100 S. 141).
Da die Beschwerdegegnerin am 31. März 2007 über eine solche Zulassung verfügte, ist sie somit nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. zur Versorgung der Versicherten, und zwar auch der der Beschwerdeführerin, befristet bis zum 31. Dezember 2008 berechtigt (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juni 2008, a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Februar 2008 - Az.: L 1 B 41/08 KR ER).
Der gegenteiligen Auffassung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juli 2008, a.a.O.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 29. April 2008, a.a.O.), die sich zur Begründung im Wesentlichen auf § 33 Abs. 6 SGB V n.F. stützt, kann nicht gefolgt werden.
Zwar scheint der Wortlaut des § 33 Abs. 6 SGB V n.F. mit der oben genannten Vorschrift zu kollidieren: Gemäß § 33 Abs. 6 S. 1 SGB V n.F. können die Versicherten ab dem 1. April 2007 alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse oder nach § 126 Abs. 2 SGB V n.F. versorgungsberechtigt sind. Hat die Krankenkasse jedoch Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V n.F. über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung gemäß § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V n.F. durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Abweichend von Satz 2 können Versicherte gemäß § 33 Abs. 6 S. 3 SGB V n.F. ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen. Ausgehend hiervon reicht nach der gegenteiligen Auffassung die Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. zeitlich nur soweit, als die Krankenkassen (noch) keine Verträge nach § 127 SGB V n.F. abgeschlossen haben. Nachdem die Beschwerdeführerin entsprechende Verträge bereits geschlossen hat, könnte die Beschwerdegegnerin die Übergangsfrist des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. nicht vollständig ausnutzen.
Eine derartige Auflösung der Kollision war vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen. Sie kommt zum einen im Gesetzeswortlaut so nicht, jedenfalls nicht zwingend, zum Ausdruck, denn § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V n.F. betrifft seiner Stellung im Gesetz und seinem Regelungsgehalt nach das Verhältnis zwischen Krankenkassen und ihren Versicherten, indem es deren Wahlrecht in Bezug auf die Inanspruchnahme der Leistungserbringer auf diejenigen einschränkt, die ihnen von den Krankenkassen genannt werden. Zwar kann sich diese Vorschrift damit mittelbar auf die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern auswirken. Diese Auswirkungen können jedoch genauso gut dergestalt aussehen, dass die Krankenkassen ihren Versicherten bis zum Ablauf der Übergangsfrist des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. auch die bisherigen Versorgungsberechtigten noch benennen dürfen bzw. sogar müssen.
Zum anderen trägt der Regelungszweck die Begrenzung der Übergangsvorschrift nicht, denn die Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. läuft dem Sinn und Zweck der mit der Gesetzesreform verbundenen Änderungen nicht zuwider. Vielmehr gestaltet sie die Neuregelungen erst verfassungskonform aus, indem sie für die bis zum 31. März 2007 zugelassenen Leistungserbringer, die im Vertrauen auf die alte Rechtslage ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entsprechend ausgerichtet haben, eine Frist einräumt, sich auf die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen einzurichten. Zwar haben die Marktteilnehmer keinen grundrechtlich geschützten Anspruch auf eine unveränderte Beibehaltung einmal erlassener rechtlicher Vorschriften zur Regelung der Marktbedingungen. Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert jedoch im Falle einer Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen die Gewährung einer ausreichenden Übergangsfrist für diejenigen Markteilnehmer, die durch die Änderung künftig von der Teilnahme am Markt ausgeschlossen werden. Diesem verfassungsrechtlichen Erfordernis würde es zuwider laufen, wenn man mit der Gegenauffassung die Länge der Übergangsfrist nicht eindeutig gesetzlich festschriebe, sondern lediglich als Maximalfrist ansähe und damit die Bestimmung der Länge den vom Gesetz Betroffenen überließe. Dann hätten es die Krankenkassen in der Hand, durch eine unverzüglich durchgeführte Ausschreibung mit unmittelbar anschließendem Vertragsschluss die Übergangsfrist so zu verkürzen, dass sie ihre grundrechtlich vorausgesetzte Funktion, nämlich eine zeitlich ausreichende Möglichkeit zur Einstellung auf die geänderten Marktbedingungen einzuräumen, nicht mehr erfüllen könnte (so zu Recht Roth, Vertrauensschutz gegen Wirksamkeit von Ausschreibungen in MedR 2008, S. 206, 207).
Mit dieser Entscheidung wird weder das Vertrauen der Krankenkassen noch der Ausschreibungsgewinner in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, da der Ausschreibungsgewinn und damit das Exklusivlieferungsrecht mit der Übergangsregelung nach § 126 Abs. 2 SGB V n.F. "belastet" war und die Beteiligten dies wussten oder hätten wissen können.
Schließlich ist auch das Vorliegen des Anordnungsgrundes zu bejahen. Er liegt bei der Sicherungsanordnung immer dann vor, wenn die Gefahr der Rechtsvereitelung oder der Erschwerung der Rechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes droht. Durch den Ausschluss der Beschwerdegegnerin von der Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Inkontinenzartikeln besteht die Gefahr, dass dadurch die ihr durch § 126 Abs. 2 SGB V n.F. eingeräumte Rechtsposition vereitelt wird, da ein wirksamer Hauptsachrechtsschutz in jedem Falle zu spät käme. Völlig ohne Belang ist dabei ebenso die Höhe des Umsatzes, den die Beschwerdegegnerin mit den Inkontinenzartikeln gewöhnlich erzielt, auch im Vergleich mit ihrem Gesamtumsatz.
Da es hier um die Sicherung des Status quo geht und vom Senat lediglich bestandsschützende einstweilige Maßnahmen getroffen werden, ist das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht tangiert.
Nur zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass die Beschwerdeführerin ihren Versicherten damit mitzuteilen hat, dass die Beschwerdegegnerin noch zur Versorgung mit den Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 zugelassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in entsprechender Anwendung. § 197a SGG ist anzuwenden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger (hier die Beschwerdegegnerin) noch der Beklagte (hier die Beschwerdeführerin) zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dies ist vorliegend der Fall, da weder die Beschwerdegegnerin noch die Beschwerdeführerin zu den Versicherten, Leistungsempfängern oder sonstigen in § 183 SGG genannten Personengruppen gehören.
Danach waren die Verfahrenskosten auch hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zwingend der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, nachdem sie mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist. Zwar wurde die angefochten erstinstanzliche Entscheidung im Tenor abgeändert, gleichwohl erfolgt jedoch keine Kostenquotelung nach § 155 Abs. 1 VwGO, da die Beschwerdegegnerin insoweit nicht unterlegen im Sinne des Gesetzes ist.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung (GKG), ebenfalls in entsprechender Anwendung.
Diese Vorschriften gelten auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b SGG (§ 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert gemäß § 47 Abs. 1 GKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Er bemisst sich gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG nach dem geschätzten Jahresumsatz, den die Beschwerdegegnerin mit Inkontinenzmitteln erwirtschaftet und der, wie sie glaubhaft gemacht hat, im Falle eines Ausschlusses von der Versorgung nicht mehr erzielt werden könnte. Grundsätzlich ist gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG für die Bemessung ein Zeitraum von drei Jahren maßgeblich. Um der Vorläufigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Rechnung zu tragen, bleibt es bei der Streitwertberechnung nach dem einfachen durchschnittlichen Jahresumsatz.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin längstens bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses einstweilig zugelassen ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.900,- Euro festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung darum, ob die Beschwerdegegnerin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin mit Hilfsmitteln der aufsaugenden Inkontinenz zugelassen ist.
Sie versorgte als zugelassene Leistungserbringerin gesetzlich Versicherte der Beschwerdeführerin mit allen Produkten der Produktgruppe 15 (Inkontinenzhilfen) des Hilfsmittelverzeichnisses, bis die Beschwerdeführerin die Zulassung zur Versorgung mit diesen Produkten bundesweit ausschrieb und (u.a.) den Zuschlag für das das Gebiet des Freistaats Thüringen betreffende Los einem Ausschreibungskonkurrenten der Beschwerdegegnerin erteilte sowie einer Vielzahl ihrer Versicherten durch Schreiben vom 25. Januar 2008 mitteilte, dass ab dem 1. Februar 2008 ausschließlich der Ausschreibungsgewinner die Beratung und Belieferung mit Inkontinenzartikeln vornehmen dürfe.
Die Beschwerdegegnerin hat am 21. Februar 2008 beim Sozialgericht Gotha (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Feststellung begehrt, weiterhin bis 31. Dezember 2008 berechtigt zu sein, Versicherte der Beschwerdeführerin in der gesetzlichen Krankenversicherung mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln und Krankenunterlagen zu versorgen, selbst wenn diese einem anderen Leistungserbringer im Wege einer Ausschreibung bereits einen Zuschlag erteilt habe. Sie habe im Jahr 2006 einen Umsatz von 1.715,20 EUR und im Jahr 2007 einen Umsatz von 2.073,94 EUR bei der Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Produkten der aufsaugenden Inkontinenz erwirtschaftet. Ohne eine Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sei zu befürchten, dass die sie die Versorgungsmög¬lichkeit im Jahr 2008 nicht mehr oder nur in geringem Umfang nutzen könne. Hierin liege ein schwerer und unzumutbarer Nachteil, da ihr so die vom Gesetzgeber geschaffene Übergangszeit, sich auf die neue Praxis der Auftragsvergabe einzustellen, genommen oder zumindest verkürzt werde. Es handele sich nicht um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Ihr drohten nicht hinnehmbare Nachteile, wenn das Gericht nicht unter Vorwegnahme der Hauptsacheentschei¬dung entscheide. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache könne ihr nicht zugemutet werden. Da durch die Ablehnung und Nichtdurchführung der Versorgung Tatsa¬chen geschaffen würden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, liege eine be¬sondere Eilbedürftigkeit vor. Es liege auch ein Anordnungsanspruch vor, da sie nach der gesetzlichen Regelung weiterhin abgabeberechtigt sei und rechtswidrig von der Leis¬tungserbringung ausgeschlossen werde. Um Benachteiligungen der bisherigen Zulassungsinhaber zu vermeiden, habe der Gesetzgeber mit § 126 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Übergangsvorschrift geschaffen, die diesen die Möglichkeit einräume, die Versicherten weiterhin bis zum 31. Dezember 2008 zu versorgen, sofern sie zum Zeitpunkt der Einführung des neuen Gesetzes zugelassene Leis¬tungserbringer gewesen seien. § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V schränke diese Berechtigung der Leis¬tungserbringer nicht ein. Die gesetzgeberische Absicht des Schutzes der bisher zugelassenen Leistungserbringer werde unterlaufen, wenn aus § 33 Abs. 3 S. 2 SGB V der Schluss gezogen würde, dass auch vor dem 31. Dezember 2008 den Vertragspartnern der Krankenkassen der Vorzug zu geben wäre.
Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin die Ansicht geäußert, § 126 Abs. 2 SGB V bestimme, dass abweichend von Absatz l Leistungserbringer, die am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung verfügten, bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versi¬cherten berechtigt blieben. Dies bedeute nichts anderes als, dass eine vormals bestehende Zulassung in ihren Auswirkungen innerhalb der Übergangsfrist dem Grunde nach fortbestehe. Wel¬che Wirkung eine weitere Zulassung durch die Beschwerdeführerin haben solle, sei nicht ersicht¬lich. Bei dieser Übergangsvorschrift sei zu beachten, dass es sich ausschließlich um eine Über¬gangsvorschrift zu § 126 Abs. l SGB V handele. Sie solle den Beteiligten lediglich die Mög¬lichkeit gewähren, innerhalb der Übergangsfrist Verträge nach § 127 SGB V zu schließen. Eine Übergangsregelung zu anderen Vorschriften des SGB V sei in § 126 Abs. 2 SGB V nicht ent¬halten. Die Frage, ob die Beschwerdegegnerin die Versicherten der Beschwerdeführerin versorgen dürfe, sei von derjenigen, ob die Versicherten der Beschwerdeführerin Leistungen der Beschwerdegegnerin nach erfolgter Ausschreibung für Leistungen zu Lasten der Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen dürften, vollständig zu trennen. In der leistungsrechtlichen Vorschrift des § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V sei geregelt, dass die Versorgung von Versicherten im Falle eines ausgeschriebe¬nen Vertrages nach § 127 Abs. l SGB V durch einen Vertragspartner erfolge, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen sei. Der benannte Vertragspartner sei der Aus¬schreibungsgewinner. Da es an einem Anordnungsanspruch mangele und im Hauptsachever¬fahren überhaupt keine Erfolgsaussichten bestünden, sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Zudem sei die Ansicht, Umsätze in Höhe von rund 2.000,00 EUR seien ausreichend, um einen Anordnungsgrund zu begründen, abzulehnen. Es sei aus dem betreffenden Vortrag nicht ersichtlich, dass der Beschwerdegegnerin aus der Anwendung des § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V ein unzumutbarer Nachteil entstehen könne. Dazu gehöre zumindest ein gewisser Grad an Existenzgefährdung, den diese nicht einmal behaupte. Im Übrigen werde durch die Entscheidung die Hauptsache vorweg genommen, da mit einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache vor Ablauf der Übergangsfrist in keinem Fall gerechnet werden könne.
Das SG hat die Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 13. März 2008 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Beschwerdegegnerin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 zuzulassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe ein Anordnungsanspruch, da § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V die Übergangsregelung des § 126 Abs. 2 SGB V nicht einschränke. Erstere Vorschrift regle die Beziehung zwischen den Versicherten und den Krankenkassen, eine Einschränkung der Übergangsregelung hätte aber im 6. Abschnitt des 4. Kapitels erfolgen müssen. Dies habe der Gesetzgeber jedoch gerade nicht getan. Eine Einschränkung würde außerdem die gesetzgeberische Intention einer Übergangsregelung zuwider laufen. Unerheblich für die Frage der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sei, wie viel Umsatz oder Gewinn mit den betreffenden Artikel erzielt werde.
Gegen den ihr am 25. März 2008 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 31. März 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass für die im Rahmen einer Regelungsanordnung ausgesprochene Verpflichtung keine Ermächtigungsgrundlage existiere. Zudem spreche die Gesetzesbegründung zu § 33 Abs. 6 SGB V gerade nicht für die vom SG zur Begründung herangezogenen gesetzgeberischen Willen. Vielmehr richteten sich die §§ 33 und 126 SGB V an einen völlig verschiedenen Adressatenkreis und würden sich deshalb nicht gegenseitig einschränken. Die leistungsrechtliche Beschränkung des Wahlrechts des Versicherten habe keinerlei Einfluss auf die Fortdauer der Leistungsberechtigung nach § 126 SGB V sondern äußere sich im Rechtskreis des Leistungserbringers lediglich als Rechtsreflex. Dies sei von der Zielrichtung des Änderungsgesetzes, das den Wettbewerb auch in die Reihen der Leistungserbringer trage, auch so gewollt. Die Frage des Umsatzes schließlich sei für die Frage des Vorliegens eines Anordnungsgrundes von Bedeutung. Es sei jedoch nicht erkennbar, welcher nicht wieder gutzumachende Schaden im Hinblick auf die geringe Höhe des Jahresumsatzes hier die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen solle.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 13. März 2008 aufzuheben und den Antrag der Beschwerdegegnerin abzulehnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung stützt sie sich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschluss des SG ist, jedenfalls im Ergebnis, nicht zu beanstanden, denn der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im tenorierten Umfang begründet. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dabei ist der Antrag nach Absatz 2 – wie im vorliegenden Fall – schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Da das Begehren der Beschwerdegegnerin allein darauf gerichtet ist, ihre bisher innegehabte Rechtsposition, nämlich die Zulassung zur Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses, einstweilen, nämlich bis einschließlich 31. Dezember 2008, weiter wirtschaftlich ausnutzen zu dürfen, kommt hier, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, allein der Erlass einer Sicherungsanordnung in Betracht (a.A,. allerdings ohne nähere Begründung Sächsisches LSG, Beschluss vom 29. April 2008, Az.: L 1 B 207/08 KR-ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom11. Juni 2008, Az.: L 11 KR 2438/08 ER-B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juli 2008, Az.: L 16 B 10/08: Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer derartigen Anordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO die Glaubhaftmachung eines auf die vorläufige Aufrechterhaltung eines streitigen Rechtsverhältnisses gerichteten Anordnungsanspruches sowie eines Anordnungsgrundes. Beides ist hier gegeben.
Der erforderliche Anordnungsanspruch verlangt grundsätzlich die – wenn auch in der Re¬gel nur summarische – Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache. Ist ein Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet, ist auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs grundsätzlich zu bejahen (vgl. Keller in Meyer-La¬dewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 16c und 29). Im vorliegenden Fall hätte eine Klage der Beschwerdegegnerin, gerichtet auf die vorläufige Weiterführung der Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Inkontinenzartikeln, mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Zum 1. April 2007 hat der Bundesgesetzgeber durch das Gesetz zur Stärkung des Wett¬bewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 (GKV-Wett¬bewerbsstärkungsgesetz, im Folgenden: GKV-WSG) u.a. die folgenden, hier relevanten Änderungen in der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln und in den Beziehungen zu Leistungserbringern vorgenommen: Die bis zum 31. März 2007 erforderliche Zulassung von Leistungserbringern durch Verwaltungsakt gemäß § 126 Abs. 1 S. 1 SGB V in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (a.F.) ist im Bereich der Hilfsmittel entfallen. Ge¬mäß § 126 Abs. 1 SGB V in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung (n.F.) dürfen Hilfs¬mittel an Versicherte nur noch auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V n.F. abgegeben werden. Gemäß § 127 Abs. 1 SGB V n.F. sollen die Krankenkas¬sen, ihre Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zu¬sammenschlüssen der Leistungserbringer über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Ver¬sorgung für einen bestimmten Zeitraum schließen. Die Krankenkassen haben ihre Ver¬sicherten nach § 127 Abs. 5 S. 1 SGB V n.F. über die zur Versorgung berechtigten Ver¬tragspartner und auf Nachfrage über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Abweichend von Abs. 1 S. 1 bleiben nach § 126 Abs. 2 SGB V n.F. Leistungserbrin¬ger, die am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 SGB V a.F. verfügen, bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt, um den bisher an der Ver¬sorgung der gesetzlich Versicherten beteiligten zugelassenen Leistungserbringern zu er¬möglichen, sich auf die geänderten Marktbedingungen einzustellen (Bundestags-Druck¬sache 16/3100 S. 141).
Da die Beschwerdegegnerin am 31. März 2007 über eine solche Zulassung verfügte, ist sie somit nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. zur Versorgung der Versicherten, und zwar auch der der Beschwerdeführerin, befristet bis zum 31. Dezember 2008 berechtigt (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juni 2008, a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Februar 2008 - Az.: L 1 B 41/08 KR ER).
Der gegenteiligen Auffassung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juli 2008, a.a.O.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 29. April 2008, a.a.O.), die sich zur Begründung im Wesentlichen auf § 33 Abs. 6 SGB V n.F. stützt, kann nicht gefolgt werden.
Zwar scheint der Wortlaut des § 33 Abs. 6 SGB V n.F. mit der oben genannten Vorschrift zu kollidieren: Gemäß § 33 Abs. 6 S. 1 SGB V n.F. können die Versicherten ab dem 1. April 2007 alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse oder nach § 126 Abs. 2 SGB V n.F. versorgungsberechtigt sind. Hat die Krankenkasse jedoch Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V n.F. über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung gemäß § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V n.F. durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Abweichend von Satz 2 können Versicherte gemäß § 33 Abs. 6 S. 3 SGB V n.F. ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen. Ausgehend hiervon reicht nach der gegenteiligen Auffassung die Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. zeitlich nur soweit, als die Krankenkassen (noch) keine Verträge nach § 127 SGB V n.F. abgeschlossen haben. Nachdem die Beschwerdeführerin entsprechende Verträge bereits geschlossen hat, könnte die Beschwerdegegnerin die Übergangsfrist des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. nicht vollständig ausnutzen.
Eine derartige Auflösung der Kollision war vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen. Sie kommt zum einen im Gesetzeswortlaut so nicht, jedenfalls nicht zwingend, zum Ausdruck, denn § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V n.F. betrifft seiner Stellung im Gesetz und seinem Regelungsgehalt nach das Verhältnis zwischen Krankenkassen und ihren Versicherten, indem es deren Wahlrecht in Bezug auf die Inanspruchnahme der Leistungserbringer auf diejenigen einschränkt, die ihnen von den Krankenkassen genannt werden. Zwar kann sich diese Vorschrift damit mittelbar auf die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern auswirken. Diese Auswirkungen können jedoch genauso gut dergestalt aussehen, dass die Krankenkassen ihren Versicherten bis zum Ablauf der Übergangsfrist des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. auch die bisherigen Versorgungsberechtigten noch benennen dürfen bzw. sogar müssen.
Zum anderen trägt der Regelungszweck die Begrenzung der Übergangsvorschrift nicht, denn die Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. läuft dem Sinn und Zweck der mit der Gesetzesreform verbundenen Änderungen nicht zuwider. Vielmehr gestaltet sie die Neuregelungen erst verfassungskonform aus, indem sie für die bis zum 31. März 2007 zugelassenen Leistungserbringer, die im Vertrauen auf die alte Rechtslage ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entsprechend ausgerichtet haben, eine Frist einräumt, sich auf die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen einzurichten. Zwar haben die Marktteilnehmer keinen grundrechtlich geschützten Anspruch auf eine unveränderte Beibehaltung einmal erlassener rechtlicher Vorschriften zur Regelung der Marktbedingungen. Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert jedoch im Falle einer Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen die Gewährung einer ausreichenden Übergangsfrist für diejenigen Markteilnehmer, die durch die Änderung künftig von der Teilnahme am Markt ausgeschlossen werden. Diesem verfassungsrechtlichen Erfordernis würde es zuwider laufen, wenn man mit der Gegenauffassung die Länge der Übergangsfrist nicht eindeutig gesetzlich festschriebe, sondern lediglich als Maximalfrist ansähe und damit die Bestimmung der Länge den vom Gesetz Betroffenen überließe. Dann hätten es die Krankenkassen in der Hand, durch eine unverzüglich durchgeführte Ausschreibung mit unmittelbar anschließendem Vertragsschluss die Übergangsfrist so zu verkürzen, dass sie ihre grundrechtlich vorausgesetzte Funktion, nämlich eine zeitlich ausreichende Möglichkeit zur Einstellung auf die geänderten Marktbedingungen einzuräumen, nicht mehr erfüllen könnte (so zu Recht Roth, Vertrauensschutz gegen Wirksamkeit von Ausschreibungen in MedR 2008, S. 206, 207).
Mit dieser Entscheidung wird weder das Vertrauen der Krankenkassen noch der Ausschreibungsgewinner in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, da der Ausschreibungsgewinn und damit das Exklusivlieferungsrecht mit der Übergangsregelung nach § 126 Abs. 2 SGB V n.F. "belastet" war und die Beteiligten dies wussten oder hätten wissen können.
Schließlich ist auch das Vorliegen des Anordnungsgrundes zu bejahen. Er liegt bei der Sicherungsanordnung immer dann vor, wenn die Gefahr der Rechtsvereitelung oder der Erschwerung der Rechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes droht. Durch den Ausschluss der Beschwerdegegnerin von der Versorgung der Versicherten der Beschwerdeführerin mit Inkontinenzartikeln besteht die Gefahr, dass dadurch die ihr durch § 126 Abs. 2 SGB V n.F. eingeräumte Rechtsposition vereitelt wird, da ein wirksamer Hauptsachrechtsschutz in jedem Falle zu spät käme. Völlig ohne Belang ist dabei ebenso die Höhe des Umsatzes, den die Beschwerdegegnerin mit den Inkontinenzartikeln gewöhnlich erzielt, auch im Vergleich mit ihrem Gesamtumsatz.
Da es hier um die Sicherung des Status quo geht und vom Senat lediglich bestandsschützende einstweilige Maßnahmen getroffen werden, ist das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht tangiert.
Nur zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass die Beschwerdeführerin ihren Versicherten damit mitzuteilen hat, dass die Beschwerdegegnerin noch zur Versorgung mit den Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 zugelassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in entsprechender Anwendung. § 197a SGG ist anzuwenden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger (hier die Beschwerdegegnerin) noch der Beklagte (hier die Beschwerdeführerin) zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dies ist vorliegend der Fall, da weder die Beschwerdegegnerin noch die Beschwerdeführerin zu den Versicherten, Leistungsempfängern oder sonstigen in § 183 SGG genannten Personengruppen gehören.
Danach waren die Verfahrenskosten auch hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zwingend der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, nachdem sie mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist. Zwar wurde die angefochten erstinstanzliche Entscheidung im Tenor abgeändert, gleichwohl erfolgt jedoch keine Kostenquotelung nach § 155 Abs. 1 VwGO, da die Beschwerdegegnerin insoweit nicht unterlegen im Sinne des Gesetzes ist.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung (GKG), ebenfalls in entsprechender Anwendung.
Diese Vorschriften gelten auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b SGG (§ 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert gemäß § 47 Abs. 1 GKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Er bemisst sich gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG nach dem geschätzten Jahresumsatz, den die Beschwerdegegnerin mit Inkontinenzmitteln erwirtschaftet und der, wie sie glaubhaft gemacht hat, im Falle eines Ausschlusses von der Versorgung nicht mehr erzielt werden könnte. Grundsätzlich ist gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG für die Bemessung ein Zeitraum von drei Jahren maßgeblich. Um der Vorläufigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Rechnung zu tragen, bleibt es bei der Streitwertberechnung nach dem einfachen durchschnittlichen Jahresumsatz.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Rechtskraft
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