Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 1 U 930/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 B 187/08 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Ablehnung des Gutachters Dr. med. S. wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
In der beim Sozialgericht Nordhausen anhängigen Unfallversicherungsstreitsache zum gerichtlichen Aktenzeichen S 1 U 930/08 des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Holz-Berufsgenossenschaft Bezirksverwaltung Erfurt beauftragte das Gericht mit Beweisanordnung vom 8. Juli 2008 den Facharzt für Orthopädie Dr. med. S. mit der Erstellung eines Gutachtens.
Mit Schriftsätzen vom 21. und vom 25. Juli 2008 hat der Kläger den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er unter anderem darauf verwiesen, dass der Sachverständige als Beratungsarzt für gesetzliche Versicherungsträger tätig sei. Eine unbefangene Begutachtung durch einen Arzt, der auch für Berufsgenossenschaften tätig werde, sei nicht gewährleistet. In seiner Rechtsansicht sah sich der Kläger des Weiteren durch den Beschluss des Landgerichts Köln vom 15. Januar 2004, Az.: 23 T 1/04, bestätigt. In dieser Entscheidung erkannte das Gericht in der Tätigkeit eines Sachverständigen in einem Institut für medizinische Begutachtung, das nach der langjährigen Erfahrung des Landgerichts überwiegend im Auftrage von Versicherungsgesellschaften tätig werde, einen Grund, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Mit Beschluss vom 28. Juli 2008 wies das Gericht den Befangenheitsantrag zurück. Es liege kein Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen; eine Befangenheit des Sachverständigen sei nicht zu befürchten. Insbesondere reiche es nicht aus, wenn der Sachverständige auch in berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahren als Gutachter beigezogen werde. Auch sei der ausgewählte Mediziner dem Gericht seit mehr als zwei Jahrzehnten als Gutachter bekannt; in dieser Zeitspanne sei er in einer Vielzahl von Verfahren tätig geworden.
Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde trägt der Kläger vor, dass Grund für die Besorgnis der Befangenheit nicht die Tätigkeit des Sachverständigen in Verwaltungsverfahren sei, sondern der Umstand, dass der Gutachter als Beratungsarzt für Berufsgenossenschaften tätig sei. Daher - so der Kläger weiter - könne es dahinstehen, ob allein die Tätigkeit eines Arztes als Gutachter in berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahren für sich gesehen geeignet sei, Zweifel an der Objektivität und Unbefangenheit des Sachverständigen zu begründen. Denn jedenfalls seien Beratungsärzte den Berufsgenossenschaften zuzurechnen. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5. Februar 2008, Az.: B 2 U 8/07 R, ist der Kläger der Ansicht, dass Beratungsärzte als Teil des Unfallversicherungsträgers tätig würden und daher diesen zuzurechnen seien. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auch darauf, dass der vom Sozialgericht ausgewählte Sachverständige in einem privatwirtschaftlichen Institut für medizinische Begutachtungen tätig sei, welches maßgeblich von Versicherungsgesellschaften und Versicherungsträgern beauftragt werde und daher von diesen wirtschaftlich abhängig sei. Daher sei zu befürchten, der Gutachter werde bei der Erhebung und Würdigung der medizinischen Befunde im Zweifel auf der Seite der Berufsgenossenschaften stehen. Abschließend sei nicht nachvollziehbar, wie der Sachverständige dem Sozialgericht Nordhausen seit mehr als zwei Jahrzehnten als Gutachter bekannt sein könne.
II.
Die nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 28. Juli 2008 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.
Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG sind auf die Beweisaufnahme unter anderem die §§ 392 bis 444 der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund eines Richters ist nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 ZPO die Besorgnis der Befangenheit.
Eine Ablehnung nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO kommt in Betracht, wenn Gründe vorliegen, die ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen können, wenn also Umstände vorliegen, die auch bei nüchtern denkenden Beteiligten Befürchtungen rechtfertigen können, dass der Sachverständige sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstattet (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl., § 118 Rn. 12k).
Es kommt dabei nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige nachweislich parteilich ist oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Parteilichkeit des Sachverständigen hat. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob ein solcher Grund vom Standpunkt des Verfahrensbeteiligten aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtungsweise anzunehmen ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 31. Juli 1985 - 9a RVs 5/84, Breithaupt 1986, 446). Insbesondere soll sichergestellt werden, dass Gerichtspersonen bei der Entscheidung dann nicht mitwirken, wenn sie in dem zu entscheidenden Fall aus besonderer Beziehung zu einem Beteiligten heraus nicht unparteiisch erscheinen.
Die von dem Kläger vorgetragenen Gründe rechtfertigen den Anschein der Parteilichkeit des Sachverständigen nicht. Insbesondere ist die Besorgnis der Befangenheit nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Sachverständige, der in einem (privatrechtlichen) Institut für medizinische Begutachtung tätig ist, vielfach Gutachten im gerichtlichen und außergerichtlichen Bereich erstellt. Allein die Tatsache, dass ein Arzt hauptberuflich als Sachverständiger tätig ist, bedeutet nicht, dass der zu Begutachtende Befürchtungen haben kann, dieser sei voreingenommen. Würde in diesen Fällen das subjektive Misstrauen des Versicherten für berechtigt angesehen, so hätte dies die unvermeidbare aber unerträgliche Konsequenz, dass gerade für bestimmte medizinische oder versicherungsrechtliche Fachbereiche besonders qualifizierte Gutachter von den Gerichten nicht herangezogen werden dürften, weil sie sich dafür entschieden hätten, Gutachten für Versicherungsträger zu erstellen (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. November 1985, Az.: L 3 Sb 96/85, Breithaupt 1986, 638). Allein der Umstand, dass der Sachverständige bereits im Verwaltungsverfahren in anderer Sache oder sonst Gutachten für die Beklagte erstattet, reicht daher nicht für seine Ablehnung aus.
Eine Ablehnung wäre nur dann berechtigt, wenn sich der Sachverständige in dieser Sache bereits im gerichtlichen Verfahren oder im Verwaltungsverfahren im Auftrag der Beklagten geäußert hätte (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Juni 2006, Az.: L 1 U 356/05). Dies ist nicht der Fall und wird von dem Kläger auch nicht behauptet.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger benannten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5. Februar 2008, Az.: B 2 U 8/07 R. Denn das beigezogene Urteil des Bundessozialgerichts verhält sich zu der Frage, ob das nach § 200 Abs. 2 des Siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII) gegenüber dem Unfallversicherungsträger bestehende Gutachterauswahlrecht des Versicherten und die Pflicht des Unfallversicherungsträgers, auf das Widerspruchsrecht des Versicherten gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hinzuweisen, auch im Gerichtsverfahren Geltung beanspruchen kann. Dies hat das Bundessozialgericht bejaht und bei einem unter Verstoß gegen diese Hinweispflicht vom Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens eingeholten Gutachten auf ein Beweisverwertungsverbot erkannt. Die in der Beschwerdebegründung vorgetragene Ansicht, dass Beratungsärzte (stets) als Teil des Unfallversicherers tätig sind, findet in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 5. Februar 2008 keine Stütze. Vielmehr hat das Bundessozialgericht darauf verwiesen, dass es der Berufsgenossenschaft ohne Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen möglich ist, sich in rechtlicher, technischer und medizinischer Hinsicht bei Ärzten, die zur Berufsgenossenschaft in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, beraten zu lassen. In diesem Kontext hat das Bundessozialgericht zudem herausgestellt, dass diese Beratung nicht nur bei angestellten Ärzten eingeholt werden kann, sondern dass die Berufsgenossenschaften - bei entsprechender Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen, beispielsweise durch den Abschluss eines entsprechenden Beratungsvertrages - auch die Stellungnahmen sogenannter Beratungsärzte einholen können. Soweit die Berufsgenossenschaften hierbei geschützte Sozialdaten an die Beratungsärzte weitergeben, liegt kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vor, da in diesen Fällen die Beratungsärzte als Teil des Unfallversicherungsträgers tätig werden.
Auch der vom Kläger in Bezug genommene Beschluss des Landgerichts Köln vom 15. Januar 2004, der in einem zivilrechtlichen Streitverfahren mit anderen Beteiligten erging und einen anderen Gutachter betraf, vermag die Ablehnung des Sachverständigen Dr. med. S. nicht zu begründen. Zwar wird in der zivilrechtlichen Literatur (vgl. Zimmermann in Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl., § 406 Rn. 5; Huber in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 406 Rn. 10; Jagenburg, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1995, 1712) zum Teil die Auffassung vertreten, ein Gutachter sei bereits dann befangen, wenn er für eine Versicherungsgesellschaft als Partei bereits in derselben Sache oder in anderen Verfahren Privatgutachten erstellt hat. Diese Auffassung aber kann in dieser Allgemeinheit nicht auf das sozialrechtliche Verfahren übertragen werden. Die von den Versicherungsbehörden im Verwaltungsverfahren eingeholten - und von den Sozialgerichten im Wege des Urkundsbeweises zu verwertenden - Gutachten sind kei- ne Privatgutachten (Meyer-Ladewig, SGG, § 128 Rn. 8). Denn auch die Sozialversicherungsträger haben wie die Sozialgerichte den öffentlich-rechtlichen Auftrag, die Durchsetzung der Rechte der Bürger in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren zu gewährleisten. Verwaltungsträger und die von ihnen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes als Hilfspersonen herangezogenen Ärzte haben den Sachverhalt objektiv zu ermitteln und daher von Amts wegen auch die für den Versicherten günstigen Umstände zu berücksichtigen, § 20 Abs. 1 und Abs. 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Dies schließt es aus, Gutachter, die auch von Versicherungsträgern herangezogen werden, als befangen anzusehen.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber gesehen, dass Kläger für sie ungünstige Gutachten in vielen Fällen nicht anerkennen werden, weil sie meinen, das Gericht habe einen ungeeigneten oder von vornherein gegen sie eingestellten, als besonders ablehnungsgeneigt geltenden Gutachter ausgewählt. Auch aus diesen Gründen gibt das SGG mit der Bestimmung des § 109 SGG den Klägern die Möglichkeit, dem Gericht einen Gutachter ihres Vertrauens zu benennen, der dann in aller Regel beauftragt wird, und zwar unabhängig davon, ob bereits im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten oder Gerichtsgutachten von Amts wegen vorliegen. Das Gesetz will damit einen Vorsprung der Verwaltung bei der Feststellung des medizinischen Sachverhalts durch von ihr beauftragte und bezahlte Gutachter ausgleichen und dem Kläger die Möglichkeit geben, für ihn ungünstige Begutachtungen durch einen Arzt seines Vertrauens überprüfen zu lassen. Welchem Gutachten dann zu folgen ist, hat das Gericht unter Würdigung der von den Sachverständigen ins Feld geführten Argumente und der Überzeugungskraft ihrer Stellungnahmen zu entscheiden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 25. Juli 2001, Az.: L 2 B 8/01 RJ, juris-dok.).
Abschließend gibt der Beschwerdevortrag des Klägers dem Senat Veranlassung, noch auf Folgendes hinzuweisen: Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG unter anderem über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierbei entscheiden die Sozialgerichte in Fachkammern (§ 10 SGG), die mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt sind (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG). Den Vorsitz in den Kammern der Sozialgerichte führen die Berufsrichter (§ 6 Nr. 2 SGG). Der Vorsitzende kann im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Der Vorsitzende wird hierbei als Kammer außerhalb der mündlichen Verhandlung ohne ehrenamtliche Richter tätig (Meyer-Ladewig, SGG, § 106 Rn. 8). Vor diesem Hintergrund ist es kein Widerspruch, wenn das Gericht in seinem Beschluss vom 28. Juli 2008 auch darauf verwiesen hat, dass der Sachverständige Dr. med. S. bereits seit zwei Jahrzehnten bekannt sei. Zwar wurde das Sozialgericht Nordhausen erst im August 1993 errichtet (vgl. Thüringer Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes vom 16. August 1993, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Thüringen 1993, S. 489). Der Kammervorsitzende, Direktor des Sozialgerichts Nordhausen Fuchs, hatte aber bereits als langjähriger Vorsitzender einer Unfallkammer am Sozialgericht Gießen und hernach seit 1992 als Vorsitzender einer Kammer für Sozialrecht am Kreisgericht Erfurt Gelegenheit, den Facharzt Dr. med. S. mit der Erstellung von Sachverständigengutachten zu beauftragen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
In der beim Sozialgericht Nordhausen anhängigen Unfallversicherungsstreitsache zum gerichtlichen Aktenzeichen S 1 U 930/08 des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Holz-Berufsgenossenschaft Bezirksverwaltung Erfurt beauftragte das Gericht mit Beweisanordnung vom 8. Juli 2008 den Facharzt für Orthopädie Dr. med. S. mit der Erstellung eines Gutachtens.
Mit Schriftsätzen vom 21. und vom 25. Juli 2008 hat der Kläger den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er unter anderem darauf verwiesen, dass der Sachverständige als Beratungsarzt für gesetzliche Versicherungsträger tätig sei. Eine unbefangene Begutachtung durch einen Arzt, der auch für Berufsgenossenschaften tätig werde, sei nicht gewährleistet. In seiner Rechtsansicht sah sich der Kläger des Weiteren durch den Beschluss des Landgerichts Köln vom 15. Januar 2004, Az.: 23 T 1/04, bestätigt. In dieser Entscheidung erkannte das Gericht in der Tätigkeit eines Sachverständigen in einem Institut für medizinische Begutachtung, das nach der langjährigen Erfahrung des Landgerichts überwiegend im Auftrage von Versicherungsgesellschaften tätig werde, einen Grund, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Mit Beschluss vom 28. Juli 2008 wies das Gericht den Befangenheitsantrag zurück. Es liege kein Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen; eine Befangenheit des Sachverständigen sei nicht zu befürchten. Insbesondere reiche es nicht aus, wenn der Sachverständige auch in berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahren als Gutachter beigezogen werde. Auch sei der ausgewählte Mediziner dem Gericht seit mehr als zwei Jahrzehnten als Gutachter bekannt; in dieser Zeitspanne sei er in einer Vielzahl von Verfahren tätig geworden.
Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde trägt der Kläger vor, dass Grund für die Besorgnis der Befangenheit nicht die Tätigkeit des Sachverständigen in Verwaltungsverfahren sei, sondern der Umstand, dass der Gutachter als Beratungsarzt für Berufsgenossenschaften tätig sei. Daher - so der Kläger weiter - könne es dahinstehen, ob allein die Tätigkeit eines Arztes als Gutachter in berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahren für sich gesehen geeignet sei, Zweifel an der Objektivität und Unbefangenheit des Sachverständigen zu begründen. Denn jedenfalls seien Beratungsärzte den Berufsgenossenschaften zuzurechnen. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5. Februar 2008, Az.: B 2 U 8/07 R, ist der Kläger der Ansicht, dass Beratungsärzte als Teil des Unfallversicherungsträgers tätig würden und daher diesen zuzurechnen seien. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auch darauf, dass der vom Sozialgericht ausgewählte Sachverständige in einem privatwirtschaftlichen Institut für medizinische Begutachtungen tätig sei, welches maßgeblich von Versicherungsgesellschaften und Versicherungsträgern beauftragt werde und daher von diesen wirtschaftlich abhängig sei. Daher sei zu befürchten, der Gutachter werde bei der Erhebung und Würdigung der medizinischen Befunde im Zweifel auf der Seite der Berufsgenossenschaften stehen. Abschließend sei nicht nachvollziehbar, wie der Sachverständige dem Sozialgericht Nordhausen seit mehr als zwei Jahrzehnten als Gutachter bekannt sein könne.
II.
Die nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 28. Juli 2008 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.
Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG sind auf die Beweisaufnahme unter anderem die §§ 392 bis 444 der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund eines Richters ist nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 ZPO die Besorgnis der Befangenheit.
Eine Ablehnung nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO kommt in Betracht, wenn Gründe vorliegen, die ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen können, wenn also Umstände vorliegen, die auch bei nüchtern denkenden Beteiligten Befürchtungen rechtfertigen können, dass der Sachverständige sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstattet (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl., § 118 Rn. 12k).
Es kommt dabei nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige nachweislich parteilich ist oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Parteilichkeit des Sachverständigen hat. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob ein solcher Grund vom Standpunkt des Verfahrensbeteiligten aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtungsweise anzunehmen ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 31. Juli 1985 - 9a RVs 5/84, Breithaupt 1986, 446). Insbesondere soll sichergestellt werden, dass Gerichtspersonen bei der Entscheidung dann nicht mitwirken, wenn sie in dem zu entscheidenden Fall aus besonderer Beziehung zu einem Beteiligten heraus nicht unparteiisch erscheinen.
Die von dem Kläger vorgetragenen Gründe rechtfertigen den Anschein der Parteilichkeit des Sachverständigen nicht. Insbesondere ist die Besorgnis der Befangenheit nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Sachverständige, der in einem (privatrechtlichen) Institut für medizinische Begutachtung tätig ist, vielfach Gutachten im gerichtlichen und außergerichtlichen Bereich erstellt. Allein die Tatsache, dass ein Arzt hauptberuflich als Sachverständiger tätig ist, bedeutet nicht, dass der zu Begutachtende Befürchtungen haben kann, dieser sei voreingenommen. Würde in diesen Fällen das subjektive Misstrauen des Versicherten für berechtigt angesehen, so hätte dies die unvermeidbare aber unerträgliche Konsequenz, dass gerade für bestimmte medizinische oder versicherungsrechtliche Fachbereiche besonders qualifizierte Gutachter von den Gerichten nicht herangezogen werden dürften, weil sie sich dafür entschieden hätten, Gutachten für Versicherungsträger zu erstellen (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. November 1985, Az.: L 3 Sb 96/85, Breithaupt 1986, 638). Allein der Umstand, dass der Sachverständige bereits im Verwaltungsverfahren in anderer Sache oder sonst Gutachten für die Beklagte erstattet, reicht daher nicht für seine Ablehnung aus.
Eine Ablehnung wäre nur dann berechtigt, wenn sich der Sachverständige in dieser Sache bereits im gerichtlichen Verfahren oder im Verwaltungsverfahren im Auftrag der Beklagten geäußert hätte (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Juni 2006, Az.: L 1 U 356/05). Dies ist nicht der Fall und wird von dem Kläger auch nicht behauptet.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger benannten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5. Februar 2008, Az.: B 2 U 8/07 R. Denn das beigezogene Urteil des Bundessozialgerichts verhält sich zu der Frage, ob das nach § 200 Abs. 2 des Siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII) gegenüber dem Unfallversicherungsträger bestehende Gutachterauswahlrecht des Versicherten und die Pflicht des Unfallversicherungsträgers, auf das Widerspruchsrecht des Versicherten gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hinzuweisen, auch im Gerichtsverfahren Geltung beanspruchen kann. Dies hat das Bundessozialgericht bejaht und bei einem unter Verstoß gegen diese Hinweispflicht vom Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens eingeholten Gutachten auf ein Beweisverwertungsverbot erkannt. Die in der Beschwerdebegründung vorgetragene Ansicht, dass Beratungsärzte (stets) als Teil des Unfallversicherers tätig sind, findet in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 5. Februar 2008 keine Stütze. Vielmehr hat das Bundessozialgericht darauf verwiesen, dass es der Berufsgenossenschaft ohne Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen möglich ist, sich in rechtlicher, technischer und medizinischer Hinsicht bei Ärzten, die zur Berufsgenossenschaft in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, beraten zu lassen. In diesem Kontext hat das Bundessozialgericht zudem herausgestellt, dass diese Beratung nicht nur bei angestellten Ärzten eingeholt werden kann, sondern dass die Berufsgenossenschaften - bei entsprechender Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen, beispielsweise durch den Abschluss eines entsprechenden Beratungsvertrages - auch die Stellungnahmen sogenannter Beratungsärzte einholen können. Soweit die Berufsgenossenschaften hierbei geschützte Sozialdaten an die Beratungsärzte weitergeben, liegt kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vor, da in diesen Fällen die Beratungsärzte als Teil des Unfallversicherungsträgers tätig werden.
Auch der vom Kläger in Bezug genommene Beschluss des Landgerichts Köln vom 15. Januar 2004, der in einem zivilrechtlichen Streitverfahren mit anderen Beteiligten erging und einen anderen Gutachter betraf, vermag die Ablehnung des Sachverständigen Dr. med. S. nicht zu begründen. Zwar wird in der zivilrechtlichen Literatur (vgl. Zimmermann in Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl., § 406 Rn. 5; Huber in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 406 Rn. 10; Jagenburg, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1995, 1712) zum Teil die Auffassung vertreten, ein Gutachter sei bereits dann befangen, wenn er für eine Versicherungsgesellschaft als Partei bereits in derselben Sache oder in anderen Verfahren Privatgutachten erstellt hat. Diese Auffassung aber kann in dieser Allgemeinheit nicht auf das sozialrechtliche Verfahren übertragen werden. Die von den Versicherungsbehörden im Verwaltungsverfahren eingeholten - und von den Sozialgerichten im Wege des Urkundsbeweises zu verwertenden - Gutachten sind kei- ne Privatgutachten (Meyer-Ladewig, SGG, § 128 Rn. 8). Denn auch die Sozialversicherungsträger haben wie die Sozialgerichte den öffentlich-rechtlichen Auftrag, die Durchsetzung der Rechte der Bürger in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren zu gewährleisten. Verwaltungsträger und die von ihnen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes als Hilfspersonen herangezogenen Ärzte haben den Sachverhalt objektiv zu ermitteln und daher von Amts wegen auch die für den Versicherten günstigen Umstände zu berücksichtigen, § 20 Abs. 1 und Abs. 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Dies schließt es aus, Gutachter, die auch von Versicherungsträgern herangezogen werden, als befangen anzusehen.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber gesehen, dass Kläger für sie ungünstige Gutachten in vielen Fällen nicht anerkennen werden, weil sie meinen, das Gericht habe einen ungeeigneten oder von vornherein gegen sie eingestellten, als besonders ablehnungsgeneigt geltenden Gutachter ausgewählt. Auch aus diesen Gründen gibt das SGG mit der Bestimmung des § 109 SGG den Klägern die Möglichkeit, dem Gericht einen Gutachter ihres Vertrauens zu benennen, der dann in aller Regel beauftragt wird, und zwar unabhängig davon, ob bereits im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten oder Gerichtsgutachten von Amts wegen vorliegen. Das Gesetz will damit einen Vorsprung der Verwaltung bei der Feststellung des medizinischen Sachverhalts durch von ihr beauftragte und bezahlte Gutachter ausgleichen und dem Kläger die Möglichkeit geben, für ihn ungünstige Begutachtungen durch einen Arzt seines Vertrauens überprüfen zu lassen. Welchem Gutachten dann zu folgen ist, hat das Gericht unter Würdigung der von den Sachverständigen ins Feld geführten Argumente und der Überzeugungskraft ihrer Stellungnahmen zu entscheiden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 25. Juli 2001, Az.: L 2 B 8/01 RJ, juris-dok.).
Abschließend gibt der Beschwerdevortrag des Klägers dem Senat Veranlassung, noch auf Folgendes hinzuweisen: Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG unter anderem über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierbei entscheiden die Sozialgerichte in Fachkammern (§ 10 SGG), die mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt sind (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG). Den Vorsitz in den Kammern der Sozialgerichte führen die Berufsrichter (§ 6 Nr. 2 SGG). Der Vorsitzende kann im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Der Vorsitzende wird hierbei als Kammer außerhalb der mündlichen Verhandlung ohne ehrenamtliche Richter tätig (Meyer-Ladewig, SGG, § 106 Rn. 8). Vor diesem Hintergrund ist es kein Widerspruch, wenn das Gericht in seinem Beschluss vom 28. Juli 2008 auch darauf verwiesen hat, dass der Sachverständige Dr. med. S. bereits seit zwei Jahrzehnten bekannt sei. Zwar wurde das Sozialgericht Nordhausen erst im August 1993 errichtet (vgl. Thüringer Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes vom 16. August 1993, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Thüringen 1993, S. 489). Der Kammervorsitzende, Direktor des Sozialgerichts Nordhausen Fuchs, hatte aber bereits als langjähriger Vorsitzender einer Unfallkammer am Sozialgericht Gießen und hernach seit 1992 als Vorsitzender einer Kammer für Sozialrecht am Kreisgericht Erfurt Gelegenheit, den Facharzt Dr. med. S. mit der Erstellung von Sachverständigengutachten zu beauftragen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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