Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 18 AY 1442/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 8 B 66/07 AY
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 11. Januar 2007 aufgehoben.
Den Beschwerdeführern wird für die Durchführung des Verfahrens vor dem Sozialgericht Meiningen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W., G., zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Meiningen ansässigen Rechtsanwalts gewährt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts, mit der ihnen Prozesskostenhilfe für ein erstinstanzliches Klageverfahren auf Gewährung von Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mangels hinreichender Erfolgsaussichten versagt worden ist.
Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) reisten 1995 aus Serbien/Montenegro kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hierzulande Asylanträge, die rechtskräftig abgelehnt wurden. Sie erhielten - ebenso wie die 1996 geborene Beschwerdeführerin zu 3), die 1998 geborene Beschwerdeführerin zu 4), der 2000 geborene Beschwerdeführer zu 5) und der 2003 geborene Beschwerdeführer zu 6) - Leistungen nach § 3 AsylbLG. Für sich und ihre Kinder stellten sie sodann Asylfolge- bzw. Asylanträge. Für die Zeit der ihnen daraufhin erteilten ausländerrechtlichen Duldungen erhielten sie weiterhin Leistungen nach § 3 AsylbLG (u. a. Bescheid des Beschwerdegegners vom 24. Januar 2005).
Mit am 1. Dezember 2005 eingegangenem Schreiben erhoben die Beschwerdeführer "Widerspruch gegen sämtliche noch nicht bestandskräftigen Bescheide" und begehrten die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Der Beschwerdegegner lehnte dies ab (Schreiben vom 8. Dezember 2005) und legte den Vorgang dem Thüringer Landesverwaltungsamt vor, das die Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2006 bestätigte, weil die Beschwerdeführer die Dauer ihres Aufenthalts durch die zeitversetzte Asylantragstellung missbräuchlich hinausgezögert hätten.
Dagegen haben die Beschwerdeführer Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt, was das Sozialgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2007 abgelehnt hat: Die Beschwerdeführer hätten sich rechtsmissbräuchlich verhalten, wie sich aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen ihrer geplanten Abschiebung und der Stellung weiterer Asylanträge ergebe, die auch zeitversetzt erfolgt seien.
Dagegen wendet sich die Beschwerde. Das Sozialgericht verwerte Sachverhalte aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 2 AsylbLG, was unter Rückwirkungsgesichtspunkten unzulässig sei. Im Übrigen liege auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor.
Der Beschwerdegegner hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig. Die Klage sei schon unzulässig, weil keine Ausgangsentscheidung vorliege. Außerdem sei der geltend gemachte Anspruch zeitlich nicht bestimmt.
Nachdem den Beschwerdeführern am 22. März 2007 Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt worden waren, hat der Beschwerdegegner ihnen mit Bescheid vom 22. März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt. An der Auffassung, dass die Beschwerdeführer vorher rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 2 AslybLG gehandelt hätten, hält er fest.
Daraufhin haben die Beschwerdeführer das Klageverfahren für die Zeit ab dem 22. März 2007 für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beschwerdegegners sowie die Ausländerakten und die Gerichtsakte S 18 AY 1442/06 lagen vor und waren Gegenstand der geheimen Beratung. II.
Die Beschwerde ist begründet. Im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. Juni 2008 (Az.: B 8/9b AY 1/07 R) ergibt sich, dass das Sozialgericht den Beschwerdeführern zu Unrecht Prozesskostenhilfe verweigert hat.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung erhält derjenige Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegten Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 ; 10, 264 (270); 67, 245 (248); 81, 347 (356)). Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, wenn sie unter Verkennung der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannen und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfGE 81, 347 (358)).
Danach ist vorliegend für den noch nicht erledigten Teil des Klagegegenstandes (Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG - im Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 21. März 2007) Prozesskostenhilfe zu gewähren. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Gegenstand des Verfahrens ist die Entscheidung des Beschwerdegegners, den Beschwerdeführern Leistungen nach § 1 in Verbindung mit § 3 AsylbLG zu gewähren. Damit ist gleichzeitig die Gewährung von (höheren) Leistungen nach § 2 AsylbLG abgelehnt worden. Diese Entscheidung basiert auf dem (bestandskräftigen) Bescheid vom 24. Januar 2005, dessen objektiver Regelungsgehalt für einen verständigen Erklärungsempfänger (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 11 des Urteilstexts) zeitlich unbeschränkt ist. Das ergibt sich aus den im Bescheid enthaltenen Formulierungen: Danach werden für die Beschwerdeführer "ab dem 09.01.2005 die monatlichen Leistungen ( ) gewährt: "; "für den Monat Februar 2005 werden die Leistungen anteilig bezahlt". Anhaltspunkte dafür, dass die zeitliche Geltungsdauer des Bescheids auf eine vornherein begrenzte Periode beschränkt wäre, ergeben sich aus dem Bescheid nicht. Damit war der (bestandskräftige) Bescheid vom 24. Januar 2005 auch im Zeitpunkt des Widerspruchsschreibens vom 1. Dezember 2005 Rechtsgrundlage für die monatlich erbrachten Leistungen, und das "Widerspruchsschreiben" vom 1. Dezember 2005 ("gegen sämtliche noch nicht bestandskräftigen Bescheide") stellte sich inhaltlich als Antrag auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG dar, den der Beschwerdegegner ablehnte (vgl. seine Schreiben vom 18. Dezember 2005 und vom 16. Januar 2006, wonach dem Widerspruch nicht abgeholfen werde). Diese Entscheidung hat das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2007 bestätigt.
Der in der Klage zu beurteilende Zeitraum bezieht sich auch auf die Zeit nach Erlass des Widerspruchsbescheides (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 12 des Urteilstexts), weil vorliegend niedrigere Leistungen ohne zeitliche Beschränkung bewilligt wurden, die Beschwerdeführer den am 1. Dezember 2005 geltend ge¬machten Anspruch nicht nur bis zur Ent¬scheidung über den Widerspruch, sondern auch für den Folgezeitraum geltend machen und der Beschwerdegegner sich auch in der Folge¬zeit weigerte, die beanspruchten Leistungen zu erbringen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 B 8/9b SO 12/06 R Rdnr 9). Allerdings ist der streitbefangene Zeitraum auf die Zeit bis zum 21. März 2007 begrenzt, weil der Beschwerdegegner den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 22. März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt hat und die Beschwerdeführer die Klage für folgende Zeiträume für erledigt erklärt haben, was nach dem SGG inhaltlich einer zur Erledigung führenden Klagerücknahme entspricht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 9. A., § 102 Rdnr. 3).
Die Begründetheit der Klage misst sich an § 2 AsylbLG in der ab 1. Januar 2005 durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I 1950) geltenden Fassung.
Nach dieser Vorschrift (in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf die¬jenigen Leistungsberechtigten (des § 1 AsylbLG) entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG er¬halten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Die Beschwerdeführer gehören im streitbefangenen Zeitraum zum Kreis der Leistungs¬berechtigten, denn sie hielten sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und besaßen eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG); damit erfüllen sie die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG. Auch die Vorbezugszeit von 36 Monaten mit Leistungen nach § 3 AsylbLG ist hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 1) bis 5) im hier maßgeblichen Zeitraum erfüllt, für den Beschwerdeführer zu 6) allerdings erst ab 23. September 2006 (vgl. den Bescheid des Beschwerdegegners vom 20. Oktober 2003, wonach die Leistungen ab dem 22. September 2003 gewährt werden). Dieser Umstand fällt im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens jedoch nicht ins Gewicht und lässt die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage daher nicht entfallen.
Die Frage, ob die Beschwerdeführer die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (§ 2 Abs. 1 AsylbLG), ist in einem zum Erfolg der Beschwerde führenden Umfang offen. Die vom Sozialgericht angeführte Begründung trägt die Ablehnung nicht. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts drängt sich nach dem Akteninhalt nicht auf. Weitergehende Ermittlungen sind im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht veranlasst.
Der Begriff des Rechtsmissbrauchs wird im AsylbLG an keiner Stelle definiert. Er wurzelt in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben § 242 Bürger¬liches Gesetzbuch (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 81, Stand März 2007). Als vorwerfbares Fehl¬verhalten be¬inhaltet er eine objektive den Missbrauchstatbestand und eine subjektive Komponente das Ver¬schulden (Hohm, aaO, RdNr 82, 83). Der Vorschrift des § 2 und damit dem die Beein¬flussung der Aufenthaltsdauer dienenden Rechtsmissbrauch liegt der Ge¬danke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treu¬widrig herbeigeführt hat. Demgegenüber genügt anders als bei § 1a AsylbLG (dazu nur: Herbst, aaO, § 1a RdNr 15; Hohm, aaO, § 1a RdNr 101, Stand Dezember 2006) nicht, dass die Dauer des Auf¬enthalts auf Gründen beruht, die in der Verantwortungs¬sphäre des Hilfe¬suchenden liegen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 32 des Urteilstexts). Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liegt dabei nicht schon in der zur Aufenthaltsverlängerung führenden Nutzung der Rechts¬position, die der Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm mög¬lich und zumutbar wäre, auszureisen (so aber noch der für das Asylbewerberleistungsrecht früher zuständige 9b-Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2007 - BSG SozR 4 3520 § 2 Nr 1).
In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 17, Stand Oktober 2007: "hohe Hürde"). Der Ausländer soll danach von Analog-Leistungen aus¬geschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand (Aufenthaltsdauer von 36 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl zum Rechtsmiss¬brauch nur: Palandt, BGB, 64. Aufl, § 242 RdNr 38 ff). Dabei genügt angesichts des Sanktions¬charakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Ver¬halten. Art, Aus¬maß und Folgen der Pflichtverletzung wiegen für den Ausländer sowie über die Regelung des § 2 Abs 3 AsylbLG für dessen minderjährige Kinder so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss (vgl Adolph, aaO). Daher führt nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzel¬falls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Aus¬schluss von Analog-Leistungen; nur dann ist es gerechtfertigt, auch die minderjährigen Kinder mit den Folgen dieses Verhaltens zu belasten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 33 des Urteilstexts).
Die Gesetzesbegründung führt insoweit beispielhaft die Vernichtung des Passes und Angabe einer falschen Identität (BT-Drucks 15/420, S 121) als typische Fallgestaltungen eines Rechts¬missbrauchs an, es sei denn, sie wären ihrerseits eine Reaktion auf oder eine vorbeugende Maßnahme gegen objektiv zu er¬wartendes Fehlverhalten des Staates, bei dem um Asyl nach¬gesucht wird wie etwa eine rechtswidrige Zurückweisung bei der Einreise oder eine rechts¬widrige Verweigerung der Einreise. Auf Rechtsmiss¬brauch kann sich der Staat dann nicht be¬rufen, wenn er sich selbst rechtswidrig oder rechtsmissbräuchlich verhält. Die Regelung ist damit deutlich empfängerfreundlicher als § 2 Abs 1 Nr 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neu¬regelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074). Danach waren noch Analog-Leistungen für Leistungsberechtigte (unter anderem) vorgesehen, "wenn sie eine Duldung erhalten haben, weil ihrer freiwilligen Ausreise Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben". Nach der Gesetzesbegründung sollte (schon) jeder Sachver¬halt für den Ausschluss von Analog-Leistungen genügen, der in der Verantwortungssphäre des Be¬troffenen zu finden war, wie etwa der Verlust von Ausweis¬papieren, falls keine ungewöhn¬lichen anderen Gründe dafür ersichtlich waren (BT-Drucks 12/5008, S 16 zu § 1a). Die im Ver¬gleich zu § 2 Abs 1 AsylbLG, in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung deutlich schwächere Formulierung "vertreten haben" zeigt, dass für den Ausschluss von Analog-Leistungen ein weit strengerer Maßstab anzulegen ist. Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 34 des Urteilstexts).
Ausgehend von diesem Maßstab ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht schon die zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechts¬position ausreichend, die der Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm mög¬lich und zumutbar wäre, auszureisen (so noch BSG SozR 4-3520 § 2 Nr 1 RdNr 16). Ist die Ab¬schiebung ausgesetzt, bleibt nach dem AufenthG die Ausreisepflicht zwar unberührt (§ 60a AufenthG). Eine Pflicht im eigentlichen Sinn kann damit aber mangels Vollziehbarkeit der Ab¬schiebung nicht verbunden sein. Es wäre widersprüchlich, den Aufenthalt des Ausländers vorübergehend zu dulden und ihm gleichzeitig den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzu¬werfen, obwohl der Staat selbst zeitweise darauf verzichtet, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Demgemäß ist regelmäßig auch weder in der Stellung eines Asylantrags selbst (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 83, Stand März 2007) noch im Verbleiben des Ausländers während des Asylverfahrens (§§ 55, 67 Asylverfahrensgesetz: Aufenthaltgestattung) bis zur Rechtskraft einer ab¬lehnenden Entscheidung ein Rechtsmissbrauch zu sehen. Nach der Ausländer nicht aus¬nehmenden prinzipiellen Ordnung des Verhältnisses des Einzelnen zum Staat im Grundgesetz vermittelt die Duldung dem Ausländer eine geschützte Rechtsposition. Sie stellt einen ihn be¬günstigenden Verwaltungsakt dar, auf dessen Erteilung der Ausländer bei Erfüllung der tat¬bestandlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat (BVerwGE 105, 232 ff). Hält der Staat, etwa aus völkerrechtlichen bzw humanitären Gründen oder zur Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, den weiteren Verbleib des Ausländers selbst für erforderlich oder ist eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sogar un¬möglich, kann dem Ausländer die Inanspruchnahme einer Duldung nicht vorgeworfen werden. Nicht in dem Nichtausreisen des Ausländers trotz (formaler) Ausreisepflicht (Duldung) liegt ein Rechtsmissbrauch, sondern allenfalls in den Gründen, die hierzu geführt haben. Der Aufent¬haltsstatus (Duldung) ist für die Beantwortung der Frage, ob der Ausländer seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, unerheblich. Hat der Ausländer diese Gründe zu vertreten, hat er also insoweit selbst Einfluss auf das Geschehen genommen, kann nur deshalb, nicht aber wegen bestehender Ausreisepflicht, ein Rechtsmissbrauch bejaht werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 35 des Urteilstexts).
Ein Rechtsmissbrauch im oben genannten Sinn kann ferner nur vorliegen, wenn der Ausländer sich hierüber auch bewusst ist; ein bloß fahrlässiges Verhalten für die An¬nahme eines Rechtsmissbrauchs genügt nicht (vgl. auch § 104a Abs 1 Satz 1 Nr 4 AufenthG). Vielmehr setzt der Vorwurf sowohl Vorsatz bezüglich der tatsächlichen Umstände als auch der Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts voraus. In der bloß fahrlässig herbeigeführten Verlängerung der Aufenthaltsdauer liegt anders als bei § 1a AsylbLG kein so schwer wiegender Verstoß gegen die Rechtsordnung, dass eine nicht nur zeitlich begrenzte Absenkung der Leistungen ge¬rechtfertigt wäre; ein bloß fahr¬lässiges Verhalten kann unter Berücksichtigung der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland nicht als sozialwidrig eingestuft werden. Gegebenenfalls ist zu prüfen, ob der Schuldvorwurf entfällt, wenn die Betroffenen glaubhaft davon aus¬gegangen sind, dass ihr Verhalten durch rechtswidriges oder rechts¬missbräuchliches Verhalten des Staates "gerechtfertigt", also nicht sozialwidrig wäre. Hierfür können die im Strafrecht entwickelten Grundsätze des Irrtums über die tatbestandlichen Voraus¬setzungen eines Rechtfertigungsgrundes nutzbar gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 39 des Urteilstexts).
Soweit es das Tatbestandsmerkmal "Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts" betrifft, ist auf den gesamten Zeitraum des Leistungsberechtigten in Deutschland abzu¬stellen (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 4; Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 72, Stand März 2007). Ob der Rechtsmissbrauch (z. B. eine etwaige Vernichtung der Pässe) selbst in diesen Zeitraum fällt, ist hingegen nicht entscheidend. Auch ein Verhalten vor der Einreise in das Bundesgebiet, das der Beeinflussung der (gesamten Dauer) des Auf¬enthalts dient, kann sich als rechtsmissbräuchlich erweisen. Der Zeitraum beginnt nicht mit der Vollziehbarkeit der Ausreiseaufforderung einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens (§ 38 Abs 1 Asylver¬fahrensgesetz iVm § 59 AufenthG bzw bis zum 31. Dezember 2004 § 50 Ausländergesetz), sondern bereits mit dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer sich rechtsmissbräuchlich verhält. Ist der Rechtsmiss¬brauch zeitlich vor der Einreise anzusiedeln, wirkt er sich ab Einreise der Asylbewerber aus (vgl. vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 40 des Urteilstexts).
Ebenso wenig ist es in diesem Zu¬sammenhang entscheidend, ob der Missbrauchstatbestand aktuell andauert oder die Annahme rechtfertigt, er sei noch kausal für den derzeitigen Aufenthalt des Ausländers (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 41 des Urteilstexts - unter Aufgabe der Rechtsprechung des für das Asylbewerber¬leistungsrecht früher zuständigen 9b Senat in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2007 - SozR 4 3520 § 2 Nr 1 -). Ob die Ausreise aktuell zumutbar ist, ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2 AsylbLG ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein der Zusammenhang zwischen der gesamten Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland und dem Fehlverhalten des Ausländers, gleichgültig, ob dieses Fehlverhalten einmalig oder auf Dauer an¬gelegt ist bzw war oder ob es sich wiederholt hat. Nach der Gesetzesbegründung sollen von dem Anspruch auf Analog-Leistungen Fälle ausgenommen werden, in denen der Ausländer rechtsmissbräuchlich die Dauer seines Aufent¬haltes selbst beeinflusst hat; beispielhaft werden die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität aufgeführt (BT-Drucks 15/420, S 121). Diese Begründung zeigt, dass gerade ein einmaliges Verhalten bereits bei oder vor der Einreise nach Deutschland zum An¬lass genommen wurde, dem Ausländer nach Ablauf von drei bzw vier Jahren einen Anspruch auf Analog-Leistungen vor¬zuenthalten (vgl in diesem Sinne auch § 104a Abs 1 Satz 1 Nr 4 AufenthG). Ein Ausländer, der seine Aufenthaltsdauer selbst missbräuchlich beeinflusst hat, ist nicht schutzbedürftig (vgl zur zu berücksichtigenden Dauer auch Hohm, NVwZ 2005, 388 f), solange ihm das Aufenthaltsrecht keinen gefestigten Aufenthaltsstatus zugesteht (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 41 des Urteilstexts).
Zwischen dem Verhalten des Ausländers und der Be¬einflussung der Dauer des Aufenthaltes bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut ferner zwar einer kausalen Verknüpfung. Allerdings zeigen bereits Gesetzeswortlaut ("Beeinflussung", nicht Verlängerung) und Gesetzesbegründung, die ua in ihrer beispielhaften Aufzählung die Vernichtung eines Passes nennt, dass eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerf¬baren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes aus¬reicht, also kein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 43 des Urteilstexts - mwN). Dies bedeutet, dass jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten, das - typisierend - der vom Gesetz¬geber miss¬billigten Beeinflussung der Dauer des Aufent¬haltes dienen kann, ausreichend ist, um die kausale Verbindung zu bejahen. Ob etwa das Asyl¬verfahren tatsächlich verzögert wurde und eine frühere Abschiebung erfolgt und deshalb in einem ggf "kleineren Zeitfenster" möglich gewesen wäre, bedarf im Hinblick auf die typisierende Betrachtung keiner Ent¬scheidung. Eine solche wäre in aller Regel auch nicht möglich, weil keine sichere Aussage über einen hypothetischen Kausalverlauf getroffen werden könnte. Wie sollte beurteilt werden, wie lange ein Asylverfahren bei anderem Verhalten des Ausländers gedauert hätte und ob der Ausländer bei einer kürzeren Verfahrens¬dauer ausgewiesen worden oder ausgereist wäre (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 43 des Urteilstexts).
Eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können, etwa weil die Er¬lasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte. In diesen Fällen ist eine typisierende Be¬trachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entsprechen nicht der oben geschilderten Typik. Lässt es sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 44 des Urteilstexts).
Nach diesen Grundsätzen kann nicht bereits allein aus der wiederholten (auch "zeitversetzten") Stellung von Asylanträgen gefolgert werden, dass die Beschwerdeführer die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Denn in diesen Handlungen liegt lediglich die Inanspruchnahme rechtlicher Möglichkeiten, die ohne nähere Feststellungen zur subjektiven Komponente kein vorwerfbares Fehlverhalten begründen. Die Feststellung des Sozialgerichts, die Beschwerdeführer hätten im Verwaltungsverfahren versäumt, auch nur ansatzweise sachliche Gründe für die zeitversetzte Asylantragstellung darzulegen, reicht insoweit nicht, zumal dieser Aspekt im Verwaltungsverfahren zwischen den Beteiligten nicht näher problematisiert worden ist. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 27. Oktober 2006 haben die Beschwerdeführer ihre Asylfolgeanträge im Übrigen mit der aus ihrer Sicht veränderten Verfolgungssituation in ihrer Heimat begründet. Dazu kommt, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführern ab dem 22. März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt hat, ohne dass dafür ein entscheidungserheblich anderer Sachverhalt vorgetragen wäre: Denn die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 AufenthaltsG entbindet die Behörde nicht von der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 AsylbLG (vgl. Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand: August 2007, § 2 AsylbLG Rdnr. 30).
Sonstige Gründe für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts drängen sich nach dem Akteninhalt nicht auf. Weitergehende Ermittlungen sind im Rahmen des vorliegenden Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahrens nicht veranlasst.
Im Klageverfahren wird auch zu klären sein, ob den Beschwerdeführern überhaupt noch weitere Leistungen zustehen (vgl. zu den Aspekten dieser Prüfung BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 49 des Urteilstexts). Dabei dürfte im Rahmen des anzustellenden Wertvergleichs auch zu berücksichtigen sein, dass der Beschwerdeführer zu 6) ausweislich des in den Ausländerakten befindlichen Auszugs aus dem Geburtseintrag erst am 23. September 2003 geboren ist und die Leistungsgewährung bereits ab 22. September 2003 (vgl. Bescheid vom 30. September 2003) daher insoweit rechtswidrig sein dürfte.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Den Beschwerdeführern wird für die Durchführung des Verfahrens vor dem Sozialgericht Meiningen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W., G., zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Meiningen ansässigen Rechtsanwalts gewährt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts, mit der ihnen Prozesskostenhilfe für ein erstinstanzliches Klageverfahren auf Gewährung von Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mangels hinreichender Erfolgsaussichten versagt worden ist.
Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) reisten 1995 aus Serbien/Montenegro kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hierzulande Asylanträge, die rechtskräftig abgelehnt wurden. Sie erhielten - ebenso wie die 1996 geborene Beschwerdeführerin zu 3), die 1998 geborene Beschwerdeführerin zu 4), der 2000 geborene Beschwerdeführer zu 5) und der 2003 geborene Beschwerdeführer zu 6) - Leistungen nach § 3 AsylbLG. Für sich und ihre Kinder stellten sie sodann Asylfolge- bzw. Asylanträge. Für die Zeit der ihnen daraufhin erteilten ausländerrechtlichen Duldungen erhielten sie weiterhin Leistungen nach § 3 AsylbLG (u. a. Bescheid des Beschwerdegegners vom 24. Januar 2005).
Mit am 1. Dezember 2005 eingegangenem Schreiben erhoben die Beschwerdeführer "Widerspruch gegen sämtliche noch nicht bestandskräftigen Bescheide" und begehrten die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Der Beschwerdegegner lehnte dies ab (Schreiben vom 8. Dezember 2005) und legte den Vorgang dem Thüringer Landesverwaltungsamt vor, das die Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2006 bestätigte, weil die Beschwerdeführer die Dauer ihres Aufenthalts durch die zeitversetzte Asylantragstellung missbräuchlich hinausgezögert hätten.
Dagegen haben die Beschwerdeführer Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt, was das Sozialgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2007 abgelehnt hat: Die Beschwerdeführer hätten sich rechtsmissbräuchlich verhalten, wie sich aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen ihrer geplanten Abschiebung und der Stellung weiterer Asylanträge ergebe, die auch zeitversetzt erfolgt seien.
Dagegen wendet sich die Beschwerde. Das Sozialgericht verwerte Sachverhalte aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 2 AsylbLG, was unter Rückwirkungsgesichtspunkten unzulässig sei. Im Übrigen liege auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor.
Der Beschwerdegegner hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig. Die Klage sei schon unzulässig, weil keine Ausgangsentscheidung vorliege. Außerdem sei der geltend gemachte Anspruch zeitlich nicht bestimmt.
Nachdem den Beschwerdeführern am 22. März 2007 Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt worden waren, hat der Beschwerdegegner ihnen mit Bescheid vom 22. März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt. An der Auffassung, dass die Beschwerdeführer vorher rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 2 AslybLG gehandelt hätten, hält er fest.
Daraufhin haben die Beschwerdeführer das Klageverfahren für die Zeit ab dem 22. März 2007 für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beschwerdegegners sowie die Ausländerakten und die Gerichtsakte S 18 AY 1442/06 lagen vor und waren Gegenstand der geheimen Beratung. II.
Die Beschwerde ist begründet. Im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. Juni 2008 (Az.: B 8/9b AY 1/07 R) ergibt sich, dass das Sozialgericht den Beschwerdeführern zu Unrecht Prozesskostenhilfe verweigert hat.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung erhält derjenige Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegten Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 ; 10, 264 (270); 67, 245 (248); 81, 347 (356)). Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, wenn sie unter Verkennung der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannen und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfGE 81, 347 (358)).
Danach ist vorliegend für den noch nicht erledigten Teil des Klagegegenstandes (Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG - im Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 21. März 2007) Prozesskostenhilfe zu gewähren. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Gegenstand des Verfahrens ist die Entscheidung des Beschwerdegegners, den Beschwerdeführern Leistungen nach § 1 in Verbindung mit § 3 AsylbLG zu gewähren. Damit ist gleichzeitig die Gewährung von (höheren) Leistungen nach § 2 AsylbLG abgelehnt worden. Diese Entscheidung basiert auf dem (bestandskräftigen) Bescheid vom 24. Januar 2005, dessen objektiver Regelungsgehalt für einen verständigen Erklärungsempfänger (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 11 des Urteilstexts) zeitlich unbeschränkt ist. Das ergibt sich aus den im Bescheid enthaltenen Formulierungen: Danach werden für die Beschwerdeführer "ab dem 09.01.2005 die monatlichen Leistungen ( ) gewährt: "; "für den Monat Februar 2005 werden die Leistungen anteilig bezahlt". Anhaltspunkte dafür, dass die zeitliche Geltungsdauer des Bescheids auf eine vornherein begrenzte Periode beschränkt wäre, ergeben sich aus dem Bescheid nicht. Damit war der (bestandskräftige) Bescheid vom 24. Januar 2005 auch im Zeitpunkt des Widerspruchsschreibens vom 1. Dezember 2005 Rechtsgrundlage für die monatlich erbrachten Leistungen, und das "Widerspruchsschreiben" vom 1. Dezember 2005 ("gegen sämtliche noch nicht bestandskräftigen Bescheide") stellte sich inhaltlich als Antrag auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG dar, den der Beschwerdegegner ablehnte (vgl. seine Schreiben vom 18. Dezember 2005 und vom 16. Januar 2006, wonach dem Widerspruch nicht abgeholfen werde). Diese Entscheidung hat das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2007 bestätigt.
Der in der Klage zu beurteilende Zeitraum bezieht sich auch auf die Zeit nach Erlass des Widerspruchsbescheides (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 12 des Urteilstexts), weil vorliegend niedrigere Leistungen ohne zeitliche Beschränkung bewilligt wurden, die Beschwerdeführer den am 1. Dezember 2005 geltend ge¬machten Anspruch nicht nur bis zur Ent¬scheidung über den Widerspruch, sondern auch für den Folgezeitraum geltend machen und der Beschwerdegegner sich auch in der Folge¬zeit weigerte, die beanspruchten Leistungen zu erbringen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 B 8/9b SO 12/06 R Rdnr 9). Allerdings ist der streitbefangene Zeitraum auf die Zeit bis zum 21. März 2007 begrenzt, weil der Beschwerdegegner den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 22. März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt hat und die Beschwerdeführer die Klage für folgende Zeiträume für erledigt erklärt haben, was nach dem SGG inhaltlich einer zur Erledigung führenden Klagerücknahme entspricht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 9. A., § 102 Rdnr. 3).
Die Begründetheit der Klage misst sich an § 2 AsylbLG in der ab 1. Januar 2005 durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I 1950) geltenden Fassung.
Nach dieser Vorschrift (in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf die¬jenigen Leistungsberechtigten (des § 1 AsylbLG) entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG er¬halten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Die Beschwerdeführer gehören im streitbefangenen Zeitraum zum Kreis der Leistungs¬berechtigten, denn sie hielten sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und besaßen eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG); damit erfüllen sie die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG. Auch die Vorbezugszeit von 36 Monaten mit Leistungen nach § 3 AsylbLG ist hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 1) bis 5) im hier maßgeblichen Zeitraum erfüllt, für den Beschwerdeführer zu 6) allerdings erst ab 23. September 2006 (vgl. den Bescheid des Beschwerdegegners vom 20. Oktober 2003, wonach die Leistungen ab dem 22. September 2003 gewährt werden). Dieser Umstand fällt im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens jedoch nicht ins Gewicht und lässt die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage daher nicht entfallen.
Die Frage, ob die Beschwerdeführer die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (§ 2 Abs. 1 AsylbLG), ist in einem zum Erfolg der Beschwerde führenden Umfang offen. Die vom Sozialgericht angeführte Begründung trägt die Ablehnung nicht. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts drängt sich nach dem Akteninhalt nicht auf. Weitergehende Ermittlungen sind im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht veranlasst.
Der Begriff des Rechtsmissbrauchs wird im AsylbLG an keiner Stelle definiert. Er wurzelt in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben § 242 Bürger¬liches Gesetzbuch (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 81, Stand März 2007). Als vorwerfbares Fehl¬verhalten be¬inhaltet er eine objektive den Missbrauchstatbestand und eine subjektive Komponente das Ver¬schulden (Hohm, aaO, RdNr 82, 83). Der Vorschrift des § 2 und damit dem die Beein¬flussung der Aufenthaltsdauer dienenden Rechtsmissbrauch liegt der Ge¬danke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treu¬widrig herbeigeführt hat. Demgegenüber genügt anders als bei § 1a AsylbLG (dazu nur: Herbst, aaO, § 1a RdNr 15; Hohm, aaO, § 1a RdNr 101, Stand Dezember 2006) nicht, dass die Dauer des Auf¬enthalts auf Gründen beruht, die in der Verantwortungs¬sphäre des Hilfe¬suchenden liegen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 32 des Urteilstexts). Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liegt dabei nicht schon in der zur Aufenthaltsverlängerung führenden Nutzung der Rechts¬position, die der Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm mög¬lich und zumutbar wäre, auszureisen (so aber noch der für das Asylbewerberleistungsrecht früher zuständige 9b-Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2007 - BSG SozR 4 3520 § 2 Nr 1).
In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 17, Stand Oktober 2007: "hohe Hürde"). Der Ausländer soll danach von Analog-Leistungen aus¬geschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand (Aufenthaltsdauer von 36 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl zum Rechtsmiss¬brauch nur: Palandt, BGB, 64. Aufl, § 242 RdNr 38 ff). Dabei genügt angesichts des Sanktions¬charakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Ver¬halten. Art, Aus¬maß und Folgen der Pflichtverletzung wiegen für den Ausländer sowie über die Regelung des § 2 Abs 3 AsylbLG für dessen minderjährige Kinder so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss (vgl Adolph, aaO). Daher führt nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzel¬falls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Aus¬schluss von Analog-Leistungen; nur dann ist es gerechtfertigt, auch die minderjährigen Kinder mit den Folgen dieses Verhaltens zu belasten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 33 des Urteilstexts).
Die Gesetzesbegründung führt insoweit beispielhaft die Vernichtung des Passes und Angabe einer falschen Identität (BT-Drucks 15/420, S 121) als typische Fallgestaltungen eines Rechts¬missbrauchs an, es sei denn, sie wären ihrerseits eine Reaktion auf oder eine vorbeugende Maßnahme gegen objektiv zu er¬wartendes Fehlverhalten des Staates, bei dem um Asyl nach¬gesucht wird wie etwa eine rechtswidrige Zurückweisung bei der Einreise oder eine rechts¬widrige Verweigerung der Einreise. Auf Rechtsmiss¬brauch kann sich der Staat dann nicht be¬rufen, wenn er sich selbst rechtswidrig oder rechtsmissbräuchlich verhält. Die Regelung ist damit deutlich empfängerfreundlicher als § 2 Abs 1 Nr 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neu¬regelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074). Danach waren noch Analog-Leistungen für Leistungsberechtigte (unter anderem) vorgesehen, "wenn sie eine Duldung erhalten haben, weil ihrer freiwilligen Ausreise Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben". Nach der Gesetzesbegründung sollte (schon) jeder Sachver¬halt für den Ausschluss von Analog-Leistungen genügen, der in der Verantwortungssphäre des Be¬troffenen zu finden war, wie etwa der Verlust von Ausweis¬papieren, falls keine ungewöhn¬lichen anderen Gründe dafür ersichtlich waren (BT-Drucks 12/5008, S 16 zu § 1a). Die im Ver¬gleich zu § 2 Abs 1 AsylbLG, in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung deutlich schwächere Formulierung "vertreten haben" zeigt, dass für den Ausschluss von Analog-Leistungen ein weit strengerer Maßstab anzulegen ist. Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 34 des Urteilstexts).
Ausgehend von diesem Maßstab ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht schon die zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechts¬position ausreichend, die der Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm mög¬lich und zumutbar wäre, auszureisen (so noch BSG SozR 4-3520 § 2 Nr 1 RdNr 16). Ist die Ab¬schiebung ausgesetzt, bleibt nach dem AufenthG die Ausreisepflicht zwar unberührt (§ 60a AufenthG). Eine Pflicht im eigentlichen Sinn kann damit aber mangels Vollziehbarkeit der Ab¬schiebung nicht verbunden sein. Es wäre widersprüchlich, den Aufenthalt des Ausländers vorübergehend zu dulden und ihm gleichzeitig den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzu¬werfen, obwohl der Staat selbst zeitweise darauf verzichtet, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Demgemäß ist regelmäßig auch weder in der Stellung eines Asylantrags selbst (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 83, Stand März 2007) noch im Verbleiben des Ausländers während des Asylverfahrens (§§ 55, 67 Asylverfahrensgesetz: Aufenthaltgestattung) bis zur Rechtskraft einer ab¬lehnenden Entscheidung ein Rechtsmissbrauch zu sehen. Nach der Ausländer nicht aus¬nehmenden prinzipiellen Ordnung des Verhältnisses des Einzelnen zum Staat im Grundgesetz vermittelt die Duldung dem Ausländer eine geschützte Rechtsposition. Sie stellt einen ihn be¬günstigenden Verwaltungsakt dar, auf dessen Erteilung der Ausländer bei Erfüllung der tat¬bestandlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat (BVerwGE 105, 232 ff). Hält der Staat, etwa aus völkerrechtlichen bzw humanitären Gründen oder zur Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, den weiteren Verbleib des Ausländers selbst für erforderlich oder ist eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sogar un¬möglich, kann dem Ausländer die Inanspruchnahme einer Duldung nicht vorgeworfen werden. Nicht in dem Nichtausreisen des Ausländers trotz (formaler) Ausreisepflicht (Duldung) liegt ein Rechtsmissbrauch, sondern allenfalls in den Gründen, die hierzu geführt haben. Der Aufent¬haltsstatus (Duldung) ist für die Beantwortung der Frage, ob der Ausländer seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, unerheblich. Hat der Ausländer diese Gründe zu vertreten, hat er also insoweit selbst Einfluss auf das Geschehen genommen, kann nur deshalb, nicht aber wegen bestehender Ausreisepflicht, ein Rechtsmissbrauch bejaht werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 35 des Urteilstexts).
Ein Rechtsmissbrauch im oben genannten Sinn kann ferner nur vorliegen, wenn der Ausländer sich hierüber auch bewusst ist; ein bloß fahrlässiges Verhalten für die An¬nahme eines Rechtsmissbrauchs genügt nicht (vgl. auch § 104a Abs 1 Satz 1 Nr 4 AufenthG). Vielmehr setzt der Vorwurf sowohl Vorsatz bezüglich der tatsächlichen Umstände als auch der Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts voraus. In der bloß fahrlässig herbeigeführten Verlängerung der Aufenthaltsdauer liegt anders als bei § 1a AsylbLG kein so schwer wiegender Verstoß gegen die Rechtsordnung, dass eine nicht nur zeitlich begrenzte Absenkung der Leistungen ge¬rechtfertigt wäre; ein bloß fahr¬lässiges Verhalten kann unter Berücksichtigung der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland nicht als sozialwidrig eingestuft werden. Gegebenenfalls ist zu prüfen, ob der Schuldvorwurf entfällt, wenn die Betroffenen glaubhaft davon aus¬gegangen sind, dass ihr Verhalten durch rechtswidriges oder rechts¬missbräuchliches Verhalten des Staates "gerechtfertigt", also nicht sozialwidrig wäre. Hierfür können die im Strafrecht entwickelten Grundsätze des Irrtums über die tatbestandlichen Voraus¬setzungen eines Rechtfertigungsgrundes nutzbar gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 39 des Urteilstexts).
Soweit es das Tatbestandsmerkmal "Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts" betrifft, ist auf den gesamten Zeitraum des Leistungsberechtigten in Deutschland abzu¬stellen (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 4; Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 72, Stand März 2007). Ob der Rechtsmissbrauch (z. B. eine etwaige Vernichtung der Pässe) selbst in diesen Zeitraum fällt, ist hingegen nicht entscheidend. Auch ein Verhalten vor der Einreise in das Bundesgebiet, das der Beeinflussung der (gesamten Dauer) des Auf¬enthalts dient, kann sich als rechtsmissbräuchlich erweisen. Der Zeitraum beginnt nicht mit der Vollziehbarkeit der Ausreiseaufforderung einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens (§ 38 Abs 1 Asylver¬fahrensgesetz iVm § 59 AufenthG bzw bis zum 31. Dezember 2004 § 50 Ausländergesetz), sondern bereits mit dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer sich rechtsmissbräuchlich verhält. Ist der Rechtsmiss¬brauch zeitlich vor der Einreise anzusiedeln, wirkt er sich ab Einreise der Asylbewerber aus (vgl. vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 40 des Urteilstexts).
Ebenso wenig ist es in diesem Zu¬sammenhang entscheidend, ob der Missbrauchstatbestand aktuell andauert oder die Annahme rechtfertigt, er sei noch kausal für den derzeitigen Aufenthalt des Ausländers (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 41 des Urteilstexts - unter Aufgabe der Rechtsprechung des für das Asylbewerber¬leistungsrecht früher zuständigen 9b Senat in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2007 - SozR 4 3520 § 2 Nr 1 -). Ob die Ausreise aktuell zumutbar ist, ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2 AsylbLG ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein der Zusammenhang zwischen der gesamten Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland und dem Fehlverhalten des Ausländers, gleichgültig, ob dieses Fehlverhalten einmalig oder auf Dauer an¬gelegt ist bzw war oder ob es sich wiederholt hat. Nach der Gesetzesbegründung sollen von dem Anspruch auf Analog-Leistungen Fälle ausgenommen werden, in denen der Ausländer rechtsmissbräuchlich die Dauer seines Aufent¬haltes selbst beeinflusst hat; beispielhaft werden die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität aufgeführt (BT-Drucks 15/420, S 121). Diese Begründung zeigt, dass gerade ein einmaliges Verhalten bereits bei oder vor der Einreise nach Deutschland zum An¬lass genommen wurde, dem Ausländer nach Ablauf von drei bzw vier Jahren einen Anspruch auf Analog-Leistungen vor¬zuenthalten (vgl in diesem Sinne auch § 104a Abs 1 Satz 1 Nr 4 AufenthG). Ein Ausländer, der seine Aufenthaltsdauer selbst missbräuchlich beeinflusst hat, ist nicht schutzbedürftig (vgl zur zu berücksichtigenden Dauer auch Hohm, NVwZ 2005, 388 f), solange ihm das Aufenthaltsrecht keinen gefestigten Aufenthaltsstatus zugesteht (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 41 des Urteilstexts).
Zwischen dem Verhalten des Ausländers und der Be¬einflussung der Dauer des Aufenthaltes bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut ferner zwar einer kausalen Verknüpfung. Allerdings zeigen bereits Gesetzeswortlaut ("Beeinflussung", nicht Verlängerung) und Gesetzesbegründung, die ua in ihrer beispielhaften Aufzählung die Vernichtung eines Passes nennt, dass eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerf¬baren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes aus¬reicht, also kein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 43 des Urteilstexts - mwN). Dies bedeutet, dass jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten, das - typisierend - der vom Gesetz¬geber miss¬billigten Beeinflussung der Dauer des Aufent¬haltes dienen kann, ausreichend ist, um die kausale Verbindung zu bejahen. Ob etwa das Asyl¬verfahren tatsächlich verzögert wurde und eine frühere Abschiebung erfolgt und deshalb in einem ggf "kleineren Zeitfenster" möglich gewesen wäre, bedarf im Hinblick auf die typisierende Betrachtung keiner Ent¬scheidung. Eine solche wäre in aller Regel auch nicht möglich, weil keine sichere Aussage über einen hypothetischen Kausalverlauf getroffen werden könnte. Wie sollte beurteilt werden, wie lange ein Asylverfahren bei anderem Verhalten des Ausländers gedauert hätte und ob der Ausländer bei einer kürzeren Verfahrens¬dauer ausgewiesen worden oder ausgereist wäre (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 43 des Urteilstexts).
Eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können, etwa weil die Er¬lasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte. In diesen Fällen ist eine typisierende Be¬trachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entsprechen nicht der oben geschilderten Typik. Lässt es sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 44 des Urteilstexts).
Nach diesen Grundsätzen kann nicht bereits allein aus der wiederholten (auch "zeitversetzten") Stellung von Asylanträgen gefolgert werden, dass die Beschwerdeführer die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Denn in diesen Handlungen liegt lediglich die Inanspruchnahme rechtlicher Möglichkeiten, die ohne nähere Feststellungen zur subjektiven Komponente kein vorwerfbares Fehlverhalten begründen. Die Feststellung des Sozialgerichts, die Beschwerdeführer hätten im Verwaltungsverfahren versäumt, auch nur ansatzweise sachliche Gründe für die zeitversetzte Asylantragstellung darzulegen, reicht insoweit nicht, zumal dieser Aspekt im Verwaltungsverfahren zwischen den Beteiligten nicht näher problematisiert worden ist. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 27. Oktober 2006 haben die Beschwerdeführer ihre Asylfolgeanträge im Übrigen mit der aus ihrer Sicht veränderten Verfolgungssituation in ihrer Heimat begründet. Dazu kommt, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführern ab dem 22. März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt hat, ohne dass dafür ein entscheidungserheblich anderer Sachverhalt vorgetragen wäre: Denn die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 AufenthaltsG entbindet die Behörde nicht von der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 AsylbLG (vgl. Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand: August 2007, § 2 AsylbLG Rdnr. 30).
Sonstige Gründe für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts drängen sich nach dem Akteninhalt nicht auf. Weitergehende Ermittlungen sind im Rahmen des vorliegenden Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahrens nicht veranlasst.
Im Klageverfahren wird auch zu klären sein, ob den Beschwerdeführern überhaupt noch weitere Leistungen zustehen (vgl. zu den Aspekten dieser Prüfung BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rdnr. 49 des Urteilstexts). Dabei dürfte im Rahmen des anzustellenden Wertvergleichs auch zu berücksichtigen sein, dass der Beschwerdeführer zu 6) ausweislich des in den Ausländerakten befindlichen Auszugs aus dem Geburtseintrag erst am 23. September 2003 geboren ist und die Leistungsgewährung bereits ab 22. September 2003 (vgl. Bescheid vom 30. September 2003) daher insoweit rechtswidrig sein dürfte.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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