Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 2/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 45/09
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung (GSi) bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII ab 01.08.2008.
Die am 00.00.1989 geborene Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 60 (Merkzeichen G, B, H). Es besteht bei ihr eine Minderbegabung mit Verhaltensstörung bei Trisomie 8 Mosaik. Sie wohnt im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern und den jüngeren Geschwistern S. und L ... Seit 04.09.2008 arbeitet die Klägerin aufgrund ihrer Behinderung - rentenversicherungspflichtig gem. § 1 Satz 1 Nr. 2 a) Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - im Eingangs- und Berufungsbildungsbereich der Rurtalwerkstätten (RTW) für behinderte Menschen Düren. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bewilligte ihr deshalb Ausbildungsgeld gem. §§ 104, 107 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und zwar vom 04.09.2008 bis 03.12.2009 in Höhe von monatlich 62,00 EUR, vom 04.12.2009 bis 03.12.2010 in Höhe von monatlich 73,00 EUR (Bescheid vom 01.09. 2008). Die Eltern erhalten für die Klägerin und die beiden anderen Kinder Kinderzuschlag gem. § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG), bis 30.06.2009 in Höhe von monatlich 224,00 EUR, seit 01.07.2009 in Höhe von monatlich 343,00 EUR.
Am 27.08.2008 beantragte die Klägerin Sozialhilfe.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 29.09.2008 ab mit der Begründung, die Klägerin bilde mit ihren Eltern eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und sei - dem Grunde nach - leistungsberechtigt nach dem SGB II; dies schließe gem. § 21 SGB XII eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII aus.
Dagegen legte die Klägerin am 15.10.2008 Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, Anspruch auf Leistungen der GSi bei Erwerbsminderung zu haben; eine Begutachtung durch die Rentenversicherung zur Feststellung der vollen dauerhaften Erwerbsminderung sei nicht notwendig, wenn der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt eine Stellungnahme abgegeben habe; in diesem Fall werde davon ausgegangen, dass der Leistungsberechtigte als voll erwerbsgemindert gelte. Diese Fiktion gelte auch für sie; sie sei nicht in der Lage, eine Beschäftigung oder Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu beginnen; es sei daher überwiegend wahrscheinlich, dass sie später in den Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen werde.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 09.12.2008 zurück. Er meinte, es bestehe (noch) keine dauerhafte Erwerbsminderung, da die Klägerin zunächst in den Berufungsbildungsbereich der RTW Düren aufgenommen worden sei und Ausbildungsgeld von der BA erhalte. Somit zähle sie (noch) nicht zu den Leistungsberechtigten für GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, sondern grundsätzlich (noch) zu denen nach dem 3. Kapitel SGB XII. Da sie als Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft dem Grunde nach auch zu den Leistungsberechtigten nach dem SGB II gehöre, greife die Leistungsausschlussregelung des § 21 SGB XII; dies werde auch durch die Bewilligung des Kinderzuschlages (zur Vermeidung von SGB II-Leistungen) deutlich. Der Kinderzuschlag stelle gegenüber den SGB II-Leistungen und erst recht gegenüber den SGB XII-Leistungen die vorrangige Leistung dar.
Dagegen hat die Klägerin am 06.01.2009 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, es lägen die Voraussetzungen für eine Fiktion der dauerhaft vollen Erwerbsminderung gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII vor. Es müsse davon ausgegangen werden, dass eine dieser Vorschrift entsprechende Stellungnahme des zuständigen Fachausschusses abgeben worden sei; zu einer solchen Stellungnahme sei der Fachausschuss vor Aufnahme des behinderten Menschen in die Werkstatt verpflichtet. Da § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII ausdrücklich auch das Eingangsverfahren nach § 3 der Werkstättenverordnung (WVO) einschließe, müsse davon ausgegangen werden, dass auch der sich im Eingangsbereich befindliche Personenkreis zu dem der dauerhaft voll Erwerbsgeminderten zähle. Ein zusätzliches Ersuchen an den zuständigen Rentenversicherungsträger zur Prüfung, ob dauerhaft volle Erwerbsminderung vorliege, sei überflüssig.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2008 zu verurteilen, ihr ab 01.08.2008 Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist daraufhin, dass die volle Erwerbsminderung der Klägerin von ihm nicht bestritten werde; jedoch stehe deren Dauerhaftigkeit (noch) nicht fest, und davon sei im Hinblick auf die Aufnahme in den Berufsbildungsbereich auch nicht auszugehen. Wenn der Fachausschuss die Klägerin in den Berufsbildungsbereich aufgenommen habe und sie deshalb (bis Dezember 2010) Ausbildungsgeld erhalte, gehe er offenbar davon aus, dass die Klägerin nach Teilnahme an der Maßnahme möglicherweise in der Lage sei, ein Mindestmaß wirtschaftlich vertretbarer Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen. Für die Zeit der Tätigkeit der Klägerin im Berufsbildungsbereich der RTW Düren erscheine eine dauerhaft volle Erwerbsminderung noch als unwahrscheinlich; ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger, dies zu prüfen, sei entbehrlich. Der Beklagte stützt sich für seine Auffassung auf ein Schreiben des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) an die BA vom 21.10.2008 (Az.: V a 2 - 58162 - 2) und die Richtlinien der BA zu § 8 SGB II.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Auf Anfrage des Gerichts haben die RTW Düren am 19.06.2009 mitgeteilt, in der Fachausschusssitzung vom 03.12.2008 sei als weiteres Vorgehen festgehalten worden:"Klärung der wesentlichen Behinderung". Auf Nachfrage ist seitens der RTW Düren (telefonisch) erläutert worden, ein ausführliches Fachausschussprotokoll der Sitzung vom 03.12.2008 gebe es nicht; über die Vorgabe "Klärung der wesentlichen Behinderung" hinaus habe der Fachausschuss keine qualifizierte Stellungnahme über die Klägerin abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Richtiger Beklagter - und auch Beigeladener - ist der Bürgermeister der Stadt Düren ; dieser ist beteiligtenfähig im Sinne von § 70 Nr. 3 SGG. Soweit der 9. Senat des Landes- sozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Urteil vom 19.03.2009 (L 9 SO 9/07) diese Auffassung der Kammer "in Ermangelung abweichender Vorschriften im Sinne des § 70 Nr. 3 SGG" für "unzutreffend" und deshalb allein die Stadt selbst gem. § 70 Nr. 1 SGG für den richtigen Beklagten hält, hat er offenbar die Vorschrift des § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Lande NRW (AG-SGG NRW) vom 08.12.1953 (GVBl. NRW 1953, 412), zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 28.10.2008 (GVBl. NRW 2008, 646), übersehen. Die Vorschrift lautet: "Behörden sind fähig, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein." Behörde in diesem Sinne ist der Bürgermeister der Stadt Düren als Organ und Behörde der Stadt, die vom zuständigen Leistungsträger zur Durchführung der Aufgabe herangezogen worden ist. Träger der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ist nach § 3 Abs. 2 SGB XII i.V.m. §§ 97, 98 SGB XII zwar der Kreis Düren; dieser hat allerdings nach § 99 Abs. 1 SGB XII i.V.m. Art. 1 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das SGB XII vom 16.12.2004 (GVBl. NRW 2004, 816) zur Durchführung der ihm als Sozialhilfeträger obliegenden Aufgaben die Stadt Düren durch Satzung herangezogen (§ 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis Düren vom 29.12.2004), die in eigenem Namen entscheidet. Für die Stadt Düren handelt der Bürgermeister als beteiligten- fähige Behörde (BSG, Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R in Bezug auf den Bürgermeister der Stadt Düren; Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 11/06 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Remscheid; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Essen; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Aachen; Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R in Bezug auf den Landrat des Kreises Herford).
Der Umstand, dass der Bürgermeister der Stadt Düren bereits Beklagter ist, steht seiner Beiladung gem. § 75 Abs. 2, 2. Alternative SGG (sog. unechte notwendige Beiladung) nicht entgegen. Der Kreis Düren - Sozialamt - ist einerseits örtlicher Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII, andererseits - jobcom - Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Auch als SGB II-Leistungsträger hat er die Städte und Gemeinden des Kreises - hier: die Stadt Düren - zur Durchführung der im obliegenden Aufgaben im eigenen Namen herangezogen (§ 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB II für das Land NRW vom 16.12.2004 - GVBl. 2004, 821 - i.V.m. § 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II im Kreis Düren vom 29.12.2004). Der Kreis Düren und aufgrund der Delegation die Stadt Düren werden in unterschiedlichen Funktionen in zwei relativ selbstständigen Verwaltungsbereichen tätig; diese beiden Verwaltungen bilden organisations- und haushaltsrechtlich getrennte Sach- und Interessenbereiche (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 23.04.1975 - 9 RV 136/74; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R).
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, da sie nicht zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 41 SGB XII gehört.
Älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen beschaffen können, ist auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Leistungsberechtigt wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung nach Abs. 1 ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und bei dem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann (§ 41 Abs. 3 SGB XII). Die Klägerin hat zwar das 18. Lebensjahr vollendet und ist - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - derzeit unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert. Jedoch ist es seit August 2008 und auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.
Das Merkmal, das eine Behebung der vollen Erwerbsminderung unwahrscheinlich sein muss ("dauerhafte" Erwerbsminderung) entspricht der Voraussetzung des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI für eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die volle Erwerbsminderung ist in diesem Sinne dauerhaft, ihre Behebung also unwahrscheinlich, wenn unter Ausschöpfung aller Rehabilitationsmöglichkeiten keine Möglichkeit besteht, die Erwerbsminderung zu beheben. Hiervon kann, solange sich die Klägerin noch im Berufsbildungsbereich der RTW Düren befindet, nicht ausgegangen werden. Und gerade weil sich die Klägerin im Berufsbildungsbereich der RTW Düren befindet, ist auch ein Ersuchen des Beklagten als Träger der Sozialhilfe an den zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB VI zu prüfen, nicht erforderlich.
§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verlangt ein solches Ersuchen nur, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind. Eine Prüfung der vollen Erwerbsminderung ist nicht notwendig, weil diese aufgrund gesetzlicher Fiktion feststeht und unstreitig ist. Nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, voll erwerbsgemindert. Dies trifft - jedenfalls seit April 2008 und aktuell - auf die Klägerin zu. Sie arbeitet in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen und ist aufgrund dessen versicherungspflichtig gem. § 1 Satz 1 Nr. 2 a) SGB VI; die RTW Düren entrichten dementsprechend für sie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Prüfung der Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ist entbehrlich, weil die derzeitigen Verhältnisse der Klägerin es (noch) nicht als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die volle Erwerbs- minderung von Dauer ist. Die Teilnahme an den Maßnahmen im Berufsbildungsbereich sollen die Klägerin in die Lage versetzen, anschließend ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Förderung im Berufsbildungsbereich soll Fertigkeiten vermitteln, solche Arbeitsleistungen ggf. auch auf dem allgemeinen Arbeits- markt zu schaffen. Dies folgt aus § 4 WVO. Ob dieses Ziel erreicht wird, kann erst nach dem Ende der Maßnahmen beurteilt werden (vgl. § 4 Abs. 6 WVO). Solange also ein behinderter Mensch - wie die Klägerin - an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich teilnimmt, steht die volle Erwerbsminderung, das heißt die Unfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Beschäftigung von wirtschaftlichem Wert nachzugehen, (noch) nicht als dauerhaft fest (vgl. ebenso: BMAS, Schreiben vom 21.10.2008, Az. V a 2 - 58162 - 2; Richtlinien der BA zu § 8 SGB II, Ziff. 1.2 Abs. 3).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Dauerhaftigkeit ihrer vollen Erwerbsminderung nicht aus § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift findet ein Ersuchen des Sozialhilfeträgers an den Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 zu prüfen, nicht statt, wenn der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme abgegeben hat (§§ 2 und 3 WVO) und der Leistungsberechtigte kraft Gesetzes nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI als voll erwerbsgemindert gilt. Die Klägerin gilt zwar kraft Gesetzes als voll erwerbsgemindert, weil sie nach § 1 Satz 1 Nr. 2 a) SGB VI rentenversicherungspflichtig ist. Jedoch fehlt es an einer Stellungnahme des zuständigen Fachausschusses der RTW Düren im Sinne von §§ 2 bzw. 3 WVO. Bei diesen Stellungnahmen handelt es sich um qualifizierte Stellungnahmen. Vor der Aufnahme des behinderten Menschen in die Werkstatt gibt der Fachausschuss gegenüber dem zuständigen Reha-Träger eine Stellungnahme ab, ob der behinderte Mensch für seine Teilhabe am Arbeitsleben und zu seiner Eingliederung in das Arbeitsleben Leistungen einer Werkstatt für behinderte Menschen benötigt oder ob andere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht kommen (§ 2 Abs 2 WVO). Zum Abschluss des Eingangsverfahrens gibt der Fachausschuss auf Vorschlag des Trägers der Werkstatt und nach Anhörung des behinderten Menschen, gegebenenfalls auch seines gesetzlichen Vertreters, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Persönlichkeit des behinderten Menschen und seines Verhaltens während des Eingangverfahrens, eine Stellungnahme gegenüber dem zuständigen Rehabilitationsträger dahin ab, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung zur Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen oder Leistungen zur Eingliederung in das Arbeitsleben in Betracht kommen. Der zuständige Fachausschuss der RTW Düren hat im Fall der Klägerin weder eine Stellungnahme nach § 2 WVO noch eine Stellungnahme nach § 3 WVO abgegeben. In seiner Sitzung vom 03.12.2008 hat er lediglich für das weitere Vorgehen festgehalten: "Klärung der wesentlichen Behinderung". Dies ist von den RTW Düren mit Schreiben vom 19.06.2009 mitgeteilt worden und auf Anfrage des Kammervorsitzenden so nochmals bestätigt worden. Eine darüber hinausgehende qualifizierte Stellungnahme im Sinne von §§ 2 und 3 WVO hat er jedoch nicht abgegeben.
Selbst wenn aber der zuständige Fachausschuss der RTW Düren eine solche qualifizierte Stellungnahme abgegeben hätte und somit die Voraussetzungen nach § 45 Abs.1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII erfüllt wären, würde allein dadurch nicht fingiert, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII - dauerhafte volle Erwerbsminderung - erfüllt sind. Eine derartige Fiktion ist der genannten Vorschrift nicht zu entnehmen. Wenn nämlich der Fachausschuss eine Stellungnahme dahin abgibt, dass der behinderte Mensch zunächst in den Berufsbildungsbereich aufgenommen werden soll, bringt er damit offensichtlich zum Ausdruck, dass für den behinderten Menschen noch Leistungen erforderlich, aber auch möglich sind, um seine Erwerbsfähigkeit soweit zu entwickeln, zu verbessern oder wieder herzustellen, dass er nach Teilnahme an der Maßnahme in der Lage ist, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung ggf. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.11.2007 - L 13 SO 31/07 ER).
Gehört die Klägerin nach alledem (noch) nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, so ist sie grundsätzlich dem Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zuzuordnen. Einem Sozialhilfeanspruch nach den §§ 27 ff. SGB XII steht jedoch der Ausschlusstatbestand des § 21 Satz 1 SGB XII entgegen. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II entweder als Erwerbsfähige oder als Angehörige von Erwerbsfähigen dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Da die Klägerin mit ihren Eltern und Geschwistern zusammenlebt, bildet sie mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II und ist deshalb als nicht erwerbsfähige Angehörige grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 28 SGB II). Dies wird dadurch bestätigt, dass die Eltern der Klägerin für diese und die Geschwister einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG erhalten (haben). Kinderzuschlag wird nur gewährt, wenn dadurch (u.a.) Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II und damit ein Leistungsanspruch nach diesem Sozialgesetzbuch vermieden wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu. Sie hat jedoch keine Notwendigkeit gesehen, die Berufung gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ausdrücklich zuzulassen, weil sie davon ausgeht, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes der Klage 750,00 EUR übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die von der Klägerin begehrten Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung werden in der Regel für zwölf Monate bewilligt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Der Zeitraum von August 2008 bis Juli 2009 (mündliche Verhandlung) umfasst elf Monate. Ohne nähere Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen geht die Kammer davon aus, dass der mit der Klage begehrte Sozialhilfeanspruch für den Zeitraum von elf Monaten mehr als 750,00 EUR beinhaltet. Für den Fall, dass dies anders ist oder vom Landessozialgericht anders beurteilt würde, will die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wissen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung (GSi) bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII ab 01.08.2008.
Die am 00.00.1989 geborene Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 60 (Merkzeichen G, B, H). Es besteht bei ihr eine Minderbegabung mit Verhaltensstörung bei Trisomie 8 Mosaik. Sie wohnt im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern und den jüngeren Geschwistern S. und L ... Seit 04.09.2008 arbeitet die Klägerin aufgrund ihrer Behinderung - rentenversicherungspflichtig gem. § 1 Satz 1 Nr. 2 a) Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - im Eingangs- und Berufungsbildungsbereich der Rurtalwerkstätten (RTW) für behinderte Menschen Düren. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bewilligte ihr deshalb Ausbildungsgeld gem. §§ 104, 107 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und zwar vom 04.09.2008 bis 03.12.2009 in Höhe von monatlich 62,00 EUR, vom 04.12.2009 bis 03.12.2010 in Höhe von monatlich 73,00 EUR (Bescheid vom 01.09. 2008). Die Eltern erhalten für die Klägerin und die beiden anderen Kinder Kinderzuschlag gem. § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG), bis 30.06.2009 in Höhe von monatlich 224,00 EUR, seit 01.07.2009 in Höhe von monatlich 343,00 EUR.
Am 27.08.2008 beantragte die Klägerin Sozialhilfe.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 29.09.2008 ab mit der Begründung, die Klägerin bilde mit ihren Eltern eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und sei - dem Grunde nach - leistungsberechtigt nach dem SGB II; dies schließe gem. § 21 SGB XII eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII aus.
Dagegen legte die Klägerin am 15.10.2008 Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, Anspruch auf Leistungen der GSi bei Erwerbsminderung zu haben; eine Begutachtung durch die Rentenversicherung zur Feststellung der vollen dauerhaften Erwerbsminderung sei nicht notwendig, wenn der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt eine Stellungnahme abgegeben habe; in diesem Fall werde davon ausgegangen, dass der Leistungsberechtigte als voll erwerbsgemindert gelte. Diese Fiktion gelte auch für sie; sie sei nicht in der Lage, eine Beschäftigung oder Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu beginnen; es sei daher überwiegend wahrscheinlich, dass sie später in den Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen werde.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 09.12.2008 zurück. Er meinte, es bestehe (noch) keine dauerhafte Erwerbsminderung, da die Klägerin zunächst in den Berufungsbildungsbereich der RTW Düren aufgenommen worden sei und Ausbildungsgeld von der BA erhalte. Somit zähle sie (noch) nicht zu den Leistungsberechtigten für GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, sondern grundsätzlich (noch) zu denen nach dem 3. Kapitel SGB XII. Da sie als Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft dem Grunde nach auch zu den Leistungsberechtigten nach dem SGB II gehöre, greife die Leistungsausschlussregelung des § 21 SGB XII; dies werde auch durch die Bewilligung des Kinderzuschlages (zur Vermeidung von SGB II-Leistungen) deutlich. Der Kinderzuschlag stelle gegenüber den SGB II-Leistungen und erst recht gegenüber den SGB XII-Leistungen die vorrangige Leistung dar.
Dagegen hat die Klägerin am 06.01.2009 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, es lägen die Voraussetzungen für eine Fiktion der dauerhaft vollen Erwerbsminderung gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII vor. Es müsse davon ausgegangen werden, dass eine dieser Vorschrift entsprechende Stellungnahme des zuständigen Fachausschusses abgeben worden sei; zu einer solchen Stellungnahme sei der Fachausschuss vor Aufnahme des behinderten Menschen in die Werkstatt verpflichtet. Da § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII ausdrücklich auch das Eingangsverfahren nach § 3 der Werkstättenverordnung (WVO) einschließe, müsse davon ausgegangen werden, dass auch der sich im Eingangsbereich befindliche Personenkreis zu dem der dauerhaft voll Erwerbsgeminderten zähle. Ein zusätzliches Ersuchen an den zuständigen Rentenversicherungsträger zur Prüfung, ob dauerhaft volle Erwerbsminderung vorliege, sei überflüssig.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2008 zu verurteilen, ihr ab 01.08.2008 Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist daraufhin, dass die volle Erwerbsminderung der Klägerin von ihm nicht bestritten werde; jedoch stehe deren Dauerhaftigkeit (noch) nicht fest, und davon sei im Hinblick auf die Aufnahme in den Berufsbildungsbereich auch nicht auszugehen. Wenn der Fachausschuss die Klägerin in den Berufsbildungsbereich aufgenommen habe und sie deshalb (bis Dezember 2010) Ausbildungsgeld erhalte, gehe er offenbar davon aus, dass die Klägerin nach Teilnahme an der Maßnahme möglicherweise in der Lage sei, ein Mindestmaß wirtschaftlich vertretbarer Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen. Für die Zeit der Tätigkeit der Klägerin im Berufsbildungsbereich der RTW Düren erscheine eine dauerhaft volle Erwerbsminderung noch als unwahrscheinlich; ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger, dies zu prüfen, sei entbehrlich. Der Beklagte stützt sich für seine Auffassung auf ein Schreiben des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) an die BA vom 21.10.2008 (Az.: V a 2 - 58162 - 2) und die Richtlinien der BA zu § 8 SGB II.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Auf Anfrage des Gerichts haben die RTW Düren am 19.06.2009 mitgeteilt, in der Fachausschusssitzung vom 03.12.2008 sei als weiteres Vorgehen festgehalten worden:"Klärung der wesentlichen Behinderung". Auf Nachfrage ist seitens der RTW Düren (telefonisch) erläutert worden, ein ausführliches Fachausschussprotokoll der Sitzung vom 03.12.2008 gebe es nicht; über die Vorgabe "Klärung der wesentlichen Behinderung" hinaus habe der Fachausschuss keine qualifizierte Stellungnahme über die Klägerin abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Richtiger Beklagter - und auch Beigeladener - ist der Bürgermeister der Stadt Düren ; dieser ist beteiligtenfähig im Sinne von § 70 Nr. 3 SGG. Soweit der 9. Senat des Landes- sozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Urteil vom 19.03.2009 (L 9 SO 9/07) diese Auffassung der Kammer "in Ermangelung abweichender Vorschriften im Sinne des § 70 Nr. 3 SGG" für "unzutreffend" und deshalb allein die Stadt selbst gem. § 70 Nr. 1 SGG für den richtigen Beklagten hält, hat er offenbar die Vorschrift des § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Lande NRW (AG-SGG NRW) vom 08.12.1953 (GVBl. NRW 1953, 412), zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 28.10.2008 (GVBl. NRW 2008, 646), übersehen. Die Vorschrift lautet: "Behörden sind fähig, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein." Behörde in diesem Sinne ist der Bürgermeister der Stadt Düren als Organ und Behörde der Stadt, die vom zuständigen Leistungsträger zur Durchführung der Aufgabe herangezogen worden ist. Träger der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ist nach § 3 Abs. 2 SGB XII i.V.m. §§ 97, 98 SGB XII zwar der Kreis Düren; dieser hat allerdings nach § 99 Abs. 1 SGB XII i.V.m. Art. 1 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das SGB XII vom 16.12.2004 (GVBl. NRW 2004, 816) zur Durchführung der ihm als Sozialhilfeträger obliegenden Aufgaben die Stadt Düren durch Satzung herangezogen (§ 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis Düren vom 29.12.2004), die in eigenem Namen entscheidet. Für die Stadt Düren handelt der Bürgermeister als beteiligten- fähige Behörde (BSG, Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R in Bezug auf den Bürgermeister der Stadt Düren; Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 11/06 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Remscheid; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Essen; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Aachen; Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R in Bezug auf den Landrat des Kreises Herford).
Der Umstand, dass der Bürgermeister der Stadt Düren bereits Beklagter ist, steht seiner Beiladung gem. § 75 Abs. 2, 2. Alternative SGG (sog. unechte notwendige Beiladung) nicht entgegen. Der Kreis Düren - Sozialamt - ist einerseits örtlicher Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII, andererseits - jobcom - Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Auch als SGB II-Leistungsträger hat er die Städte und Gemeinden des Kreises - hier: die Stadt Düren - zur Durchführung der im obliegenden Aufgaben im eigenen Namen herangezogen (§ 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB II für das Land NRW vom 16.12.2004 - GVBl. 2004, 821 - i.V.m. § 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II im Kreis Düren vom 29.12.2004). Der Kreis Düren und aufgrund der Delegation die Stadt Düren werden in unterschiedlichen Funktionen in zwei relativ selbstständigen Verwaltungsbereichen tätig; diese beiden Verwaltungen bilden organisations- und haushaltsrechtlich getrennte Sach- und Interessenbereiche (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 23.04.1975 - 9 RV 136/74; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R).
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, da sie nicht zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 41 SGB XII gehört.
Älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen beschaffen können, ist auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Leistungsberechtigt wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung nach Abs. 1 ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und bei dem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann (§ 41 Abs. 3 SGB XII). Die Klägerin hat zwar das 18. Lebensjahr vollendet und ist - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - derzeit unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert. Jedoch ist es seit August 2008 und auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.
Das Merkmal, das eine Behebung der vollen Erwerbsminderung unwahrscheinlich sein muss ("dauerhafte" Erwerbsminderung) entspricht der Voraussetzung des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI für eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die volle Erwerbsminderung ist in diesem Sinne dauerhaft, ihre Behebung also unwahrscheinlich, wenn unter Ausschöpfung aller Rehabilitationsmöglichkeiten keine Möglichkeit besteht, die Erwerbsminderung zu beheben. Hiervon kann, solange sich die Klägerin noch im Berufsbildungsbereich der RTW Düren befindet, nicht ausgegangen werden. Und gerade weil sich die Klägerin im Berufsbildungsbereich der RTW Düren befindet, ist auch ein Ersuchen des Beklagten als Träger der Sozialhilfe an den zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB VI zu prüfen, nicht erforderlich.
§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verlangt ein solches Ersuchen nur, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind. Eine Prüfung der vollen Erwerbsminderung ist nicht notwendig, weil diese aufgrund gesetzlicher Fiktion feststeht und unstreitig ist. Nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, voll erwerbsgemindert. Dies trifft - jedenfalls seit April 2008 und aktuell - auf die Klägerin zu. Sie arbeitet in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen und ist aufgrund dessen versicherungspflichtig gem. § 1 Satz 1 Nr. 2 a) SGB VI; die RTW Düren entrichten dementsprechend für sie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Prüfung der Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ist entbehrlich, weil die derzeitigen Verhältnisse der Klägerin es (noch) nicht als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die volle Erwerbs- minderung von Dauer ist. Die Teilnahme an den Maßnahmen im Berufsbildungsbereich sollen die Klägerin in die Lage versetzen, anschließend ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Förderung im Berufsbildungsbereich soll Fertigkeiten vermitteln, solche Arbeitsleistungen ggf. auch auf dem allgemeinen Arbeits- markt zu schaffen. Dies folgt aus § 4 WVO. Ob dieses Ziel erreicht wird, kann erst nach dem Ende der Maßnahmen beurteilt werden (vgl. § 4 Abs. 6 WVO). Solange also ein behinderter Mensch - wie die Klägerin - an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich teilnimmt, steht die volle Erwerbsminderung, das heißt die Unfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Beschäftigung von wirtschaftlichem Wert nachzugehen, (noch) nicht als dauerhaft fest (vgl. ebenso: BMAS, Schreiben vom 21.10.2008, Az. V a 2 - 58162 - 2; Richtlinien der BA zu § 8 SGB II, Ziff. 1.2 Abs. 3).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Dauerhaftigkeit ihrer vollen Erwerbsminderung nicht aus § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift findet ein Ersuchen des Sozialhilfeträgers an den Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 zu prüfen, nicht statt, wenn der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme abgegeben hat (§§ 2 und 3 WVO) und der Leistungsberechtigte kraft Gesetzes nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI als voll erwerbsgemindert gilt. Die Klägerin gilt zwar kraft Gesetzes als voll erwerbsgemindert, weil sie nach § 1 Satz 1 Nr. 2 a) SGB VI rentenversicherungspflichtig ist. Jedoch fehlt es an einer Stellungnahme des zuständigen Fachausschusses der RTW Düren im Sinne von §§ 2 bzw. 3 WVO. Bei diesen Stellungnahmen handelt es sich um qualifizierte Stellungnahmen. Vor der Aufnahme des behinderten Menschen in die Werkstatt gibt der Fachausschuss gegenüber dem zuständigen Reha-Träger eine Stellungnahme ab, ob der behinderte Mensch für seine Teilhabe am Arbeitsleben und zu seiner Eingliederung in das Arbeitsleben Leistungen einer Werkstatt für behinderte Menschen benötigt oder ob andere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht kommen (§ 2 Abs 2 WVO). Zum Abschluss des Eingangsverfahrens gibt der Fachausschuss auf Vorschlag des Trägers der Werkstatt und nach Anhörung des behinderten Menschen, gegebenenfalls auch seines gesetzlichen Vertreters, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Persönlichkeit des behinderten Menschen und seines Verhaltens während des Eingangverfahrens, eine Stellungnahme gegenüber dem zuständigen Rehabilitationsträger dahin ab, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung zur Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen oder Leistungen zur Eingliederung in das Arbeitsleben in Betracht kommen. Der zuständige Fachausschuss der RTW Düren hat im Fall der Klägerin weder eine Stellungnahme nach § 2 WVO noch eine Stellungnahme nach § 3 WVO abgegeben. In seiner Sitzung vom 03.12.2008 hat er lediglich für das weitere Vorgehen festgehalten: "Klärung der wesentlichen Behinderung". Dies ist von den RTW Düren mit Schreiben vom 19.06.2009 mitgeteilt worden und auf Anfrage des Kammervorsitzenden so nochmals bestätigt worden. Eine darüber hinausgehende qualifizierte Stellungnahme im Sinne von §§ 2 und 3 WVO hat er jedoch nicht abgegeben.
Selbst wenn aber der zuständige Fachausschuss der RTW Düren eine solche qualifizierte Stellungnahme abgegeben hätte und somit die Voraussetzungen nach § 45 Abs.1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII erfüllt wären, würde allein dadurch nicht fingiert, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII - dauerhafte volle Erwerbsminderung - erfüllt sind. Eine derartige Fiktion ist der genannten Vorschrift nicht zu entnehmen. Wenn nämlich der Fachausschuss eine Stellungnahme dahin abgibt, dass der behinderte Mensch zunächst in den Berufsbildungsbereich aufgenommen werden soll, bringt er damit offensichtlich zum Ausdruck, dass für den behinderten Menschen noch Leistungen erforderlich, aber auch möglich sind, um seine Erwerbsfähigkeit soweit zu entwickeln, zu verbessern oder wieder herzustellen, dass er nach Teilnahme an der Maßnahme in der Lage ist, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung ggf. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.11.2007 - L 13 SO 31/07 ER).
Gehört die Klägerin nach alledem (noch) nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, so ist sie grundsätzlich dem Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zuzuordnen. Einem Sozialhilfeanspruch nach den §§ 27 ff. SGB XII steht jedoch der Ausschlusstatbestand des § 21 Satz 1 SGB XII entgegen. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II entweder als Erwerbsfähige oder als Angehörige von Erwerbsfähigen dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Da die Klägerin mit ihren Eltern und Geschwistern zusammenlebt, bildet sie mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II und ist deshalb als nicht erwerbsfähige Angehörige grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 28 SGB II). Dies wird dadurch bestätigt, dass die Eltern der Klägerin für diese und die Geschwister einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG erhalten (haben). Kinderzuschlag wird nur gewährt, wenn dadurch (u.a.) Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II und damit ein Leistungsanspruch nach diesem Sozialgesetzbuch vermieden wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu. Sie hat jedoch keine Notwendigkeit gesehen, die Berufung gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ausdrücklich zuzulassen, weil sie davon ausgeht, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes der Klage 750,00 EUR übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die von der Klägerin begehrten Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung werden in der Regel für zwölf Monate bewilligt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Der Zeitraum von August 2008 bis Juli 2009 (mündliche Verhandlung) umfasst elf Monate. Ohne nähere Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen geht die Kammer davon aus, dass der mit der Klage begehrte Sozialhilfeanspruch für den Zeitraum von elf Monaten mehr als 750,00 EUR beinhaltet. Für den Fall, dass dies anders ist oder vom Landessozialgericht anders beurteilt würde, will die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wissen.
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