Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 20/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 01.05. bis 31.05.2008 in Höhe von 518,00 EUR.
Der am 00.00.1941 geborene Kläger ist verheiratet. Er übte früher den Beruf eines Rechtsanwalts aus. Vom 13.09.2006 bis 30.04.2008 war er inhaftiert. Am Entlassungstag (30.04.2008) wurde ihm das während der Haftzeit verdiente und angesparte Überbrückungsgeld in Höhe von 1.862,45 EUR in bar ausgezahlt. Der Kläger bewohnt mit seiner Ehefrau eine 72 qm große Wohnung; die monatliche Miete beträgt inklusive Nebenkosten 342,00 EUR; an Heizkosten sind monatlich 70,00 EUR vorauszuzahlen. Die Ehefrau des Klägers bezieht Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 27.05.2008 beantragte der Kläger Leistungen der GSi im Alter ab 01.05.2008.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 04.06.2008 ab. Er stellte dem sozialhilferechtlichen Bedarf des Klägers in Höhe von 518,00 EUR (Regelsatz: 312,00 EUR; Kosten der Unterkunft [1/2 von 342,00 EUR]: 171,00 EUR; Heizkosten (1/2 von 70,00 EUR]: 35,00 EUR) einzusetzendes Vermögen in Höhe des Überbrückungsgeldbetrages von 1.862,45 EUR gegenüber. Da das einzusetzende Vermögen den Bedarf übersteige, bestehe kein Sozialhilfeanspruch.
Dagegen legte der Kläger am 18.06.2008 Widerspruch ein, soweit ab 01.06.2008 die Gewährung von GSi-Leistungen abgelehnt worden war.
Durch Bescheid vom 30.06.2008 half der Beklagte dem Widerspruch ab und bewilligte Leistungen der GSi für die Zeit vom 01.06.2008 bis 30.06.2009 in Höhe von monatlich 518,00 EUR,
Am 01.07.2008 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 04.06.2008 auch insoweit Widerspruch ein, als Sozialhilfe für die Zeit vom 01.05. bis 31.05.2008 abgelehnt worden war. Er vertrat die Auffassung, das Überbrückungsgeld sei das ihm zustehende Arbeitsentgelt bzw. Einkommen für die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) geleistete Arbeit. Nach Eingang auf dem Überbrückungsgeldkonto werde es zum Vermögen. Es werde jeweils am Ende eines Monats, nicht im voraus gezahlt. Daraus folge zwingend, dass das Überbrückungs- geld nicht Einkommen für die Zeit nach der Haftentlassung sein könne. Das erworbene kleine Vermögen biete die Lebensgrundlage im Sinne des § 51 Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Liege das Vermögen unterhalb der Grenze von 2.600,00 EUR, stehe es dem Gefangenen wie auch den anderen Arbeitnehmern zu.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 03.03.2009 als unbegründet zurück. Er führte aus, das ausgezahlte Überbrückungsgeld sei zweckbestimmt zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes zu verwenden und könne somit weder insgesamt noch in Teilen als Schonvermögen bei der Berechnung von GSi-Leistungen außer Betracht bleiben. Der GSi-Bedarf im Monat Mai 2008 habe 518,00 EUR betragen. Als Überbrückungsgeld sei bei der Haftentlassung ein Betrag von 1.862,45 EUR ausgezahlt worden. Somit habe der Kläger seinen Lebensunterhalt im Mai 2008 vollständig aus eigenen Mitteln bestreiten können.
Dagegen hat der Kläger am 16.03.2009 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, das Überbrückungsgeld sei als Vermögen anzusehen, weil es vor der Beantragung von Sozialhilfe angespart und ausgezahlt worden sei. Für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen komme es nicht auf den Beginn des Bedarfszeitraums an, sondern auf das Datum der Antragstellung. Der Kläger meint, die Auffassung, das Überbrückungsgeld sei Einkommen, stehe in krassem Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Maßgeblich sei das Zuflussprinzip. Erfolge der Zufluss - wie in seinem Fall - vor Beginn der Leistungen nach dem SGB XII, handele es sich um Vermögen, erfolge der Zufluss danach, handele es sich um Einkommen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Bescheide des Beklagten vom 04.06. und 30.06.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2009 aufzuheben, soweit ihm dadurch Grundsicherungsleistungen in Höhe von 518,00 EUR für den Monat Mai 2008 verweigert worden sind, und den Beklagten zu verpflichten, ihm 518,00 EUR nebst gesetzlichen Zinsen ab 01.07.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine in den angefochtenen Bescheiden vertretene Auffassung und beruft sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 21.06.1990 - 5 C 64/86.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Richtiger Beklagter ist der Bürgermeister der Stadt Stolberg; dieser ist beteiligtenfähig im Sinne von § 70 Nr. 3 SGG. Soweit der 9. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Urteil vom 19.03.2009 (L 9 SO 9/07) diese seit langem vertretene Auffassung der Kammer "in Ermangelung abweichender Vorschriften im Sinne des § 70 Nr. 3 SGG" für "unzutreffend" und deshalb allein die Stadt selbst gem. § 70 Nr. 1 SGG für den richtigen Beklagten hält, hat er offenbar die Vorschrift des § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Lande NRW (AG-SGG NRW) vom 08.12.1953 (GVBl. NRW 1953, 412), zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 28.10.2008 (GVBl. NRW 2008, 646), übersehen. Die Vorschrift lautet: "Behörden sind fähig, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein." Behörde in diesem Sinne ist der Bürgermeister der Stadt Stolberg als Organ und Behörde der Stadt, die vom zuständigen Leistungsträger zur Durchführung der Aufgabe herangezogen worden ist. Träger der Grundsicherung ist nach § 3 Abs. 2 SGB XII i.V.m. §§ 97, 98 SGB XII zwar der Kreis Aachen; dieser hat allerdings nach § 99 Abs. 1 SGB XII i.V.m. Art. 1 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das SGB XII vom 16.12.2004 (GVBl. NRW 2004, 816) zur Durchführung der ihm als Sozialhilfeträger obliegenden Aufgaben die Stadt Stolberg durch Satzung herangezogen (§ 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis Aachen vom 22.06.2006), die in eigenem Namen entscheidet. Für die Stadt Stolberg handelt der Bürgermeister als beteiligtenfähige Behörde (ebenso: BSG, Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R in Bezug auf den Bürgermeister der Stadt Düren; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Aachen; Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R in Bezug auf den Landrat des Kreises Herford).
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat für Mai 2008 keinen Anspruch auf Sozialhilfe (hier: GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII), da er seinen sozialhilferechtlichen Bedarf in diesem Monat aus seinem vorhandenen Vermögen decken konnte.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten ältere Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 beschaffen können, auf Antrag GSi im Alter. Der Kläger ist allein wegen seines Alters grundsätzlich leistungsberechtigt, da er die Altersgrenze von 65 Lebensjahren (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII) im Mai 2008 erfüllt hat. Der Beklagte hat den sozialhilferechtlichen Bedarf des Klägers für den streitbefangenen Monat zutreffend mit 518,00 EUR beziffert; dieser Bedarf wird vom Kläger auch anerkannt und mit der Klage geltend gemacht. Dem Anspruch auf Sozialhilfe steht jedoch entgegen, dass der Kläger zu Beginn des Bedarfszeitraums am 01.05.2008 über einzusetzendes Vermögen in Form des Überbrückungsgeldes verfügte.
Sozialhilferechtlich ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat (sog. Zuflusstheorie; BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 = BVerwGE 108, 286). An dieser noch unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) getroffenen Abgrenzung hat sich seit der Ablösung des BSHG durch das SGB XII ab 01.01.2005 nichts geändert. Soweit das BSG durch Urteil vom 30.07.2008 (B 14/11b AS 17/07 R), auf das der Kläger sich beruft, entschieden hat, dass - anders als unter der Geltung des BSHG - maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen die Antragstellung ist und Einkommen grundsätzlich alles das ist, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er von Antragstellung bereits hatte, bezieht sich dies ausdrücklich auf das SGB II. Das BSG hat dies damit begründet, dass die Leistungsgewährung nach § 5 BSHG keinen Antrag vorausgesetzt habe, weshalb Bedarfszeit nach der Rechtsprechung des BVerwG die Zeit gewesen sei, in der der Bedarf bestanden habe und (grundsätzlich rechtzeitig) zu decken gewesen war. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG sei in der Regel auf den jeweiligen Kalendermonat als der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgeblichen Bedarfszeit abzustellen gewesen. An dieser Rechtsprechung könne - so das BSG - für das SGB II nicht angeknüpft werden, weil § 37 SGB II ein konstitutives Antragserfordernis statuiere, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustünden.
Diese Rechtsprechung des BSG ist auf Sozialhilferecht und speziell auch auf das GSi-Recht nach dem 4. Kapitel des SGB XII nicht übertragbar, auch wenn GSi-Leistungen nur auf Antrag (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) gewährt werden. Denn anders als SGB II-Leistungen, die nicht für die Zeit vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II), beginnt der Bewilligungszeitraum für Leistungen der GSi im Alter am Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt worden ist oder die Voraussetzungen für Änderungen eingetreten oder mitgeteilt worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Auch hier kommt es also nicht allein auf das Datum der Antragstellung an, sondern auf den Beginn des Bedarfsmonats (der Antragstellung), hier also auf den 01.05.2008. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger das in der Haft verdiente und angesparte Überbrückungsgeld bereits zugeflossen; es war ihm am Tag der Entlassung, dem 30.04.2008, in bar ausgezahlt worden. Da der Kläger das Geld also bereits zu Beginn des Bedarfszeitraums am 01.05.2008 hatte, handelt es sich sozialhilferechtlich um Vermögen. Dieses Vermögen hatte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum im vollem Umfang einzusetzen.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Sozialhilfe nicht vom Einsatz eines Barbetrages unter 2.600,00 EUR (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. a) der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) hätte abhängig gemacht werden dürfen. Der Kläger verkennt die Bedeutung des § 51 Abs. 1 StVollzG, der den Zweck des Überbrückungsgeldes bestimmt. Hierzu hat das BVerwG im Urteil vom 21.06.1990 (5 C 64/86) ausgeführt: "Das Überbrückungsgeld dient nach seiner gesetzlichen Zweckbestimmung der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts nach der Entlassung des Gefangenen. Dieser soll seinen Lebensunterhalt nach der Entlassung mit eigenen Mitteln bestreiten können und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein, die dem Mittellosen sonst den notwendigen Lebensunterhalt sichert. Die Verpflichtung, ein Überbrückungsgeld zu bilden, dient also der Freistellung von Sozialhilfe. Dieser Funktion entsprechend muss es geeignet sein, in vorhandener Höhe einen ohne Überbrückungsgeld bestehenden Sozialhilfeanspruch zu beseitigen. An dieser Funktion gemessen können weder das ganze Überbrückungsgeld noch Teile davon Schonvermögen sein. Denn soweit es Schonvermögen wäre, minderte es die Sozialhilfebedürftigkeit nicht. Ordnete man das Überbrückungsgeld oder Teile davon als Schonvermögen ein, könnte damit der in § 51 StVollzG für das Überbrückungsgeld festgesetzte Zweck, die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts, nicht erreicht werden." Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an (vgl. ebenso: VG Augsburg, Beschluss vom 25.07.2002 - Au 9 E 02.754; VG Augsburg, Urteil vom 15.02.2002 - Au 3 K 01.1210; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2009 - L 12 AS 5623/08).
Da das am 01.05.2008 vorhandene Vermögen des Klägers in Höhe von 1.862,64 EUR seinen sozialhilferechtlichen Bedarf für Mai 2008 in Höhe von 518,00 EUR um 1.344,45 EUR überstieg, hatte er keinen Anspruch auf Sozialhilfe für diesen Monat und war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht hat die im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes (518,00 EUR) an sich nicht statthafte Berufung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 01.05. bis 31.05.2008 in Höhe von 518,00 EUR.
Der am 00.00.1941 geborene Kläger ist verheiratet. Er übte früher den Beruf eines Rechtsanwalts aus. Vom 13.09.2006 bis 30.04.2008 war er inhaftiert. Am Entlassungstag (30.04.2008) wurde ihm das während der Haftzeit verdiente und angesparte Überbrückungsgeld in Höhe von 1.862,45 EUR in bar ausgezahlt. Der Kläger bewohnt mit seiner Ehefrau eine 72 qm große Wohnung; die monatliche Miete beträgt inklusive Nebenkosten 342,00 EUR; an Heizkosten sind monatlich 70,00 EUR vorauszuzahlen. Die Ehefrau des Klägers bezieht Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 27.05.2008 beantragte der Kläger Leistungen der GSi im Alter ab 01.05.2008.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 04.06.2008 ab. Er stellte dem sozialhilferechtlichen Bedarf des Klägers in Höhe von 518,00 EUR (Regelsatz: 312,00 EUR; Kosten der Unterkunft [1/2 von 342,00 EUR]: 171,00 EUR; Heizkosten (1/2 von 70,00 EUR]: 35,00 EUR) einzusetzendes Vermögen in Höhe des Überbrückungsgeldbetrages von 1.862,45 EUR gegenüber. Da das einzusetzende Vermögen den Bedarf übersteige, bestehe kein Sozialhilfeanspruch.
Dagegen legte der Kläger am 18.06.2008 Widerspruch ein, soweit ab 01.06.2008 die Gewährung von GSi-Leistungen abgelehnt worden war.
Durch Bescheid vom 30.06.2008 half der Beklagte dem Widerspruch ab und bewilligte Leistungen der GSi für die Zeit vom 01.06.2008 bis 30.06.2009 in Höhe von monatlich 518,00 EUR,
Am 01.07.2008 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 04.06.2008 auch insoweit Widerspruch ein, als Sozialhilfe für die Zeit vom 01.05. bis 31.05.2008 abgelehnt worden war. Er vertrat die Auffassung, das Überbrückungsgeld sei das ihm zustehende Arbeitsentgelt bzw. Einkommen für die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) geleistete Arbeit. Nach Eingang auf dem Überbrückungsgeldkonto werde es zum Vermögen. Es werde jeweils am Ende eines Monats, nicht im voraus gezahlt. Daraus folge zwingend, dass das Überbrückungs- geld nicht Einkommen für die Zeit nach der Haftentlassung sein könne. Das erworbene kleine Vermögen biete die Lebensgrundlage im Sinne des § 51 Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Liege das Vermögen unterhalb der Grenze von 2.600,00 EUR, stehe es dem Gefangenen wie auch den anderen Arbeitnehmern zu.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 03.03.2009 als unbegründet zurück. Er führte aus, das ausgezahlte Überbrückungsgeld sei zweckbestimmt zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes zu verwenden und könne somit weder insgesamt noch in Teilen als Schonvermögen bei der Berechnung von GSi-Leistungen außer Betracht bleiben. Der GSi-Bedarf im Monat Mai 2008 habe 518,00 EUR betragen. Als Überbrückungsgeld sei bei der Haftentlassung ein Betrag von 1.862,45 EUR ausgezahlt worden. Somit habe der Kläger seinen Lebensunterhalt im Mai 2008 vollständig aus eigenen Mitteln bestreiten können.
Dagegen hat der Kläger am 16.03.2009 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, das Überbrückungsgeld sei als Vermögen anzusehen, weil es vor der Beantragung von Sozialhilfe angespart und ausgezahlt worden sei. Für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen komme es nicht auf den Beginn des Bedarfszeitraums an, sondern auf das Datum der Antragstellung. Der Kläger meint, die Auffassung, das Überbrückungsgeld sei Einkommen, stehe in krassem Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Maßgeblich sei das Zuflussprinzip. Erfolge der Zufluss - wie in seinem Fall - vor Beginn der Leistungen nach dem SGB XII, handele es sich um Vermögen, erfolge der Zufluss danach, handele es sich um Einkommen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Bescheide des Beklagten vom 04.06. und 30.06.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2009 aufzuheben, soweit ihm dadurch Grundsicherungsleistungen in Höhe von 518,00 EUR für den Monat Mai 2008 verweigert worden sind, und den Beklagten zu verpflichten, ihm 518,00 EUR nebst gesetzlichen Zinsen ab 01.07.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine in den angefochtenen Bescheiden vertretene Auffassung und beruft sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 21.06.1990 - 5 C 64/86.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Richtiger Beklagter ist der Bürgermeister der Stadt Stolberg; dieser ist beteiligtenfähig im Sinne von § 70 Nr. 3 SGG. Soweit der 9. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Urteil vom 19.03.2009 (L 9 SO 9/07) diese seit langem vertretene Auffassung der Kammer "in Ermangelung abweichender Vorschriften im Sinne des § 70 Nr. 3 SGG" für "unzutreffend" und deshalb allein die Stadt selbst gem. § 70 Nr. 1 SGG für den richtigen Beklagten hält, hat er offenbar die Vorschrift des § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Lande NRW (AG-SGG NRW) vom 08.12.1953 (GVBl. NRW 1953, 412), zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 28.10.2008 (GVBl. NRW 2008, 646), übersehen. Die Vorschrift lautet: "Behörden sind fähig, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein." Behörde in diesem Sinne ist der Bürgermeister der Stadt Stolberg als Organ und Behörde der Stadt, die vom zuständigen Leistungsträger zur Durchführung der Aufgabe herangezogen worden ist. Träger der Grundsicherung ist nach § 3 Abs. 2 SGB XII i.V.m. §§ 97, 98 SGB XII zwar der Kreis Aachen; dieser hat allerdings nach § 99 Abs. 1 SGB XII i.V.m. Art. 1 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das SGB XII vom 16.12.2004 (GVBl. NRW 2004, 816) zur Durchführung der ihm als Sozialhilfeträger obliegenden Aufgaben die Stadt Stolberg durch Satzung herangezogen (§ 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis Aachen vom 22.06.2006), die in eigenem Namen entscheidet. Für die Stadt Stolberg handelt der Bürgermeister als beteiligtenfähige Behörde (ebenso: BSG, Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R in Bezug auf den Bürgermeister der Stadt Düren; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Aachen; Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R in Bezug auf den Landrat des Kreises Herford).
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat für Mai 2008 keinen Anspruch auf Sozialhilfe (hier: GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII), da er seinen sozialhilferechtlichen Bedarf in diesem Monat aus seinem vorhandenen Vermögen decken konnte.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten ältere Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 beschaffen können, auf Antrag GSi im Alter. Der Kläger ist allein wegen seines Alters grundsätzlich leistungsberechtigt, da er die Altersgrenze von 65 Lebensjahren (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII) im Mai 2008 erfüllt hat. Der Beklagte hat den sozialhilferechtlichen Bedarf des Klägers für den streitbefangenen Monat zutreffend mit 518,00 EUR beziffert; dieser Bedarf wird vom Kläger auch anerkannt und mit der Klage geltend gemacht. Dem Anspruch auf Sozialhilfe steht jedoch entgegen, dass der Kläger zu Beginn des Bedarfszeitraums am 01.05.2008 über einzusetzendes Vermögen in Form des Überbrückungsgeldes verfügte.
Sozialhilferechtlich ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat (sog. Zuflusstheorie; BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 = BVerwGE 108, 286). An dieser noch unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) getroffenen Abgrenzung hat sich seit der Ablösung des BSHG durch das SGB XII ab 01.01.2005 nichts geändert. Soweit das BSG durch Urteil vom 30.07.2008 (B 14/11b AS 17/07 R), auf das der Kläger sich beruft, entschieden hat, dass - anders als unter der Geltung des BSHG - maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen die Antragstellung ist und Einkommen grundsätzlich alles das ist, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er von Antragstellung bereits hatte, bezieht sich dies ausdrücklich auf das SGB II. Das BSG hat dies damit begründet, dass die Leistungsgewährung nach § 5 BSHG keinen Antrag vorausgesetzt habe, weshalb Bedarfszeit nach der Rechtsprechung des BVerwG die Zeit gewesen sei, in der der Bedarf bestanden habe und (grundsätzlich rechtzeitig) zu decken gewesen war. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG sei in der Regel auf den jeweiligen Kalendermonat als der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgeblichen Bedarfszeit abzustellen gewesen. An dieser Rechtsprechung könne - so das BSG - für das SGB II nicht angeknüpft werden, weil § 37 SGB II ein konstitutives Antragserfordernis statuiere, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustünden.
Diese Rechtsprechung des BSG ist auf Sozialhilferecht und speziell auch auf das GSi-Recht nach dem 4. Kapitel des SGB XII nicht übertragbar, auch wenn GSi-Leistungen nur auf Antrag (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) gewährt werden. Denn anders als SGB II-Leistungen, die nicht für die Zeit vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II), beginnt der Bewilligungszeitraum für Leistungen der GSi im Alter am Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt worden ist oder die Voraussetzungen für Änderungen eingetreten oder mitgeteilt worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Auch hier kommt es also nicht allein auf das Datum der Antragstellung an, sondern auf den Beginn des Bedarfsmonats (der Antragstellung), hier also auf den 01.05.2008. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger das in der Haft verdiente und angesparte Überbrückungsgeld bereits zugeflossen; es war ihm am Tag der Entlassung, dem 30.04.2008, in bar ausgezahlt worden. Da der Kläger das Geld also bereits zu Beginn des Bedarfszeitraums am 01.05.2008 hatte, handelt es sich sozialhilferechtlich um Vermögen. Dieses Vermögen hatte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum im vollem Umfang einzusetzen.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Sozialhilfe nicht vom Einsatz eines Barbetrages unter 2.600,00 EUR (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. a) der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) hätte abhängig gemacht werden dürfen. Der Kläger verkennt die Bedeutung des § 51 Abs. 1 StVollzG, der den Zweck des Überbrückungsgeldes bestimmt. Hierzu hat das BVerwG im Urteil vom 21.06.1990 (5 C 64/86) ausgeführt: "Das Überbrückungsgeld dient nach seiner gesetzlichen Zweckbestimmung der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts nach der Entlassung des Gefangenen. Dieser soll seinen Lebensunterhalt nach der Entlassung mit eigenen Mitteln bestreiten können und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein, die dem Mittellosen sonst den notwendigen Lebensunterhalt sichert. Die Verpflichtung, ein Überbrückungsgeld zu bilden, dient also der Freistellung von Sozialhilfe. Dieser Funktion entsprechend muss es geeignet sein, in vorhandener Höhe einen ohne Überbrückungsgeld bestehenden Sozialhilfeanspruch zu beseitigen. An dieser Funktion gemessen können weder das ganze Überbrückungsgeld noch Teile davon Schonvermögen sein. Denn soweit es Schonvermögen wäre, minderte es die Sozialhilfebedürftigkeit nicht. Ordnete man das Überbrückungsgeld oder Teile davon als Schonvermögen ein, könnte damit der in § 51 StVollzG für das Überbrückungsgeld festgesetzte Zweck, die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts, nicht erreicht werden." Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an (vgl. ebenso: VG Augsburg, Beschluss vom 25.07.2002 - Au 9 E 02.754; VG Augsburg, Urteil vom 15.02.2002 - Au 3 K 01.1210; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2009 - L 12 AS 5623/08).
Da das am 01.05.2008 vorhandene Vermögen des Klägers in Höhe von 1.862,64 EUR seinen sozialhilferechtlichen Bedarf für Mai 2008 in Höhe von 518,00 EUR um 1.344,45 EUR überstieg, hatte er keinen Anspruch auf Sozialhilfe für diesen Monat und war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht hat die im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes (518,00 EUR) an sich nicht statthafte Berufung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved