L 10 B 598/08 AL PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 197/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 598/08 AL PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage, ob in einer Antragstellung beim Grundsicherungsträger eine Arbeitslosmeldung zugunsten eines Arbeitslosengeldanspruches zu sehen ist.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.06.2008 aufgehoben.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 13 AL 197/08 vor dem Sozialgericht Nürnberg ohne Ratenzahlung bewilligt.

Dem Kläger wird Frau Rechtsanwältin S. S., A-Stadt, beigeordnet.



Gründe:


I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG). Dort ist streitig, ab welchem Zeitpunkt der Kläger Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) hat.

Der Kläger meldete sich am 01.06.2007 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2007 ab, weil der Kläger innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren nicht mindestens zwölf Monate (04.09.2006 bis 31.05.2007) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.

Am 14.08.2007 zeigte der Kläger der Beklagten an, ab dem 14.08.2007 eine unbefristete Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 15 Stunden aufzunehmen.

Die Bevollmächtigten des Klägers wandten sich am 21.11.2007 an die Beklagte und wiesen - unter Vorlage eines Arbeitsvertrages - darauf hin, dass der Kläger auch in der Zeit vom 01.06.2006 bis 31.08.2006 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, woraufhin die Beklagte sich bereit erklärte, den Bescheid vom 07.08.2007 aufzuheben und Leistungen nach dem SGB III zu bewilligen.

Am 05.12.2007 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Er sei lediglich in der Zeit vom 14.08.2007 bis 27.08.2007 als Helfer bei der Fa. A. KG in A-Stadt beschäftigt gewesen.

Mit Bescheid vom 15.01.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit ab dem 05.12.2007. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, Alg sei ihm bereits für die Zeit ab dem 26.08.2007 zu gewähren. Das Arbeitsverhältnis sei am 22.08.2007 zum 25.08.2007 gekündigt worden, und er habe sich unverzüglich - am 22.08.2007 - wieder arbeitssuchend gemeldet, wie sich aus der Akte der Beklagten ergebe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2008 zurück. Eine Arbeitssuchendmeldung ersetze die persönliche Arbeitslosmeldung als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Alg nicht; dass diese Arbeitssuchendmeldung persönlich erfolgt wäre, sei nicht dokumentiert. Auf die Arbeitslosmeldung zum 01.06.2007 könne nicht abgestellt werden, denn diese sei durch die Anzeige der Arbeitsaufnahme zum 14.08.2007 erloschen.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 25.04.2008 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er habe sich persönlich arbeitslos gemeldet. Aber auch wenn dies nicht unmittelbar nach der Kündigung durch die Fa. A. KG geschehen wäre, hätte die unstreitige Arbeitslosmeldung zum 01.06.2007 fortgewirkt, denn die Arbeitslosigkeit sei weniger als sechs Wochen unterbrochen gewesen. Am 28.04.2008 hat der Kläger die Bewilligung von PKH sowie die Beiordnung der Rechtsanwältin S. S. aus A-Stadt beantragt.

Die Bewilligung von PKH hat das SG mit Beschluss vom 04.06.2008 abgelehnt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe nicht, denn der Kläger habe sich zum 14.08.2007 wegen Arbeitsunfähigkeit aus dem Leistungsbezug abgemeldet und erst wieder zum 05.12.2007 arbeitslos gemeldet.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 11.07.2008 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Entgegen der Darstellung des SG habe er sich nicht wegen Arbeitsunfähigkeit, sondern wegen der Aufnahme einer Beschäftigung abgemeldet. Auch habe er sich persönlich und telefonisch am 22.08.2007 wieder bei der Beklagten arbeitssuchend gemeldet. Dies ergebe sich aus der Akte der Beklagten (Blatt 51). Zudem sei die Arbeitslosigkeit nur kurzfristig, d.h. weniger als sechs Wochen unterbrochen gewesen, so dass die ursprüngliche Arbeitslosmeldung (zum 01.06.2007) fortwirke, so dass unabhängig von einer persönlichen Meldung im Anschluss an die Tätigkeit bei der Fa. A. KG ein Anspruch auf Alg bestehe.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Rechtsmittel ist begründet. Dem Antrag auf Bewilligung von PKH vom 28.04.2008 ist stattzugeben.

Nach § 73a Abs 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO (Zivilprozessordnung) erhält PKH eine Partei (im sozialgerichtlichen Verfahren: Beteiligter), die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zwar nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (BSG vom 17.02.98 - B 13 RJ 83/97 R). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl. 2005, § 73a Rdnr.7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Allerdings müssen dabei letzte Zweifel an der rechtlichen Beurteilung nicht ausgeschlossen werden, denn eine endgültige und abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist in der Regel nicht möglich und auch nicht notwendig (Peters/ Sautter/ Wolff, SGG, 4.Aufl., Stand 1/2008, § 73a Ziff.13.2 a)).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Kläger Anspruch auf PKH für das Verfahren vor dem SG, denn im vorliegenden Rechtsstreit ist zumindest ein Teilerfolg nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, so dass die Rechtsverfolgung auch nicht mutwillig erscheinen muss.

Aus welchen Gründen das SG davon ausgeht, der Kläger habe sich wegen Arbeitsunfähigkeit aus dem Leistungsbezug abgemeldet, erschließt sich aus dem Akteninhalt nicht. Im Ergebnis ist dies jedoch ohne Belang, denn maßgeblich ist, dass sich der Kläger - mit der Mitteilung eine (unbefristete) Beschäftigung aufzunehmen - aus dem Leistungsbezug abgemeldet hat, d.h. er angezeigt hat, dass der Versicherungsfall der am 01.06.2007 eingetretenen Arbeitslosigkeit zum 14.08.2007 endet, so dass die zugrundeliegende Arbeitslosmeldung als Voraussetzung des Alg-Anspruches in sonstiger Weise erloschen ist. Die Wirkung einer Arbeitslosmeldung ist auf die Dauer des konkreten Versicherungsfalles beschränkt, so dass nach der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung die Meldung verbraucht wird und zur Begründung eines erneuten Alg-Anspruches - unabhängig von der Dauer der Unterbrechung - eine erneute Arbeitslosmeldung zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2000 - B 7 AL 2/00 R; Wissing in PK-SGB III, § 122 Rdnr 49, 50)). Der Kläger geht insoweit fehl in der Annahme, ein Alg-Anspruch sei bereits auf der Grundlage der Arbeitslosmeldung zum 01.06.2007 zu begründen.

Der Kläger hat jedoch geltend gemacht, er habe sich am 22.08.2007 persönlich arbeitssuchend gemeldet, so dass eine anspruchsbegründende Arbeitslosmeldung vorliegen kann. Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich, entgegen dem Vorbringen des Klägers, aus Blatt 51 der Beklagtenakte lediglich entnehmen lässt, dass der Kläger die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Fa. A. KG angezeigt hat, nicht jedoch, ob dies schriftlich, telefonisch oder persönlich erfolgt ist, wobei allein die letztere Form anspruchsbegründend wäre. Ob der Kläger in diesem Zusammenhang in der Lage ist, ein geeignetes Beweisangebot zu formulieren und eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, muss derzeit als offen angesehen werden.

Eine hinreichende (Teil-)Erfolgssaussicht des Klageverfahrens ergibt sich jedoch daraus, dass der Kläger - nach Lage der Akten zweifelsfrei - am 15.10.2007 bei der ARGE Stadt A-Stadt persönlich vorgesprochen und einen Leistungsanspruch geltend gemacht hat (Blatt 72f). Soweit sich nach einer Beweisaufnahme kein Anspruch des Klägers zum 26.08.2007 belegen lässt, wird sich das SG eingehend damit auseinanderzusetzen haben, ob in einer Antragstellung beim Grundsicherungsträger eine Arbeitslosmeldung zugunsten eines Alg-Anspruches zu sehen ist, zumal die Dienstanweisungen der Beklagten (zu § 122; Stand Mai 2008) dies unter bestimmten Umständen auch so vorsehen.

Nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gegeben, da er derzeit lediglich von seiner Freundin und seinen Eltern unterstützt wird. Es ist weder Einkommen noch Vermögen vorhanden, das der Kläger in zumutbarer Weise verwerten könnte, um die Kosten des Prozesses aufzubringen, so dass Ratenzahlungen nicht zu leisten sind.

Ist die Vertretung durch Anwälte, wie im sozialgerichtlichen Verfahren, nicht vorgeschrieben, so wird dem Beteiligten auf dessen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 202 SGG i.V.m. § 121 Abs 2 ZPO.

Der Senat hält im vorliegenden Fall die Beiordnung eines Rechtsanwaltes für erforderlich, § 121 Abs 2 ZPO, weil neben tatsächlichen Umständen rechtliche Fragen komplexer Natur zu klären sind, die einen juristischen Laien regelmäßig überfordern.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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