L 22 U 6/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 3 U 65/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 6/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 03. April 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v. H. für Gesundheitsstörungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche und Nervosität, die er als Folgen einer Berufskrankheit nach Sonderentscheid gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (GBl DDR I, S. 137 - BKVO/DDR) beurteilt wissen will.

Der 1945 geborene Kläger war von 1983 bis August 1988 Betriebsdirektor des VEB Armaturenwerk AIn dieser Funktion hatte er von März 1983 bis zum August 1988 seinen Arbeitsplatz in dem Betriebsdirektorenzimmer des VEB. Zum 01. September 1988 wurde der Kläger aus Gesundheitsgründen von seiner Funktion als Betriebsdirektor entbunden, arbeitete aber an einem anderen Arbeitsplatz als Leiter des Büros des Betriebsdirektors und Importverantwortlicher des VEB weiter. Am 14. Juni 1989 führte die Arbeitshygieneinspektion des Rates des Kreises A (AHI) eine Schadstoffmessung im ehemaligen Arbeitszimmer des Klägers durch, wobei eine Formaldehyd-Passivexposition durch Formaldehyd-Abspaltung aus den Spanplatten der Umfassungswände des Arbeitszimmers von 0,40 und 0,46 mg/m³ gemessen wurde. In einem Bericht der AHI vom 28. November 1988 ist festgehalten, dass in dem betreffenden Raum alle Umfassungswände wie auch die Decke mit formaldehydhaltigen Spanplatten verkleidet seien. Da im betreffenden Fall alle Raumumfassungsumwände mit Pressspanplatten verkleidet seien, sei der Grenzwert mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit überschritten. Daraufhin wurden entsprechend der Forderung der AHI die Pressspanplattenverkleidungen in dem Betriebsdirektorenzimmer entfernt. In der Folge führte der Kläger einen Arbeitsrechtsstreit wegen Schadenersatzleistungen bei Berufskrankheit. Nachdem das Verfahren wegen der Zuständigkeit der Beklagten dort zum Ruhen gebracht worden war, beantragte der Kläger mit dem im April 1992 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 10. April 1992 die Anerkennung einer Berufskrankheit, die auf die berufsbedingte Einwirkung von Formaldehyd zurückzuführen sei. Er gab an, seit März 1983 habe sich die Erkrankung erstmals bemerkbar gemacht mit Augenbrennen, Husten, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindelgefühl, Atemnot, belegter Stimme, erhöhter Reizbarkeit, Magenschmerzen und Konzentrationsproblemen.

Die Beklagte übernahm vom Gesundheitsamt des Landkreises A die betriebsärztlichen Akten über den Kläger und vom Amt für Arbeitsschutz G die Akten der AHI über den Vorgang. In letztgenannten Unterlagen befindet sich auch eine "arbeitsmedizinisch-klinische Beurteilung des Gesundheitszustandes bei beruflicher Formaldehydexposition" des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin der DDR vom 30. November 1989, die u. a. auf einem stationären Aufenthalt des Klägers vom 26. Juli bis zum 04. August 1989 in der Klinik und Poliklinik für Berufskrankheiten in Berlin beruht.

Am 08. Januar 1996 erstatteten der Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin PD Dr. med. D und die Assistenzärztin Dr. med. B ein ärztlich-arbeitsmedizinisches Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers. Sie diagnostizierten eine "1. chronische Rachenentzündung, 2. dekompensierte Stimmstörung, 3. Fettstoffwechselstörung und 4. Katarakt links" und empfahlen die Anerkennung der chronischen Rachenentzündung des Klägers als Berufskrankheit, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die stark auf die Schleimhäute einwirkende, gasförmige, Grenzwert überschreitende Formaldehyd-Exposition des Klägers zurückgeführt werden müsse.

Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 18. April 1996 das Bestehen einer irritativen chronischen Krankheit der oberen Luftwege durch Formaldehyd als Berufskrankheit nach Nr. 81 der Liste der Berufskrankheitenverordnung der ehemaligen DDR (BKVO/DDR) an. Als Folge der Berufskrankheit wurde eine "chronische Rachenentzündung bei (dekompensierter) Stimmstörung" ohne Anspruch auf Rente an. Als Folgen der Berufskrankheit wurden ausdrücklich nicht anerkannt: "neuropsychiatrische Veränderung, insbesondere Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche und Nervosität, Fettstoffwechselstörung sowie Katarakt (grauer Star) links". Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1997 nach Einholung einer ärztlich-arbeitsmedizinischen Stellungnahme von Dr. med. D zurück. Das hiergegen zum Az.: S 3 (10) U 16/97 vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) geführte Klageverfahren endete mit einer Klagerücknahme.

Den Antrag des Klägers, die bisher als Folge einer Berufskrankheit abgelehnten Gesundheitsstörungen nunmehr im Wege eines Sonderentscheids Berufskrankheit nach dem Recht der DDR anzuerkennen und hierfür Verletztenrente zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Mai 1998 ab, da sie rechtlich wesentlich nicht durch arbeitsbedingte Einflüsse entstanden seien. Die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 der BKVO/DDR lägen nicht vor.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1999 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25. Mai 1999 Klage beim SG erhoben und sein Begehren weiterverfolgt: Ihm sei bewusst, dass die bei ihm bestehenden, weiter gehenden Erkrankungen in der BK-Liste nicht aufgeführt seien, weshalb der vorangegangene Rechtsstreit vor dem SG durch Klagerücknahme beendet und von der Beklagten ein Sonderentscheid Berufskrankheit verlangt worden sei. Soweit die Beklagte auf diesem Weg und nach der Diskussion der fachwissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Ergebnis gekommen sei, dass keine hinreichenden Erkenntnisse bezüglich der generellen Eignung von Formaldehyd vorlägen, seine weiter gehenden Erkrankungen zu verursachen, vermöge er dem unter Berücksichtigung der ihm bekannten Aussagen aus der medizinischen Wissenschaft nicht zu folgen.

Der Kläger hat erstinstanzlich schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid vom 13. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, in Verbindung mit der bereits anerkannten Berufskrankheit im Wege des Sonderentscheid-verfahrens nach dem Recht der ehemaligen DDR die neuropsychiatrischen Gesundheitsstörungen des Klägers nämlich Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrations-schwäche und Nervosität als Berufskrankheit anzuerkennen und dem Kläger eine entsprechende Rente zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich schriftsätzlich beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Auf Anfrage des SG hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung am 11. September 2000 mitgeteilt, dass der Verordnungsgeber die Frage eines möglichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen den angeführten neuropsychiatrischen Gesundheitsstörungen sowie Fettstoffwechselstörungen oder Katarakt und der Exposition gegenüber Formaldehyd bislang nicht geprüft habe. Daher lägen zurzeit keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor.

Im Einverständnis der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 03. April 2001 die Klage unter Bezugnahme auf die Darlegung der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1999 zurückgewiesen.

Gegen die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06. April 2001 zugestellte Entscheidung ist am 30. April 2001 Berufung beim damaligen Landessozialgericht Brandenburg eingelegt worden. Zur Begründung bezieht sich der Kläger darauf, dass, wie man an der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Berufskrankheitenverordnung/West - Erkrankungen durch Methanol - erkennen könne, die Giftwirkung von sich in Körperzellen bildendem Formaldehyd beim Abbau von Methanol im Körper durchaus anerkannt sei. Das bei dieser Berufskrankheit im Merkblatt zu Nr. 1306 geschilderte Krankheitsbild stimme mit dem des Klägers überein. Es sei deshalb unverständlich und nicht nachvollziehbar, warum bei langjähriger direkter Aufnahme von Formaldehyd-Ausdünstungen aus Möbeln über die Atmung und Haut dieser bei der Berufskrankheit Nr. 1306 anerkannte Wirkungsmechanismus nicht gelten solle. Nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand hätte unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Problematik einer Formaldehyd-Belastung bereits im Jahre 1989 in der DDR erkannt worden sei, ein positiver Sonderentscheid zugunsten des Klägers ergehen müssen. Im Übrigen beruft sch der Kläger auf das Ergebnis des nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 03. April 2001 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. für die Zeit ab 01. September 1988 wegen einer Berufskrankheit nach Sonderentscheid nach dem Recht der DDR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass den Schlussfolgerungen des Klägers, soweit sie sich in tatsächlicher Hinsicht auf die Annahme stützten, dass die toxische Wirkungsweise von Formaldehyd als Oxidationsmetabolit von in den Organismus aufgenommenem Methanol dieselbe sei wie bei der unmittelbaren Inkorporation von Formaldehyd durch - hier wohl nur in Betracht kommende - Inhalation, nicht gefolgt werden könne. Wenn die unmittelbare Aufnahme von Formaldehyd dieselbe Krankheitswirkung haben sollte wie Formaldehyd als Oxidationsmetabolit, sei der Beklagten nicht einsichtig, warum zum einen der mit der Erforschung von Berufskrankheiten betraute ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung derartige Erkenntnisse übersehen oder in den Merkblättern nicht zum Ausdruck gebracht habe und den Verordnungsgeber nicht zu einer Erweiterung der Berufskrankheitenverordnung auch um den originären Listenstoff Formaldehyd veranlasst haben sollte. Ein Ursachenzusammenhang zwischen den vom Kläger geltend gemachten "neuropsychiatrischen" Erkrankungen und der Einwirkung von Formaldehyd lasse sich im Übrigen weder generell noch individuell beim Kläger feststellen. Beim Kläger liege eine expositionsunabhängige Genese psychosomatischer Störungen vor, wie sich aus den ärztlichen Unterlagen ergebe. Für einen Sonderentscheid nach § 2 Abs. 2 BKVO/DDR fehle es im Übrigen an einer Rechtsgrundlage, wie sich auch aus der von ihr übersandten "Anlage zum Protokoll der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten vom 28. September 1989" ergebe. Danach habe nach dem Berufskrankheitenrecht der ehemaligen DDR gerade auch für den Fall der Abdunstung von Formaldehyd aus Möbeln als passivem Einfluss am Arbeitsplatz eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht bestanden.

Auf Anordnung des Landessozialgerichts hat der Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Schiller-Universität J Prof. Dr. med. S/ - mit Hilfe der Ärztin für Arbeit-, Sozial- und Umweltmedizin Dr. med. S - nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11. Februar 2003 ein schriftliches arbeitsmedizinisches Zusammenhangsgutachten erstattet und mit Stellungnahme vom 08. Juli 2003 ergänzt. Im Ergebnis hat er festgestellt, dass ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Entstehung oder wesentlichen Verschlimmerung nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Bisher seien nur vereinzelt neurotoxische Schädigungen nach Formaldehydexpositionen beschrieben worden, die jedoch als nicht erwiesen betrachtet werden könnten.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Toxikologe und Pharmakologe Dr. rer. nat. K (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler) am 23. Juni 2005 ein schriftliches Sachverständigengutachten nach Aktenlage erstattet und mit Stellungnahme vom 20. Januar 2006 ergänzt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Kläger vorgetragenen und von Ärzten attestierten Gesundheitsstörungen im Sinne von Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Nervosität mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit Formaldehyd-Belastungen seines Dienstzimmers von 1983 bis 1988 stünden.

Ermittlungen zu weiteren Messprotokollen über Formaldehyd-Messungen im ehemaligen Arbeitszimmer des Klägers verliefen ergebnislos.

Beigezogen sind die betriebsärztlichen Behandlungsunterlagen des Klägers sowie die Patientenakte des Klägers über seinen stationären Aufenthalt vom 26. Juli 1989 bis zum 04. August 1989 in der Klinik für Berufskrankheiten des ehemaligen Zentralinstituts für Arbeitsmedizin in Berlin (Beiakte).

Zum weiteren Inhalt des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten, Az.: (2 Bände) sowie der Patientenakte des Klägers über seinen stationären Aufenthalt vom 26. Juli 1989 bis zum 04. August 1989 in der Klinik für Berufskrankheiten des ehemaligen Zentralinstituts für Arbeitsmedizin in Berlin, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil der Kläger wiederkehrende bzw. laufende Leistungen für mehr als ein Jahr in Form einer Verletztenrente beansprucht (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat mit den hier angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen im Sinne von Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche und Nervosität als Berufskrankheit zu beurteilen und eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Anerkennung und Entschädigung dieser geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit nach Sonderentscheid der DDR. Wie bereits im Klageverfahren vorgetragen worden ist (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Oktober 1999), ist dem Kläger bewusst, dass die geltend gemachten weitergehenden Erkrankungen in der Berufskrankheitenliste der DDR nicht aufgeführt sind, weshalb er die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 1997, geführt von dem SG unter dem Az.: S 3 (10) U 16/97, S 3 U 15/97, auch zurückgenommen hatte. Der Kläger greift nur noch die erneute Ablehnung der von ihm noch geltend Gesundheitsstörungen durch die Beklagte, soweit sie mit Bescheid vom 13. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1999 im Wege des Sonderentscheids erfolgt ist, an. Insoweit ist auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des Klägers Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 25 der Liste der Berufskrankheiten der DDR (Krankheiten durch chemische Einwirkungen - Methanol) sind, was die Beklagte ebenfalls mit Bescheid vom 13. Mai 1998 verneint hatte.

Dahinstehen kann, ob der Rentenanspruch des Klägers noch nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder bereits nach den Vorschriften des am 01. Januar 1997 in Kraft getretenen SGB VII zu beurteilen ist, weil die für den Anspruch des Klägers maßgeblichen Vorschriften des alten und des neuen Rechts in den streitigen Punkten inhaltlich übereinstimmen.

Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. (früher die 13.) Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei seiner geltend gemachten Erkrankung um keine Berufskrankheit.

Insoweit richtet sich der vom Kläger erhobene Anspruch gemäß § 215 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nach § 1150 Abs. 2 RVO in der vor dem 01. Januar 1997 geltenden Fassung, weil die von ihm als Berufskrankheit geltend gemachten Gesundheitsstörungen spätestens mit dem Arbeitsplatzwechsel 1988 und frühestens mit erster Behandlungsbedürftigkeit im Jahr 1983 eingetreten sind.

Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt u. a. nicht für Krankheiten, die einem ab 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (Abs. 2 Satz 2 Nr. a.a.O.). In letzterem Falle muss die betreffende Krankheit die Voraussetzungen für die Anerkennung als BK sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks. 12/405 S. 116 Buchstabe b). Dies ist hier nicht der Fall. Bereits mit Schreiben vom 10. April 1992 - eingegangen bei der Beklagten am 15. April 1992 - erlangte die Beklagte Kenntnis.

§ 6 Abs. 3 BKVO-DDR sieht vor, dass als Beginn der Berufskrankheit der Zeitpunkt der ärztlichen oder betrieblichen Meldung gilt. Bestand bereits früher objektiv Behandlungsbedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder ein Körperschaden infolge der Berufskrankheit oder wurde ein Arbeitsplatzwechsel wegen der Berufskrankheit durchgeführt, ist dieser Zeitpunkt als Beginn der Berufskrankheit festzusetzen.

Der Kläger hatte schon während seiner Tätigkeit in dem Dienstzimmer des Betriebsdirektors im März 1983 über häufige Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Herzschmerzen und vegetative Reizerscheinungen geklagt und sich deswegen auch in psychiatrischer Behandlung befunden (vgl. Schreiben der Kreispoliklinik Altenburg vom 05. Oktober 1987 und Angaben des Klägers vom 05. Oktober 1992 in seiner Erklärung gegenüber der Beklagten zu behandelnden Ärzten). Damit wären die vom Kläger als Berufskrankheit geltend gemachten Gesundheitsstörungen spätestens mit dem Arbeitsplatzwechsel 1988 und frühestens mit erster Behandlungsbedürftigkeit im Jahr 1983 eingetreten.

Allerdings sind diese vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs.1 S. 1 SGG) nicht nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als Berufskrankheit der Sozialversicherung zu beurteilen.

Nach § 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl DDR I 185) und § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (GBl DDR I 137) ist eine Berufskrankheit eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der vom Minister für Gesundheitswesen in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) herausgegebenen Liste der BKen (Anlage zur Ersten Durchführungsbestimmung der BKVO-DDR vom 21. April 1981 (GBl DDR I 138)) genannt ist. Diese Rechtsvorschriften sind im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft geblieben (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 4 und 5 des Einigungsvertrages) ...

Nach § 2 Abs. 2 BKVO/DDR können Krankheiten, die nicht in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt sind, im Ausnahmefall als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn sie durch arbeitsbedingte Einflüsse entstanden sind. Gemäß § 6 Abs. 2 BKVO-DDR wird die Anerkennung von Berufskrankheiten auf Vorschlag der Obergutachterkommission (OBGK) für Berufskrankheiten beim Zentralinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Demokratischen Republik für Versicherte der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten durch die Verwaltung der Sozialversicherung des Bundesvorstandes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und für Versicherte der Sozialversicherung bei der Deutschen Demokratischen Republik durch die Hauptverwaltung der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vorgenommen.

Der Kläger übte zwar während seines Aufenthalts in den Diensträumen von 1983 bis 1988 (Betriebsdirektorenzimmer) eine nach § 2 der Verordnung zur Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17. November 1977 (GBl I Nr. 35 S. 373) versicherte Tätigkeit aus, aber der Senat vermag nicht festzustellen, dass sie durch arbeitsbedingte Einflüsse im Sinne von § 6 Abs. 2 BKVO-DDR entstanden sind. Eine Listenkrankheit ist nicht streitgegenständlich.

Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um den Tatbestand zu erfüllen, ist dem Wortlaut der Norm nicht unmittelbar zu entnehmen und mithin durch Auslegung zu ermitteln, wobei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der historischen Auslegung ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 04. Dezember 2001, B 2 U 35/00 R, zitiert nach juris). Ausgangspunkt hierfür ist "die Konkretisierung der betreffenden Norm aus dem Regelungsbereich durch die Rechts- und Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR, wobei indes Bestimmungen und Auslegungsgrundsätze, die von spezifisch sozialistischen Wertungen und Rechtsmaximen geprägt sind, unberücksichtigt bleiben müssen" (BSG, a. a. O.).

Der Senat hat bereits Zweifel daran, dass Abdunstungen von Schadstoffen - so Formaldehyd - aus Wandverkleidungen und Möbeln unter den Begriff der arbeitsbedingten Einflüsse zu subsumieren sind, vom Schutzbereich der Norm erfasst waren und von den Vorschlägen der OBGK erfasst werden konnten. Diese Zweifel ergeben sich aus der von der Beklagten übersandten Anlage zum Protokoll der OBGK Berufskrankheiten vom 28. September 1989 betreffend "Auswirkungen von Schadstoffemissionen in Arbeitsräumen ohne arbeitsbedingte Ursachen" (abgedruckt in der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin "Berufskrankheiten in den neuen Bundesländern (1945 – 1959) herausgegeben von Bräunlich u. a., S. 246). Dort wird ausgeführt: " Die Emission von Schadstoffen in Arbeitsräumen kann auf unterschiedliche Weise zustande kommen. Beispiele, die in letzter Zeit zu Diskussionen führten, sind: - Abdunstung von Formaldehyd aus Wandverkleidungen oder Möbeln - Eindringen von Kohlenmonoxid aus defekten Rohrleitungen in Arbeitsräume - Auftreten von Radon aus Gesteinen des Bodens oder Baumaterialien. Allen diesen Beispielen ist gemeinsam, dass die Einwirkung des chemischen oder physikalischen Schadfaktors 1. ohne Zweifel während der Durchführung der Arbeitsaufgabe am Arbeitsplatz erfolgte 2. mit der verwendeten Technologie oder dem Arbeitsablauf nichts zu tun hat 3. aber durchaus geeignet ist, im konkreten Fall objektiv nachweisbare Gesundheits- oder Befindungsstörungen oder Erkrankungen hervorzurufen. Die Charakteristik dieser Situation zeigt, dass die Zuordnung von Krankheiten, die durch o. g. Einwirkungen hervorgerufen werden können, zu den Berufskrankheiten im Sinne der BKVO nicht möglich ist, weil gemäß § 2 (1) die Annahme einer Berufskrankheit an die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben gebunden ist. Das impliziert die im Text der BKVO nicht ausdrücklich erwähnte "Berufseigentümlichkeit" der Tätigkeit bzw. Arbeitsaufgabe, welche zur BK geführt haben soll. In jedem Fall schließt diese Formulierung die Einbeziehung einer beliebigen Tätigkeit in die BK-Anerkennung aus. Ebenso wenig gelingt die Zuordnung zu den Arbeitsunfällen. Zweifellos entstehen solche Schädigungsmöglichkeiten jedoch bei der Durchführung der Arbeitsaufgabe. Es sollte demzufolge eine Möglichkeit zur Entschädigung solcher Erkrankungen geschaffen werden, jedoch nicht als BK, sondern wie eine Berufskrankheit."

Daraus ergibt sich, dass die OBGK nach dem Berufskrankheitenrecht der DDR in Fällen, in denen wie hier der Umgang/die Exposition mit Formaldehyd nicht zur Arbeitsaufgabe selbst gehörte, sondern die Einwirkung des chemischen oder physikalischen Schadfaktors "nur" während der Durchführung der Arbeitsaufgabe am Arbeitsplatz erfolgte, schon aus Rechtsgründen keine Möglichkeit einer Entschädigung vorsah, auch nicht im Wege eines Sonderentscheides. Deshalb hat sie dem Gesetz- und Verordnungsgeber der DDR die Einführung einer "Wie BK" empfohlen, zu der es aber zu Zeiten des Bestehens der DDR nicht mehr gekommen ist.

Deutlich wird, dass die OBGK in einem solchen Fall, der dem des Klägers entspricht, keinen Vorschlag im Sinne nach § 6 Abs. 2 BKVO-DDR gemacht hätte.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 BKVO/DDR lassen sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen. So verlangt die Vorschrift, dass die Krankheit "durch" arbeitsbedingte Einflüsse entstanden war. Rechtliche Vorgaben hinsichtlich der Beurteilung dieses "durch" im Sinne eines kausalen Zusammenhangs sind der BKVO/DDR nicht zu entnehmen. In Betracht kommt, dass unter diese Vorschrift Erkrankungen fielen, "für deren Entstehen mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit berufsbedingte Faktoren als wesentlich mitwirkende Ursachen verantwortlich zu machen sind, die aber nicht (oder noch nicht?) in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt sind" (vgl. Bräunlich u. a., S. 17).

Wiederum entschied die OBGK auf der Basis der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und unter Beachtung der von ihr selbst entwickelten Kriterien im Einzelfall über das Vorliegen/Nichtvorliegen einer BK im Sonderentscheidverfahren. Die Kriterien, bei deren Erfüllung die OBGK den "beruflichen Zusammenhang" beispielsweise mit einer Schädigung des Atemtraktes bei einer BK-Sonderentscheid "bestätigt" sah, ergeben sich aus den "Empfehlungen zur Meldung und arbeitsmedizinischen Begutachtung irritativer chronischer Krankheiten der Atemwege und Lungen durch chemische Stoffe als BK-Nr. 81 und BK-SE" (vom 17. Dezember 1987, abgedruckt in Bräunlich u.a., S. 299 - 303). Danach wird für die Bestätigung des "beruflichen Zusammmenhangs" unter anderem gefordert, dass das Schädigungsvermögen des angeschuldigten Stoffes oder Stoffgemisches für den Atemtrakt als "gesichert" gilt. Diese Voraussetzung sei insbesondere dann erfüllt, wenn in mehreren voneinander unabhängigen epidemiologischen Studien Exponierte signifikant häufiger als Personen der nichtexponierten Vergleichsgruppe die zu begutachtende Atemtrakterkrankung oder entsprechende Lungenfunktionsstörungen aufwiesen. Diese Voraussetzung musste neben anderen Voraussetzungen vorliegen (Nr. 3.2., erster Spiegelstrich der "Empfehlungen" , abgedruckt in Bräunlich u. a., S. 301). Dem entnimmt der Senat, dass auch für die Voraussetzungen eines BK-Sonderentscheids vorauszusetzen war, dass das Schädigungsvermögen des angeschuldigten Stoffes "gesichert ist". Eine in dieser Form "gesicherte" Bestätigung des Schädigungsvermögens von Formaldehyd auf das zentrale Nervensystem, die die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des Klägers (Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche und Nervosität) - jedenfalls nach Meinung des Sachverständigen Dr. rer. nat. K - erklären könnten, lässt sich nicht feststellen, auch wenn der Senat die heutigen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrundelegt.

Unstrittig ist nach übereinstimmender Meinung von Dr. med. D, Prof. Dr. med. S und Dr. rer. nat. K, das Formaldehyd-Expositionen zu Reizerscheinungen an den Schleimhäuten und zu allergischen Kontaktdermatiden führen. Was das neurotoxische Schädigungspotential von Formaldehyd betrifft, ist nach den Gutachten von Dr. med. D, der selbst Mitglied der OBGK gewesen ist (Seite 5 der zusätzlichen ärztlich-arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 15. November 1996), sowie dem arbeitsmedizinischen Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. med. S vom 11. Februar 2003 übereinstimmend zu entnehmen, dass bisher nur vereinzelt neurotoxische Schädigungen nach Formaldehyd-Exposition, wie die vom Kläger geklagten Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Konzentrationsschwächen, bei denen es sich um vegetativ und zentral nervöse Allgemeinsymptome unspezifischer Art handele (Seite 4 der ergänzenden Stellungnahme Dr. med. D, Seite 18 des Gutachtens Dr. med. S), erklären könnten, in der medizinischen Wissenschaft beschrieben worden sind, es sich aber derzeit noch nicht um eine anerkanntes arbeitsmedizinisch-toxikologisches Wissen, sondern lediglich um eine wissenschaftliche Mindermeinung handelt (S. 4 der ergänzenden Stellungnahme Dr. med. Du, S. 18/19 des Sachverständigengutachtens Prof. Dr. med. S). Soweit der Sachverständige und Toxikologe Dr. K dem entgegengetreten ist und neurotoxische Wirkungen von Formaldehyd-Einwirkungen in Sinne von Konzentrationsschwäche, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Depression und Kopfschmerzen mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Formaldehyd-Konzentrationen ab 500 mg/m³ nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft sogar für nachgewiesen hält (Seite 5 seines Gutachtens vom 23. Juni 2005), stützt er sich auf "von Medizinern beschriebene Fallbeispiele" (Kasuistiken und klein-epidemiologische Studien), "die von Medizinern ernst genommen werden" sollten (Seite 4 seines Gutachtens). Er stellt nicht in Frage, dass es eine kontroverse wissenschaftliche Diskussion und nicht nur vereinzelte Gegenstimmen zu möglichen neurotoxischen Störungen durch Formaldehyd gibt und dass in den MAK-Begründungen die Neurotoxizität des Formaldehyds keine Erwähnung findet (S. 2 der ergänzenden Stellungnahme vom 20. Januar 2006). Er räumt auch ein, dass die "Datenlage für Allein-Expositionen gegenüber Formaldehyd nach wie vor unbefriedigend" sei (Seite 4 seines Gutachtens). Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen kann von einer durch epidemiologisch Erkenntnisse "gesicherten" Bestätigung des neurotoxischen Schädigungspotentials keine Rede sein. Es gibt nach seiner Darstellung keinen Konsens zu dieser Frage.

Selbst wenn der Senat der Prämisse von Dr. rer. nat. K folgen wollte, wonach für eine Formaldehyd-Konzentration ab 500 µg/m³ nicht nur wie bei Formaldehydkonzentrationen im Bereich von 200 µg/m³ die Möglichkeit, sondern sogar eine hohe Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen Formaldehyd-Belastungen und Konzentrationsschwäche, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Depression und Kopfschmerzen bestehe (Seite 5 seines Gutachtens), führte dies nicht weiter. Denn er hat allein auf der Grundlage eines einmaligen Messwertes von 0,4 bzw. 0,46 mg/m³ Formaldehyd aus dem Jahre 1989 auf eine Ausgangsbelastung des Klägers bei Bezug des Dienstzimmers im März 1983 von ca. 1000 µg/m³ geschlossen, die danach langsam und stetig auf die unter 500 µg/m³ liegenden Messwerte abgesunken sei (S. 5 seines Sachverständigengutachtens); seine Abschätzungen basierten auf "jahrelangen Erfahrungen mit Formaldehyd-Ausdünstungen aus formaldehydhaltigen Baustoffen" (Seite 2 seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. Januar 2006). Abgesehen davon, dass für den Senat die Abschätzung des vom Sachverständigen angenommenen Messwertes für das Jahr 1983 schon deshalb nicht nachvollzogen werden kann, weil sie nicht auf objektiven, nachprüfbaren Werten beruhen, sondern ein exklusives Erfahrungswissen des Sachverständigen darstellt, hat Dr. rer. nat. K auf entsprechende Nachfrage in seiner Stellungnahme vom 20. Januar 2006 auch eingeräumt, dass er "wegen der von ihm angeführten Schwachstellen der Kasuistiken" nicht bestätigen könne, dass die Tatsachen, auf die sich seine Beurteilung zum Kausalzusammenhang gründeten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, die vernünftigen Zweifel nicht zulässt, feststünden. Insoweit ist auch die Prämisse, wonach Formaldehyd-Konzentrationen ab 500 µg/m³ zu den von ihm genannten neuropsychiatrischen Gesundheitsstörungen führen, nicht bewiesen.

Selbst wenn das Schädigungsvermögen des angeschuldigten Stoffes entsprechend gesichert wäre, kann die in § 2 Abs. 2 BKVO-DDR genannte Voraussetzung, wonach die Krankheit "durch" arbeitsbedingte Einflüsse entstanden sein musste, nicht erfüllt sein.

Denn eine vom angeschuldigten Stoff unabhängige ausschließlich alleinige körpereigene Verursachung der Beschwerden des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest, die sich aus den Sachverständigengutachten von Prof. Dr. med. S und Dr. med. D ergibt.

Nach dem Arztbrief des Nervenarztes und Leitenden Arztes der Neurologisch-Psychiatrischen Abteilung der Kreispoliklinik A vom 16. März 1988 sowie dem Arztbrief des Dipl. Psych. P (Kreispoliklinik A) vom 05. Oktober 1987 sowie der Epikrise der Abteilung für Psychiatrie der Neurologischen Klinik A vom 17. Februar 1989 (Bl. 20 der als Beiakte geführten Patientenakte) litt der Kläger bereits im Jahr 1983 und den Vorjahren an funktionellen Organbeschwerden und einer Störung der Erlebnisverarbeitung sowie unter Kopf- und Rückenschmerzen sowie Stechen und Ziehen im linken Brustkorb, außerdem an Schlafstörungen. In der Epikrise vom 17. Februar 1989 ist als Ergebnis der psychotherapeutischen Gruppenbehandlungen des Klägers vom 06. April bis zum 27. Juni 1988 und vom 11. Juli bis zum 01. September 1988 wörtlich ausgeführt: "Psychisch handelte es sich bei ihm um eine emotional retardierte, stark selbstwertgestörte, mit Leistungsstreben überkompensierende und hinter einer rationalen Fassade versteckenden, leistungsstrebigen Persönlichkeit mit zwanghaft depressiven Zügen. Der Pat. hatte es aufgrund seiner Tüchtigkeit sehr schnell zum Betriebsdirektor gebracht, konnte sich aber auf diesem Posten nicht entsprechend durchsetzen und die Arbeit an andere delegieren. Dagegen ließ er sich überstark von seinen Vorgesetzten verunsichern, nahm ständig Arbeit mit nach Hause, so dass sein Privatleben vernachlässigt wurde. Er konnte den Posten des Betriebsdirektors nicht genügend genießen, sondern litt eher darunter, so dass er um seine Abberufung bat, die schließlich auch ab 01. September 1988 ausgesprochen wurde. Während der Behandlung wurde offenbar, dass seine Ehe dadurch gestört war. Während der Behandlung wurde offenbar, dass der Patient sein schlechtes Selbstbewusstsein durch seine hohe Funktion auszubalancieren versuchte und dass der Verlust des Leitungspostens ihm doch ans Herz ging, was dadurch deutlich wurde, dass er für sich keinen Nachfolger akzeptieren konnte. Durch die zunehmende Nachreifung und Aufbesserung des Selbstbewusstseins, durch die Verbesserung des Freizeitverhaltens und der ehelichen Beziehung konnte er allmählich dann doch auf beruflichen Ruhm verzichten, so dass er jetzt auf der niederen Leitungsebene seine Erfüllung finden konnte. Die neurasthenische und Angstsymptomatik einschließlich der Infarktphobie verschwand gänzlich. Er fühlte sich freier und lockerer und hatte wieder mehr Freude am Leben. Diagnose: sekundäre neurotische Fehlentwicklung; neurasthenisches Syndrom, Angstsyndrom, Infarktphobie, sachliche, zwanghaft-depressive Persönlichkeit mit leichten schizoiden Zügen; Berufskonflikt, latenter Ehekonflikt.". Im Gutachten von Prof. Dr. med. S vom 11. Februar 2003 ist unter "jetzigen Beschwerden" festgehalten: "Probleme bestünden nach wie vor in erhöhter Reizbarkeit, dem Auftreten von Kopfschmerzen und auch Schlafstörungen. Wenn er längere Zeit im Büro sein muss, rege ihn alles auf. Die Stimme werde bei lang andauerndem Sprechen, wie z. B. bei seiner Tätigkeit als Vertreter, öfters heiser. Es läge auch eine erhöhte Infektanfälligkeit vor, so sei er jedes Jahr mehrfach arbeitsunfähig. Er habe auch Beschwerden beim Treppensteigen wie Herzklopfen, allerdings sei dies internistisch durch ein Belastungs EKG abgeklärt worden, danach lägen keine organischen Ursachen vor. ". Diesbezüglich hat dann Prof. Dr. med. S nachvollziehbar festgestellt, dass auch 14 Jahre nach Expositionsende der Kläger über erhöhte Reizbarkeit, Kopfschmerzen und zeitweise Schlafstörungen klage, wobei diese Gesundheitsstörungen in der Persönlichkeit des Klägers begründet seien (Seite 22 seines Sachverständigengutachtens).

Soweit Dr. K meint, die Beschwerden (Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Nervosität) stünden mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit Formaldehydbelastungen seines Dienstzimmers, begründet er dies lediglich mit dem von ihm angenommenen Ausmaß der Formaldehydbelastung und sieht sich dadurch bestätigt, dass der Kläger bereits über formaldehydtypische Beschwerden klagte, als er noch keine Kenntnis über die Belastung seines Dienstzimmers hatte. Diese Begründung überzeugt bereits deshalb nicht, weil, wie dargelegt, die Auswirkungen der Formaldehydbelastung insoweit nicht gesichert sind.

Auch für eine Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung hat der Gutachter keine überzeugende Begründung gegeben.

Soweit der Kläger noch das Argument der toxikologischen Verknüpfung von Methanol- und Formaldehyd-Wirkungen oder gar eine BK Nr. 25 der Berufskrankenheitenliste der DDR erwogen hat, so haben alle Sachverständigen (zuletzt Dr. rer. nat. K, Seite 5 seines Sachverständigengutachtens) übereinstimmend festgestellt, dass dies hier keine Rolle spielt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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