L 15 VG 10/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 VG 13/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 10/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VG 22/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2007 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht Ansprüche nach dem Opferentschädigungsrecht geltend. Die 1944 geborene Klägerin hat mit Formularantrag vom 3. Juli 2001 erstmalig Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) gestellt, weil sie am 22.03.2001 von ihrem Nachbarn J. M. tätlich angegriffen worden sei und sich dabei eine Knieverletzung zugezogen habe. Bereits mit Schreiben vom 16.05.2001 hat die S. Betriebskrankenkasse einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Freistaat Bayern wegen dieses Vorfalles angemeldet. Der Beklagte hat die Akten der Staatsanwaltschaft beigezogen, aus denen sich ergibt, dass gegen Herrn M. keine öffentliche Klage erhoben worden ist. Vielmehr wurde wegen des geltend gemachten Vorfalles gegen die Klägerin selbst vorgegangen. Diese wurde zunächst durch Urteil des Amtsgerichts E. vom 04.10.2001 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Diese Strafe wurde nach Berufung sowohl der Klägerin als auch der Staatsanwaltschaft durch Urteil des Landgerichts N. vom 20.08.2003 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung erhöht. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 29.08.2003 den Antrag der Klägerin abgelehnt, weil Herr M. zur Abwehr eines gegen ihn gerichteten Angriffs gehandelt habe und damit ein rechtswidriger Angriff im Sinne des OEG nicht vorgelegen habe. Den hiergegen seitens der Klägerin eingelegten Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin zum Sozialgericht Nürnberg vom 17.11.2005. Das Sozialgericht hat die vollständigen Akten der Staatsanwaltschaft N. beigezogen. Mit Urteil vom 23. November 2007 hat das Sozialgericht Nürnberg die Klage der Klägerin abgewiesen. In Anbetracht des Inhalts der Strafakten könne nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad festgestellt werden, dass die Klägerin am 22.03.2001 Opfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs von Herrn M. geworden sei. Das Gericht habe insoweit die beigezogenen Strafakten im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Dabei habe es insbesondere das Tatgeschehen vom 22.03.2001 dem Tatbestand des Strafurteils des Landgerichts N. vom 20.08.2003 entnommen. Demnach habe sich die Klägerin entschlossen, mit einem Pickel auf Herrn M. einzuschlagen, um diesen damit zu verletzen. Zu diesem Zweck habe die Klägerin den Pickel mit beiden Händen über den Kopf gehoben und so zum Schlag auf den mit dem Rücken zu ihr stehenden Herrn M. ausgeholt. In diesem Moment habe sich dieser umgeblickt, habe die Klägerin mit dem zum Schlag erhobenen Pickel gesehen und habe im letzten Moment mit seinen Händen den Stiel des Pickels ergreifen und so den Hieb verhindern können. Es sei dann zu einem heftigen Ringen der beiden Beteiligten um den Pickel gekommen, in dessen Verlauf die Klägerin den Pickel irgendwann losgelassen habe, nach hinten gestolpert und zu Boden gefallen sei und sich dabei verletzt habe. Bei diesem Handlungsablauf vermöge das Gericht keinen vorsätzlichen tätlichen Angriff des Herrn M. auf die Klägerin feststellen. Zumal die Einlassungen des Herrn M. im Strafverfahren auch von unbeteiligten Tatzeugen erhärtet worden seien. Das Gericht habe seiner Ermittlungspflicht nach § 103 SGG durch die Beiziehung und Verwertung der Strafakten im Wege des Urkundsbeweises genüge getan. Das Gericht habe sich nicht gedrängt zu fühlen gebraucht, weitere Ermittlungen anzustellen. Es habe hier die Feststellungen aus dem Strafverfahren übernehmen dürfen. Zu eigener, weitergehender Ermittlungstätigkeit wäre es nur verpflichtet gewesen, wenn neue erfolgversprechende Ansatzpunkte zur Feststellung einer rechtswidrigen Vorsatztat aufgetaucht oder der Sachverhalt unter anderen rechtlichen Kriterien als im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu würdigen gewesen wären (vgl. BSG-Urteil vom 10.11.1993, Az.: 9 RvG 2/93 und BSG-Urteil vom 22.06.1998, Az.: 9/9a RvG 3/87). Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg wurde den vormaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.02.2008 zugestellt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 17.02.2008 (gemeint ist wohl 17.03.2008) Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg eingelegt. Das Schreiben der Klägerin ist am 19.03.2008 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangen. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 07.05.2008 beantragt, die verspätet eingelegte Berufung als unzulässig zu verwerfen, sollte die Zulässigkeit bejaht werden, werde unter Bezugnahme auf den Akteninhalt und die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils beantragt, die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin hat mit Fax-Schreiben vom 01.06.2008 mitgeteilt, dass die Berufung nicht verspätet eingelegt worden sei. Sie habe das Urteil vom Sozialgericht in Nürnberg von ihrem damaligen Rechtsanwalt Herrn H. am 20.02.2008 erhalten. Die Berufung sei von ihr am 17.03.2008 geschrieben und am 18.03.2008 per Einschreiben abgesendet worden. Von der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts in München sei der Eingang ihrer Berufung am 19.03.2008 bestätigt worden. Die Frist betrage vier Wochen nach Erhalt des Urteils. Was die Akten des Staatsanwaltes angehe, könne man sagen, dass viele Darstellungen, die gegen sie sprechen würden, nicht der Wahrheit entsprechen würden und so ohne einen Beweis seien. Eine neutrale und unabhängige Bewertung des Falles sei zwingend erforderlich.

Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 29.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr wegen des Vorfalls vom 22.03.2001 Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.

Der Vertreter des Beklagten stellt den Antrag, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2007 als unzulässig zu verwerfen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Beklagten, die Akte des Sozialgericht Nürnberg mit dem Az.: S 15 VG 13/05 sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Az.: L 15 VG 10/08 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht fristgerecht eingelegt worden und daher als unzulässig zu verwerfen.

Gemäß § 151 SGG ist die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Über diese Frist wurde die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Nürnberg ordnungsgemäß belehrt. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg wurde den damaligen mit Vollmacht ausgestatteten Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.02.2008 zugestellt, so dass die Berufung gegen dieses Urteil bis spätestens 14. März 2008 hätte eingelegt werden müssen. Die Berufung der Klägerin ist demgegenüber erst nach Ablauf der Berufungsfrist am 17.03.2008 geschrieben worden und am 19.03.2008 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangen.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind von Seiten der Klägerin nicht vorgetragen worden und auch sonst aus den Akten nicht zu entnehmen. Der von der Klägerin vorgebrachte Entschuldigungsgrund, dass das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg ihr von den damaligen Prozessbevollmächtigten erst am 20.02.2008 geschickt worden sei, ändert nichts daran, dass der maßgebliche Zeitpunkt der Zustellung bereits der 14.02.2008 war. Nicht zutreffend ist die offensichtlich von der Klägerin vertretene Auffassung, dass erst mit der Zusendung des Urteils durch die Prozessbevollmächtigten an sie am 20.02.2008 eine Zustellung vorliege, so dass die Berufung am 19.03.2008 noch rechtzeitig eingelegt werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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