L 4 R 342/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1531/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 342/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger ist am 1952 in Polen geboren. Von dort siedelte er im September 1966 in die Bundesrepublik Deutschland über. Vom 01. September 1968 bis zum 31. August 1970 absolvierte er eine Lehre als Jungwerker bei der damaligen Bundesbahn, die er ohne Abschluss beendete. Nach seinem Wehrdienst übte der Kläger vom 28. Juli 1972 (nach seinen Angaben) bzw. 01. Januar 1973 (nach dem Versicherungsverlauf vom 19. März 2003) bis zum 19. Januar 1983 verschiedene ungelernte Tätigkeiten aus, wobei diese Zeiten mehrfach von Arbeitslosigkeit unterbrochen waren. Seit Januar 1983 ist der Kläger ununterbrochen arbeitslos. Seit dem 01. Januar 2005 bezieht er Arbeitslosengeld II. Hierfür werden Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung an die Beklagte entrichtet.

Ein erster bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg gestellter Rentenantrag des Klägers vom 27. Januar 2003 blieb erfolglos (Bescheid vom 25. März 2003; Widerspruchsbescheid vom 07. Juli 2003), nachdem der Kläger seine Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 09. Februar 2004 (S 10 RJ 1971/03) am 13. Mai 2005 zurückgenommen hat. In jenem Berufungsverfahren (L 12 RJ 1036/04) hatte das LSG über den Kläger die Gutachten des Internisten/Kardiologen Prof. Dr. H. vom 30. August 2004 und des Neurologen und Psychiaters Dr. He. vom 02. Dezember 2004 erhoben. Dr. H. hatte bei dem Kläger eine noch leichtgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion des Herzens im Stadium II der Klassifikation der NYHA (New York Heart Association), eine ventrikuläre Extrasystolie (Herzrhythmusstörung), einen weichen Plaque der Arteria carotis interna (innere Halsschlagader) rechts mit 50 bis 60 % Lumeneingang, eine arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), einen chronischen Nikotinkonsum, eine Varikosis (Bindegewebsschwäche) an den Unterschenkeln und eine Depression, eventuell reaktiv, diagnostiziert. Dr. He. hatte ebenfalls eine leichte depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie (chronische depressive Verstimmung) festgestellt. Beide Sachverständige hatten ausgeführt, der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für acht bzw. sechs Stunden und mehr ausüben.

Am 24. April 2007 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Er verwies wieder darauf, er leide - seit 2003 - an Depressionen, an einer orthopädischen Erkrankung, an einer Herzerkrankung und an Bluthochdruck. Die Beklagte holte mehrere ärztliche Befundberichte ein und ließ den Kläger bei dem Internisten MDir L. begutachten. Dieser führte in seinem Gutachten vom 11. Juli 2007 aus, der Kläger leide an einer somatoformen Störung mit multiplen Körperbeschwerden, einer dilatativen Kardiomyopathie (krankhafte Erweiterung des Herzmuskels) mit bis zu mittelgradig eingeschränkter Globalfunktion und Neigung zu ventrukulärer Extrasystolie bei einer ergometrischen Belastbarkeit bis zu 100 Watt, an aktuell schlecht eingestelltem Bluthochdruck, an einer Stamm- und Nebenastvarikosis der Beine ohne Komplikationen, nach seinen Angaben an einer hochgradigen Sehminderung links sowie an einem Zervikal- und Lumbalsyndrom mit leichter bis mäßiger Bewegungsbehinderung. Mit diesen Beeinträchtigungen könne er arbeitstäglich mehr als sechs Stunden leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Schichtarbeit, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne erhöhte Verletzungsgefahren und ohne übertriebene Zwangshaltungen der Wirbelsäule ausüben. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit Bescheid vom 24. August 2007 ab. Den Widerspruch des Klägers wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 zurück.

Der Kläger erhob am 07. Mai 2008 Klage beim SG. Er begehrte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ohne zeitliche Einschränkung. Er sei nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Seit ca. einem Jahr sei er krankgeschrieben.

Die Beklagte trat der Klage unter Berufung auf das Gutachten von MDir L. entgegen.

Das SG vernahm die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Internist Dr. S. teilte unter dem 20. Juni 2008 mit, der Kläger leide an einer dilatativen Kardiomyopathie mit eingeschränkter Herzleistung und an einer Depression, er sei wegen der Kardiomyopathie seit Oktober 2003 körperlich eingeschränkt leistungsfähig. Neurologe Dr. Sa. bekundete unter dem 18. Juni 2008, der Kläger leide an einer chronischen depressiven Entwicklung mit vegetativer Funktionsstörung und werde regelmäßig mit Antidepressiva behandelt. Dem klinischen Aspekt nach sei ihm lediglich zuzutrauen, drei Stunden oder weniger einer leichten Arbeit nachzugehen. Orthopäde Dr. Ro. gab an (Auskunft vom 18. Juni 2008), er habe den Kläger lediglich einmal am 07. Februar 2007 untersucht und hierbei chronisch-rezidivierende degenerative Cervikal- und Lumbal-Syndrome, ein degeneratives Schulter-Arm-Syndrom beidseits, eine posttraumatische Kapselreizung beidseits nach stattgehabter Stauchung, eine angedeutete Periarthritis beidseits bei angedeuteter Coxarthrose und eine unklare Schwäche, die möglicherweise auf einer Ganzkörperproblematik beruhe, diagnostiziert. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. P. teilte unter dem 27. Juni 2008 mit, der Kläger leide im Wesentlichen an degenerativen Veränderungen mit anhaltenden Funktionsbehinderungen und häufig rezidivierenden stärkeren, lang anhaltenden Nerven- und Muskelreizerscheinungen sowie an einer chronifizierten Depression und Angst und depressiver Störung gemischt mit Niedergeschlagenheit, Energieverlust, Interesselosigkeit, Angstzuständen, Unruhe, Selbstmordgedanken mit pathologischen Entwicklungen. Er könne wegen dieser Beeinträchtigungen nur noch weniger als drei Stunden am Tag erwerbstätig sein.

Das SG ließ den Kläger daraufhin bei Internisten Dr. Ru. begutachten. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 13. August 2008 zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einer Herzinsuffizienz im Stadium II der NYHA-Klassifikation mit einer ergometrischen Belastbarkeit bis 75 Watt, an einer ventrikulären Extrasystolie und es bestehe Verdacht auf dilatative Kardomyopathie, ferner leide er an einer arteriellen Hypertonie und an einer chronischen Bronchitis bei chronischem Nikotinmissbrauch; es bestünden eine Arteria carotis-Plaque rechts, ein Verdacht auf eine Steingallenblase, ein Leistenbruch links, ein Nierensteinleiden, eine Varikosis beidseits, ein HWS- und ein rezidivierendes LWS-Syndrom und ein degeneratives Schulter-Arm-Syndrom (dieses nur anamnestisch), eine depressive Störung und Somatisierungsstörung sowie eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Der Kläger könne wegen der Herzleistungsminderung keine mittelschweren oder schweren körperlichen Arbeiten mehr durchführen, keine Lasten über zehn kg heben oder tragen und nicht mehr dauernd stehend oder gehend arbeiten. Wegen der Herzerkrankung und der Hypertonie seien auch Tätigkeiten mit gehäuftem Treppensteigen und Steigen auf Leitern und Gerüsten zu vermeiden. Wegen der chronischen Bronchitis sollten keine Arbeiten mit Hitze, Kälte, Zugluft oder Nässe ausgeführt werden. Wegen der Varikosis seien Arbeiten mit dauerndem Stehen auszuschließen. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, die nur eine geringe Bewegungseinschränkung zeigten, schlössen allenfalls Arbeiten in chronischer Zwangshaltung aus. Wegen der depressiven Störung mit Somatisierungsneigung seien keine Arbeiten mit erhöhter Stressbelastung, keine Arbeiten in Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, keine Arbeiten an gefährdenden Maschinen und keine Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr durchzuführen. Letzteres gelte auch wegen des gering eingeschränkten Hörvermögens. Der Kläger könne demnach noch leichte körperliche Arbeiten, überwiegend im Sitzen, aber auch mit Steh- und Gehanteilen durchführen. Die Arbeiten sollten in geschlossenen Räumen und unter Vermeidung von Hitze, Kälte und Nässe möglich sein, bei entsprechender Kleidung mit Temperaturschutz könnten sie aber auch im Freien erfolgen. Unter diesen Einschränkungen könnten die noch möglichen Arbeiten sechs Stunden täglich und mehr durchgeführt werden. Besondere Arbeitsbedingungen wie betriebsunübliche Pausen und besonders gestaltetes Arbeitsgerät seien nicht erforderlich, die übliche Arbeitspause nach drei Stunden von einer halben Stunde Dauer reiche aus. Auch sei die Wegefähigkeit nicht eingeschränkt, der Kläger könne noch zwei bis drei Kilometer gehen.

Mit Urteil vom 10. Dezember 2008 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten ohne dauerndes Stehen und Gehen und ohne häufige Zwangshaltungen oder Stressbelastung verrichten. Das SG stützte sich bei seiner Entscheidung auf die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Ru ... Leichte körperliche Tätigkeiten seien wegen der Herzinsuffizienz nicht ausgeschlossen, wie sich an der ergometrischen Belastbarkeit mit 75 Watt zeige. Eine Berufstätigkeit werde auch nicht durch eine vorliegende Depression ausgeschlossen. Bei dem Kläger bestehe lediglich eine depressive Störung und eine Somatisierungsstörung, weshalb es genüge, ihn von Arbeiten mit erhöhter Stressbelastung zu verschonen.

Am 09. Januar 2009 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er beruft sich auf seinen Vortrag in der ersten Instanz. Er meint, er sei aufgrund seines Krankheitszustands nach wie vor nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er lebe zurzeit von Hartz-IV-Leistungen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 24. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 zu verurteilen, ihm ab dem 01. April 2007 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des SG und ihren Bescheid.

Der Berichterstatter des Senats hat den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 25. März 2009 wird verwiesen. Unter dem 20. Mai 2009 hat der Berichterstatter den Kläger auf sein Antragsrecht nach § 109 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen. Zugleich hat er beiden Beteiligten angekündigt, dass der Senat ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss über die Berufung entscheiden werde, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30. Juni 2009 gegeben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge dieses Verfahrens und des vorigen Gerichtsverfahrens Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und sie daher zurückweist sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die nach § 151 Abs. 1 SGG frist- und formgerechte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden. Zu Recht hat die Beklagte den Rentenantrag des Klägers abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (1.) oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (2.).

1. a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann jedoch auch bei einem vollen oder nur eingeschränkten Restleistungsvermögen ein Anspruch auf eine Rente wegen (voller) Erwerbsminderung bestehen, wenn nämlich der für den Versicherten in Betracht kommende Arbeitsmarkt verschlossen ist. So kann ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bestehen, wenn der Versicherte nur unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten kann oder den täglichen Weg zur Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zurücklegen kann, wobei dies der Fall ist, wenn er nicht mindestens vier mal täglich 500 m in höchstens 20 min zurücklegen kann. Ebenso besteht trotz eines noch vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn der Versicherte an einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen leidet oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vorliegt. Und bei einer teilweisen Erwerbsminderung kann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ("Arbeitsmarktrente") verlangt werden, wenn der Versicherte keinen leidensgerechten Teilzeitarbeitsplatz innehat und ihm der Rentenversicherungsträger oder die Bundesagentur für Arbeit binnen eines Jahres ab Antragstellung keinen solchen Arbeitsplatz anbieten können.

b) Eine Erwerbsminderung liegt bei dem Kläger nicht vor. Der Kläger ist vielmehr in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich bei einer 5-Tage-Woche erwerbstätig zu sein.

Der Kläger leidet auf kardiologischem Gebiet an einer Herzinsuffizienz im Stadium II nach NYHA und an einer ventrikulären Extrasystolie. Außerdem besteht der Verdacht auf eine dilatative Kardiomyopathie. Auf internistischem Gebiet kommen hinzu eine arterielle Hypertonie, eine chronische Bronchitis bei chronischem Nikotinmissbrauch und einer gelegentlich leicht eingeschränkten Lungenfunktion, die einmalige Bildung weichen Plaques in der Arteria carotis interna, Verdacht auf eine Steingallenblase, ein Leistenbruch links, eine Nierensteinleiden und eine Varikosis an beiden Beinen. An orthopädischen Beeinträchtigungen liegen ein HWS- und rezidivierendes LWS-Syndrom sowie anamnestisch ein degeneratives Schulter-Arm-Syndrom vor. Weiterhin leidet der Kläger an einer depressiven Störung und an einer Somatisierungsstörung. Hinzu kommt eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Diese Diagnosen ergeben sich aus dem vom SG erhobenen Gutachten von Dr. Ru ... Sie können zugrunde gelegt werden, denn der Sachverständige hat den Kläger umfassend untersucht und seine Diagnosen jeweils ausführlich und überzeugend begründet. Außerdem decken sich seine Feststellungen mit den Angaben der behandelnden Ärzte. Die im Vordergrund stehenden Beeinträchtigungen auf kardiologischem und psychiatrischem Gebiet, nämlich die dilatative Kardiomyopathie mit ventrikulärer Extrasystolie und die depressive Erkrankung, haben auch Dr. S., Dr. Sa. und Dr. P. angegeben. Die Aussage des Dr. Ro. bestätigt außerdem die orthopädischen Diagnosen des Gutachtens von Dr. Ru ... Dr. Ro. hatte den Kläger zwar nur einmal untersucht, nämlich am 07. Februar 2007, jedoch in seinem Arztbericht an Dr. P. von jenem Tag ausführlich dargestellt, welche Beeinträchtigungen er bei dem Kläger feststellen konnte (Bl. 18 SG-Akte). Hinzu kommt, dass bereits MDir L. in dem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 11. Juli 2007, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, eine somatoforme Störung mit multiplen Körperbeschwerden, eine dilatative Kardiomyopathie mit ventrukulärer Extrasystolie, den schlecht eingestellten Bluthochdruck, die Varikosis und ein Cervikal- und Lumbalsyndrom festgestellt hatte. Die Diagnosen entsprechen weitgehend den Feststellungen der Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. He. aus dem Jahre 2004 in dem früheren Berufungsverfahren. Der Gesundheitszustand des Klägers hat sich seitdem nicht verschlechtert.

Aus diesen Beeinträchtigungen folgen einige qualitative Leistungseinschränkungen. Insbesondere kann der Kläger keine mittelschweren oder schweren körperliche Arbeiten mehr durchführen, keine Lasten von über zehn kg heben oder tragen und nicht mehr ausschließlich stehend oder gehend tätig werden. Ausgeschlossen sind auch Tätigkeiten mit gehäuftem Treppensteigen und Steigen auf Leitern und Gerüsten. Diese Einschränkungen beruhen auf der Herzleistungsminderung. Diese führt dazu, dass insbesondere bei einer erhöhten körperlichen Belastung des Klägers die Peripherie seines Körpers mangelhaft mit Blut oder Sauerstoff versorgt wird. Auch kann es zu einem Rückwärtsversagen kommen, nämlich einer Stauung des venösen Blutes von dem linken Herz mit einer Lungenstauung bis hin zu einem Lungenödem und einer Stauung vor dem rechten Herz mit Ödemen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. Ru ... Gleichwohl sind leichte körperliche Tätigkeiten durch die Herzerkrankung des Klägers nicht ausgeschlossen. Dr. Ru. hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe auf dem Fahrradergometer bis 75 Watt belastet werden können. Diese Belastung entspreche im normalen Alltagsleben z.B. einem schnellen Treppensteigen. Diese Belastbarkeit des Klägers wird u.a. durch die Angaben des behandelnden Kardiologen Dr. S. gestützt. Dieser hatte in seiner Zeugenaussage vom 20. Juni 2008 einen Befundbericht vom 08. März 2007 vorgelegt, nach dem der Kläger fahrradergometrisch sogar noch bis 100 Watt belastet werden konnte und hierbei keine höhergradigen Herzrhythmusstörungen aufgetreten waren. Die Hypertonie des Klägers schließt ebenfalls nur Tätigkeiten mit gehäuftem Treppensteigen und Steigen auf Leitern und Gerüsten aus. Dr. Ru. hat insofern mitgeteilt, dass bei der fahrradergometrischen Belastung des Klägers der Blutdruck schnell auf 190/120 mmHg angestiegen sei und dass die Hypertonie zurzeit nicht optimal eingestellt sei. Diese qualitative Leistungseinschränkung hatte bereits das Gutachten von MDir L. genannt. Auch insoweit sind weitergehende Einschränkungen jedoch nicht zu begründen. Nach den Feststellungen von Dr. Ru. hat die Hypertonie bislang nicht zu sekundären Organschädigungen mit Ausnahme von Schädigungszeichen am Herzen geführt, die aber auch durch die Kardiomyopathie bedingt sein könnten. Auch die behandelnden Ärzte haben keine Folgeleiden aufgrund des Bluthochdrucks angegeben. Die Plaquebildung sollte zwar nach den Empfehlungen Dr. Ru.s behandelt werden, allerdings nur zur Vermeidung eines Schlaganfalls. Leistungseinschränkungen bedingt sie nicht. Auch die chronische Bronchitis des Klägers führt nach den Feststellungen des Sachverständigen lediglich phasenweise zu geringfügigen Lungenfunktionsstörungen. Solche Beeinträchtigungen waren nach den Angaben der behandelnden Ärzte bei Lungenfunktionsuntersuchungen festgestellt worden. Bei den Untersuchungen durch Dr. Ru. wurden jedoch Vitalkapazitäten im Normbereich und keine Anzeichen für eine Obstruktion der Lungenfunktion festgestellt. Wie Dr. Ru. mitteilte, sind die ermittelten Parameter für das Alter und den langjährigen Nikotinmissbrauch des Klägers fast als normal zu bezeichnen. Dr. Ru. konnte sich bei seinen Feststellungen u.a. auf einen fachröntgenologischen Befundbericht vom 04. August 2004 stützten, der gewisse Zeichen einer chronischen unspezifischen Bronchitis zeigte, die Lungen ansonsten jedoch als normal und unauffällig auswies. Auch die weiteren internistischen Beeinträchtigungen führen nicht zu Leistungseinschränkungen des Klägers. Lediglich die Varikosis an beiden Beinen, die Dr. Ru. festgestellt hat und die auch die behandelnden Ärzte bestätigen, schließen Arbeiten mit dauerndem Stehen aus. Eine nur stehende Tätigkeit könnte die Bindegewebsschwäche verstärken und zu weiteren Krampfadern führen. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule beim Kläger haben nur zu geringen Bewegungseinschränkungen geführt. Dr. Ru. hat den Kläger insofern umfassend untersucht und die Ausmaße der Bewegungseinschränkungen nach der Neutral-Null-Methode ermittelt (Bl. 48 ff SG-Akte). Seine Feststellungen werden gestützt durch die Angaben des Dr. Ro ... Dieser hatte in seinem Arztbrief an Dr. P. vom 07. Februar 2007 mitgeteilt, der Kläger könne bei leichtem Schulter- und Schulterblatthochstand links die Schultern ausreichend entfalten, jedoch seien Reklination und Seitneigung eingeschränkt, das Gleiche gelte für die cervicale Funktion (Halswirbelsäule), während die coxale Funktion (Hüften) altersgemäß sei. Die hiernach im Wesentlichen altersgemäßen degenerativen orthopädischen Beeinträchtigungen führen auch nicht zu regelmäßigen Nervenwurzelreizungen. Eine derartige neurologische Beeinträchtigung hat nicht nur Dr. Ru. verneint, sondern auch der behandelnde Neurologe Dr. Sa. hat in seiner Zeugenaussage vom 18. Juni 2008 lediglich von psychiatrischen Krankheiten berichtet. Diese orthopädischen Beeinträchtigungen schließen lediglich Arbeiten in chronischer Zwangshaltung aus, nämlich Tätigkeiten z. B. im Knien oder Liegen. Gegen eine Tätigkeit in Wechselhaltung sprechen sie nicht. Die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers letztlich führen ebenfalls lediglich zu qualitativen Einschränkungen. Der Kläger kann nicht mehr in Akkord, Fließband, in Schichten oder nachts arbeiten, er soll Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr vermeiden. Weitergehende Einschränkungen sind nicht ersichtlich. Dr. Ru. hat lediglich eine geringgradige depressive Störung festgestellt. Er deckt sich insoweit mit den Feststellungen aus dem Gutachten des MDir L. und den Angaben des behandelnden Neurologen Dr. Sa ... Bei der Untersuchung durch Dr. Ru. war der Kläger gut zugänglich, freundlich zugewandt und kooperativ. Sein Bewusstsein war klar, er war zu Person, Zeit, Situation und Ort ausreichend orientiert. Dr. Ru. hat bei späteren Nachfragen eine gute Erinnerung auch an Details festgestellt. Die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsfokusierung seien nicht wesentlich gestört. Der Sachverständige hat lediglich eine geringfügig gedrückte Stimmungslage festgestellt. Der Kläger habe durch die ihm unverständliche Ablehnung seines Rentenbegehrens situationsbezogen gekränkt gewirkt. Dieses Kränkungsgefühl habe sich schon seit seiner Lehre gezeigt. Trotz dieser geringfügigen depressiven Verstimmung war der Kläger bei der Begutachtung zu positiven Emotionen hin ablenkbar. Wie Dr. Ru. zu Recht ausführt, führen diese geringfügigen Beeinträchtigungen nicht dazu, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr erwerbstätig sein könnte.

Das Leistungsvermögen des Klägers ist in quantitativer Hinsicht nicht eingeschränkt. Wie Dr. Ru. ausführt, kann er noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich arbeiten. Anzeichen dafür, dass der Kläger diese Zeitspanne nicht mehr durchstehen könnte, hat Dr. Ru. nicht festgestellt. Er hat ausgeführt, der Kläger habe die fast viereinhalbstündige Begutachtung in seiner Praxis ohne wesentliche oder eingreifende Minderung des Konzentrationsvermögens absolviert. Zeichen mentaler oder körperlicher Erschöpfung seien nicht zu beobachten gewesen. Der Kläger sei auch nach dreieinhalb Stunden in Praxis noch in der Lage gewesen, an einem zweiten Lungenfunktionstest und am Stehbelastungstest teilzunehmen. Dass der Kläger eine sechsstündige Erwerbstätigkeit am Tag durchhalten kann, ergibt sich auch aus seinem Tagesablauf, so wie er ihn dem Gutachter gegenüber geschildert hat. Hiernach steht er sehr früh, nämlich um 6:00 Uhr, auf, setzt sich sodann vor den Fernseher oder auf den Balkon und macht nur noch gelegentlich Spaziergänge in der Umgebung, isst gegen 11:00 Uhr oder 11:30 Uhr Haferflocken, hilft seiner Ehefrau bei der Hausarbeit, isst zwischen 14:00 Uhr und 15:00 Uhr ein warmes Mittagessen und hilft danach beim Spülen. Einen Mittagsschlaf macht er seinen Angaben zufolge nicht. Gegen 19:00 Uhr gebe es Abendessen und danach werde ferngesehen oder klassische Musik gehört. Dieser Ablauf zeigt, dass der Kläger einen relativ lang andauernden noch strukturierten Tagesablauf ohne Erschöpfungszeichen durchstehen kann. Ferner wird die Einschätzung von Dr. Ru. durch die beiden Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. He. aus dem Jahre 2004 gestützt. Beide hatten - bei im wesentlichen gleichen Diagnosen - ebenfalls noch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr (Dr. He.) und sogar acht Stunden (Prof. Dr. H.) bejaht. Dies zeigt, dass Dr. Ru.s Einschätzung nachvollziehbar und überzeugend ist.

c.) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt nicht vor. Bei dem Kläger bestehen zwar mehrere qualitative Leistungsminderungen. Sie betreffen vor allem die Körperhaltung und psychische Belastungen. Sie sind aber nicht so ungewöhnlich, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeit gäbe, bei der ihnen nicht Rechnung getragen werden kann.

d.) Vor diesem Hintergrund benötigt der Kläger auch keine betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen und seine Wegefähigkeit ist nicht eingeschränkt, sodass ihm der Arbeitsmarkt trotz seiner qualitativen Leistungseinschränkungen nicht verschlossen ist. Der Kläger hat eine viereinhalbstündige Begutachtung in der Praxis ohne größere Pause durchgestanden. Er hat sich danach zu Fuß etwa 1,5 km zum Bahnhof begeben und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nachhause gefahren. Seinen eigenen Angaben beim Gutachter zufolge kann er noch spazieren gehen und legt dann zwei bis drei Kilometer zurück.

2. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht auch nicht nach § 240 Abs. 1 SGB VI. Der Kläger ist zwar vor dem in dieser Norm genannten Stichtag, dem 02. Januar 1961, geboren. Er ist jedoch nicht berufsunfähig.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit körperlich, geistig und seelisch gesunder Versicherter mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherter zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI).

Der Kläger genießt in diesem Sinne keinen qualifizierten Berufsschutz. Er kann vielmehr auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, weil er keine abgeschlossene Berufsausbildung absolviert hat und Zeit seines Berufslebens ungelernte Tätigkeiten ausgeübt hat. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist er jedoch, wie gezeigt, noch vollschichtig erwerbsfähig.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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