L 11 R 382/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 978/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 382/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1 wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. November 2008 abgeändert. Es wird festgestellt, dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin Versicherungspflicht vom 06. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 bestanden hat. Die Klage der Klägerin gegen die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2004 und 05. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2006 wird insoweit abgewiesen, als darin Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung von mehr als 18.773,74 EUR gefordert werden.

Die Kosten des Klageverfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 bis 7, die dieser selber tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 im Klageverfahren tragen die Klägerin und die Beklagte als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 im Berufungsverfahren trägt die Klägerin. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 36.976,70 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1 bei der Klägerin in der Zeit vom 06. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Der Beigeladene zu 1 absolvierte eine Feinmechanikerlehre und war nach Abschluss des Studiums des Maschinenbaus zunächst als Maschinenbauingenieur tätig. Ab dem 1. Januar 1999 war er an der mit Gesellschaftsvertrag vom 21. Dezember 1998 zum 01. Januar 1999 gegründeten Firma B. S. GmbH beteiligt. Die Gesellschaft hatte damals ein Stammkapital von 60.000 DM; das gesamte Stammkapital übernahm zunächst G. M., davon aber je 20.000 DM als Treuhänder für die Beigeladenen zu 1 und 2. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gesellschaft war G. M ... Aufgrund der Vereinbarung, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit Drei-Viertel-Mehrheit zu fassen sind, ergab sich für jeden der Gesellschafter eine sog. Sperrminorität. Die B. S. GmbH wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Januar 2002 umbenannt in B. S. I. GmbH (jetziger Firmenname der Klägerin). Gleichzeitig wurde J. E. zum weiteren, einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten Geschäftsführer bestellt (Urkundenrolle 2002 Nr. 139 des Notariats Geisingen). Mit Vertrag vom 8. März 2002 (Urkundenrolle 2002 Nr. 381 des Notariats Geisingen) wurden die Treuhandverhältnisse aufgehoben und die von G. M. treuhänderisch gehaltenen Stammeinlagen auf die Beigeladenen zu 1 und 2 übertragen.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 hatten jeweils zum 01. Oktober 1999 einen "Arbeitsvertrag über die Anstellung als leitender Angestellter" (AV) mit der Firma B. S. GmbH geschlossen, wonach sie eine monatliche Vergütung von zunächst 4.300,- DM erhielten. Nach § 4 Abs. 1 AV hatten die Beigeladenen zu 1 und 2 der Gesellschaft ihr ganzes Wissen und Können sowie die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, wobei weitere entgeltliche Tätigkeiten nicht ohne Genehmigung der Gesellschafterversammlung aufgenommen werden durften. Nach § 7 AV bestand keine Bindung an feste Arbeitszeiten, jedoch die Verpflichtung, die ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Nach § 8 AV bestand ein Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen, der in Abstimmung mit den einzelnen Angestellten bzw. leitenden Angestellten festzulegen war. Im Krankheitsfalle erhielten sie nach § 9 AV bis zu einer Dauer von 30 Kalendertagen das Bruttogehalt weiter. Der Vertrag konnte mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zu einem Quartalsschluss gekündigt werden. Der AV von 1999 wurde mehrfach hinsichtlich des Gehalts abgeändert. Dieses wurde durch Vertrag vom 01. Januar 2001 auf 6.800 DM (Bl. 49 der SG-Akte), ab 01. Januar 2003 auf 4.100 EUR (Vertrag vom 11. Dezember 2002; Bl. 48 der SG-Akte) und ab 01. April 2003 auf 3.800 EUR (Vertrag vom 01. April 2003, Bl. 47 der SG-Akte) festgesetzt. In der Zeit vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 wurden keine Gewinnbeteiligungen oder Tantiemen gezahlt.

Die Beigeladene zu 5 (Krankenkasse) teilte dem Beigeladenen zu 1 mit Schreiben vom 27. Dezember 1999 mit, er sei selbständig tätig und werde ab 01. Oktober 1999 in der Beitragsklasse 658 (ohne Anspruch auf Krankengeld) versichert. Grundlage dieser Einstufung waren die Angaben, die der Beigeladene zu 1 in einem "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung" vom 17. Dezember 1999 (Bl. 189/193 der Verwaltungsakte) gemacht hatte. Darin hatte er u.a. ausgeführt, er unterliege keinem Direktionsrecht wie ein fremder Arbeitnehmer, könne im Bereich Konstruktion selbständig Personal einstellen oder entlassen, von seiner Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet und sie werde als Lohn/Gehalt verbucht.

G. M. gründete am 27. Januar 2000 im eigenen Namen und als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der B. S. GmbH die B. I. GmbH (Urkundenrolle 2000 Nr. 156 des Notariats Geisingen). Vom Stammkapital der GmbH in Höhe von insgesamt 35.000 EUR übernahmen die B. S. GmbH 7.500 EUR und G. M. 28.000 EUR. Mit Geschäftsführervertrag vom 14. Dezember 2000 wurde J. E. zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der B. I. GmbH bestellt.

Mit Verschmelzungsvertrag vom 08. März 2002 und Ergänzung vom 17. Mai 2002 sowie den Zustimmungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlungen übertrug die Firma B. I. GmbH ihr Vermögen auf die B. S. I. GmbH. Die Verschmelzung wurde am 6. August 2002 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die Planung und Beratung hinsichtlich der Einrichtungen kompletter Bäckereien und von Einzeleinrichtungsgegenständen in technischer, wirtschaftlicher und produktionsoptimaler Hinsicht unter Berücksichtigung alternativer Betriebs- und Produktionsabläufe sowie den individuellen Vertriebsmöglichkeiten von Bäckereien unter besonderer Einbeziehung von Kapazitäts- und Energieberechnungen bei unterschiedlichen Produktionsmöglichkeiten. In der Gesellschafterversammlung vom 17. Mai 2002 (Urkundenrolle 2002 Nr. 818 des Notariats Geisingen) wurde das Stammkapital auf 67.000 EUR erhöht, wovon G. M. 17.600, EUR, die Beigeladenen zu 1 und 2 wie die weiteren Gesellschafter J. E. und M. B. jeweils 10.600 EUR und B. L. weitere 7.000 EUR hielten. Nach § 8 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages vom 17. Mai 2002 (Bl. 103 ff. der Verwaltungsakte) war die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn mindestens 78,5% des gezeichneten Kapitals vertreten waren. Bei einer erneuten Einberufung war die Gesellschafterversammlung ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Kapitals beschlussfähig, wenn die Einberufung erforderlich wurde, weil die notwendige Präsenz des gezeichneten Kapitals nicht vertreten war. Die Beschlüsse erfolgten nach § 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrag mit Drei-Viertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Geschäftsführer wurden nach § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages durch Gesellschafterbeschluss bestellt und abberufen. Der Beigeladene zu 1 war zu keinem Zeitpunkt Geschäftsführer der Klägerin.

Am 01. Januar 2002 gewährte der Beigeladene zu 1 der Gesellschaft ein Darlehen über 12.782,30 EUR, am 01. April 2003 der Beigeladene zu 2 in gleicher Höhe. Darüber hinaus erteilten beide am 29. September 2003 der Gesellschaft eine Bürgschaft in Höhe von jeweils 150.000,- EUR. Zum 31. Dezember 2004 schied der Beigeladene zu 1 aus der Gesellschaft aus und wurde von den Kreditinstituten aus den Bürgschaften entlassen.

Die Beklagte führte vom 24. November 2003 bis 23. Februar 2004 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 durch und hörte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2004 zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen inklusive Säumniszuschlägen an. Mit Bescheid vom 28. Juli 2004 stellte die Beklagte fest, dass die sich aus der Nachprüfung ergebende Nachforderung insgesamt 56.333,72 EUR betrage. In Auswertung der vorgelegten Gesellschaftsverträge, der Feststellungsbögen sowie der jeweiligen Anstellungsverträge werde festgestellt, dass die Beschäftigungsverhältnisse von zwei mitarbeitenden Gesellschaftern im Zeitraum ab 01. Januar 2002 nicht richtig beurteilt worden seien. Denn die Beschlüsse erfolgten weiterhin mit Drei-Viertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Da die zwei mitarbeitenden Gesellschafter nur im Besitz von 16 % der Geschäftsanteile seien, hätten sie somit keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft und könnten insbesondere für sich nachteilige Beschlüsse nicht verhindern. Sie seien weder allein vertretungsberechtigt noch vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit. Sie hätten einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von sechs Wochen. Personal könne von den mitarbeitenden Gesellschaftern weder eingestellt noch entlassen werden. Sie erhielten eine monatliche Vergütung. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung ihrer Tätigkeit sei ihnen zwar eine weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen, ihre Arbeitsleistung sei aber dennoch fremdbestimmt. Denn sie müssten sich in eine von den Gesellschaftern vorgegebene Ordnung des Betriebes eingliedern. Ihre Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zu funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Auch die Übernahme einer relativ hohen Bürgschaft und der Abschluss eines Darlehensvertrages ändere nichts an der Tatsache, dass ein maßgebender Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nicht bestehe. Säumniszuschläge seien spätestens ab Februar 2002 zu zahlen, da spätestens zu diesem Zeitpunkt der Beitragsabrechnung für Zeiten ab 01. Januar 2002 Kenntnis von der Zahlungspflicht bestanden habe bzw. die Firma sich hätte informieren können, ob Versicherungspflicht bzw. Beitragspflicht vorläge oder nicht.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, weder die Sperrminorität noch die recht hohen Bürgschaften und die Darlehen würden entsprechend gewürdigt. Im jeweiligen Teilbereich könnten die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre Tätigkeit frei gestalten. Maßgebliche Bestimmungsrechte in der Gesellschafterversammlung lägen ebenfalls vor. Falls nur einer in Verbindung mit einem anderen Gesellschafter nicht zugestimmt hätte, hätte kein Gesellschafterbeschluss erreicht werden können. Auch die Beschlussfähigkeit sei zu beachten. Sozialversicherungspflicht beginne erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung. Ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln liege nicht vor. Maßgeblich sei hilfsweise jedenfalls erst der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung am 06. August 2002. Auch der Umstand, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 als Gründungsgesellschafter sämtliche Geschäfte und Maßnahmen laufend und täglich miteinander abgestimmt hätten, spreche gegen eine abhängige Beschäftigung.

Auf Antrag der Klägerin ist der Vollzug der Beitragsforderung mit Schreiben vom 14. September 2004 ausgesetzt worden.

Mit weiterem Bescheid vom 05. Dezember 2005 nahm die Beklagte eine Teilabhilfe vor. Festgestellt wurde eine Beitragsnachforderung in Höhe von nur noch 37.461,30 EUR einschließlich 2.484,50 EUR Säumniszuschläge, weil die Umwandlung erst mit Eintrag in das Handelsregister wirksam geworden sei. Als Beginn der Versicherungspflicht müsse demnach der 06. August 2002 angesetzt werden. Auf den Beigeladenen zu 1 entfielen Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung i.H.v. 17.484,56 EUR, zuzüglich Säumniszuschläge i.H.v. 1.229,00 EUR (Einzugstelle: Beigeladene zu 5) und auf den Beigeladenen zu 2 Beiträge i.H.v. 17.518,24 EUR, zuzüglich Säumniszuschläge i.H.v. 1.255,50 EUR (Einzugstelle: Beigeladene zu 4).

Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006 mit der Begründung zurück, von dem erhöhten Stammkapital von 67.000 EUR hätten die Beigeladenen zu 1 und 2 jeweils nur eine Quote von 15,82 % (10.600 EUR) besessen. Über eine Sperrminorität hätten sie nicht verfügt. Ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft sei aufgrund der Anteile am gezeichneten Kapital nicht ersichtlich. Aus dem besonderen "Know how" eines Gesellschafters könne keine selbständige Tätigkeit abgeleitet werden. Auch die vorgelegten Arbeitsverträge für leitende Angestellte sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Versicherungspflicht trete mit der Eintragung am 06. August 2002 ein. Bei den Sozialversicherungsträgern sei zur Beurteilung der Versicherungspflicht zum Zeitpunkt der Verschmelzung nicht nachgefragt worden. Es liege damit keine unverschuldete Nichtkenntnis der Versicherungspflicht vor.

Mit ihrer dagegen am 13. März 2006 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beigeladenen zu 1 und 2 seien bis zum 31. Dezember 2001 mit einer Stammeinlage von jeweils 33 % beteiligt gewesen. Aufgrund ihrer entsprechenden Einstellungsverträge seien sie mitarbeitende Gesellschafter gewesen. Nach der infolge ihres Anteils gegebenen Sperrminorität habe festgestanden, dass kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Dies habe sich auch nach der Firmenverschmelzung nicht geändert. Denn man habe die Bestimmungen des Gesellschaftervertrages im Wesentlichen beigehalten. Auch die Tätigkeitsbereiche seien unverändert geblieben. Ab dem 01. Januar 2004 seien sie unstreitig selbständig tätig, nichts anderes gelte für den davorliegenden Zeitraum. Man habe gleichberechtigt sämtliche Geschäfte und zu treffenden Maßnahmen getroffen. Bei den Anstellungsverträgen handele es sich um Einheitsverträge, die in dieser Form tatsächlich nicht gelebt worden seien. Der Beigeladene zu 1 sei für die Planung und den Bau der Bäckereianlagen, der Beigeladene zu 2 für die gesamte Anlagenwartung zuständig gewesen. Hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsausübung ihrer Tätigkeit hätten sie frei schalten und walten können, ohne Weisungen der jeweils anderen Gesellschafter oder des Gesellschafter-Geschäftsführer entgegenzunehmen. Hieran habe sich durch die Verschmelzung der Firmen nichts geändert. Die Gesellschafter seien gleichmäßig eine Gesellschaftsverpflichtung gegenüber der Klägerin in Höhe von 150.000 EUR eingegangen. Die Bürgschaft umfasse alle, auch die bis dahin bestehenden Verpflichtungen der Klägerinnen gegenüber der Sparkasse V.-S ... Durch die persönlichen Bürgschaften der Gesellschafter sei der Klägerin die wirtschaftliche Grundlage gegeben worden. Das damit eingegangene persönliche Haftungsrisiko in dieser Größenordnung sei ein exemplarisches Beispiel für die Eingehung eines unternehmerischen Risikos. Auch die Erhebung von Säumniszuschlägen sei unbegründet. Weder die Klägerin noch die beteiligten mitarbeitenden Gesellschafter seien davon ausgegangen, sie könnten anders als in den Jahren davor in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Das SG hat die beiden Gesellschafter sowie die Sozialversicherungsträger zum Rechtsstreit beigeladen. Der Beigeladene zu 2 hat noch seine Mitgliedsbescheinigung der Privaten Krankenversicherung seit dem 01.04.1999, einen Nachweis seiner Lebensversicherung sowie eine Zustimmungserklärung (Sozialversicherungspflicht solle erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung der Sozialversicherungsträger eintreten) vorgelegt.

Mit Urteil vom 25. November 2008, dem Beigeladenen zu 1 zugestellt am 22. Dezember 2008, hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 im Zeitraum vom 06. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 nicht versicherungspflichtig bei der Klägerin beschäftigt waren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Beigeladenen zu 1 und 2 verfügten nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen zwar über keine Sperrminorität, sondern seien nach der Firmenverschmelzung nur Minderheitengesellschafter gewesen. Außerdem hätten ihrer Tätigkeit Verträge für leitende Angestellte zugrunde gelegen und es sei Lohnsteuer entrichtet worden. Sie hätten jedoch das Unternehmerrisiko mitgetragen und seien in ihren Arbeitsbereichen weitgehend eigenverantwortlich tätig gewesen. Durch den Gesellschafterbeschluss vom 04. März 2004 und die Festlegung einer Mehrheit von 90 % der abgegebenen Stimmen sei ihnen erneut Sperrminorität eingeräumt worden. Ein maßgeblicher Einfluss sei auch aus der Regelung der Beschlussfähigkeit nicht herzuleiten. Zwar sei bei Fehlen des Gesellschafters Herrn M. bzw. von zwei weiteren Gesellschaftern zunächst die Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung entfallen, bei einer erneuten Anberaumung einer Gesellschafterversammlung hätte diese jedoch ohne Rücksicht auf die Höhe des beteiligten Kapitals erreicht werden können. Den Beigeladenen zu 1 und 2 sei eine feste Arbeitszeit nicht vorgegeben worden, sie hätten sich lediglich an die übliche Bürozeit gehalten. Ihre Tätigkeit sei an den jeweiligen Kundenaufträgen auszurichten gewesen. Dies habe auch hinsichtlich der Urlaubsregelung gegolten. Hierbei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Verträge unverändert seit 1999 bestünden und bereits in dieser Zeit bis zur Firmenverschmelzung das tatsächliche Gesamtbild ihrer Tätigkeit deutlich von dieser vertraglichen Ausgestaltung abgewichen habe. Sie seien in ihren Arbeitsbereichen weitgehend eigenverantwortlich und weisungsfrei tätig gewesen. Durch Übernahme von Darlehen und Bürgschaften hätten sie zudem das Unternehmensrisiko mitgetragen. Eine wesentliche Änderung in ihrer Stellung sei durch die Firmenverschmelzung nicht eingetreten. Sie seien zu gleichen Teilen Gründungsmitglieder der Firma B. S. GmbH gewesen. Diese Tätigkeit hätten sie später fortgeführt. Dass der Geschäftsführer M. tatsächlich die beherrschende Stellung gehabt habe, ließe sich angesichts der gemeinsamen Firmengründung und Firmenentwicklung nicht nachvollziehen. Vielmehr seien sämtliche Beschlüsse einvernehmlich gefasst worden, so auch die Anpassung der Gehälter. Die Darlehen und Bürgschaften seien auch nicht auf den Fall der Not und auf die Behebung wirtschaftlicher Schwierigkeiten ausgerichtet gewesen, sondern hätten der Firma eine finanziell sichere Basis stellen sollen.

Der Beigeladene zu 1 hat am 22. Januar 2009 Berufung mit der Begründung eingelegt, ihm sei erst durch Gesellschafterbeschluss vom 04. März 2004 und der darin festgelegten Mehrheit von 90 % der abgegebenen Stimmen wieder eine Sperrminorität eingeräumt worden. Davor sei er bloßer Minderheitsgesellschafter gewesen. Der Anstellungsvertrag habe typische Merkmale eines Arbeitnehmerverhältnisses, nämlich die Zahlung eines festen Entgelts, einen bezahlten Urlaub, die Weiterzahlung im Krankheitsfalle sowie Meldepflichten bei Erfindungen beinhaltet. Man habe die Bürozeiten einhalten müssen, sei somit hinsichtlich der Dauer sowie dem Ort der Tätigkeit nicht frei, sondern weisungsunterworfen gewesen. Dies gelte auch für die Urlaubsnahme. Durch die Verschmelzung habe sich das Tätigkeitsverhältnis geändert. Dass bereits 1999 von den Verträgen tatsächlich abgewichen worden sei, werde lediglich behauptet, ohne dass dafür Fakten angeführt würden. Aus den vorgelegten Besprechungsprotokollen werde vielmehr deutlich, dass der Geschäftsführer und Gesellschafter M. den übrigen Gesellschaftern gegenüber Vorgaben gemacht und für deren Umsetzung gesorgt habe. Zum Zeitpunkt der geschlossenen Darlehensverträge seien sie nicht abhängig beschäftigt gewesen. Die Bürgschaft habe man aufgrund der bereits dargelegten finanziell sehr schwierigen Situation der Klägerin gewährt. Insofern habe kein freiwilliger Akt vorgelegen.

Der Beigeladene zu 1 beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. November 2008 abzuändern, festzustellen, dass für den Beigeladenen zu 1 Versicherungspflicht vom 06. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 bestanden hat und die Klage abzuweisen, soweit mit den Bescheiden der Beklagten vom 28. Juli 2004 und 05. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2006 Beiträge von mehr als 18.773,74 EUR gefordert werden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat mit Schriftsatz vom 09. Juli 2009 vorgetragen, es sei einzuräumen, dass auf gesellschaftsvertraglicher Ebene "Fehler" gemacht worden seien, und dass es hier entscheidend auf eine Abwägung ankomme. Diese Abwägung sei vom SG zutreffend vorgenommen worden. Das Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen "Sperrminorität" führe nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung. Denn die Beigeladenen zu 1 und 2 hätten das Unternehmerrisiko maßgeblich mitgetragen und seien in ihren Arbeitsbereichen weitgehend eigenverantwortlich tätig gewesen. Im streitigen Zeitraum nach der Firmenverschmelzung bis zur Wiedereinräumung der Sperrminorität im Jahr 2004 habe sich an den tatsächlichen Gegebenheiten nichts geändert. Entscheidungen gegen die Voten der Beigeladenen zu 1 und 2 seien auch während dieser Zeit nicht ergangen. Dies zeige sich an verschiedenen Besprechungsergebnissen, in denen mit Zustimmung aller Beteiligten Regelungen getroffen worden seien. Der Arbeitsbereich des Beigeladenen zu 1 habe sich nach der Verschmelzung auch nicht verringert. Im Gegenteil. Sein Bereich sei der einzige gewesen, in dem Aushilfskräfte und später Arbeitnehmer beschäftigt worden seien. Über die Einstellung der ausgewählten Personen habe er allein entschieden. So habe er beispielsweise auch seine Lebensgefährtin eingestellt. Entscheidend sei auch, dass der Beigeladene zu 1 der Gesellschaft ein erhebliches Darlehen sowie eine umfangreiche Bürgschaft gewährt habe. Derartige Risiken nehme nur derjenige auf sich, der das unternehmerische Risiko selbst tragen wolle und auch selbst trage.

Die übrigen Beteiligten haben keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 01. Juli 2009 die jeweiligen Pflegekassen beigeladen.

In der mündlichen Verhandlung sind die Beigeladenen zu 1 und 2 gehört worden. Der Beigeladene zu 1 hat den Vortrag der Klägerin bestätigt, dass er zwei Bürgschaften, eine über 100.000 EUR und eine über 150.000 EUR, zusammen also 250.000 EUR, übernommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beigeladenen zu 1, die keiner Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig. Sie richtet sich aber nur insoweit gegen das Urteil des SG, als der Beigeladene zu 1 hierdurch beschwert ist. Eine Beschwer des Beigeladenen zu 1 liegt nur vor, soweit das SG die angefochtene Bescheide (auch) in Bezug auf die den Beigeladenen zu 1 betreffenden Festsetzungen aufgehoben hat. Durch die Aufhebung der Bescheide bezüglich der den Beigeladenen zu 2 betreffenden Festsetzungen ist der Beigeladene zu 1 nicht beschwert. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind damit die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2004 und 05. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2006, soweit darin die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 in der Renten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 06. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 geregelt und Beiträge in Höhe von 17.458,56 EUR von der Klägerin nachgefordert werden. Dagegen ist der Beigeladene zu 1 durch die Aufhebung der auf seine Beiträge entfallenden Säumniszuschläge von 1.229,00 EUR, die von der Klägerin hätten entrichtet werden sollen, nicht beschwert. Im Übrigen ist das Urteil des SG rechtskräftig geworden.

Die Berufung des Beigeladenen zu 1 ist auch begründet. Das SG hat die Klage, soweit sie den Beigeladenen zu 1 betrifft, zu Unrecht abgewiesen, denn die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 vom 06. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 versicherungspflichtig beschäftigt war. Sie hat deshalb zu Recht für den Beigeladenen zu 1 Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 17.458,56 EUR nachgefordert. Zumindest in dem Umfang, in dem die angefochtenen Bescheide noch zulässiger Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind, sind sie rechtmäßig.

Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung der Sozialversicherungspflicht, folgt aus § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach überprüft sie bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und die sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die in Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Insbesondere prüft sie hierbei die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Nach Satz 5 der Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen dieser Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. Bundesverfassungsgericht SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).

Vor diesem Hintergrund bestimmen sich die rechtlich relevanten Beziehungen des Beigeladenen zu 1 und der Klägerin in der Zeit vom 06. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 nach dem Gesellschaftsvertrag vom 30. Januar 2002 bzw. nach dem Anstellungsvertrag vom 01. Oktober 1999. Daran hat die Verschmelzung der B. I. GmbH mit der Klägerin, bei der der Beigeladene zu 1 beschäftigt war, nichts geändert. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG) können Rechtsträger mit Sitz im Inland durch Verschmelzung umgewandelt werden. Sie können gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers (Klägerin) an die Gesellschafter des übertragenen Rechtsträgers (B. I. GmbH) im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens als Ganzes verschmolzen werden (§ 2 Nr. 1 UmwG). Die Eintragung der Verschmelzung in das Register hat zur Folge, dass das Vermögen des übertragenen Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht und die übertragenen Rechtsträger erlöschen (§ 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UmwG).

Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 30. Januar 2002 verfügte der Beigeladene zu 1 lediglich über einen Anteil von 15,82 v.H. an der Klägerin. Bei einem derart niedrigen Kapitalanteil ist im Regelfall ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Ausnahmen sind nach der Rechtsprechung des BSG nur dann anerkannt, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass der Minderheitsgesellschafter als Geschäftsführer über eine so genannte Sperrminorität verfügt, durch die er Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in allen wesentlichen Angelegenheiten verhindern kann (vgl. zu den notwendigen inhaltlichen Voraussetzungen einer der Arbeitnehmereigenschaft entgegenstehenden Sperrminorität: BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 8). Eine solche Sperrminorität wurde dem Beigeladenen 1 zum einen erst durch die Änderung des Gesellschaftsvertrags vom 09. März 2004 eingeräumt. Insoweit ist ganz maßgeblich für den streitbefangenen Zeitraum, dass dem Beigeladenen zu 1 während dieser Zeit keine Sperrminorität eingeräumt worden war. Die diesbezüglich zweimalige Änderung des Gesellschaftsvertrags belegt, dass eine maßgebliche rechtliche Änderung gewollt war und dann auch umgesetzt wurde, weil sie gesellschaftsrechtlich erforderlich war. Dass zuvor ein maßgeblicher Einfluss auch aus der Regelung der Beschlussfähigkeit nicht herzuleiten ist, hat das SG bereits ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung nach § 153 Abs. 2 SGG ab. Zum anderen begründet diese bei einem mitarbeitenden Gesellschafter, der nicht Geschäftsführer ist, nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ohnehin keine Selbständigkeit. Ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung schließt ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 S. 13; BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92, USK 9448 = NJW 1994, 2974).

Eine derartige Rechtsmacht haben GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 % des Stammkapitals innehaben (BSG SozR 4100 § 168 Nr. 16). Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung geringer ist, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Rechtsmacht ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann (sog. Sperrminorität, BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 S. 13 f; SozR 3-4100 § 168 Nr. 5 jeweils m.w.N.). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Der Beigeladene zu 1 hält als Gesellschafter nur 15,82 v.H. des Stammkapitals der Klägerin. Er ist auch nicht deren Geschäftführer. Ein GmbH-Gesellschafter, der in der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschaftsrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92, USK 9448 S. 253 = NJW 1994, 2974, 2975).

Mit dem Vorbringen der Klägerin, vor der Verschmelzung habe eine Sperrminorität bestanden und man habe den Gesellschaftsvertrag nur versehentlich nicht angepasst, lässt sich daher eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Zeit vor der Verschmelzung nicht begründen. Vielmehr konnte der Beigeladene zu 1 in rechtlicher Hinsicht weder vor noch nach der Verschmelzung Einzelweisungen des Geschäftsführers aufgrund dessen Eigenschaft als Vorgesetzter nicht verhindern. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, ob die Gesellschafterbeschlüsse einvernehmlich zu Stande kamen und ob das Weisungsrecht des Geschäftsführers tatsächlich nicht ausgeübt worden ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.08.2008, L 4 KR 4577/06). Denn eine rechtlich wirksame Weisungsbefugnis gehört ebenfalls zu den tatsächlichen Verhältnissen, auf die bei der hier gebotenen Abwägung abzustellen ist.

Im Übrigen kann nach ständiger Rechtsprechung das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG SozR 3-2400 § 2 Nr. 19 m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen sind auch Mitglieder von Vorständen juristischer Personen, die von Weisungen im täglichen Geschäft weitgehend frei sind, abhängig Beschäftigte (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 18). Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin die Gesellschafterbeschlüsse bislang im Einvernehmen mit den Beigeladenen zu 1 und 2 getroffen hat, kann nicht geschlossen werden, sie (die Klägerin) wolle von ihren rechtlichen Befugnissen gegenüber den Beigeladenen zu 1 und 2 generell keinen Gebrauch machen und diesen vielmehr "freie Hand" lassen.

Darüber hinaus erlaubt das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 unter Zugrundelegung des Anstellungsvertrages vom 01. Oktober 1999 eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung. Diese vertraglichen Regelungen sind für die Beurteilung hier maßgebend. Es fehlt an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 BGB) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) abgegeben worden wären. Eine formlose Abbedingung der entsprechenden Abreden des schriftlichen Arbeitsvertrags durch schlüssiges Verhalten ist im Übrigen schon nach dem ausdrücklich bekundeten Willen der Vertragsparteien ausgeschlossen, da sich die vertraglichen Vereinbarungen erschöpfend aus diesem Vertrag ergeben, Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen und eine Befreiung von der Schriftform durch mündliche Vereinbarung unwirksam ist (§ 12 Abs. 1 und 2 des Arbeitsvertrags). Auf den Vortrag der Klägerin, der Vertrag sei nicht gelebt worden, kann es schon deshalb nicht ankommen. Dann, wenn eine vertragliche Gestaltung durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben ist, ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Verhältnisse hiervon nicht rechtserheblich abweichen und deshalb bei Beurteilung der Versicherungspflicht diese vertragliche Gestaltung auch rechtlich maßgebend ist (BSG, a.a.O.).

Danach gilt für der Beigeladene zu 1 nach den im Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 1999 getroffenen Regelungen insbesondere, dass er als Konstruktions- und Entwicklungsleiter eingestellt und mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung der Geschäftsleitung beschäftigt wurde, dem Arbeitgeber seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hatte, eine festgelegte und damit von der Ertragslage unabhängige feste Vergütung erhielt, Anspruch auf 30 Tage bezahlten Urlaub im Kalenderjahr hatte, dessen Festlegung in Abstimmung mit den Belangen der Klägerin erfolgte, im Krankheitsfall Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bis zur Dauer 30 Tagen hatte, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses jede entgeltliche oder das Arbeitsverhältnis beeinträchtigende Nebenbeschäftigung nur mit Einwilligung der Klägerin ausüben durfte und eine Kündigungsfrist von sechs Monaten galt.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass der Beigeladene zu 1 keine festen Arbeitszeiten hatte, weist der Senat darauf hin, dass es nicht unüblich ist, dass leitende Angestellte in der Regel bereit sind, überdurchschnittlich Leistungen (auch in zeitlicher Hinsicht) zu erbringen. Aus dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1 in seinem klar begrenzten Aufgabengebiet frei schalten und walten konnte, lässt sich ebenfalls nicht zwingend herleiten, dass er weiter selbständig tätig war. Dies ist vielmehr geradezu typisch und immanent der Tätigkeit eines leistenden Angestellten, als welcher der Beigeladene zu 1 auch formal von der Klägerin geführt wurde.

Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags vom 01. Oktober 1999 verblieb dem Beigeladenen zu 1 kein Raum für eine im Wesentlichen freie und im wirtschaftlichen Ergebnis unmittelbar ihn selbst treffende Gestaltung seiner Tätigkeit. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass er (in rechtlich wirksamer Weise) nicht selbstständig Personal einstellen oder entlassen konnte. Die Klägerin hat ihr Vorbringen, der Beigeladene zu 1 habe in seiner Abteilung selbständig Aushilfsmitarbeiter auf 400 EUR-Basis eingestellt, in der mündlichen Verhandlung insofern relativiert, als sie eingeräumt hat, dass in den Fällen, in denen schriftliche Anstellungsverträge geschlossen worden sind, diese von G. M. unterschrieben worden sind. Der Beigeladene zu 1 hat überdies darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen Mitarbeitern hauptsächlich um Bekannte bzw. Verwandte der beiden Geschäftsführer gehandelt habe. Dass der Beigeladene zu 1 (schriftliche) Arbeitsverträge für die Klägerin unterschrieben hat, behauptet auch die Klägerin nicht. Im Übrigen wäre er dazu auch nicht berechtigt gewesen. Soweit vorgetragen wurde, dass in der praktischen Tätigkeit das Weisungsrecht nicht ausgeübt wurde, so verweist der Senat auch in diesem Zusammenhang darauf, dass bei Diensten höherer Art, wie im vorliegenden Fall bei der Tätigkeit eines Konstruktions- und Entwicklungsleiters, das Weisungs- oder Direktionsrecht des Arbeitgebers durch das Kriterium der funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess ersetzt wird, wenn eine besondere Sach- und Fachkunde des Dienstleistenden vorausgesetzt wird.

Das Arbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1 wurde weiter als Betriebsausgabe gebucht und hierauf Lohnsteuer entrichtet, auch dies ein deutliches Indiz dafür, dass die Beteiligten die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gelebt haben. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Vertragsparteien des Anstellungsvertrages vom Oktober 1999 selbst formuliert haben, dass zwischen der B. S. GmbH (vertreten durch deren Geschäftsführer G. M.) und dem Beigeladenen zu 1 ein "Arbeitsvertrag über die Anstellung als leitender Angestellter geschlossen" werde.

An der Eigenschaft des Beigeladenen zu 1 als abhängig Beschäftigtem ändert sich nichts dadurch, dass er Bürgschaften übernommen und ein Darlehen gegeben hat. Die Gewährung eines Darlehens oder einer Bürgschaft begründet nämlich noch kein wesentliches unternehmerisches Risiko (LSG Baden-Württemberg 10.10.2008 - L 4 KR 4694/07). Dies gilt umso mehr als der Beigeladene zu 1 in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet hat, er sei einer Bürgschaftssumme von insgesamt 250.000 EUR davon ausgegangen, dass er tatsächlich nur mit 50.000 EUR bürge, da ja noch die anderen Gesellschafter gebürgt hatten, und er die Bürgschaften nur eingegangen sei, um seinen eigenen Arbeitsplatz zu erhalten.

Die Beklagte hat die Feststellung der Versicherungspflicht für die Zeit ab 01. Januar 1994 auch zu Recht auf die Renten- und Arbeitslosenversicherung begrenzt. Denn mit dem vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelt von 4.100,- EUR in 2002 bzw. 3.800,- EUR überschritt der Beigeladene zu 1 die jeweils geltende Jahresarbeitsverdienstgrenze und war damit nach dem damals geltenden § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei. Da keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, besteht auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI.

Die Kostenentscheidung ist im vorliegenden Verfahren getrennt nach Instanzen vorzunehmen. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden auch im sozialgerichtlichen Verfahren Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Mit der Formulierung "in einem Rechtszug" soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sichergestellt werden, das z.B. Versicherte auch dann nicht mit Gerichtskosten belastet werden, wenn sie zu einem Klageverfahren beigeladen worden sind, aber - wie hier - nach Abschluss der ersten Instanz Rechtsmittel einlegen (BT-Drucks 14/5943 S. 29). Dies bedeutet, dass in § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nicht auf die prozessuale Stellung zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgestellt wird, sondern auf die prozessualen Rollen der Beteiligten in der jeweiligen Instanz.

Im Klageverfahren gehörten weder die Klägerin noch die Beklagte zum Personenkreis des § 183 SGG. Daher ist die Kostenentscheidung für das Klageverfahren nach § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorzunehmen. Danach trägt grundsätzlich der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO). Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Kosten in diesem Sinn sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 VwGO). Im Hinblick auf den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens, wie er sich nach der Entscheidung des Senats darstellt, ergibt sich ein Obsiegen der Klägerin von ca. 53%. Daher tragen die Klägerin und die Beklagte die Kosten des Klageverfahrens je zur Hälfte.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind im Klageverfahren nur die außergerichtliche Kosten des Beigeladenen zu 1 zu erstatten, im Übrigen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht zu erstatten, weil die anderen Beigeladenen keine Anträge gestellt haben. Nach § 197a SGG i.V.m § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn es der Billigkeit entspricht, sie der unterliegenden Klägerin oder der Staatskasse aufzuerlegen. Dies wird regelmäßig verneint, wenn der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 werden der Klägerin und der Beklagten nach § 159 VwGO i.V.m. § 100 Zivilprozessordnung als Gesamtschuldner auferlegt.

Im Berufungsverfahren beruht die Kostenentscheidung auf § 193 SGG. Der Senat erachtet es als sachgerecht, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 trägt, da dessen Rechtsmittel erfolgreich war. Im Übrigen sind Kosten des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird im Hinblick auf die festgestellten Versicherungsbeiträge nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG endgültig auf 36.976,70 EUR festgesetzt (37.461,20 EUR abzgl. 2.484,50 EUR Säumniszuschläge).
Rechtskraft
Aus
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