L 4 P 1020/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 3682/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1020/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 744,76 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01. Februar 2007 sowie EUR 3,55 Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Mahnverfahrens zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung für die Monate Juli 2004 bis Januar 2007 zuzüglich Nebenforderungen.

Die am 1939 geborene Beklagte schloss im Juli 1999 mit dem Kläger einen privaten Krankenversicherungsvertrag und einen Pflegepflichtversicherungsvertrag. Dem Pflegeversicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung, Bedingungsteil MB/PPV 1996 zugrunde. Seit 01. Juli 2004 entrichtete die Beklagte die Beiträge für die private Kranken- und die private Pflegepflichtversicherung nicht mehr. Die monatlichen Beitragsraten für letztere betrugen von Juli bis Dezember 2004 EUR 23,71, von Januar bis Dezember 2005 EUR 23,97 und ab 01. Januar 2006 EUR 24,22.

Wegen - auch nach Mahnung nicht gezahlter - Beitragsrückstände in der privaten Krankenversicherung in Höhe von EUR 444,45 kündigte der Kläger nach § 39 Abs. 3 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (VVG a.F.) fristlos den Versicherungsvertrag für die private Krankenversicherung (Schreiben vom 23. September 2004). Mit Schreiben vom selben Tag mahnte er die rückständigen Beiträge in der privaten Pflegepflichtversicherung für die Monate Juli bis September 2004 in Höhe von EUR 71,13 sowie mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 die rückständigen Beiträge in der privaten Pflegepflichtversicherung für die Monate Juli bis Oktober 2004 in Höhe von EUR 94,84 an. Mit Schreiben vom 05. November 2004, beim Kläger am 24. November 2004 eingegangen, kündigte die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherung "aufgrund Ihrer Beitragserhöhung ... fristgerecht" zum 31. Dezember 2004. Der Kläger wies die Beklagte auf die bereits durch ihn erfolgte Kündigung der Krankenversicherung hin sowie weiter, dass die private Pflegepflichtversicherung unverändert fortbestehe. Um diese Versicherung zu beenden, werde eine aktuelle Bescheinigung des jetzigen Krankenversicherers benötigt, ab wann eine private Pflegepflichtversicherung dort bestehe (Schreiben vom 25. November 2004). Auf den Fortbestand der privaten Pflegeversicherung bis zum genannten Nachweis wies der Kläger die Beklagte auch mit den weiteren Schreiben vom 06. Januar, 17. August und 29. September 2006 hin. Die Beklagte ihrerseits teilte dem Kläger unter Übersendung von Kontoauszügen mit, sie zahle seit dem 01. Januar 2005 monatliche Beiträge an die B. Krankenversicherung und Beiträge zur Pflegeversicherung könnten nicht doppelt gefordert werden (Schreiben vom 17. Juli 2006).

Unter dem 19. Dezember 2006 erließ der Kläger die gesetzliche Mahnung nach § 39 VVG a.F., das Beitragskonto für die private Pflegepflichtversicherung weise einen Rückstand von EUR 720,54 auf. Die Beträge seien innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens zu bezahlen. In der gleichlautenden Mahnung vom 23. Januar 2007 wurde nach Hinzuzählung des Beitrags für Januar 2007 von EUR 24,22 ein Beitragsrückstand für die private Pflegepflichtversicherung von EUR 744,76 genannt.

Das Amtsgericht U. erließ auf Antrag des Klägers den Mahnbescheid vom 18. Dezember 2006, der Beklagten zugestellt am 20. Dezember 2006, über die Hauptforderung von Beiträgen vom 01. Juli 2004 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von EUR 720,54 zuzüglich Kosten von EUR 23,00 und Mahnkosten von EUR 3,55, zusammen EUR 747,09; hinzu kämen laufende Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus EUR 720,54 ab dem 01. Juli 2007. Am 16. Januar 2007 erhob die Beklagte Widerspruch. Mit Schreiben vom 21. Januar 2007, beim Kläger am 29. Januar 2007 eingegangen, legte die Beklagte das Original der Bescheinigung der B. Krankenversicherung vom 03. November 2006 über das Bestehen einer privaten Pflegepflichtversicherung vor, woraufhin der Kläger den Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung zum 31. Januar 2007 beendete. Er forderte die Beklagten auf, die noch offenen Beitragsforderungen in Höhe von EUR 744,76 zu zahlen (Schreiben vom 13. März 2007), was nicht erfolgte.

Am 31. Mai 2007 stellte der Kläger beim Amtsgericht U. Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens. Es wurde um Abgabe des Rechtsstreits an das Sozialgericht Freiburg (SG) gebeten. Der Kläger begehrte nunmehr die Verurteilung der Beklagten, an ihn EUR 744,76 nebst fünf v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01. Februar 2007 sowie EUR 3,55 Mahnkosten zu zahlen. Das Amtsgericht U. gab die Sache an das SG ab.

Durch Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2008 verurteilte das SG die Beklagte, an den Kläger EUR 774,76 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01. Februar 2007 sowie EUR 3,55 Mahnkosten zu zahlen. Die Beklagte habe dem Kläger die Kosten des Mahnverfahrens zu erstatten; im Übrigen finde eine Kostenerstattung nicht statt. Zur Begründung legte das SG dar, der Antrag habe erweitert werden dürfen. Die Beklagte schulde aus dem privaten Pflegeversicherungsvertrag noch die Beiträge für die Monate Juli 2004 bis Januar 2007. Die Beklagte habe die Tatsache, die Beiträge seit Juli 2004 nicht mehr entrichtet zu haben, nicht bestritten. Auch bezüglich Mahnkosten und Zinsen sei der Anspruch als Verzugsschaden begründet.

Gegen den ihr am 23. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 19. Februar 2008 beim SG Berufung eingelegt. Sie verweist auf ihr Schreiben vom 24. Juli 2007 an das SG, welches allerdings nicht in der Akte des SG enthalten ist. Sie erklärt, seit 01. Januar 2005 zahle sie die Beiträge zur Pflegeversicherung an die B. Krankenversicherung. Am 05. November 2004 habe sie ordnungsgemäß die Krankenversicherung und die private Pflegeversicherung beim Kläger gekündigt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, die Beklagte habe erst mit bei ihm am 29. Januar 2007 eingegangenem Schreiben vom 21. Januar 2007 das Original einer Bescheinigung über das Bestehen einer privaten Pflegepflichtversicherung bei der B. Krankenversicherung vorgelegt, sodass er die bei ihm bestehende Pflegepflichtversicherung bedingungsgemäß zum 31. Januar 2007 beendet habe. Nach § 8 Abs. 9 MB/PVV 1996 sei der Beitrag bis zum Ablauf des Tages zu zahlen, an dem das Versicherungsverhältnis ende.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungs- und Klageakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die hier noch maßgeblich ist, weil die Berufung vor dem 01. April 2008 eingelegt worden ist, von EUR 500,00 ist überschritten. Denn die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung, an den Kläger EUR 744,76 nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01. Februar 2007 sowie EUR 3,55 Mahnkosten zu zahlen. Des Weiteren umfassen die streitigen Beiträge einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Bei dem im Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheid genannten Betrag von EUR 774,76 handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit. Der Kläger hat mit der Klage nur Beiträge in Höhe von EUR 744,76 geltend gemacht. Der Senat hat deshalb den Tenor des Gerichtsbescheid des SG neu gefasst.

Die Beklagte ist auf Grund des privaten Pflegeversicherungsvertrag, der zwischen ihr und dem Kläger bis 31. Januar 2007 bestand, und dessen Vertragsinhalt die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung Bedingungsteil MB/PPV 1996 waren, verpflichtet, Beiträge zu entrichten. Nach § 35 Satz 1 VVG a.F. hat der Versicherungsnehmer die Prämie und, wenn laufende Prämien bedungen sind, die erste Prämie sofort nach dem Abschluss des Vertrags zu zahlen. Das Weiteren bestimmt § 8 Abs. 1 MB/PPV 1996, dass vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 - diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht einschlägig, da sie Kinder einer versicherten Person betreffen - für jede versicherte Person ein Beitrag zu zahlen ist (Satz 1). Der Beitrag ist ein Monatsbeitrag und am Ersten eines jeden Monats fällig (Satz 2). Der Beitrag ist nach § 8 Abs. 9 MB/PPV 1996 bis zum Ablauf des Tages zu zahlen, an dem das Versicherungsverhältnis endet. Der private Pflegeversicherungsvertrag bestand bis 31. Januar 2007. Die Beklagte hat zwar mit Schreiben vom 05. November 2004 den beim Kläger bestehenden privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag zum 31. Dezember 2004 gekündigt. Diese Kündigung war bis zum Nachweis einer anderweitigen privaten Pflegepflichtversicherung nicht wirksam.

Für die Kündigung durch den Versicherungsnehmer gilt gemäß § 13 Abs. 1 MB/PPV 1996: Endet die für eine versicherte Person bestehende Versicherungspflicht in der privaten Pflegepflichtversicherung, z.B. wegen Eintritts der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung, wegen Beendigung der privaten Krankenversicherung mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen, deren Fortführung bei einem anderen Versicherer oder wegen Wegfall sonstiger die Versicherungspflicht der versicherten Person begründender Voraussetzungen, so kann der Versicherungsnehmer die private Pflegepflichtversicherung dieser Person binnen zwei Monaten seit Beendigung der Versicherungspflicht rückwirkend zu deren Ende kündigen (Satz 1). Macht der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, steht dem Versicherer der Beitrag nur bis zu diesem Zeitpunkt zu (Satz 2). Später kann der Versicherungsnehmer die private Pflegepflichtversicherung der betroffenen Person nur zum Ende des Monats kündigen, in dem er das Ende der Versicherungspflicht nachweist (Satz 3).

Die für die Beklagte beim Kläger bestehende Versicherungspflicht in der privaten Pflegepflichtversicherung endete mit Zugang des Kündigungsschreibens des Klägers vom 23. September 2004. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass dieses Kündigungsschreiben im Rahmen normaler Postlaufzeiten und damit noch im Monat September 2004 der Beklagten zugegangen ist. Anderes wird von der Beklagten nicht behauptet. Durch die Kündigung war die private Krankenversicherung beendet. Die Beklagte hatte damit das Recht, den Vertrag über die private Pflegeversicherung binnen zwei Monaten rückwirkend zu kündigen. Von dem Recht auf rückwirkende Kündigung hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Sie hat vielmehr mit ihrem Schreiben vom 05. November 2004 erst für die Zukunft (31. Dezember 2004) gekündigt, da sie erst zum 01. Januar 2005 einen neuen Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung abgeschlossen hat. Den beim Kläger bestehenden Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung konnte die Beklagte damit nach § 13 Satz 3 MB/PPV 1996 erst zum Ende des Monats kündigen, in dem sie das Ende der Versicherungspflicht nachweist. Dies war erst im Januar 2007 der Fall. Erst in diesem Monat übersandte die Beklagte dem Kläger die Bescheinigung der B. Krankenversicherung vom 03. November 2006 über das Bestehen einer privaten Pflegepflichtversicherung. Der Nachweis des Abschlusses eines anschließenden Vertrags über eine private Pflegeversicherung ist erforderlich, weil die privat Pflegeversicherten verpflichtet sind, einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten (§ 23 Abs. 1 und 2 SGB XI). Diese bereits im hier streitigen Zeitraum bestehende Rechtslage hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01. Juli 2008 klargestellt, indem er durch Art. 1 Nr. 10 Buchst. b) des Pflege-Weiter-entwicklungsgesetzes vom 28. Mai 2008 (BGBl. I, S. 873) in § 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI den Halbsatz einfügte, dass bei fortbestehender Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine Kündigung des Vertrages jedoch erst wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist.

Bezüglich der geltend gemachten Mahnkosten von EUR 3,55 (§ 288 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [BGB]) und der ab 01. Februar 2007 geforderten Zinsen (Verzug gemäß §§ 286, 288 BGB) ist der angefochtenen Entscheidung des SG zu folgen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 183, 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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