Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 2038/07 und S 13 AS 2039/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 95/09 B und L 5 AS 96/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe-Erfolgsaussicht-Höhenstreit-Prüfungsumfang
Die Beschlüsse des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Januar 2009 werden aufgehoben. Den Klägern wird nachträglich für die erstinstanzlichen Klageverfahren – im Verfahren S 13 AS 2039/07 ab dem 4. Januar 2008 und im Verfahren S 13 AS 2038/07 ab dem 19. Februar 2008 - Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. aus B. bewilligt.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Prozesskostenhilfegesuche durch das Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG).
In den Hauptsacheverfahren (Klagen) stritten die Beteiligten um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Im Klageverfahren S 13 AS 2038/07 ging es um den Bewilligungszeitraum von Februar bis Juni 2007 und im Klageverfahren S 13 AS 2039/07 um den von Juli bis Dezember 2007.
Die Kläger stehen seit dem April 2005 in Bezug von SGB II-Leistungen durch die Beklagte. Die im Jahr 1961 geborene Klägerin zu 1. ist erwerbsfähig; ihr Ehemann, der im Jahr 1959 geborene Kläger zu 2., bezog bereits damals und bezieht weiterhin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Bereits bei der ersten Antragstellung – wie auch beim Folgeantrag vom 11. Januar 2007 – legten die Kläger den Schwerbehindertenausweis des Klägers zu 2. vor, wonach ihm ein Grad der Behinderung von 50 und das Merkzeichen "G" zuerkannt worden war. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2. rechnete die Beklagte nach Abzug eines Freibetrags in beiden streitigen Bewilligungsabschnitten als Einkommen an. Einen Mehrbedarf wegen der Schwerbehinderung berücksichtigte sie in den angegriffenen Leistungsbescheiden nicht.
Die von den Klägern gegen die Bewilligungsbescheide vom 15. Februar und 12. Juni 2007 eingelegten Widersprüche blieben erfolglos. Mit Widerspruchsbescheiden vom 7. (Bewilligungszeitraum Februar bis Juni 2007) und 11. September 2007 (Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2007) wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Dagegen hat sich zunächst nur die Klägerin zu 1. mit ihren am 11. Oktober 2007 erhobenen Klagen gewandt. Sie hat am 4. Januar 2008 im Verfahren S 13 AS 2039/07 und am 19. Februar 2008 im Verfahren S 13 AS 2038/07 Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und jeweils vollständig ausgefüllte Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Nach richterlichem Hinweis ist auch der Kläger zu 2. in das Rubrum aufgenommen worden. Am 13. Oktober 2008 ist in beiden Verfahren auch der PKH-Antrag auf ihn erstreckt worden.
Zur Begründung der Klagen, mit denen die Kläger höhere Leistungen begehrten, haben sie ausgeführt, die Berechnungen der Beklagten seien unzutreffend. Es sei in der Rechtsprechung umstritten, ob und inwieweit eine Erwerbsunfähigkeitsrente sowie das Kindergeld für volljährige Kinder bei den Eltern als Einkommen anrechenbar sei.
Mit Urteilen vom 16. Oktober 2008 hat das SG die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Leistungen seien zutreffend berechnet. Die Anrechnung sowohl des Kindergeldes als auch der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2. als Einkommen sei nicht zu beanstanden. Gegen die Urteile haben die Kläger fristgerecht Berufungen eingelegt, die unter den Aktenzeichen L 5 AS 83/09 und L5 AS 84/09 beim Senat anhängig sind.
Mit Beschlüssen vom 23. Januar 2009 hat das SG die Prozesskostenhilfeanträge abgelehnt. Die Klagen hätten von Anfang an keine hinreichenden Erfolgsaussichten iSv § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gehabt.
Gegen diese Beschlüsse haben die Kläger am 19. Februar 2009 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, PKH sei zu Unrecht versagt worden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung seien die Anrechenbarkeit der Erwerbsunfähigkeitsrente sowie die Zuordnung des Kindergelds höchstrichterlich noch nicht geklärt gewesen. Zudem sei aufgrund des Vorlagebeschlusses des Landessozialgerichts Hessen vom 28. Oktober 2008 die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelsätze zu überprüfen gewesen. Das SG sei zur umfassenden Prüfung des Sachverhalts verpflichtet gewesen. Gleichwohl habe es nicht geprüft, ob dem Kläger zu 2. aufgrund seiner Schwerbehinderung ein Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zustehe.
Das SG hat den Beschwerden nicht abgeholfen und sie mit dem Hinweis darauf, es sei in den Klageverfahren nicht vorgetragen worden, dass der Kläger zu 2. einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" besitze, dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Kläger beantragen,
die Beschlüsse des SG vom 23. Januar 2009 aufzuheben und ihnen für die erstinstanzlichen Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. aus B. zu bewilligen.
Mit Änderungsbescheiden vom 10. Juni 2009 hat die Beklagte die klageweise angegriffenen Bewilligungsbescheide abgeändert und die Leistungsansprüche der Kläger für die streitbefangenen Bewilligungszeiträume unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II für den Kläger zu 2. neu berechnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Beschwerde- und der Klageverfahren sowie die Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidung des Senats.
II.
Die Beschwerden sind zulässig. Die Zulässigkeit von Beschwerden gegen die Ablehnung von PKH-Anträgen richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung iVm § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden. Seit dem 1. April 2008 ist die Beschwerde gegen eine PKH-Versagung bei einem Wert des Beschwerdegegenstands von über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO. Dasselbe gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (vgl. hierzu ausführlich: Beschluss des erkennenden Senats vom 20. Februar 2009, Az.: L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS).
Der mit den Klagen verfolgte wirtschaftliche Wert liegt jeweils über dem Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG. Der (zwischenzeitlich bewilligte) Mehr-bedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ist mit 53 EUR monatlich zu bewerten. Die gerügte Kindergeldanrechnung hätte wirtschaftliche Auswirkungen von 124 EUR monatlich. Bereits diese Berechnungspositionen führen bei den streitigen fünf- (L 5 B 96/09 AS) bzw. sechsmonatigen (L 5 B 95/09 AS) Bewilligungszeiträumen zu Gesamtbeträgen, die jeweils über 750,00 EUR liegen.
Die Beschwerden sind auch begründet. Gemäß § 73a Abs. 1 SGG iVm §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf Antrag ein Anwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch diesen erforderlich erscheint oder der Gegner anwaltlich vertreten ist.
Die erstinstanzlichen Klageverfahren hatten im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife der PKH-Gesuche bei Antragstellung mit der jeweils vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 4. Januar bzw. 9. Februar 2008 hinreichende Erfolgsaussichten. Diese bestanden – unabhängig von den weiteren Ausführungen der Kläger zur Begründung ihrer Klagen – allein deshalb, weil die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden den dem Kläger zu 2. zustehenden Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II nicht berücksichtigt hatte.
Zwar ist der Hinweis im Nichtabhilfebeschluss, die Schwerbehinderung sei von den Klägern in den Klageverfahren nicht vorgetragen worden, richtig; jedoch ist dies rechtlich nicht relevant. Der Schwerbehindertenausweis des Klägers zu 2. war bei der Antragstellung am 11. Januar 2007 vorgelegt worden und ist Bestandteil der Verwaltungsakten der Beklagten. Daher hätte ihn das SG bei seiner Prüfung des Anspruchs von Amts wegen berücksichtigen müssen. Nur wenn sich die Beteiligten im Verfahren über die tatsächlichen Grundlagen des Streits einigen, steuert dies die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Februar 2009, Az.: B 4 AS 68/07 R, ZFSH/SGB 2009, 285); ansonsten sind im sog. Höhenstreit um Leistungen nach dem SGB II – wie hier – alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach von Amts wegen zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006, Az.: B 11b AS 9/06 R, zit. n. juris).
Bereits das Bestehen von Erfolgsaussichten hinsichtlich eines Berechnungspostens bei der Ermittlung des Gesamtanspruchs im Höhenstreit führt wegen der mangelnden Teilbarkeit sozialrechtlicher Ansprüche dazu, dass für die Führung des Verfahrens PKH insgesamt zu bewilligen ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist es ausreichend, wenn eine Klage nur teilweise Aussicht auf Erfolg hat.
Zwar sind grundsätzlich die Regelungen der ZPO über die PKH auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden, jedoch nur in dem Umfang, in dem keine Besonderheiten im sozialgerichtlichen Verfahren bestehen. Eine solche Besonderheit ergibt sich vorliegend aus der Anwendbarkeit von § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), der Betragsrahmengebühren vorsieht. Für alle Verfahren, in denen sich die Rechtsanwaltsgebühren nach der Höhe des Streitwerts bemessen (§ 2 RVG), gilt: Ergibt die Erfolgsprüfung, dass ein Anspruch nur teilweise erfolgversprechend ist, dass von mehreren Ansprüchen nur einer oder dass die Rechtsverfolgung bei mehreren Beklagten nur einem gegenüber durchgreifen kann, dann ist PKH grundsätzlich nur zur Geltendmachung dieser beschränkt erfolgversprechenden Rechtsverfolgung zu gewähren. Ein solches Vorgehen setzt die Kostenberechnung aufgrund eines bestimmten Streitwertes voraus. Denn nur im Fall der Abhängigkeit des Vergütungsanspruchs vom Streitgegenstand führt eine Beschränkung der PKH auf einen Teil des geltend gemachten Anspruchs dazu, dass sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landeskasse auch nur nach dem Teilgegenstandswert bemisst, hinsichtlich dessen PKH bewilligt wurde.
Nach § 3 Satz 1 RVG entstehen jedoch in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Dies betrifft die Verfahren, die – wie hier – nach § 183 SGG für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger gemäß § 56 des Ersten Bu-ches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) kostenfrei sind, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagten beteiligt sind.
Rahmengebühren bemessen sich hingegen nicht nach dem Streitwert. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftragsgebers, nach billigem Ermessen. Eine nur teilweise Bewilligung von PKH kann nicht zu einer Verminderung der Rahmengebühr führen, denn der sich aus der Rahmengebühr ergebende Vergütungsanspruch ist nicht abhängig davon, in welchem Umfang das Rechtsmittel Erfolg hat. Vielmehr gibt § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Kriterien für die Bestimmung der Rahmengebühr vor. Erwägungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gehören dazu nicht (vgl. Hartmann: Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 14 RVG Rn 2 f.).
Daher führt allein der Umstand, dass die Klagen im vorliegenden Fall zumindest im Hinblick auf die unterlassene Berücksichtigung des Mehrbedarfs wegen der Schwerbehinderung des Klägers zu 2 Aussicht auf einen Teilerfolg hatten, dazu, dass nachträglich für beide Klageverfahren vollumfänglich Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.
Denn die Kläger sind auch bedürftig im Sinne von § 114 ff. ZPO. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen haben sich bei den Klägern – ausweislich der in den Berufungsverfahren vorgelegten PKH-Unterlagen – nicht geändert. Sie beziehen weiterhin ergänzende SGB II-Leistungen. Sie sind nicht in der Lage, mit ihrem Einkommen, der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2., die Prozesskosten zu tragen. Anhaltspunkte für ein Vorhandensein von Vermögen, welches den Vermögensfreibetrag übersteigt, bestehen nicht.
Antragsgemäß war den Klägern ihr Prozessbevollmächtigter beizuordnen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Prozesskostenhilfegesuche durch das Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG).
In den Hauptsacheverfahren (Klagen) stritten die Beteiligten um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Im Klageverfahren S 13 AS 2038/07 ging es um den Bewilligungszeitraum von Februar bis Juni 2007 und im Klageverfahren S 13 AS 2039/07 um den von Juli bis Dezember 2007.
Die Kläger stehen seit dem April 2005 in Bezug von SGB II-Leistungen durch die Beklagte. Die im Jahr 1961 geborene Klägerin zu 1. ist erwerbsfähig; ihr Ehemann, der im Jahr 1959 geborene Kläger zu 2., bezog bereits damals und bezieht weiterhin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Bereits bei der ersten Antragstellung – wie auch beim Folgeantrag vom 11. Januar 2007 – legten die Kläger den Schwerbehindertenausweis des Klägers zu 2. vor, wonach ihm ein Grad der Behinderung von 50 und das Merkzeichen "G" zuerkannt worden war. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2. rechnete die Beklagte nach Abzug eines Freibetrags in beiden streitigen Bewilligungsabschnitten als Einkommen an. Einen Mehrbedarf wegen der Schwerbehinderung berücksichtigte sie in den angegriffenen Leistungsbescheiden nicht.
Die von den Klägern gegen die Bewilligungsbescheide vom 15. Februar und 12. Juni 2007 eingelegten Widersprüche blieben erfolglos. Mit Widerspruchsbescheiden vom 7. (Bewilligungszeitraum Februar bis Juni 2007) und 11. September 2007 (Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2007) wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Dagegen hat sich zunächst nur die Klägerin zu 1. mit ihren am 11. Oktober 2007 erhobenen Klagen gewandt. Sie hat am 4. Januar 2008 im Verfahren S 13 AS 2039/07 und am 19. Februar 2008 im Verfahren S 13 AS 2038/07 Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und jeweils vollständig ausgefüllte Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Nach richterlichem Hinweis ist auch der Kläger zu 2. in das Rubrum aufgenommen worden. Am 13. Oktober 2008 ist in beiden Verfahren auch der PKH-Antrag auf ihn erstreckt worden.
Zur Begründung der Klagen, mit denen die Kläger höhere Leistungen begehrten, haben sie ausgeführt, die Berechnungen der Beklagten seien unzutreffend. Es sei in der Rechtsprechung umstritten, ob und inwieweit eine Erwerbsunfähigkeitsrente sowie das Kindergeld für volljährige Kinder bei den Eltern als Einkommen anrechenbar sei.
Mit Urteilen vom 16. Oktober 2008 hat das SG die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Leistungen seien zutreffend berechnet. Die Anrechnung sowohl des Kindergeldes als auch der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2. als Einkommen sei nicht zu beanstanden. Gegen die Urteile haben die Kläger fristgerecht Berufungen eingelegt, die unter den Aktenzeichen L 5 AS 83/09 und L5 AS 84/09 beim Senat anhängig sind.
Mit Beschlüssen vom 23. Januar 2009 hat das SG die Prozesskostenhilfeanträge abgelehnt. Die Klagen hätten von Anfang an keine hinreichenden Erfolgsaussichten iSv § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gehabt.
Gegen diese Beschlüsse haben die Kläger am 19. Februar 2009 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, PKH sei zu Unrecht versagt worden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung seien die Anrechenbarkeit der Erwerbsunfähigkeitsrente sowie die Zuordnung des Kindergelds höchstrichterlich noch nicht geklärt gewesen. Zudem sei aufgrund des Vorlagebeschlusses des Landessozialgerichts Hessen vom 28. Oktober 2008 die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelsätze zu überprüfen gewesen. Das SG sei zur umfassenden Prüfung des Sachverhalts verpflichtet gewesen. Gleichwohl habe es nicht geprüft, ob dem Kläger zu 2. aufgrund seiner Schwerbehinderung ein Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zustehe.
Das SG hat den Beschwerden nicht abgeholfen und sie mit dem Hinweis darauf, es sei in den Klageverfahren nicht vorgetragen worden, dass der Kläger zu 2. einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" besitze, dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Kläger beantragen,
die Beschlüsse des SG vom 23. Januar 2009 aufzuheben und ihnen für die erstinstanzlichen Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. aus B. zu bewilligen.
Mit Änderungsbescheiden vom 10. Juni 2009 hat die Beklagte die klageweise angegriffenen Bewilligungsbescheide abgeändert und die Leistungsansprüche der Kläger für die streitbefangenen Bewilligungszeiträume unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II für den Kläger zu 2. neu berechnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Beschwerde- und der Klageverfahren sowie die Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidung des Senats.
II.
Die Beschwerden sind zulässig. Die Zulässigkeit von Beschwerden gegen die Ablehnung von PKH-Anträgen richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung iVm § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden. Seit dem 1. April 2008 ist die Beschwerde gegen eine PKH-Versagung bei einem Wert des Beschwerdegegenstands von über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO. Dasselbe gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (vgl. hierzu ausführlich: Beschluss des erkennenden Senats vom 20. Februar 2009, Az.: L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS).
Der mit den Klagen verfolgte wirtschaftliche Wert liegt jeweils über dem Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG. Der (zwischenzeitlich bewilligte) Mehr-bedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ist mit 53 EUR monatlich zu bewerten. Die gerügte Kindergeldanrechnung hätte wirtschaftliche Auswirkungen von 124 EUR monatlich. Bereits diese Berechnungspositionen führen bei den streitigen fünf- (L 5 B 96/09 AS) bzw. sechsmonatigen (L 5 B 95/09 AS) Bewilligungszeiträumen zu Gesamtbeträgen, die jeweils über 750,00 EUR liegen.
Die Beschwerden sind auch begründet. Gemäß § 73a Abs. 1 SGG iVm §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf Antrag ein Anwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch diesen erforderlich erscheint oder der Gegner anwaltlich vertreten ist.
Die erstinstanzlichen Klageverfahren hatten im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife der PKH-Gesuche bei Antragstellung mit der jeweils vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 4. Januar bzw. 9. Februar 2008 hinreichende Erfolgsaussichten. Diese bestanden – unabhängig von den weiteren Ausführungen der Kläger zur Begründung ihrer Klagen – allein deshalb, weil die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden den dem Kläger zu 2. zustehenden Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II nicht berücksichtigt hatte.
Zwar ist der Hinweis im Nichtabhilfebeschluss, die Schwerbehinderung sei von den Klägern in den Klageverfahren nicht vorgetragen worden, richtig; jedoch ist dies rechtlich nicht relevant. Der Schwerbehindertenausweis des Klägers zu 2. war bei der Antragstellung am 11. Januar 2007 vorgelegt worden und ist Bestandteil der Verwaltungsakten der Beklagten. Daher hätte ihn das SG bei seiner Prüfung des Anspruchs von Amts wegen berücksichtigen müssen. Nur wenn sich die Beteiligten im Verfahren über die tatsächlichen Grundlagen des Streits einigen, steuert dies die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Februar 2009, Az.: B 4 AS 68/07 R, ZFSH/SGB 2009, 285); ansonsten sind im sog. Höhenstreit um Leistungen nach dem SGB II – wie hier – alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach von Amts wegen zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006, Az.: B 11b AS 9/06 R, zit. n. juris).
Bereits das Bestehen von Erfolgsaussichten hinsichtlich eines Berechnungspostens bei der Ermittlung des Gesamtanspruchs im Höhenstreit führt wegen der mangelnden Teilbarkeit sozialrechtlicher Ansprüche dazu, dass für die Führung des Verfahrens PKH insgesamt zu bewilligen ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist es ausreichend, wenn eine Klage nur teilweise Aussicht auf Erfolg hat.
Zwar sind grundsätzlich die Regelungen der ZPO über die PKH auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden, jedoch nur in dem Umfang, in dem keine Besonderheiten im sozialgerichtlichen Verfahren bestehen. Eine solche Besonderheit ergibt sich vorliegend aus der Anwendbarkeit von § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), der Betragsrahmengebühren vorsieht. Für alle Verfahren, in denen sich die Rechtsanwaltsgebühren nach der Höhe des Streitwerts bemessen (§ 2 RVG), gilt: Ergibt die Erfolgsprüfung, dass ein Anspruch nur teilweise erfolgversprechend ist, dass von mehreren Ansprüchen nur einer oder dass die Rechtsverfolgung bei mehreren Beklagten nur einem gegenüber durchgreifen kann, dann ist PKH grundsätzlich nur zur Geltendmachung dieser beschränkt erfolgversprechenden Rechtsverfolgung zu gewähren. Ein solches Vorgehen setzt die Kostenberechnung aufgrund eines bestimmten Streitwertes voraus. Denn nur im Fall der Abhängigkeit des Vergütungsanspruchs vom Streitgegenstand führt eine Beschränkung der PKH auf einen Teil des geltend gemachten Anspruchs dazu, dass sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landeskasse auch nur nach dem Teilgegenstandswert bemisst, hinsichtlich dessen PKH bewilligt wurde.
Nach § 3 Satz 1 RVG entstehen jedoch in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Dies betrifft die Verfahren, die – wie hier – nach § 183 SGG für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger gemäß § 56 des Ersten Bu-ches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) kostenfrei sind, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagten beteiligt sind.
Rahmengebühren bemessen sich hingegen nicht nach dem Streitwert. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftragsgebers, nach billigem Ermessen. Eine nur teilweise Bewilligung von PKH kann nicht zu einer Verminderung der Rahmengebühr führen, denn der sich aus der Rahmengebühr ergebende Vergütungsanspruch ist nicht abhängig davon, in welchem Umfang das Rechtsmittel Erfolg hat. Vielmehr gibt § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Kriterien für die Bestimmung der Rahmengebühr vor. Erwägungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gehören dazu nicht (vgl. Hartmann: Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 14 RVG Rn 2 f.).
Daher führt allein der Umstand, dass die Klagen im vorliegenden Fall zumindest im Hinblick auf die unterlassene Berücksichtigung des Mehrbedarfs wegen der Schwerbehinderung des Klägers zu 2 Aussicht auf einen Teilerfolg hatten, dazu, dass nachträglich für beide Klageverfahren vollumfänglich Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.
Denn die Kläger sind auch bedürftig im Sinne von § 114 ff. ZPO. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen haben sich bei den Klägern – ausweislich der in den Berufungsverfahren vorgelegten PKH-Unterlagen – nicht geändert. Sie beziehen weiterhin ergänzende SGB II-Leistungen. Sie sind nicht in der Lage, mit ihrem Einkommen, der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2., die Prozesskosten zu tragen. Anhaltspunkte für ein Vorhandensein von Vermögen, welches den Vermögensfreibetrag übersteigt, bestehen nicht.
Antragsgemäß war den Klägern ihr Prozessbevollmächtigter beizuordnen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
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