L 7 AL 2232/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 5740/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 2232/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. März 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit ist die Teilaufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 4. Juli 2005 bis 14. Februar 2006 und die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 8.283,08 EUR.

Die am 18. Januar 1984 geborene Klägerin bezog nach Beendigung ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau zum 30. Juni 2004 ab 1. Juli 2004 von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 90,09 EUR, ausgehend von einem Bemessungsentgelt von 190,24 EUR. Vom 25. Oktober 2004 bis 12. Juni 2005 war sie bei der Gesellschaft für Beschäftigung und berufliche Eingliederung (GBE) mbH Pforzheim beschäftigt und erzielte dort ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.043,00 EUR/Monat. Daran anschließend war sie vom 13. bis 23. Juni 2005 bei dem Personaldienstleister M. mit einem Verdienst von 167,98 EUR beschäftigt. In der Zeit vom 17. Juni bis 3. Juli 2005 bezog sie von der Kaiser´s BKK Krankengeld. Mit am 28. Juli 2005 bei der Beklagten eingegangenem Antrag vom 10. Juli 2005 beantragte sie erneut Alg. Mit Bescheid vom 1. August 2005 lehnte die Beklagte den Antrag zunächst in der irrtümlichen Annahme ab, die Klägerin sei mehr als kurzzeitig beschäftigt und daher nicht arbeitslos. Mit Bescheid vom 3. August 2005 bewilligte die Beklagte dann aber unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 171,67 EUR täglich ab 4. Juli 2005 Alg mit einem Leistungssatz von 50,36 EUR täglich (1.510,80 EUR/Monat). Unter Ziff. 2 der dem Bescheid beigefügten "Hinweise zur Höhe Ihres Arbeitslosengeldes nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)" wird ausgeführt, dass für die Berechnung des Bemessungsentgelts grundsätzlich das im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielte und beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bereits abgerechnete (Bemessungszeitraum) beitragspflichtige Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werde (Regelbemessung). Das für den Bemessungszeitraum durch den damaligen Arbeitgeber bescheinigte Arbeitsentgelt werde durch die Zahl der Tage geteilt, für die es gezahlt worden sei. Daraus ergebe sich das tägliche Bemessungsentgelt. Unter Ziff. 4 der Hinweise wird das Leistungsentgelt als das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt definiert. Zur Bestimmung des Leistungsentgelts würden bei einem täglichen Bemessungsentgelt von 171,67 EUR folgende Abzüge berücksichtigt: Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 v. H. des Bemessungsentgelts, also 36,05 EUR täglich, Lohnsteuer in Höhe von 48,99 EUR täglich sowie der Solidaritätszuschlag in Höhe von 2,69 EUR täglich. Hieraus ergebe sich das Leistungsentgelt in Höhe von 83,94 EUR täglich. Unter Ziff. 5 der Hinweise wird erklärt, dass im Falle der Klägerin der allgemeine Leistungssatz 60 v. H. des Leistungsentgelts betrage. Gegen den Ablehnungsbescheid vom 1. August 2005 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 4. August 2005 noch vor Kenntniserlangung von der Bewilligung Widerspruch. Mit Schreiben vom 9. August 2005 teilte die Beklagte ihr mit, dass ihrem Widerspruch durch den Bewilligungsbescheid vom 3. August 2005 stattgegeben worden sei.

Vom 15. Februar bis 10. Juli 2006 war die Klägerin bei der Bäckerei Fichtner als Verkäuferin beschäftigt. Am 26. Juni 2006 beantragte sie bei der Beklagten die Weiterzahlung von Alg.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2006 teilte die Beklagte ihr mit, dass ab 4. Juli 2005 Alg in Höhe von 8.283,08 EUR zu Unrecht gezahlt worden sei, da das Alg zu hoch festgesetzt worden sei. Ihr wurde Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 21. Juli 2006 widersprach die Klägerin der Forderung in vollem Umfang.

Mit Bescheid vom 2. August 2006 nahm die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 4. Juli 2005 bis 14. Februar 2006 teilweise in Höhe von 37,48 EUR täglich zurück und wies darauf hin, dass die Klägerin Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Bewilligung gehabt habe (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Ihr sei im Zeitraum vom 4. Juli 2005 bis 14. Februar 2006 Alg in Höhe von 8.283,08 EUR zu Unrecht gezahlt worden. Dieser Betrag sei von ihr zu erstatten (§ 50 SGB X).

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14. August 2006 Widerspruch. Die Zahlung des Alg sei bereits vor Zugang des Bescheides auf ihrem Konto eingegangen. Nachdem sie den Zahlungseingang über das Online-Banking festgestellt und ihrer Schwester sowie ihrem Schwager, in dessen Wohnung sie gewohnt habe, gezeigt habe, habe sie im Beisein ihrer Verwandten bei der Beklagten angerufen. Dort sei ihr mitgeteilt worden, dass der Betrag auf der Grundlage ihres Einkommens ermittelt worden und alles korrekt sei. Der Betrag stehe ihr tatsächlich zu. Auf diese Auskunft habe sie sich dann im Weiteren verlassen und das Geld ausgegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte hierzu aus, der Klägerin sei mit Bescheid vom 10. August 2004 ab 1. Juli 2004 Alg in Höhe von wöchentlich 90,09 EUR bewilligt worden bei einem Bemessungsentgelt von 190,00 EUR wöchentlich. Nach einer Unterbrechung des Leistungsbezugs sei aufgrund eines Eingabefehlers ab 4. Juli 2006 Alg in Höhe von 50,36 EUR täglich, monatlich 1.510,80 EUR bewilligt worden. Hierbei sei ein Bemessungsentgelt von 271,67 EUR (richtig: 171,67 EUR) täglich zugrunde gelegt worden. Die Klägerin habe den Fehler bemerkt. Das Alg sei weit höher als ihr Bruttoarbeitsentgelt gewesen. Es lasse sich nicht feststellen, dass sie dies der Agentur für Arbeit mitgeteilt habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. Dezember 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung nochmals geltend gemacht, sie habe beim Online-Banking den Eingang eines ungewöhnlich hohen Betrages auf ihrem Konto festgestellt, den sie sich nicht ohne Weiteres habe erklären können. Nach kurzer Rücksprache mit ihrem Schwager habe sie bei der Beklagten angerufen, um in Erfahrung zu bringen, was es mit der recht hohen Zahlung auf sich habe. Es sei ihr mitgeteilt worden, dass alles seine Richtigkeit habe und ihr diese Zahlungen zustünden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 17. März 2008 wurde der Schwager der Klägerin, S. G., als Zeuge vernommen. Er erklärte zur Sache, er habe das Online-Banking aufgerufen, da auch sein Gehalt über das Konto der Klägerin gelaufen sei. Er habe ihr mitgeteilt, dass ein Betrag vom Arbeitsamt eingegangen sei, obwohl sie noch gar keinen Bescheid erhalten habe. Da ihm der Betrag sehr hoch vorgekommen sei, habe er der Klägerin geraten, beim Arbeitsamt anzurufen. Dies habe sie auch getan und dabei ihre Kundennummer durchgegeben. Es sei ihr dann wohl gesagt worden, dass alles in Ordnung sei, woraufhin sie gefragt habe, ob sie noch was machen müsse. Nachdem sie dann schnell das Gespräch beendet habe, habe sie ihm mitgeteilt, es sei ihr gesagt worden, sie müsse sich keine Sorgen machen. Als dann ein paar Tage später der Bewilligungsbescheid gekommen sei, habe er sich diesen angesehen und den Betrag nachgerechnet. Er habe gewusst, dass sie ungefähr 9,00 EUR die Stunde bekomme und 9,5 Stunden arbeite. Bei einem Einkommen von ungefähr 60,00 EUR am Tag sei er ebenfalls auf einen monatlichen Betrag von ungefähr 1.500,00 EUR bei einem Alg von 67% gekommen. Er habe sich geärgert, dass ein Arbeitsloser mehr bekomme als ein Leitender Angestellter. Ob er der Klägerin konkret gesagt habe, wie er den Leistungsbetrag nachgerechnet habe, wisse er nicht mehr. Aber er habe ihr deutlich gesagt, dass die Berechnung nach seiner Auffassung korrekt sei.

Mit Urteil vom 17. März 2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 aufgehoben, da sich die Klägerin auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Sie habe die teilweise Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung weder gekannt noch war sie grob fahrlässig in Unkenntnis der Rechtswidrigkeit. Sie habe zwar erkannt, dass die ihr ausgezahlten Leistungen zu hoch gewesen seien, habe aber das ihr Zumutbare getan, um eine Klärung herbeizuführen. Sie habe das Alg für den Kauf von Möbeln für ihre inzwischen bezogene eigene Wohnung verbraucht.

Gegen das ihr am 10. April 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Mai 2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie habe Zweifel, ob die Klägerin bei der Agentur für Arbeit angerufen habe. Sie habe weder ein Datum noch einen Gesprächspartner benannt. In der Verwaltungsakte befinde sich keine Eintragung über einen Anruf der Klägerin. Solche wichtigen Mitteilungen wie eine unzutreffende Leistungshöhe würden umgehend dokumentiert und der Leistungsfall einer Prüfung unterzogen. Außerdem habe die Klägerin den Inhalt des angeblichen Gespräches nur grob beschrieben. Es müsse sich deshalb um ein sehr kurzes Telefonat gehandelt haben. Es sei nicht vorstellbar, dass die Auskunft, die Berechnung sei richtig, in einem so kurzen Telefonat gegeben worden sein könne. Für eine solche Auskunft hätte die Leistungsakte beigezogen und ein Rückruf zugesichert werden müssen. Auch wenn die Akte gleich greifbar gewesen wäre, sei nicht denkbar, dass die offensichtliche Unrichtigkeit der Höhe des Alg nicht erkannt worden wäre. Der Sachverhalt müsse daher weiter aufgeklärt werden, insbesondere möge die Klägerin mitteilen, welches Telefon sie benutzt habe, sodass Einzelverbindungsnachweise angefordert werden könnten. Unabhängig davon, ob das Telefonat stattgefunden habe, wäre die Klägerin bei Erhalt des Bescheides vom 3. August 2005 verpflichtet gewesen, diesen auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Anhand des Bewilligungsbescheides hätte die Klägerin leicht erkennen können, wo der Fehler in der Berechnung tatsächlich gelegen habe. Sie hätte leicht erkennen und richtigstellen müssen, dass sie ein so hohes Einkommen, wie es im Bescheid genannt worden sei, niemals erzielt habe. Im Grunde habe sie sich von ihrem Schwager überzeugen lassen, hätte aber nicht auf die Aussage einer Person vertrauen dürfen, die nicht fachkundig sei. Die Höhe des Alg sei so offensichtlich falsch, dass sie hätte reagieren müssen.

Dem ist die Klägerin entgegengetreten und hat mit Schreiben vom 26. August 2008 weiter vorgetragen, das Telefonat müsse wohl am 5. August 2005 stattgefunden haben. Sie habe von ihrem Festnetzanschluss aus telefoniert, ein Einzelverbindungsnachweis sei allerdings seinerzeit nicht beantragt worden und liege auch nicht vor. Sie habe nicht allein auf die Auskunft ihres Schwagers vertraut, sondern gerade wegen ihrer Zweifel den telefonischen Kontakt zur Beklagten aufgenommen.

Auf weitere Fragen der Beklagten hat die Klägerin mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 weiter vorgetragen, das Telefonat habe am Vormittag des 5. August 2005 stattgefunden, an die genaue Uhrzeit könne sie sich nicht erinnern. Nach dem Telefonat habe sie sich am Kontoauszugsdrucker der Volksbank Pforzheim um 12.04 Uhr einen Kontoauszug ausdrucken lassen, auf dem der Zahlungseingang in Höhe von 1.410,08 EUR vermerkt sei. Ihr Schwager sei zum Zeitpunkt des Telefonats zu Hause gewesen, da er in dieser Zeit Spätschicht gearbeitet habe. Ihre Schwester sei ebenfalls zu Hause gewesen, weil der Kindergarten von deren Tochter an diesem Tag geschlossen gewesen sei.

Auf Anfrage des Senats hat die Deutsche Telekom AG am 20. November 2008 mitgeteilt, dass ein Einzelverbindungsnachweis für den 5. August 2005 nicht übersandt werden könne, da die Speicherfrist von 90 Tagen bereits abgelaufen sei.

Unter dem 24. März 2009 hat der Schwager der Klägerin, S. G., auf entsprechendes Auskunftsersuchen des Senats mitgeteilt, bei dem Telefonat mit der Beklagten sei die Klägerin bei Beginn des Gespräches aufgefordert worden, sich mit ihrer Kundennummer zu identifizieren. Sie sei nicht mit weiteren Mitarbeitern der Bundesagentur verbunden worden, sondern habe nur mit einer Mitarbeiterin in Pforzheim telefoniert. Sie habe der Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung deutlich gesagt, dass ihr die Höhe des Betrages nicht richtig vorkomme und dies auch der Grund ihres Anrufes sei. Notizen habe sie sich während oder nach dem Gespräch nicht gemacht. Nach der Auskunft sei sie zu 100 Prozent davon überzeugt gewesen, dass der Betrag korrekt ausgezahlt worden sei. Sie habe die Mitarbeiterin der Beklagten nicht gekannt.

Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter vom 30. April 2009 ist die Schwester der Klägerin, Alexandra G., als Zeugin vernommen worden. Sie hat zur Sache ausgeführt, sich an Datum und Uhrzeit des Telefonanrufs der Klägerin bei der Beklagten nicht mehr erinnern zu können. Die Klägerin habe ihren Kontostand überprüft; dabei hätten sie sich alle gewundert, warum der Überweisungsbetrag der Arbeitsagentur so hoch sei. Die Klägerin habe deshalb bei der Agentur angerufen und sich erkundigt, ob der Betrag stimme. Im Verlaufe des Gesprächs sei ihr gesagt worden, der Betrag müsse so stimmen. Ob sie, die Zeugin, selbst am fraglichen Tag auch den Zahlungseingang auf dem Online-Bankkonto der Klägerin festgestellt habe, wisse sie nicht mehr. Als die Klägerin bei der Agentur angerufen habe, sei sie noch im Zimmer gewesen, habe sich dort aber nicht während des gesamten Gesprächs aufgehalten. Nach dem Telefonat habe die Klägerin ihnen gesagt, ihr sei die Richtigkeit der Betragshöhe durch die Agentur bestätigt worden. Es sei ihr außerdem gesagt worden, die Höhe des Alg werde durch den Bescheid bestätigt, den sie noch bekomme. Sie habe sich nicht mehr mit der Klägerin über dieses Thema unterhalten. Ihr damaliger Ehemann habe sich aber mit dem dann später zugegangenen Bescheid beschäftigt und diesen - soweit sie sich noch erinnere - nachberechnet. Nach ihrem Eindruck sei der Klägerin am Telefon nicht gesagt worden, es handele sich nur um eine vorläufige Zahlung, die endgültige Festsetzung ergebe sich durch den Bescheid. Nach ihrer Einschätzung sei der Klägerin vielmehr mitgeteilt worden, der Überweisungsbetrag sei auch in der Höhe richtig und werde durch den Bescheid bestätigt. Die Klägerin habe auch nicht nur ganz kurz am Telefon gesprochen, sondern schon richtig nachgefragt, ob die Überweisung so stimmen könne. Ob es im Gespräch Wartezeiten wegen einer Durchstellung gegeben habe, wisse sie nicht mehr, ebenso wenig, ob es in dem Gespräch um konkrete Beträge gegangen sei.

Die Beklagte hat im Erörterungstermin erklärt, ab Mai 2005 sei bei der Agentur in Pforzheim nur noch ein Call-Center telefonisch erreichbar gewesen. Die Durchstellung zum Sachbearbeiter sei nicht mehr möglich gewesen. Dieser hätte im Bedarfsfall vielmehr zurückgerufen. Die Klägerin hat auf Befragen der Beklagten weiter erklärt, sie habe den Eindruck gehabt, mit einer kompetenten und zuständigen Mitarbeiterin der Agentur zu sprechen. Sie habe sich ausdrücklich erkundigt, ob sie noch etwas schriftlich machen müsse, was jedoch verneint worden sei. Sie habe der Mitarbeiterin gesagt, dass ihr der Überweisungsbetrag sehr hoch vorkomme, und ihr extra ihre Kundennummer gegeben, damit sie dies nachprüfen könne. Die Bestätigung des Betrags sei wohl aus dem Computer entnommen worden, ohne dass in die Akte geschaut worden sei. Es sei ihr nicht gesagt worden, sie solle auf den Bescheid warten. Sie habe auch keinen Hinweis erhalten, dass vielleicht doch etwas falsch sein könne.

Mit weiterem Schreiben vom 12. Mai 2009 hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe ihre Gesprächspartnerin bei der Agentur für Arbeit nicht benannt und damit der Beklagten die Möglichkeit genommen, die Angaben zu überprüfen. Im Ergebnis komme es auf den genauen Inhalt des Telefonats aber nicht an. Selbst wenn das Telefonat wie geschildert abgelaufen sei, habe die Klägerin gewusst, dass der überwiesene Betrag entgegen der gegebenen Auskunft in keinem Fall stimmen könne. Es sei allgemein bekannt, dass das Alg den entgangenen Verdienst nicht in voller Höhe ersetze und schon gar nicht übersteige. Ein Alg in Höhe von monatlich 1.510,80 EUR könne einem Leistungsbezieher nicht zustehen, der noch nie mehr als ca. 1.050,00 EUR brutto verdient habe. Das habe auch die Klägerin gewusst. Sie habe diese Tatsache schlichtweg verdrängt und die Leistung verbraucht, ohne den Bewilligungsbescheid zu lesen. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt im Verfahren vorgetragen oder geltend gemacht, den Bescheid überhaupt zur Kenntnis genommen zu haben. Sie habe sich stets auf die telefonische Auskunft verlassen und die Leistungen verbraucht. Lediglich der Zeuge G. habe den Bescheid durchgesehen, für richtig befunden und dies der Klägerin gegenüber auch so geäußert. Seine Berechnung sei jedoch völlig unsinnig gewesen. Die Klägerin habe nicht 9,5 Stunden täglich bei einem Stundenlohn von 9,00 EUR gearbeitet. Sie habe keine 47,5-Stundenwoche gehabt und auch keine 9,00 EUR pro Stunde verdient. Gerade weil die Klägerin bei Erhalt der Zahlung selbst festgestellt habe, dass die Leistung eindeutig zu hoch gewesen sei und die Berechnung falsch sein müsse, seien an sie höhere Anforderungen bei Erhalt des Bescheids zu stellen gewesen, als bei anderen Leistungsbeziehern. Sie hätte den Bescheid durchlesen müssen und dann die Rechtswidrigkeit hinsichtlich des Bemessungsentgelts selbst erkannt. Der Fehler sei direkt aus dem Bescheid hervorgegangen, denn er sei ganz offensichtlich hinsichtlich des Bemessungsentgelts falsch gewesen. Das in den Berechnungsgrundlagen genannte tägliche Bemessungsentgelt sei mit 171,67 EUR viel zu hoch gewesen und hätte einem Bruttoentgelt von mehr als 5.000,00 EUR entsprochen. Die Klägerin habe zuletzt monatlich ca. 1.050,00 EUR brutto verdient und damit täglich ca. 35,00 EUR brutto. Mit der Kenntnis ihres eigenen Verdienstes wäre es für die Klägerin ein Leichtes gewesen, den Fehler im Bescheid zu erkennen. Dafür, dass die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit oder das Einsichtsvermögen der Klägerin eingeschränkt sei, bestünden keine Anhaltspunkte. Sie habe eine kaufmännische Ausbildung und selbst ohne Bescheid gleich erkannt, dass sie ein zu hohes Alg erhalte. Außerdem habe sie im Jahr zuvor schon einmal Alg bezogen und sich daher schon einmal mit Bescheiden der Beklagten und der Berechnung des Alg auseinandersetzen müssen. Das tägliche Alg habe damals 12,87 EUR betragen und hätte in dieser Höhe auch richtigerweise weiterbewilligt werden müssen. Der Klägerin hätte die Diskrepanz von täglich 37,48 EUR auffallen müssen. Auch die Rechtswidrigkeit eines Bemessungsentgelts, welches das erzielte Bruttoeinkommen um das Doppelte übersteige, liege offen zutage und müsse beim Durchlesen des Bewilligungsbescheides ohne besondere Kenntnisse und Anstrengungen "ins Auge springen". Vorliegend sei das Bemessungsentgelt fast fünfmal so hoch gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beteiligten und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 17. März 2008 den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 aufgehoben; denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 3. August 2005 zu Lasten der Klägerin und für die damit verbundene Erstattungsforderung sind nicht erfüllt.

Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides kommt vorliegend allein § 45 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Betracht, denn die Rechtswidrigkeit der Bewilligung ergab sich nicht erst aufgrund einer wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Änderung der Verhältnisse nach Erlass des Bescheides (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X), sondern war bereits bei Bekanntgabe des Bescheides gegeben. Der Klägerin hätte nicht auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 171,67 EUR Alg gewährt werden dürfen. Maßgeblich für die Höhe des ihr zu bewilligenden Alg waren nicht die in der Zeit von 25. Oktober 2004 erzielten Arbeitsentgelte, sondern die für die erstmalige Alg-Bewilligung ab 1. Juli 2004 festgestellten Leistungsgrößen. Da die Klägerin bis zur erneuten Arbeitslosigkeit ab 4. Juli 2005 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden hat (vgl. §§ 123 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGB III), hat sie keine neue Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) mit der Folge, dass Alg ab 4. Juli 2005 aufgrund des bereist am 1. Juli 2004 entstandenen und noch nicht ausgeschöpften Alg-Anspruchs mit den hierfür maßgeblichen Leistungsgrößen zu bewilligen war. Im somit maßgeblichen Bemessungszeitraum vom 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2004 hat die Klägerin während ihrer Berufsausbildung ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 190,24 EUR erhalten. Wie die Beklagte hieraus einen Leistungssatz von 90,09 EUR errechnet hat, erschließt sich nicht. Maßgeblich sind insoweit die am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Bestimmungen des SGB III in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleidungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848). Nach § 129 Nr. 2 SGB III beträgt für kinderlose, nicht verheiratete Arbeitslose das Alg 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind vom Bemessungsentgelt pauschal abzuziehen eine Sozialversicherungspauschale von 21 v. H. (Nr. 1), die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle des Einkommensteuergesetzes (Nr. 2) und der Solidaritätszuschlag (Nr. 3). Welche Abzüge die Beklagte vom hier maßgeblichen im Bemessungszeitraum (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III) erzielten Bruttoentgelt in Höhe von 9.968,62 EUR (1. Juli 2003 bis 30. Juni 2006) vorgenommen hat, ergibt sich aus deren Berechnungen in der Verwaltungsakte nicht. Insbesondere fehlt es an Angaben, ob Lohnsteuer und der Solidaritätszuschlag abgezogen worden sind, wenn ja, in welcher Höhe dies geschah und wenn nein, weshalb nicht. Hierzu finden sich trotz ausdrücklicher Aufforderung des Senats, eine Nachberechnung des im streitgegenständlichen Zeitraum zu bewilligenden Alg unter Angabe aller maßgeblichen Faktoren dem Gericht zu übersenden, auch in dem Schreiben der Beklagten vom 7. Juli 2009 keine Erklärungen. Auch hier wird das "Leistungsentgelt" als das um pauschalierte Abzüge (Sozialversicherungspauschale, Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag) verminderte Bemessungsentgelt definiert, jedoch lediglich dem täglichen Bemessungsentgelt von 27,18 EUR das tägliche Leistungsentgelt von 21,47 EUR gegenüber gestellt, ohne darzulegen, aufgrund welcher Abzüge dieser Betrag ermittelt wurde.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X), wobei Schutzwürdigkeit in der Regel dann vorliegt, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder Vermögensdispositionen getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Nur in den letztgenannten Fällen und bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen analog § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) darf der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Maßgebend hierfür ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der zurückgenommen werden soll (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2008, § 45 SGB X Rdnr. 24). Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs 2 SGB III).

Danach kann sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 SGB X liegen - auch nach Auffassung der Beklagten - ersichtlich nicht vor. Weder hat die Klägerin durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung die Bewilligung des Alg erwirkt, noch beruht der Bewilligungsbescheid auf Angaben, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dass die Klägerin positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 3. August 2005 gehabt hätte, wird von der Beklagten nicht behauptet und ist auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 20). Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, d. h. eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unzumutbare Pflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes - also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grobfahrlässigen Nichtwissens sind (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 24; vgl. auch BSGE 62, 103, 106 = SozR 1300 § 48 Nr. 39), Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Für den Begünstigten besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Das BSG hat in verschiedenen Zusammenhängen aus dem Sozialrechtsverhältnis hergeleitet, dass die Beteiligten "sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren" haben (vgl. BSGE 34, 124, 127 = SozR Nr. 25 zu § 29 RVO; BSGE 77, 175, 180 = SozR 3-4100 § 105 Nr. 2; zur näheren Begründung auch Krause, Das Sozialrechtsverhältnis, Schriftenreihe des deutschen Sozialgerichtsverbandes Band XVIII 1980, 12, 25). In die gleiche Richtung deutet die Rechtsprechung des BVerwG (Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 24; für Beamte vgl. BVerwGE 40, 212, 217). Eine weitergehende Obliegenheit, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, besteht aber jedenfalls für einen Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, nicht. Der Antragsteller darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt (vgl. BVerwGE 92, 81, 84). Das gilt auch, soweit Antragsteller über ihre Rechte und Pflichten durch Merkblätter aufgeklärt werden, die abstrakte Erläuterungen über Voraussetzungen von Ansprüchen und deren Bemessung enthalten. Andernfalls würde Begünstigten durch Merkblätter das Risiko für die sachgerechte Berücksichtigung von eindeutigen Tatsachen durch eine Fachbehörde aufgebürdet. Auch bei der Berücksichtigung der Vielfalt von Aufgaben und der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge ist es aber gerade die Aufgabe der Fachbehörde, wahrheitsgemäße tatsächliche Angaben von Antragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen und dies Betroffenen in der Begründung des Bescheids deutlich zu machen (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R - SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Wird in der Bescheidbegründung der zugrunde gelegte Sachverhalt wiedergegeben, kann sich hieraus auch für den mit einer bestimmten Rechtsmaterie nicht vertrauten Antragsteller ergeben, dass der Bewilligungsbescheid nicht in Ordnung ist, weil der zugrunde gelegte Sachverhalt nicht dem angegebenen und wahren Sachverhalt entspricht (BSG a. a. O.). Ergibt sich die fehlerhafte Zuordnung von Tatsachen zu gesetzlichen Merkmalen (Subsumtion) nicht aus der Bescheidbegründung, liegt grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich nur vor, wenn der Fehler dem Betroffenen bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten aus anderen Gründen "in die Augen" springt (Hessisches LSG, Urteil vom 10. April 2006 - L 9 AL 163/05 - (juris) unter Verweis auf BSG, Urteil vom 17. April 1964 - 10 RV 1299/61 - SozR Nr 15 zu § 47 VerwVG). Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin grob fahrlässig in Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides war. Der Senat hält es aufgrund der Zeugenaussagen des Schwagers der Klägerin und ihrer Schwester, aber auch aufgrund ihrer eigenen Einlassungen sowie der vorgelegten Nachweise, insbesondere des Kontoauszugs vom 5. August 2005 für erwiesen, dass die Klägerin an diesem Tag bei der Agentur für Arbeit Pforzheim angerufen und sich in der geschilderten Weise zu ihren Zweifeln hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Höhe des bewilligten Alg geäußert hat. Die Klägerin hat sowohl im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die ihr gestellten Fragen widerspruchsfrei und eingehend geantwortet. Im Vortrag ist sie den angesprochenen Punkten nicht ausgewichen, sondern ist ersichtlich bemüht gewesen, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. Sie hat direkt ohne auffälliges Zögern auf die Fragen geantwortet, die maßgeblichen Einzelheiten waren ihr noch in Erinnerung. So hat sie sich auch noch daran zu erinnern vermocht, dass ihr Antrag auf Alg zunächst abgelehnt worden war und sie hiergegen Widerspruch erhoben hatte und auch dieser Umstand von ihr in dem Telefongespräch mit der Beklagten kurz erwähnt worden sei. Die Klägerin machte insgesamt auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck. Ihr Aussageverhalten zeigte keinerlei Auffälligkeiten, die als Hinweis auf einen nicht wahrheitsgemäßen Vortrag hätten gewertet werden können. Ihre Darstellung wird in allen Einzelheiten durch die Aussagen der Zeugen bestätigt, die übereinstimmend berichtet haben, dass die Klägerin bei der Beklagten angerufen und dort die Höhe des bewilligten Alg hinterfragt hat. Nachdem dort die Richtigkeit der Leistungshöhe bestätigt worden war, musste sich ihr allein aus dem im Bewilligungsbescheid vom 3. August 2005 enthaltenen Zahlbetrag als dem Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheids aufdrängen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin den Bescheid nicht zur Kenntnis genommen oder nicht gelesen hätte, liegen nicht vor. Die Tatsache, dass sie den Bescheid ihrem Schwager zugänglich gemacht hat, spricht dafür, dass auch sie selbst von dessen Inhalt Kenntnis erlangt hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nochmals ausdrücklich und glaubhaft bestätigt, dass sie erst selbst den Bescheid gelesen habe, bevor sie ihn ihrem Schwager gegeben habe. Letztlich ergab sich aus diesem aber nicht mehr, als ihr bereits aus der Überweisung bekannt war, nämlich dass der monatliche Zahlbetrag erstaunlich hoch war (1.510,80 EUR). Auch die weiteren Angaben im Bescheid zur Berechnungsgrundlage und die Hinweise zur Höhe des Alg offenbarten nicht ohne Weiteres den Irrtum der Beklagten. In den Hinweisen werden zwar abstrakt die für die Berechnung des Alg maßgeblichen Faktoren genannt, allerdings wohl zumindest teilweise noch ausgehend von der vor dem 1. Januar 2005 geltenden Gesetzeslage (vgl. z. B. Ziff. 2 Satz 4 der Hinweise, wo § 133 Abs. 1 SGB a. F., anstelle von § 131 Abs. 4 SGB III n. F. zitiert wird). In den Berechnungsgrundlagen werden darüber hinaus einzelne für die konkrete Berechnung erforderliche Angaben gemacht (Lohnsteuerklasse I, Lohnsteuertabelle Jahr 2004). Wie oben bereits dargestellt wird der für die Subsumtion notwendige Sachverhalt gerade hinsichtlich der wesentlichen Tatsachen nicht offengelegt. So wird weder der für die Berechnung des Bemessungsentgelts konkret ermittelte Bemessungszeitraum wiedergegeben, noch wird das in diesem Zeitraum von der Klägerin erzielte Arbeitsentgelt unter Darstellung der maßgeblichen Berechnungsmethode und der hiervon vorzunehmende Abzugsbetrag genannt. Wird dann als tägliches Bemessungsentgelt ein Betrag von 171,67 EUR als Subsumtionsergebnis angegeben, ist weder für die Klägerin noch für den Senat feststellbar, an welcher Stelle die Beklagte einem Irrtum unterlag. Um einen offensichtlichen Schreib- oder Rechenfehler, einen "Zahlendreher" oder um eine sofort erkennbare fehlerhafte Fortschreibung von DM-Beträgen als Euro-Beträge (vgl. hierzu Senatsurteile vom 19. Juli 2006 - L 7 AL 248/05 - und 14. Juli 2005 - L 7 AL 5598/04 -) handelte es sich hier jedenfalls nicht. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob Bescheide dieser Art allgemein so wenig verständlich und nachvollziehbar sind, dass eine grobe Fahrlässigkeit, die einen besonderen Pflichtenverstoß voraussetzt, beim Empfänger eines solchen Bescheides generell wegen fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit auszuschließen ist. Vorliegend jedenfalls ist der Klägerin ein solcher Vorwurf nicht zu machen. Denn sie hat nicht lediglich die auch aus ihrer Sicht hohe Zahlung der Beklagten ungeprüft zur Kenntnis genommen, sondern ihre deshalb bestehenden Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Überweisung bei der Beklagten deutlich gemacht; sie war durch die ihr telefonisch erteilte Auskunft der Mitarbeiterin der Beklagten subjektiv von der Richtigkeit der Bewilligung überzeugt. Hinzu kommt, was aufgrund des subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs und der Notwendigkeit, alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, mit in den Blick zu nehmen ist, dass die damals erst 21 Jahre alte Klägerin zum einen erst kurzzeitig nach Beendigung ihrer Ausbildung im Erwerbsleben gestanden und noch wenig Berufs- und Lebenserfahrung hatte und somit auch nicht in gleicher Weise mit finanziellen Angelegenheiten, insbesondere dem Lohnniveau ihrer Arbeit vertraut war wie ein über lange Zeit hinweg berufstätiger Arbeitnehmer. Ganz sicherlich besaß die Klägerin jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht - wie von der Beklagten fälschlicherweise unterstellt - die Fähigkeit, auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 3. August 2005 das ihr zustehende Alg in richtiger Höhe zu berechnen. Nicht weniger zweifelhaft ist, ob der Klägerin - wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unter Verweis auf "jedermann bekannte Tatsachen" unterstellt - bekannt war, in welchem Verhältnis das Alg zum maßgeblichen Bruttoeinkommen steht. Völlig zu Recht hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass diese nach Beendigung ihrer Ausbildung lediglich kurzzeitig (Juli bis Oktober 2004) Alg bezogen und vor dem Bescheid vom 3. August 2005 deshalb erst einmal einen Bewilligungsbescheid von der Beklagten erhalten hatte. Für die Klägerin spricht auch, dass sie zwischen den beiden Leistungsbezügen versicherungspflichtig beschäftigt war und daher mit dem Bescheid vom 3. August 2005 nicht nahtlos an einen bereits laufenden Leistungsbezug angeknüpft, sondern Alg neu bewilligt worden war. Die Klägerin war daher aufgrund ihres Alters und der fehlenden Erfahrung im Umgang mit den nur teilweise verständlichen Leistungsbescheiden der Beklagten nicht in der Lage, die ihr von der Beklagten telefonisch erteilte Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides zu widerlegen. Schon insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt erheblich von dem im Senatsurteil vom 19. Juli 2006 - L 7 AL 248/05 - geschilderten Sachverhalt, auf das die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Mai 2009 hingewiesen hat. Dort wandte sich eine über 50 Jahre alte Klägerin, die über Jahre hinweg Alg und Arbeitslosenhilfe aufgrund einer Vielzahl von entsprechenden Bewilligungsbescheiden erhalten hatte, gegen die teilweise Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligung, die auf einer fehlerhaften Umrechnung von DM-Beträgen in Euro-Beträge beruhte. Im dortigen Rechtsstreit hatte die Beklagte im Übrigen schon im Vorverfahren gerade dem Widerspruch teilweise abgeholfen, und zwar soweit die Rücknahme der Leistungsbewilligung auch für die Zeit nach der nachweisbaren Rückfrage der dortigen Klägerin bezüglich der Richtigkeit der Leistungshöhe verfügt worden war. Diese Klägerin hatte nach den Feststellungen des Senats auch offenkundig nie auf die Richtigkeit der Leistungsberechnung vertraut. Ein derart anders gelagerter Sachverhalt kann aufgrund des anzuwendenden subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich sein. Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass sich die junge und unerfahrene Klägerin nach Erhalt des Bescheids nochmals, wenngleich nur noch bei ihrem Schwager und nicht erneut bei der Beklagten, rückversichert hat, ob der Bescheid rechtmäßig sein könne. Auch insoweit hält der Senat die Einlassungen der Klägerin und ihres Schwagers für glaubhaft. Der Geschehensablauf lässt die Annahme zu, dass der Schwager der Klägerin ihr geraten hätte, erneut die Beklagte zu kontaktieren, wenn er dem Bescheid Fehler entnommen hätte. Aufgrund der von ihm - allerdings unzutreffend - unterstellten Tatsachen hinsichtlich der Wochenarbeitszeit und des Stundenlohns der Klägerin drängte sich auch für ihn die Rechtswidrigkeit des Bescheids jedoch nicht auf. Dass sich die Klägerin nunmehr auf dessen und auf die zuvor eingeholte Auskunft der Beklagten verlies und nicht nochmals bei ihr remonstrierte, mag im Hinblick auf die nicht zu leugnende deutliche Überschreitung des Alg im Vergleich zum ab 1. Juli 2004 bewilligten Alg eine fahrlässige Pflichtverletzung darstellen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, mithin eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unzumutbare Pflichtverletzung vermag der Senat bei Würdigung der übrigen hier gegebenen Umstände nicht zu erkennen. Die Beklagte begründet ihre gegensätzliche Auffassung damit, dass es nur ganz einfacher, naheliegender Überlegungen bedurfte, um den hier vorliegenden Fehler zu erkennen. Andererseits sieht sie sich nicht in der Lage, ohne weiteres Aktenstudium den richtigen Leistungssatz für den streitgegenständlichen Zeitraum zu berechnen. Deutlicher aber drängt sich die Frage auf, weshalb der Klägerin, die zwar bereits einmal im Leistungsbezug gestanden, sonst aber wohl noch keinen Kontakt mit der Arbeitsverwaltung und der zugehörigen Regelungsmaterie hatte, die Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheides hätte "ins Auge springen" müssen (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2006 a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2006 - L 8 AL 1788/05 -), obwohl die für den Erlass des Bescheids und dessen Auszahlung zuständigen Mitarbeiter der Beklagten sich nicht in der Lage sahen, ihren Fehler ohne Weiteres zu erkennen. Wenn - wie von der Beklagten geltend gemacht - der Irrtum in der Berechnung derart offensichtlich gewesen ist, ist nicht zu verstehen, weshalb er nicht schon bei der Eingabe der Leistungsdaten aufgefallen und von der Beklagten korrigiert worden ist. Die Beklagte hat insoweit keinerlei Angaben dazu gemacht, wie es zu der fehlerhaften Bewilligung gekommen ist, weshalb diese nicht schon früher bemerkt und nicht vorab korrigiert worden ist. Der bloße Hinweis auf einen Übertragungsfehler beantwortet nicht, weshalb dieser nicht aufgefallen und berichtigt worden ist. Hierzu wären die Mitarbeiter der Beklagten weit eher als die Klägerin in der Lage gewesen. Diese Fragen stellen sich nicht nur im Hinblick auf den Umfang des Mitverschuldens der Beklagten, sondern sind auch bei der Prüfung der Schwere des der Klägerin zu machenden Schuldvorwurfs von Bedeutung. Wie bereits dargestellt, besteht jedenfalls für einen Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, keine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide in allen Einzelheiten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Antragsteller darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde die ihr mitgeteilten wahrheitsgemäßen Tatsachen zutreffend umsetzt. Die Klägerin hat die Beklagte auf ihre Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Leistungshöhe hingewiesen. Sie durfte darauf vertrauen, dass die ihr telefonisch erteilte Bestätigung der Richtigkeit der Leistungshöhe der geltenden Sach- und Rechtslage entsprach. Nach Zugang des Bescheids hat sie diesen nochmals von ihrem Schwager, einem im Geschäftsleben stehenden leitenden Angestellten, prüfen lassen. Eine weitergehende Verpflichtung bestand gegenüber der Beklagten zumindest nicht in einem Umfang, der einen Pflichtverstoß als grobe Fahrlässigkeit qualifizieren würde. Da das Vertrauen der Klägerin auf den Bestand des Bewilligungsbescheides somit schutzwürdig war, hat das SG zu Recht den Rücknahmebescheid aufgehoben. Damit fehlt es auch an einer Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 2. August 2006 geltend gemachte Erstattungsforderung. Denn nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen nur zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved