Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 172 AS 3669/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 670/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 14. April 2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht bei sachdienlicher Auslegung seiner Entscheidung den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag der Antragstellerin abgelehnt, die Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, für den Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 höhere monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich einer zusätzlichen Pauschale für Versicherungen in Höhe von 30 EUR und ohne Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu zahlen.
Dieser Antrag ist zwar zulässig, wobei insbesondere gegen die prozessuale Beteiligtenfähigkeit der Beteiligten keine Bedenken bestehen. Letzteres bedarf hinsichtlich der Antragsgegner zu 2. und 3. keiner näheren Darlegung und gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch für den Antragsgegner zu 1., für den sich die Beteiligtenfähigkeit zumindest aus § 70 Nr. 2 SGG ergibt. Nach dieser Vorschrift sind nichtrechtsfähige Personenvereinigungen fähig, an einem Gerichtsverfahren beteiligt zu sein. Der Antragsgegner zu 1. ist als Arbeitsgemeinschaft des Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit für den örtlichen Bereich des
Verwaltungsbezirks (JobCenter ) eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung im Sinne dieser Vorschrift (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 23. November 2006 - B 11 b AS 1/06 R -, SozR 4-4300 § 428 Nr. 3; Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. März 2008 - L 28 AS 1029/07 – zitiert nach juris). Nichts anderes folgt daraus, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 -, BVerfGE 119, 331) den gesetzgeberischen Auftrag zur Bildung solcher Arbeitsgemeinschaften (§ 44 b SGB II) mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 Grundgesetz (GG) i. V. m Art. 83 GG für unvereinbar erklärt hat, denn das BVerfG hat die weitere Anwendung des § 44 b SGB II bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2010 zugelassen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende
Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung).
Soweit die Antragstellerin Leistungen von dem Antragsgegner zu 1. begehrt, hat sie zumindest einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Beschluss vom 7. Januar 2008, Az: L 25 B 1311/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Be-seitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, jeweils zitiert nach juris). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel aus-scheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen der Antragstellerin, die vorliegend ausschließlich Leistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt, keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn ihrem Begehren nicht sofort entsprochen wird. Ob der Bewilligungsbescheid des Antragsgegners zu 1. vom 17. Februar 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. Mai 2009, mit dem der Antragstellerin monatliche Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember bis zum 31. Dezember 2008 in Höhe von 218,42 EUR und für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2009 in Höhe von 283,22 EUR bewilligt wurden, rechtmäßig ist, insbesondere ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Antragsgegner zu 1. in dem maßgeblichen Zeitraum Einkünfte der Antragstellerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit als Einkommen berücksichtigen durfte, muss der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Unzumutbare, im Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen der Antragstellerin, der mit (weiterem) Bescheid des Antragsgegners zu 1. vom 28. Mai 2009 monatliche Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juni 2009 bis zum 30. November 2009 in Höhe von 827,16 EUR bewilligt worden sind, dadurch nicht. Dass die Antragstellerin nach ihren Angaben Verbindlichkeiten aus einem Darlehen in Höhe von etwa 23.800 EUR, einem Überziehungskredit in Höhe von etwa 1.170 EUR, Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen in Höhe von etwa 555 EUR sowie Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen wie z. B. Abschlagszahlungen für Stromlieferung in Höhe von insgesamt 135 EUR (jeweils Stand: 1. Juli 2009) und möglicherweise noch weitere finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen hat, kann eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht rechtfertigen. Dass ihr wegen bestehender Schulden konkrete erhebliche Nachteile, insbesondere die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen oder das Ausbleiben von Versorgungsleistungen (wie etwa Stromversorgung oder Beheizbarkeit) drohten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum durch die Vorenthaltung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II gezwungen gewesen, ihr
Schonvermögen anzugreifen. Weder ist glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin dadurch im Rahmen der Ausübung ihrer Gewerbetätigkeit zahlungsunfähig geworden wäre, noch ist erkennbar, dass sie durch dieses Verhalten gegen Rechtsnormen verstoßen hätte. Ein Verstoß gegen die Vorschriften der Insolvenzordnung hätte zumindest vorausgesetzt, dass ein Insolvenzverfahren beantragt worden wäre; dies ist nach den Angaben der Antragstellerin bisher nicht der Fall. Ein Verstoß gegen insolvenzstrafrechtliche Vorschriften ist ebenfalls nicht erkennbar; insbesondere stellt - auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit - der Verbrauch von Bestandteilen des Vermögens zur Befriedigung des angemessenen Unterhalts kein "beiseite schaffen" im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch dar (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 55. Auflage, § 283 Rdnr. 4). Soweit die Antragstellerin nicht mehr in der Lage sein sollte, die Beschaffung von Sachgütern für ihr Ladengeschäft zu finanzieren, ist sie schließlich auf die Möglichkeit zu verweisen, bei dem Antragsgegner zu 1. ein Darlehen oder einen Zuschuss nach § 16 c Abs. 2 SGB II in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung zur Beschaffung der notwendigen und angemessenen Sachmittel zu beantragen.
Nach dem Vorstehenden ist auch der gegen die Antragsteller zu 2. und zu 3. gerichtete vorläufige Rechtsschutzantrag unbegründet. Insoweit kann dahinstehen, ob diese als Leistungsträger im Sinne des § 6 SGB II überhaupt zur Gewährung bzw. Zahlung von Leistungen der
Grundsicherung nach dem SGB II materiellrechtlich verpflichtet werden könnten. Daran bestehen allerdings erhebliche Zweifel, weil nach der Vorschrift des § 44 b SGB II, die – wie bereits oben ausgeführt - bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin Anwendung findet, die hoheitliche Leistungsverwaltung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende in vollem Umfang auf die Arbeitsgemeinschaften als gemeinschaftliche Einrichtung der dem Bund zuzuordnenden Agenturen für Arbeit und der kommunalen Träger in eigener Zuständigkeit übertragen worden ist. Dahinter steckt der gesetzgeberische Wille, dass die Leistungen der Grundsicherung trotz geteilter Leistungsträgerschaft "aus einer Hand" gewährt werden sollen. (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 -, a. a. O.). Der Vollzug der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB II obliegt demnach allein den Arbeitsgemeinschaften und nicht den Agenturen für Arbeit bzw. den kommunalen Trägern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht bei sachdienlicher Auslegung seiner Entscheidung den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag der Antragstellerin abgelehnt, die Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, für den Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 höhere monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich einer zusätzlichen Pauschale für Versicherungen in Höhe von 30 EUR und ohne Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu zahlen.
Dieser Antrag ist zwar zulässig, wobei insbesondere gegen die prozessuale Beteiligtenfähigkeit der Beteiligten keine Bedenken bestehen. Letzteres bedarf hinsichtlich der Antragsgegner zu 2. und 3. keiner näheren Darlegung und gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch für den Antragsgegner zu 1., für den sich die Beteiligtenfähigkeit zumindest aus § 70 Nr. 2 SGG ergibt. Nach dieser Vorschrift sind nichtrechtsfähige Personenvereinigungen fähig, an einem Gerichtsverfahren beteiligt zu sein. Der Antragsgegner zu 1. ist als Arbeitsgemeinschaft des Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit für den örtlichen Bereich des
Verwaltungsbezirks (JobCenter ) eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung im Sinne dieser Vorschrift (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 23. November 2006 - B 11 b AS 1/06 R -, SozR 4-4300 § 428 Nr. 3; Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. März 2008 - L 28 AS 1029/07 – zitiert nach juris). Nichts anderes folgt daraus, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 -, BVerfGE 119, 331) den gesetzgeberischen Auftrag zur Bildung solcher Arbeitsgemeinschaften (§ 44 b SGB II) mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 Grundgesetz (GG) i. V. m Art. 83 GG für unvereinbar erklärt hat, denn das BVerfG hat die weitere Anwendung des § 44 b SGB II bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2010 zugelassen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende
Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung).
Soweit die Antragstellerin Leistungen von dem Antragsgegner zu 1. begehrt, hat sie zumindest einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Beschluss vom 7. Januar 2008, Az: L 25 B 1311/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Be-seitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, jeweils zitiert nach juris). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel aus-scheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen der Antragstellerin, die vorliegend ausschließlich Leistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt, keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn ihrem Begehren nicht sofort entsprochen wird. Ob der Bewilligungsbescheid des Antragsgegners zu 1. vom 17. Februar 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. Mai 2009, mit dem der Antragstellerin monatliche Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember bis zum 31. Dezember 2008 in Höhe von 218,42 EUR und für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2009 in Höhe von 283,22 EUR bewilligt wurden, rechtmäßig ist, insbesondere ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Antragsgegner zu 1. in dem maßgeblichen Zeitraum Einkünfte der Antragstellerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit als Einkommen berücksichtigen durfte, muss der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Unzumutbare, im Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen der Antragstellerin, der mit (weiterem) Bescheid des Antragsgegners zu 1. vom 28. Mai 2009 monatliche Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juni 2009 bis zum 30. November 2009 in Höhe von 827,16 EUR bewilligt worden sind, dadurch nicht. Dass die Antragstellerin nach ihren Angaben Verbindlichkeiten aus einem Darlehen in Höhe von etwa 23.800 EUR, einem Überziehungskredit in Höhe von etwa 1.170 EUR, Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen in Höhe von etwa 555 EUR sowie Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen wie z. B. Abschlagszahlungen für Stromlieferung in Höhe von insgesamt 135 EUR (jeweils Stand: 1. Juli 2009) und möglicherweise noch weitere finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen hat, kann eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht rechtfertigen. Dass ihr wegen bestehender Schulden konkrete erhebliche Nachteile, insbesondere die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen oder das Ausbleiben von Versorgungsleistungen (wie etwa Stromversorgung oder Beheizbarkeit) drohten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum durch die Vorenthaltung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II gezwungen gewesen, ihr
Schonvermögen anzugreifen. Weder ist glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin dadurch im Rahmen der Ausübung ihrer Gewerbetätigkeit zahlungsunfähig geworden wäre, noch ist erkennbar, dass sie durch dieses Verhalten gegen Rechtsnormen verstoßen hätte. Ein Verstoß gegen die Vorschriften der Insolvenzordnung hätte zumindest vorausgesetzt, dass ein Insolvenzverfahren beantragt worden wäre; dies ist nach den Angaben der Antragstellerin bisher nicht der Fall. Ein Verstoß gegen insolvenzstrafrechtliche Vorschriften ist ebenfalls nicht erkennbar; insbesondere stellt - auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit - der Verbrauch von Bestandteilen des Vermögens zur Befriedigung des angemessenen Unterhalts kein "beiseite schaffen" im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch dar (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 55. Auflage, § 283 Rdnr. 4). Soweit die Antragstellerin nicht mehr in der Lage sein sollte, die Beschaffung von Sachgütern für ihr Ladengeschäft zu finanzieren, ist sie schließlich auf die Möglichkeit zu verweisen, bei dem Antragsgegner zu 1. ein Darlehen oder einen Zuschuss nach § 16 c Abs. 2 SGB II in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung zur Beschaffung der notwendigen und angemessenen Sachmittel zu beantragen.
Nach dem Vorstehenden ist auch der gegen die Antragsteller zu 2. und zu 3. gerichtete vorläufige Rechtsschutzantrag unbegründet. Insoweit kann dahinstehen, ob diese als Leistungsträger im Sinne des § 6 SGB II überhaupt zur Gewährung bzw. Zahlung von Leistungen der
Grundsicherung nach dem SGB II materiellrechtlich verpflichtet werden könnten. Daran bestehen allerdings erhebliche Zweifel, weil nach der Vorschrift des § 44 b SGB II, die – wie bereits oben ausgeführt - bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin Anwendung findet, die hoheitliche Leistungsverwaltung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende in vollem Umfang auf die Arbeitsgemeinschaften als gemeinschaftliche Einrichtung der dem Bund zuzuordnenden Agenturen für Arbeit und der kommunalen Träger in eigener Zuständigkeit übertragen worden ist. Dahinter steckt der gesetzgeberische Wille, dass die Leistungen der Grundsicherung trotz geteilter Leistungsträgerschaft "aus einer Hand" gewährt werden sollen. (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 -, a. a. O.). Der Vollzug der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB II obliegt demnach allein den Arbeitsgemeinschaften und nicht den Agenturen für Arbeit bzw. den kommunalen Trägern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
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