Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
83
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 343/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Zurückbehaltung von Honoraranteilen wegen nicht einbe-haltener Praxisgebühren in den Quartalen I, II, und III/2005. Außerdem wendet sie sich gegen die Höhe der Honorarfestsetzung der Quartale II/2005 und III/2005.
Die Klägerin betreibt das.-.-Krankenhaus, das in seiner Rettungsstelle unter der Abrechnungsnummer 72-74122 Leistungen der ambulanten Notfallversorgung erbringt. Dem Honorarbescheid für das Quartal I/2005 fügte die Beklagte eine Anlage mit eigener Rechtsbehelfsbelehrung bei, mit der sie unter Hinweis auf § 18 Abs. 7a BMV-Ä einen Betrag in Höhe von 8.610,- EUR wegen nicht einbehaltener Praxisgebühren zurückbehielt. Sie stellte eine Nichteinzugsquote (Anteil der Behandlungsfälle, in denen die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V nicht erhoben wurde, an der Gesamtzahl der zuzahlungspflichtigen Behandlungsfälle) von 46,79 % fest. Am 1. November 2005 (Eingang bei der Beklagten) legte die Klägerin "gegen den Honorarbescheid vom 5.10.2005" Widerspruch ein und führte weiter aus: Der Honorarbescheid enthalte eine Kürzung von 8.610,- EUR für nicht einbehaltene Praxisgebühren. Die Rechtsauffassung der Beklagten widerspreche der zwischen den GKV-Spitzeverbänden und der KBV mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossenen "Rahmenempfehlung zum Erheben der Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V (Praxisgebühr) bei ambulanten Leistungen im Krankenhaus" (im Folgenden: Rahmenempfehlung). Eine Zurückbehaltung von Teilen der Vergütung allein unter dem Hinweis auf eine bestehende Differenz zwischen einzubehaltender und einbehaltener Zuzahlung unterlaufe die vertraglichen Regelungen und führe zu einer einseitigen verschuldensu-nabhängigen Verlagerung des Inkassorisikos zu Lasten des Krankenhauses. Patienten, die akut behandlungsbedürftig seien und die Praxisgebühr vor der Behandlung nicht entrichteten, erhielten einen Überweisungsträger sowie eine schriftliche Mahnung. Mit Schreiben an die Beklagte vom 10. Februar 2006 erinnerte die Klägerin an ihren Widerspruch und eine Stellungnahme. Sie forderte die Beklagte auf, den aktuellen Sachstand mitzuteilen oder die Nachzahlung von 8.610,- EUR für die Kürzungen bezüglich nicht einbehaltener Praxisgebühr zu veranlas-sen.
Für das Quartal II/2005 machte die Beklagte in der Anlage zum Honorarbescheid bei einer Nichteinzugsquote von 67,45 % ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 12.970,- EUR geltend. Die Klägerin legte am 26. Januar 2006 (Eingang bei der Beklagten) mit inhaltsgleichem Wi-derspruchsschreiben wie zum Quartal I/2005 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 27. März 2006 erinnerte sie die Beklagte an ihren Widerspruch und eine Stellungnahme. Sie forderte die Beklagte auf, den aktuellen Sachstand mitzuteilen oder die Nachzahlung von 12.970,- EUR für die Kürzungen bezüglich nicht einbehaltener Praxisgebühr zu veranlassen.
Für das Quartal III/2005 machte die Beklagte in der Anlage zum Honorarbescheid bei einer Nichteinzugsquote von 52,16 % ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 9.530,- EUR geltend. Mit dem erneut gleichen Widerspruchsschreiben legte die Klägerin am 28. März 2006 Widerspruch dagegen ein.
Mit Bescheid vom 24. Mai 2006 half die Beklagte den Widersprüchen teilweise ab und redu-zierte die zurückbehaltenen Beträge im Quartal II/05 um 50,- EUR und für das Quartal III/05 um 10,- EUR. Es ergäben sich nunmehr Nichteinzugsquoten von 67,36 % bzw. 52,14 %.
Mit Beschluss ihrer Widerspruchsstelle vom 13. Juni 2006 (schriftlicher Bescheid zugestellt mit Einschreiben vom 6. Juli 2006) wies die Beklagte die Widersprüche, soweit ihnen nicht abgeholfen worden war, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei § 18 Abs. 7a BMV-Ä beziehungsweise § 21 Abs. 7a EKV-Ä. Die Klägerin habe in mehr als 10 % der Behandlungs-fälle die Praxisgebühr nicht eingezogen. Bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hande-le es sich um eine Ermessensentscheidung. Das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, die Praxisgebühr grundsätzlich vor der Behandlung in bar zu erheben. Auch in Notfällen sei die Gebühr vor Behandlungsbeginn zu erheben. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin sich an die gesetzlichen Vorgaben halte, zumal bei wirklich akuter Behandlung die Patienten stationär aufgenommen würden und die Praxisgebühr in diesem Fall entfalle. Aus der fehlenden Patientenbindung in Erste-Hilfe-Stellen resultiere ein erhöhtes Inkassorisiko, weshalb die Erhebung der Praxisgebühr vor der Behandlung unumgänglich sei. Aufgrund der Höhe des Anteils der nicht eingezogenen Praxisgebühren sei davon auszugehen, dass die Klägerin diese nicht unter Beachtung der gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen erhoben habe.
Gegen die Zurückbehaltung der Praxisgebühren richtet sich die am 7. August 2006 erhobene Klage, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. August 2006 dahingehend ergänzt hat, dass sich die Klage auch gegen die Honorarfestsetzung der Quartale II/05 und III/05 richtet. Zur Begründung trägt die Klägerin insbesondere vor: Die Organisation und Durchführung des Einzugsverfahren stünden im Einklang mit der Rahmenempfehlung nach § 115 SGB V. Die Gründe für die hohe Nichtzahlerquote lägen in der spezifischen Situation der Notfallbehandlung in Erste-Hilfe-Stellen begründet. §§ 18 Abs. 7a BMV-Ä, 21 Abs. 7a EKV-Ä seien verfassungs-widrig, weil die erforderliche gesetzliche Grundlage fehle. Ein Zurückhaltungsrecht setze Ge-genansprüche voraus, die gesetzlich nicht vorgesehen seien, denn es gebe keine gesetzlichen Sanktionsmechanismen. § 43b Abs. 2 SGB V beinhalte keine Regelungskompetenz für Sanktionen. Das Inkassorisiko dürfe nicht auf die Leistungserbringer abgewälzt werden. Die Voraus-setzungen des § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä lägen nicht vor. Unter Erheben im Sinne der Vor-schrift sei die Anforderungen der Gebühr zu verstehen, was sie – die Klägerin – gemacht habe. Gegenansprüche nach § 49 BMV-Ä / 45 EKV-Ä hätten zum Zeitpunkt der Ausübung des Zu-rückbehaltungsrechts schon deswegen nicht festgestellt werden können, weil noch gar keine Schlichtungsstellen existierten. Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft, weil sie – die Klägerin – keine Pflichtverletzung begangen habe. Es bestehe keine gesetzliche Pflicht zum Einzug der Praxisgebühr vor der Behandlung. Bei akuter Behandlungsbedürftigkeit, die nicht mit der Notwendigkeit der stationären Aufnahme gleichzusetzen sei, müsse der Patient auch ohne vor-herige Bezahlung behandelt werden. Es bestehe keine Verpflichtung des Arztes, die Behandlung zu verweigern, wenn der Patient nicht zahle. Die Weigerung könne sogar zivil- und straf-rechtliche Konsequenzen haben. Auch sei es ermessensfehlerhaft, strengere Anforderungen an das Einzugverfahren in Erste-Hilfe-Stellen als an Arztpraxen zu stellen. Schließlich liege kein schuldhaftes Handeln vor, das für einen Schadensersatzanspruch nach § 49 BMV-Ä aber Vor-aussetzung sei. Die hohe Nichtzahler-Quote führe nicht zu einer Verschuldensvermutung. Die Klage sei auch hinsichtlich der Honorarfestsetzung zulässig und begründet. Widerspruch sei gegen den gesamten Honorarbescheid erhoben worden. Die bei der Vergütung vorgenommene Ungleichbehandlung mit Leistungen im Notfalldienst, die von Vertragsärzten erbracht worden seien, sei nicht zu rechtfertigen.
Die Klägerin beantragt, 1) die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheides für das I. Quartal 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2006 zu verurtei-len, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 8.610,- EUR zu zahlen; 2) die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheids für das II. Quartal 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2006 zu verurteilen, a) an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 12.970,- EUR zu zahlen; b) über die Vergütung der erbrachten Leistungen des organisierten Not-dienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des G erichts erneut zu entscheiden; 3) die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheids für das III. Quartal 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2006 zu verurteilen, a) an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 9.530,- EUR zu zahlen, b) über die Vergütung der erbrachten Leistungen des organisierten Notdienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass die Klage hinsichtlich der Honorarfestsetzung unzulässig sei, weil sich die Klägerin im Widerspruchsverfahren nur gegen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gewandt und die Honorarfestsetzung im eigentlichen Sinne nicht beanstandet habe. Die Honorarbescheide seien insoweit bestandskräftig geworden. Die Regelung des § 18 Abs. 7a BMV-Ä sei vorliegend anwendbar. § 43 b Abs. 2 SGB V betreffe alle Leistungserbringer, also auch Krankenhäuser, deren ambulante Notfallleistungen zur vertragsärztlichen Versorgung gehörten. Sowohl die Bundesmantelvertragspartner als auch sie – die Beklagte – dürften nach der Rechtsprechung des BSG gegenüber der Klägerin hoheitliche Maßnahmen erlassen, wenn sie keine Benachteiligung zu Vertragsärzten beinhalteten. Die Ergänzung des BMV-Ä um § 18 Abs. 7a BMV-Ä sei die Reaktion der Bundesmantelvertragspartner darauf gewesen, dass die Nichteinzugsquote in Krankenhäusern sehr hoch gewesen sei. Die Regelung enthalte die Ver-mutung, dass der Einzug bei einer Nichteinzugsquote über 10 % nicht ordnungsgemäß erfolge. Der Leistungserbringer könne diese Vermutung im Schlichtungsverfahren widerlegen. Die hohen Nichteinzugsquoten habe die Klägerin nicht erklären oder entschuldigen können. Die Pra-xisgebühr müsse jedenfalls erhoben werden, so lange sich der Patient in den Räumen der Klägerin aufhalte. § 43 b Abs. 2 SGB V enthalte auch die Berechtigung der Bundesmantelvertragspartner, ein Zurückbehaltungsrecht vorzusehen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlag und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bezogen auf das Begehren der Klägerin, in den Quartalen II/2005 und III/2005 eine höhere Vergütung zu erhalten, bereits unzulässig. Denn die Klägerin hat gegen die Hono-rarbescheide insoweit keinen Widerspruch eingelegt, so dass die Bescheide in diesem Umfang bestandskräftig geworden sind (§ 77 SGG). Ein Honorarbescheid enthält eine Vielzahl von Re-gelungen im Sinne des § 31 Abs. 1 SGB X. Der Widerspruch gegen einen Honorarbescheid kann deshalb auf alle abtrennbaren Regelungsteile beschränkt werden. Die Beschränkung des Rechtsbehelfs hat dann zur Folge, dass alle nicht angefochtenen Einzelregelungen in Bestands-kraft erwachsen (vgl. dazu Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 21 Rn. 69 und 71 f.). Die von der Klägerin erhobenen Widersprüche richteten sich jeweils nur gegen die in der Anlage zum Honorarbescheid von der Beklagten getroffene Regelung zur Ausübung des Zurückbehaltungsrechts. Zwar hat die Klägerin im Einleitungssatz ihrer Wider-sprüche jeweils "gegen den Honorarbescheid" Widerspruch eingelegt, worunter der Bescheid mit allen in ihm enthaltenen Regelungen gemeint sein könnte. Bereits im nächsten Satz ihrer Widerspruchsschreiben hat die Klägerin die Widersprüche jedoch auf die Kürzungen für nicht einbehaltene Praxisgebühren beschränkt. Nur hierzu hat sie die Widersprüche begründet. Des Weiteren hat sie im Rahmen der Widerspruchsverfahren zum ersten und zweiten Quartal 2005 jeweils die Entscheidung der Beklagten angemahnt, dabei aber nur auf der Nachzahlung der zurückbehaltenen Beträge bestanden. Weitere Zahlungen – insbesondere eine höhere Vergü-tung – hatte sie nicht verlangt. Damit es klar, dass die Klägerin nur die Ausübung des Zurück-weisungsrechts für rechtswidrig erachtete und sich auch nur hiergegen wandte. Bis zum ge-richtlichen Schriftsatz ihrer Klägerbevollmächtigten vom 10. August 2006 ist nichts dafür er-sichtlich, dass sie auch die Höhe der Vergütung angreifen wollte. Im Übrigen hat die Beklagte ausweislich des in der Einleitung des Widerspruchsbescheids bezeichneten Streitgegenstands ("hier: Zurückbehaltung der Praxisgebühr gemäß § 18 Abs. 7 a BMV-Ä und § 21 Abs. 7 a EKV in den Quartalen I/2005, II/2005 und III/2005") im Widerspruchsverfahren nur über die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts entschieden. Selbst wenn man der Auffassung der Klä-gerin folgte und die Widersprüche auf sämtliche in den Honorarbescheiden enthaltenen Rege-lungen beziehen wollte, wäre die Klage weiterhin unzulässig. Denn das gemäß § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG notwendige Widerspruchsverfahren wäre insoweit bisher nicht durchgeführt worden.
Soweit die Klägerin die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts angreift, ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 24. Mai 2006 den Widersprüchen teilweise abgeholfen und die zurückbehaltenen Beträge im Quartal II/05 um 50,- EUR und für das Quartal III/05 um 10,- EUR reduziert hat, ist die Klägerin schon nicht mehr beschwert und die Klage bereits deshalb erfolglos. Im Übrigen sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat das Zurückbehaltungsrecht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
Rechtsgrundlage für die angegriffenen Bescheide ist § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä bzw. § 21 Abs. 7a S. 1 EKV-Ä. Nach der in beiden Verträgen gleichlautenden Vorschrift kann die Kassenärzt-liche Vereinigung, wenn sich aus der Abrechnung ergibt, dass ein Leistungserbringer in einem Quartal in 10 von Hundert oder einem höheren Anteil der Behandlungsfälle, in denen die Zu-zahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V zu erheben ist, die Zuzahlung nicht erhoben hat, die Diffe-renz zwischen einzubehaltender und einbehaltender Zuzahlung zurückbehalten. Nach § 18 Abs. 7a S. 3 BMV-Ä bzw. § 21 Abs. 7a S. 3 EKV-Ä leitet die Kassenärztliche Vereinigung in Ab-stimmung mit der zuständigen Krankenkasse gleichzeitig ein Verfahren nach § 49 BMV-Ä bzw. § 45 EKV-Ä ein.
Danach sind die auf Grundlage von § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä / § 21 Abs. 7a S. 1 EKV-Ä er-gangenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist Leistungserbringer im Sinne der Vorschrift, weil die in Notfällen ambulant ausgeführten ärztlichen Leistungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 BMV-Ä/EKV-Ä zur vertragsärztlichen Versorgung gehören. In den betroffenen Quartalen hat die Klägerin ih-rer eigenen Abrechnung zufolge in 46,79 vom Hundert, 67,36 vom Hundert und 52,14 vom Hundert der Fälle die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V (im Folgenden: Praxisgebühr) nicht erhoben. Dabei ist "erheben" nicht im Sinne von Geltendmachen, sondern im Sinne von erfolg-reichem Einziehen, also der tatsächlichen Realisierung der Praxisgebühr durch Zahlung des Pa-tienten, zu verstehen. "Erheben" lässt seinem natürlichen Wortsinn nach zwar beide Verständ-nisformen zu. Allerdings wird in der Vorschrift darauf abgestellt, dass sich der Anteil der nicht erhobenen Praxisgebühren aus der Abrechnung ergibt. Weil der Leistungserbringer in der Ab-rechnung aber nicht dokumentiert, ob er den Patienten zur Zahlung aufgefordert hat, sondern ob der Patient tatsächlich gezahlt hat, kann vorliegend mit "erheben" nur die Einziehung ge-meint sein. Dass die Bundesmantelvertragspartner im ersten Halbsatz des § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä das Wort "erheben", im zweiten Halbsatz jedoch "einbehalten" verwendet haben, dürfte keine weitere Bedeutung haben. Die beiden Vokabeln sind nur zur besseren sprachlichen Verständlichkeit und zur Vermeidung von Wortwiederholungen synonym verwendet worden.
Das ihr zustehende Ermessen hat die Beklagte erkannt und ausgeübt. Dabei sind Ermessensfeh-ler i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 2 SGG nicht zu erkennen. In Anbetracht der Funktion der Vorschrift, einen möglichen Schadensersatzanspruch der Krankenkassen nach §§ 49 BMV-Ä/45 EKV-Ä zu sichern, kommt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts grundsätzlich bereits bei Vorlie-gen der tatbestandlichen Voraussetzungen in Betracht. Gründe, von der Ausübung des Zurück-behaltungsrechts Abstand zu nehmen, könnten allenfalls in der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des betroffenen Leistungserbringers liegen. Dass die Klägerin durch das Zu-rückbehalten der streitigen Beträge von insgesamt 31.050,- EUR in ihrem wirtschaftlichen Bestand gefährdet wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und angesichts der Größe des von ihr betriebenen Krankenhauses auch nicht vorstellbar. Auch ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte auf die fehlende Patientenbindung in Erste-Hilfe-Stellen hinweist und des-halb eine besonders gute Organisation des Einzugsverfahrens fordert. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Hemmschwelle für Patienten, die Praxisgebühr (nach bereits erfolgter Be-handlung) nicht mehr zu bezahlen, im Rahmen einer einmaligen Notfallbehandlung niedriger ist als in einer Arztpraxis, die man immer wieder aufsucht und in der man als Patient bekannt ist.
Die von der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide sonstigen vorgebrachten Einwände greifen nicht. Die Regelungen des § 18 Abs. 7a BMV-Ä / § 21 Abs. 7a EKV-Ä sind auf die Klägerin anwendbar. Zwar nimmt das von der Klägerin betriebene Krankhaus grundsätzlich nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die ambulante Not-fallversorgung durch Krankenhäuser gem. § 75 Abs. 1 s. 2 SGB V ist jedoch Teil der vertrags-ärztlichen Versorgung (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BMV-Ä/EKV-Ä; BSG, Urteil v. 16. April 1986, -6 RKa 34/84-, SozR 2200 § 368d Nr. 5; BSG, Urteil v. 24. September 2003, -B 6 KA 51/02 R-, SozR 4-2500 § 75 Nr. 2). Es handelt sich um einen Fall der beschränkten Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung durch Krankenhäuser und Nichtvertragsärzte, ohne dass diese in die Kassenärztliche Vereinigung einbezogen werden (Wenner, a.a.O., § 14 Rn. 12). In diesem Fall gelten nicht nur die die betroffenen Leistungserbringer begünstigenden Regelungen über die vertragsärztliche Vergütung, sondern auch die sonstigen, für die Leistungserbringer ggf. mit Nachteilen verbundenen Regelungen der vertragsärztlichen Versorgung. Dies gilt jeden-falls dann, wenn die Leistungserbringer die entsprechenden vertragsärztlichen Regelungen kennen müssen. Bei einem Krankenhaus, das regelmäßig und in erheblichem Umfang am Not-falldienst teilnimmt, kann davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Bestimmungen bekannt und daher anwendbar sind (vgl. BSG v. 16. April 1986, a.a.O., hier zit. n. juris, Rn. 14).
Die Regelung des § 18 Abs. 7a BMV-Ä / § 21 Abs. 7a EKV-Ä ist von der Ermächtigungs-grundlage des § 43b Abs. 2 SGB V in der Fassung des GMG v. 14. November 2003 gedeckt. Danach hat der Leistungserbringer Zuzahlungen, die Versicherte nach § 28 Abs. 4 zu entrich-ten haben, einzubehalten; sein Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse, der Kassen-ärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung verringert sich entsprechend (Satz 1). Die nach § 83 zu entrichtenden Vergütungen verringern sich in Höhe der Summe der von den mit der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechnenden Leistungserbrin-gern nach Satz 1 einbehaltenen Zuzahlungen (Satz 2). Das Nähere zum Verfahren nach den Sätzen 1 und 2 ist in den Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (Satz 4). Auch die Neufassung des § 43b SGB V durch das VÄndG v. 22. Dezember 2006 ändert nichts. Danach gilt Absatz 1 Satz 2 (wonach die Krankenkasse, die die Zahlung einzuziehen hat, wenn der Versicherte trotz schriftlicher Zahlungsaufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahlt) nicht im Falle der Leistungserbringung und Abrechnung im Rahmen von Gesamtverträgen nach den §§ 82 und 83 (§ 43 b Abs. 2 S. 3 SGB V n.F.). In den Fällen des Satzes 3 haben die Kassenärztliche oder Kassenzahnärztliche Vereinigung im Auftrag der Krankenkasse die Einziehung der Zuzahlung zu übernehmen, wenn der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahlt (Satz 4). In den Bundesmantelverträgen kann ein von Satz 4 abweichendes Verfahren vereinbart werden; das Nähere zum Verfahren nach den Sätzen 1, 2 und 4 bis 7 ist in den Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (§ 43 b Abs. 2 S. 8 SGB V). Da-mit konnten die Bundesmantelvertragspartner die Vorschrift des § 18 Abs. 7a BMV-Ä, bei der es sich um eine Verfahrensregelung handelt, vereinbaren. Ihr kommt entgegen der Auffassung der Klägerin kein sanktionierender oder sanktionsähnlicher Charakter zu. Sie dient lediglich der Sicherung gegebenenfalls im Verfahren nach § 49 BMV-Ä/§ 45 EKV-Ä festzusetzender Schadensregresse (vgl. § 18 Abs. 7a S. 3 BMV-Ä/ § 21 Abs. 7a S. 3 EKV-Ä). Eine endgültige Sanktion würde erst in einem solchen Verfahren getroffen werden. Im Übrigen könnte die Vor-schrift – wollte man sie nicht von durch § 43 b Abs. 2 SGB V als gedeckt ansehen – jedenfalls auf Grundlage der Generalklausel des § 82 Abs. 1 SGB V vereinbart werden. Denn die Bun-desmantelvertragspartner haben einen normativen Gestaltungsspielraum und sind nicht darauf beschränkt, nur die zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen (Freudenberg, in: jurisPK-SGB V, Rn. 25). Die Regelungen zur Zurückbehaltung von Vergütungsansprüchen in Höhe nicht eingezogener Praxisgebühren bis zur Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch liegen innerhalb dieses Gestaltungsspielraums.
Soweit die Klägerin vorbringt, Gegenansprüche, die ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigen könnten, seien gesetzlich nicht vorgesehen, so übersieht sie die in den Bundesmantelverträgen gem. § 49 BMV-Ä / § 45 EKV-Ä vorgesehen Verfahren zur Schadensfeststellung und -festsetzung als Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens. Diese etwaig bestehenden Schadenser-satzansprüche können mit dem Zurückbehaltungsrecht gesichert werden. Genau auf solche An-sprüche zielt die Regelung nach § 18 Abs. 7 a BMV-Ä / 21 Abs. 7 a EKV-Ä, wie aus dem Satz 3 der Vorschrift, wonach zugleich das Schlichtungsverfahren einzuleiten ist, erkennbar ist. Dass die Schlichtungsstelle zum Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts noch nicht eingerichtet war, ändert nichts daran, dass Schadensersatzansprüche in Betracht kommen können. Dass die Beklagte das Schlichtungsverfahren entgegen der Vorschrift des Satz 3 nicht zugleich mit der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts eingeleitet hat, ändert an der Rechtmä-ßigkeit der Ausübung nichts. Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens ist nicht tatbestandli-che Voraussetzung des Zurückbehaltungsrechts. Die Klägerin ist für den Fall, dass die Beklag-te das Schlichtungsverfahren nicht einleitet und das Zurückbehaltungsrecht so in einen dauer-haften Einbehalt umwandelt, hinreichend geschützt, weil sie die Beklagte ggf. auf Einleitung des Schlichtungsverfahrens mittels Leistungsklage verklagen könnte.
Die Einführung und Ausübung des Zurückbehaltungsrechts führt auch nicht zu der von der Klägerin angenommenen Verlagerung des Inkassorisikos zu ihren Lasten. Erneut ist darauf hinzuweisen, dass es um die Sicherung von eventuellen Schadensersatzansprüchen nach § 49 BMV-Ä / § 45 EKV-Ä, nicht aber darum geht, den Krankenhäusern das Ausfallrisiko aufzuer-legen. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass nach den Regelungen des § 43 b Abs. 2 SGB V und der Bundesmantelverträge letztlich die Krankenkas-sen das Risiko der Nichtleistung der Praxisgebühr tragen sollen und den KVen die Durchset-zung des Zahlungsanspruchs obliegt. Denn den Leistungserbringern obliegt die Pflicht, die Voraussetzungen für ein effektives Einzugsverfahren im Rahmen der Behandlungserbringung zu schaffen und nachhaltig auf den Einzug hinzuwirken. Wird dieser Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen, sind Schadensersatzansprüche denkbar.
Die Klägerin kann sich nicht auf die Rahmenempfehlung berufen. Denn diese entfaltet keine Rechtswirkung auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis. Rechtsgrundlage für die Rah-menempfehlung ist § 115 Abs. 5 SGB V, wonach die Spitzenverbände der Krankenkassen ge-meinsam, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesell-schaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben sollen. Nach § 115 Abs. 1 SGB V schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Kran-kenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwi-schen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationä-re Behandlung der Versicherten zu gewährleisten. Aus diesem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass verbindliche Verträge nur von den Landesverbänden und Kassenärztlichen Ver-einigungen auf Landesebene geschlossen werden können. Solche Verträge auf Landesebene sind vorliegend nicht geschlossen worden. Die Rahmenempfehlung nach § 115 Abs. 5 SGB V dient aber allein der Vereinheitlichung und Koordination von Verträgen auf Landesebene. Sie ist damit nicht unmittelbar rechtlich verbindlich (Köhler-Hohmann, in jurisPK-SGB V, 1. Aufl. 2008, § 115 Rn. 56 f.).
Auf die von Beteiligten aufgeworfenen Fragen der Organisation des Einziehungsverfahrens und des Verschuldens beim Nichteinzug der Praxisgebühr kommt es für die Ausübung des Zu-rückbehaltungsrechts nicht an. Bereits der Wortlaut des § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä / § 21 Abs. 7a S. 1 EKV-Ä gibt dafür nichts her. Aber auch nach Sinn und Zweck des Zurückbehaltungs-rechts sind diese Fragen unerheblich. Denn die Zurückbehaltung dient lediglich der Vorberei-tung des Schadensersatzverfahrens nach § 18 Abs. 7a S. 3 BMV-Ä/ § 21 Abs. 7a S. 3 EKV-Ä. Erst in diesem Verfahren werden auch die Art und Weise des Einziehungsverfahrens und das Verschulden als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkassen geprüft. Es wäre sinnwidrig, diese Prüfung zur Voraussetzung des Zurückbehaltungsrechts zu machen und damit dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle vorwegzunehmen. Das Schlichtungsverfahren wäre auf die Feststellung der Schadenshöhe beschränkt und damit ausgehöhlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Zurückbehaltung von Honoraranteilen wegen nicht einbe-haltener Praxisgebühren in den Quartalen I, II, und III/2005. Außerdem wendet sie sich gegen die Höhe der Honorarfestsetzung der Quartale II/2005 und III/2005.
Die Klägerin betreibt das.-.-Krankenhaus, das in seiner Rettungsstelle unter der Abrechnungsnummer 72-74122 Leistungen der ambulanten Notfallversorgung erbringt. Dem Honorarbescheid für das Quartal I/2005 fügte die Beklagte eine Anlage mit eigener Rechtsbehelfsbelehrung bei, mit der sie unter Hinweis auf § 18 Abs. 7a BMV-Ä einen Betrag in Höhe von 8.610,- EUR wegen nicht einbehaltener Praxisgebühren zurückbehielt. Sie stellte eine Nichteinzugsquote (Anteil der Behandlungsfälle, in denen die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V nicht erhoben wurde, an der Gesamtzahl der zuzahlungspflichtigen Behandlungsfälle) von 46,79 % fest. Am 1. November 2005 (Eingang bei der Beklagten) legte die Klägerin "gegen den Honorarbescheid vom 5.10.2005" Widerspruch ein und führte weiter aus: Der Honorarbescheid enthalte eine Kürzung von 8.610,- EUR für nicht einbehaltene Praxisgebühren. Die Rechtsauffassung der Beklagten widerspreche der zwischen den GKV-Spitzeverbänden und der KBV mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossenen "Rahmenempfehlung zum Erheben der Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V (Praxisgebühr) bei ambulanten Leistungen im Krankenhaus" (im Folgenden: Rahmenempfehlung). Eine Zurückbehaltung von Teilen der Vergütung allein unter dem Hinweis auf eine bestehende Differenz zwischen einzubehaltender und einbehaltener Zuzahlung unterlaufe die vertraglichen Regelungen und führe zu einer einseitigen verschuldensu-nabhängigen Verlagerung des Inkassorisikos zu Lasten des Krankenhauses. Patienten, die akut behandlungsbedürftig seien und die Praxisgebühr vor der Behandlung nicht entrichteten, erhielten einen Überweisungsträger sowie eine schriftliche Mahnung. Mit Schreiben an die Beklagte vom 10. Februar 2006 erinnerte die Klägerin an ihren Widerspruch und eine Stellungnahme. Sie forderte die Beklagte auf, den aktuellen Sachstand mitzuteilen oder die Nachzahlung von 8.610,- EUR für die Kürzungen bezüglich nicht einbehaltener Praxisgebühr zu veranlas-sen.
Für das Quartal II/2005 machte die Beklagte in der Anlage zum Honorarbescheid bei einer Nichteinzugsquote von 67,45 % ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 12.970,- EUR geltend. Die Klägerin legte am 26. Januar 2006 (Eingang bei der Beklagten) mit inhaltsgleichem Wi-derspruchsschreiben wie zum Quartal I/2005 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 27. März 2006 erinnerte sie die Beklagte an ihren Widerspruch und eine Stellungnahme. Sie forderte die Beklagte auf, den aktuellen Sachstand mitzuteilen oder die Nachzahlung von 12.970,- EUR für die Kürzungen bezüglich nicht einbehaltener Praxisgebühr zu veranlassen.
Für das Quartal III/2005 machte die Beklagte in der Anlage zum Honorarbescheid bei einer Nichteinzugsquote von 52,16 % ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 9.530,- EUR geltend. Mit dem erneut gleichen Widerspruchsschreiben legte die Klägerin am 28. März 2006 Widerspruch dagegen ein.
Mit Bescheid vom 24. Mai 2006 half die Beklagte den Widersprüchen teilweise ab und redu-zierte die zurückbehaltenen Beträge im Quartal II/05 um 50,- EUR und für das Quartal III/05 um 10,- EUR. Es ergäben sich nunmehr Nichteinzugsquoten von 67,36 % bzw. 52,14 %.
Mit Beschluss ihrer Widerspruchsstelle vom 13. Juni 2006 (schriftlicher Bescheid zugestellt mit Einschreiben vom 6. Juli 2006) wies die Beklagte die Widersprüche, soweit ihnen nicht abgeholfen worden war, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei § 18 Abs. 7a BMV-Ä beziehungsweise § 21 Abs. 7a EKV-Ä. Die Klägerin habe in mehr als 10 % der Behandlungs-fälle die Praxisgebühr nicht eingezogen. Bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hande-le es sich um eine Ermessensentscheidung. Das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, die Praxisgebühr grundsätzlich vor der Behandlung in bar zu erheben. Auch in Notfällen sei die Gebühr vor Behandlungsbeginn zu erheben. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin sich an die gesetzlichen Vorgaben halte, zumal bei wirklich akuter Behandlung die Patienten stationär aufgenommen würden und die Praxisgebühr in diesem Fall entfalle. Aus der fehlenden Patientenbindung in Erste-Hilfe-Stellen resultiere ein erhöhtes Inkassorisiko, weshalb die Erhebung der Praxisgebühr vor der Behandlung unumgänglich sei. Aufgrund der Höhe des Anteils der nicht eingezogenen Praxisgebühren sei davon auszugehen, dass die Klägerin diese nicht unter Beachtung der gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen erhoben habe.
Gegen die Zurückbehaltung der Praxisgebühren richtet sich die am 7. August 2006 erhobene Klage, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. August 2006 dahingehend ergänzt hat, dass sich die Klage auch gegen die Honorarfestsetzung der Quartale II/05 und III/05 richtet. Zur Begründung trägt die Klägerin insbesondere vor: Die Organisation und Durchführung des Einzugsverfahren stünden im Einklang mit der Rahmenempfehlung nach § 115 SGB V. Die Gründe für die hohe Nichtzahlerquote lägen in der spezifischen Situation der Notfallbehandlung in Erste-Hilfe-Stellen begründet. §§ 18 Abs. 7a BMV-Ä, 21 Abs. 7a EKV-Ä seien verfassungs-widrig, weil die erforderliche gesetzliche Grundlage fehle. Ein Zurückhaltungsrecht setze Ge-genansprüche voraus, die gesetzlich nicht vorgesehen seien, denn es gebe keine gesetzlichen Sanktionsmechanismen. § 43b Abs. 2 SGB V beinhalte keine Regelungskompetenz für Sanktionen. Das Inkassorisiko dürfe nicht auf die Leistungserbringer abgewälzt werden. Die Voraus-setzungen des § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä lägen nicht vor. Unter Erheben im Sinne der Vor-schrift sei die Anforderungen der Gebühr zu verstehen, was sie – die Klägerin – gemacht habe. Gegenansprüche nach § 49 BMV-Ä / 45 EKV-Ä hätten zum Zeitpunkt der Ausübung des Zu-rückbehaltungsrechts schon deswegen nicht festgestellt werden können, weil noch gar keine Schlichtungsstellen existierten. Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft, weil sie – die Klägerin – keine Pflichtverletzung begangen habe. Es bestehe keine gesetzliche Pflicht zum Einzug der Praxisgebühr vor der Behandlung. Bei akuter Behandlungsbedürftigkeit, die nicht mit der Notwendigkeit der stationären Aufnahme gleichzusetzen sei, müsse der Patient auch ohne vor-herige Bezahlung behandelt werden. Es bestehe keine Verpflichtung des Arztes, die Behandlung zu verweigern, wenn der Patient nicht zahle. Die Weigerung könne sogar zivil- und straf-rechtliche Konsequenzen haben. Auch sei es ermessensfehlerhaft, strengere Anforderungen an das Einzugverfahren in Erste-Hilfe-Stellen als an Arztpraxen zu stellen. Schließlich liege kein schuldhaftes Handeln vor, das für einen Schadensersatzanspruch nach § 49 BMV-Ä aber Vor-aussetzung sei. Die hohe Nichtzahler-Quote führe nicht zu einer Verschuldensvermutung. Die Klage sei auch hinsichtlich der Honorarfestsetzung zulässig und begründet. Widerspruch sei gegen den gesamten Honorarbescheid erhoben worden. Die bei der Vergütung vorgenommene Ungleichbehandlung mit Leistungen im Notfalldienst, die von Vertragsärzten erbracht worden seien, sei nicht zu rechtfertigen.
Die Klägerin beantragt, 1) die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheides für das I. Quartal 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2006 zu verurtei-len, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 8.610,- EUR zu zahlen; 2) die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheids für das II. Quartal 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2006 zu verurteilen, a) an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 12.970,- EUR zu zahlen; b) über die Vergütung der erbrachten Leistungen des organisierten Not-dienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des G erichts erneut zu entscheiden; 3) die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheids für das III. Quartal 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2006 zu verurteilen, a) an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 9.530,- EUR zu zahlen, b) über die Vergütung der erbrachten Leistungen des organisierten Notdienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass die Klage hinsichtlich der Honorarfestsetzung unzulässig sei, weil sich die Klägerin im Widerspruchsverfahren nur gegen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gewandt und die Honorarfestsetzung im eigentlichen Sinne nicht beanstandet habe. Die Honorarbescheide seien insoweit bestandskräftig geworden. Die Regelung des § 18 Abs. 7a BMV-Ä sei vorliegend anwendbar. § 43 b Abs. 2 SGB V betreffe alle Leistungserbringer, also auch Krankenhäuser, deren ambulante Notfallleistungen zur vertragsärztlichen Versorgung gehörten. Sowohl die Bundesmantelvertragspartner als auch sie – die Beklagte – dürften nach der Rechtsprechung des BSG gegenüber der Klägerin hoheitliche Maßnahmen erlassen, wenn sie keine Benachteiligung zu Vertragsärzten beinhalteten. Die Ergänzung des BMV-Ä um § 18 Abs. 7a BMV-Ä sei die Reaktion der Bundesmantelvertragspartner darauf gewesen, dass die Nichteinzugsquote in Krankenhäusern sehr hoch gewesen sei. Die Regelung enthalte die Ver-mutung, dass der Einzug bei einer Nichteinzugsquote über 10 % nicht ordnungsgemäß erfolge. Der Leistungserbringer könne diese Vermutung im Schlichtungsverfahren widerlegen. Die hohen Nichteinzugsquoten habe die Klägerin nicht erklären oder entschuldigen können. Die Pra-xisgebühr müsse jedenfalls erhoben werden, so lange sich der Patient in den Räumen der Klägerin aufhalte. § 43 b Abs. 2 SGB V enthalte auch die Berechtigung der Bundesmantelvertragspartner, ein Zurückbehaltungsrecht vorzusehen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlag und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bezogen auf das Begehren der Klägerin, in den Quartalen II/2005 und III/2005 eine höhere Vergütung zu erhalten, bereits unzulässig. Denn die Klägerin hat gegen die Hono-rarbescheide insoweit keinen Widerspruch eingelegt, so dass die Bescheide in diesem Umfang bestandskräftig geworden sind (§ 77 SGG). Ein Honorarbescheid enthält eine Vielzahl von Re-gelungen im Sinne des § 31 Abs. 1 SGB X. Der Widerspruch gegen einen Honorarbescheid kann deshalb auf alle abtrennbaren Regelungsteile beschränkt werden. Die Beschränkung des Rechtsbehelfs hat dann zur Folge, dass alle nicht angefochtenen Einzelregelungen in Bestands-kraft erwachsen (vgl. dazu Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 21 Rn. 69 und 71 f.). Die von der Klägerin erhobenen Widersprüche richteten sich jeweils nur gegen die in der Anlage zum Honorarbescheid von der Beklagten getroffene Regelung zur Ausübung des Zurückbehaltungsrechts. Zwar hat die Klägerin im Einleitungssatz ihrer Wider-sprüche jeweils "gegen den Honorarbescheid" Widerspruch eingelegt, worunter der Bescheid mit allen in ihm enthaltenen Regelungen gemeint sein könnte. Bereits im nächsten Satz ihrer Widerspruchsschreiben hat die Klägerin die Widersprüche jedoch auf die Kürzungen für nicht einbehaltene Praxisgebühren beschränkt. Nur hierzu hat sie die Widersprüche begründet. Des Weiteren hat sie im Rahmen der Widerspruchsverfahren zum ersten und zweiten Quartal 2005 jeweils die Entscheidung der Beklagten angemahnt, dabei aber nur auf der Nachzahlung der zurückbehaltenen Beträge bestanden. Weitere Zahlungen – insbesondere eine höhere Vergü-tung – hatte sie nicht verlangt. Damit es klar, dass die Klägerin nur die Ausübung des Zurück-weisungsrechts für rechtswidrig erachtete und sich auch nur hiergegen wandte. Bis zum ge-richtlichen Schriftsatz ihrer Klägerbevollmächtigten vom 10. August 2006 ist nichts dafür er-sichtlich, dass sie auch die Höhe der Vergütung angreifen wollte. Im Übrigen hat die Beklagte ausweislich des in der Einleitung des Widerspruchsbescheids bezeichneten Streitgegenstands ("hier: Zurückbehaltung der Praxisgebühr gemäß § 18 Abs. 7 a BMV-Ä und § 21 Abs. 7 a EKV in den Quartalen I/2005, II/2005 und III/2005") im Widerspruchsverfahren nur über die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts entschieden. Selbst wenn man der Auffassung der Klä-gerin folgte und die Widersprüche auf sämtliche in den Honorarbescheiden enthaltenen Rege-lungen beziehen wollte, wäre die Klage weiterhin unzulässig. Denn das gemäß § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG notwendige Widerspruchsverfahren wäre insoweit bisher nicht durchgeführt worden.
Soweit die Klägerin die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts angreift, ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 24. Mai 2006 den Widersprüchen teilweise abgeholfen und die zurückbehaltenen Beträge im Quartal II/05 um 50,- EUR und für das Quartal III/05 um 10,- EUR reduziert hat, ist die Klägerin schon nicht mehr beschwert und die Klage bereits deshalb erfolglos. Im Übrigen sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat das Zurückbehaltungsrecht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
Rechtsgrundlage für die angegriffenen Bescheide ist § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä bzw. § 21 Abs. 7a S. 1 EKV-Ä. Nach der in beiden Verträgen gleichlautenden Vorschrift kann die Kassenärzt-liche Vereinigung, wenn sich aus der Abrechnung ergibt, dass ein Leistungserbringer in einem Quartal in 10 von Hundert oder einem höheren Anteil der Behandlungsfälle, in denen die Zu-zahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V zu erheben ist, die Zuzahlung nicht erhoben hat, die Diffe-renz zwischen einzubehaltender und einbehaltender Zuzahlung zurückbehalten. Nach § 18 Abs. 7a S. 3 BMV-Ä bzw. § 21 Abs. 7a S. 3 EKV-Ä leitet die Kassenärztliche Vereinigung in Ab-stimmung mit der zuständigen Krankenkasse gleichzeitig ein Verfahren nach § 49 BMV-Ä bzw. § 45 EKV-Ä ein.
Danach sind die auf Grundlage von § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä / § 21 Abs. 7a S. 1 EKV-Ä er-gangenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist Leistungserbringer im Sinne der Vorschrift, weil die in Notfällen ambulant ausgeführten ärztlichen Leistungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 BMV-Ä/EKV-Ä zur vertragsärztlichen Versorgung gehören. In den betroffenen Quartalen hat die Klägerin ih-rer eigenen Abrechnung zufolge in 46,79 vom Hundert, 67,36 vom Hundert und 52,14 vom Hundert der Fälle die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V (im Folgenden: Praxisgebühr) nicht erhoben. Dabei ist "erheben" nicht im Sinne von Geltendmachen, sondern im Sinne von erfolg-reichem Einziehen, also der tatsächlichen Realisierung der Praxisgebühr durch Zahlung des Pa-tienten, zu verstehen. "Erheben" lässt seinem natürlichen Wortsinn nach zwar beide Verständ-nisformen zu. Allerdings wird in der Vorschrift darauf abgestellt, dass sich der Anteil der nicht erhobenen Praxisgebühren aus der Abrechnung ergibt. Weil der Leistungserbringer in der Ab-rechnung aber nicht dokumentiert, ob er den Patienten zur Zahlung aufgefordert hat, sondern ob der Patient tatsächlich gezahlt hat, kann vorliegend mit "erheben" nur die Einziehung ge-meint sein. Dass die Bundesmantelvertragspartner im ersten Halbsatz des § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä das Wort "erheben", im zweiten Halbsatz jedoch "einbehalten" verwendet haben, dürfte keine weitere Bedeutung haben. Die beiden Vokabeln sind nur zur besseren sprachlichen Verständlichkeit und zur Vermeidung von Wortwiederholungen synonym verwendet worden.
Das ihr zustehende Ermessen hat die Beklagte erkannt und ausgeübt. Dabei sind Ermessensfeh-ler i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 2 SGG nicht zu erkennen. In Anbetracht der Funktion der Vorschrift, einen möglichen Schadensersatzanspruch der Krankenkassen nach §§ 49 BMV-Ä/45 EKV-Ä zu sichern, kommt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts grundsätzlich bereits bei Vorlie-gen der tatbestandlichen Voraussetzungen in Betracht. Gründe, von der Ausübung des Zurück-behaltungsrechts Abstand zu nehmen, könnten allenfalls in der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des betroffenen Leistungserbringers liegen. Dass die Klägerin durch das Zu-rückbehalten der streitigen Beträge von insgesamt 31.050,- EUR in ihrem wirtschaftlichen Bestand gefährdet wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und angesichts der Größe des von ihr betriebenen Krankenhauses auch nicht vorstellbar. Auch ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte auf die fehlende Patientenbindung in Erste-Hilfe-Stellen hinweist und des-halb eine besonders gute Organisation des Einzugsverfahrens fordert. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Hemmschwelle für Patienten, die Praxisgebühr (nach bereits erfolgter Be-handlung) nicht mehr zu bezahlen, im Rahmen einer einmaligen Notfallbehandlung niedriger ist als in einer Arztpraxis, die man immer wieder aufsucht und in der man als Patient bekannt ist.
Die von der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide sonstigen vorgebrachten Einwände greifen nicht. Die Regelungen des § 18 Abs. 7a BMV-Ä / § 21 Abs. 7a EKV-Ä sind auf die Klägerin anwendbar. Zwar nimmt das von der Klägerin betriebene Krankhaus grundsätzlich nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die ambulante Not-fallversorgung durch Krankenhäuser gem. § 75 Abs. 1 s. 2 SGB V ist jedoch Teil der vertrags-ärztlichen Versorgung (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BMV-Ä/EKV-Ä; BSG, Urteil v. 16. April 1986, -6 RKa 34/84-, SozR 2200 § 368d Nr. 5; BSG, Urteil v. 24. September 2003, -B 6 KA 51/02 R-, SozR 4-2500 § 75 Nr. 2). Es handelt sich um einen Fall der beschränkten Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung durch Krankenhäuser und Nichtvertragsärzte, ohne dass diese in die Kassenärztliche Vereinigung einbezogen werden (Wenner, a.a.O., § 14 Rn. 12). In diesem Fall gelten nicht nur die die betroffenen Leistungserbringer begünstigenden Regelungen über die vertragsärztliche Vergütung, sondern auch die sonstigen, für die Leistungserbringer ggf. mit Nachteilen verbundenen Regelungen der vertragsärztlichen Versorgung. Dies gilt jeden-falls dann, wenn die Leistungserbringer die entsprechenden vertragsärztlichen Regelungen kennen müssen. Bei einem Krankenhaus, das regelmäßig und in erheblichem Umfang am Not-falldienst teilnimmt, kann davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Bestimmungen bekannt und daher anwendbar sind (vgl. BSG v. 16. April 1986, a.a.O., hier zit. n. juris, Rn. 14).
Die Regelung des § 18 Abs. 7a BMV-Ä / § 21 Abs. 7a EKV-Ä ist von der Ermächtigungs-grundlage des § 43b Abs. 2 SGB V in der Fassung des GMG v. 14. November 2003 gedeckt. Danach hat der Leistungserbringer Zuzahlungen, die Versicherte nach § 28 Abs. 4 zu entrich-ten haben, einzubehalten; sein Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse, der Kassen-ärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung verringert sich entsprechend (Satz 1). Die nach § 83 zu entrichtenden Vergütungen verringern sich in Höhe der Summe der von den mit der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechnenden Leistungserbrin-gern nach Satz 1 einbehaltenen Zuzahlungen (Satz 2). Das Nähere zum Verfahren nach den Sätzen 1 und 2 ist in den Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (Satz 4). Auch die Neufassung des § 43b SGB V durch das VÄndG v. 22. Dezember 2006 ändert nichts. Danach gilt Absatz 1 Satz 2 (wonach die Krankenkasse, die die Zahlung einzuziehen hat, wenn der Versicherte trotz schriftlicher Zahlungsaufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahlt) nicht im Falle der Leistungserbringung und Abrechnung im Rahmen von Gesamtverträgen nach den §§ 82 und 83 (§ 43 b Abs. 2 S. 3 SGB V n.F.). In den Fällen des Satzes 3 haben die Kassenärztliche oder Kassenzahnärztliche Vereinigung im Auftrag der Krankenkasse die Einziehung der Zuzahlung zu übernehmen, wenn der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht zahlt (Satz 4). In den Bundesmantelverträgen kann ein von Satz 4 abweichendes Verfahren vereinbart werden; das Nähere zum Verfahren nach den Sätzen 1, 2 und 4 bis 7 ist in den Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (§ 43 b Abs. 2 S. 8 SGB V). Da-mit konnten die Bundesmantelvertragspartner die Vorschrift des § 18 Abs. 7a BMV-Ä, bei der es sich um eine Verfahrensregelung handelt, vereinbaren. Ihr kommt entgegen der Auffassung der Klägerin kein sanktionierender oder sanktionsähnlicher Charakter zu. Sie dient lediglich der Sicherung gegebenenfalls im Verfahren nach § 49 BMV-Ä/§ 45 EKV-Ä festzusetzender Schadensregresse (vgl. § 18 Abs. 7a S. 3 BMV-Ä/ § 21 Abs. 7a S. 3 EKV-Ä). Eine endgültige Sanktion würde erst in einem solchen Verfahren getroffen werden. Im Übrigen könnte die Vor-schrift – wollte man sie nicht von durch § 43 b Abs. 2 SGB V als gedeckt ansehen – jedenfalls auf Grundlage der Generalklausel des § 82 Abs. 1 SGB V vereinbart werden. Denn die Bun-desmantelvertragspartner haben einen normativen Gestaltungsspielraum und sind nicht darauf beschränkt, nur die zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen (Freudenberg, in: jurisPK-SGB V, Rn. 25). Die Regelungen zur Zurückbehaltung von Vergütungsansprüchen in Höhe nicht eingezogener Praxisgebühren bis zur Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch liegen innerhalb dieses Gestaltungsspielraums.
Soweit die Klägerin vorbringt, Gegenansprüche, die ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigen könnten, seien gesetzlich nicht vorgesehen, so übersieht sie die in den Bundesmantelverträgen gem. § 49 BMV-Ä / § 45 EKV-Ä vorgesehen Verfahren zur Schadensfeststellung und -festsetzung als Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens. Diese etwaig bestehenden Schadenser-satzansprüche können mit dem Zurückbehaltungsrecht gesichert werden. Genau auf solche An-sprüche zielt die Regelung nach § 18 Abs. 7 a BMV-Ä / 21 Abs. 7 a EKV-Ä, wie aus dem Satz 3 der Vorschrift, wonach zugleich das Schlichtungsverfahren einzuleiten ist, erkennbar ist. Dass die Schlichtungsstelle zum Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts noch nicht eingerichtet war, ändert nichts daran, dass Schadensersatzansprüche in Betracht kommen können. Dass die Beklagte das Schlichtungsverfahren entgegen der Vorschrift des Satz 3 nicht zugleich mit der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts eingeleitet hat, ändert an der Rechtmä-ßigkeit der Ausübung nichts. Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens ist nicht tatbestandli-che Voraussetzung des Zurückbehaltungsrechts. Die Klägerin ist für den Fall, dass die Beklag-te das Schlichtungsverfahren nicht einleitet und das Zurückbehaltungsrecht so in einen dauer-haften Einbehalt umwandelt, hinreichend geschützt, weil sie die Beklagte ggf. auf Einleitung des Schlichtungsverfahrens mittels Leistungsklage verklagen könnte.
Die Einführung und Ausübung des Zurückbehaltungsrechts führt auch nicht zu der von der Klägerin angenommenen Verlagerung des Inkassorisikos zu ihren Lasten. Erneut ist darauf hinzuweisen, dass es um die Sicherung von eventuellen Schadensersatzansprüchen nach § 49 BMV-Ä / § 45 EKV-Ä, nicht aber darum geht, den Krankenhäusern das Ausfallrisiko aufzuer-legen. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass nach den Regelungen des § 43 b Abs. 2 SGB V und der Bundesmantelverträge letztlich die Krankenkas-sen das Risiko der Nichtleistung der Praxisgebühr tragen sollen und den KVen die Durchset-zung des Zahlungsanspruchs obliegt. Denn den Leistungserbringern obliegt die Pflicht, die Voraussetzungen für ein effektives Einzugsverfahren im Rahmen der Behandlungserbringung zu schaffen und nachhaltig auf den Einzug hinzuwirken. Wird dieser Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen, sind Schadensersatzansprüche denkbar.
Die Klägerin kann sich nicht auf die Rahmenempfehlung berufen. Denn diese entfaltet keine Rechtswirkung auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis. Rechtsgrundlage für die Rah-menempfehlung ist § 115 Abs. 5 SGB V, wonach die Spitzenverbände der Krankenkassen ge-meinsam, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesell-schaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben sollen. Nach § 115 Abs. 1 SGB V schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Kran-kenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwi-schen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationä-re Behandlung der Versicherten zu gewährleisten. Aus diesem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass verbindliche Verträge nur von den Landesverbänden und Kassenärztlichen Ver-einigungen auf Landesebene geschlossen werden können. Solche Verträge auf Landesebene sind vorliegend nicht geschlossen worden. Die Rahmenempfehlung nach § 115 Abs. 5 SGB V dient aber allein der Vereinheitlichung und Koordination von Verträgen auf Landesebene. Sie ist damit nicht unmittelbar rechtlich verbindlich (Köhler-Hohmann, in jurisPK-SGB V, 1. Aufl. 2008, § 115 Rn. 56 f.).
Auf die von Beteiligten aufgeworfenen Fragen der Organisation des Einziehungsverfahrens und des Verschuldens beim Nichteinzug der Praxisgebühr kommt es für die Ausübung des Zu-rückbehaltungsrechts nicht an. Bereits der Wortlaut des § 18 Abs. 7a S. 1 BMV-Ä / § 21 Abs. 7a S. 1 EKV-Ä gibt dafür nichts her. Aber auch nach Sinn und Zweck des Zurückbehaltungs-rechts sind diese Fragen unerheblich. Denn die Zurückbehaltung dient lediglich der Vorberei-tung des Schadensersatzverfahrens nach § 18 Abs. 7a S. 3 BMV-Ä/ § 21 Abs. 7a S. 3 EKV-Ä. Erst in diesem Verfahren werden auch die Art und Weise des Einziehungsverfahrens und das Verschulden als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkassen geprüft. Es wäre sinnwidrig, diese Prüfung zur Voraussetzung des Zurückbehaltungsrechts zu machen und damit dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle vorwegzunehmen. Das Schlichtungsverfahren wäre auf die Feststellung der Schadenshöhe beschränkt und damit ausgehöhlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Rechtskraft
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