L 8 B 5/09 R ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 40 R 33/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 B 5/09 R ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2009 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.12.2008 wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.858,05 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin von ihr für den Zeitraum von 02.02. bis 30.11.2004 Sozialversicherungsbeiträge für angeblich von der B L C GmbH im Zeitraum vom 02.02. bis zum 30.11.2004 illegal an sie überlassene Arbeitnehmer fordert.

Die Antragstellerin ist ein seit 1981 im Baugewerbe tätiges Unternehmen. Sie beschäftigt sich mit Rohbauarbeiten im Hochbau sowie allen damit im Zusammenhang stehenden Geschäften.

Die B L C GmbH, deren geschäftsführende Alleingesellschafterin die kaufmännische Angestellte B1 L1 war, entstand am 12.01.2004 durch Umfirmierung aus einer Vorratsgründung. Offiziell war der Unternehmensgegenstand die Betreuung und Ausführung von Bauleistungen, tatsächlich jedoch - zumal Frau L1 und ihr als faktischer Geschäftsführer im Betrieb tätiger Ehemann über keinerlei Kenntnisse aus der Baubranche verfügten - in der nicht genehmigten Gestellung u.a. ausländischer insbesondere britischer Arbeitskräfte an Drittfirmen. Die von diesen Kräften erbrachten Bauleistungen rechnete die B L C GmbH gegenüber den Drittfirmen als Bauleistungen ab. Wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der B L C GmbH wurde Frau L1 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt (LG Bochum, Urteil v. 18.06.2007, 2 (10) Kls 35 Js 161/06 Teil 2). Der am 13.03.2006 gestellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B L C GmbH wurde mangels Masse abgelehnt (AG Dortmund, Beschluss v. 17.10.2006, 259 IN 111/06).

Die Antragstellerin und die B L C GmbH schlossen zwischen dem 16.02.2004 und dem 26.05.2004 mindestens fünf "Nachunternehmerverträge" betreffend verschiedene Bauvorhaben in N, E und L2 (hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin).

Am 01.08.2006 wurden im Zusammenhang mit Ermittlungen des Hauptzollamtes (HZA) C1 zur Aufdeckung von Schwarzarbeit gegen die Antragstellerin deren Geschäftsräume durchsucht, wobei u.a. 28 Originalrechnungen der B L C GmbH an die Antragstellerin sowie 2 Freistellungs- und 3 Unbedenklichkeitsbescheinigungen der B L C GmbH aufgefunden wurden. Die Rechnungen datierten aus dem Zeitraum vom 20.02.2004 bis 06.12.2004. Weitere Ermittlungen ergaben, dass die Antragstellerin der B L C GmbH auf die verschiedenen Rechnungen insgesamt einen Betrag in Höhe von 75.091,59 Euro überwiesen hatte. Im Abschlussbericht des HZA gegenüber der Staatsanwaltschaft N vom 31.05.2007 betreffend die Ermittlungen gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer der Antragstellerin, Q T, heißt es u.a.: "Nach hiesiger Bewertung ... wird angenommen, dass eine Arbeitnehmerüberlassung z.Zt. nicht nachzuweisen ist. Eine Integration der Leiharbeitnehmer in den Betriebsablauf des Entleiherunternehmens, hier Fa. T Bauunternehmen, kann nicht nachgewiesen werden".

Mit Bescheid vom 08.12.2008 verlangte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 19.432,19 EUR. Zur Begründung führte sie aus: Die Antragstellerin sei zwar von der Verantwortlichen der B L C über die tatsächlichen Gegebenheiten getäuscht worden. Nach den bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit geführten Ermittlungen sei ihr keine Fahrlässigkeit in Bezug auf die Nichtabführung der Beiträge anzulasten. Allerdings habe die Antragstellerin nachweislich Geschäftsbeziehungen zur B L C GmbH unterhalten. Es sei aufgrund der Feststellungen des LG Bochum zweifelsfrei nachgewiesen, dass diese ausschließlich Arbeitnehmer überlassen habe. Die GmbH habe über keinerlei Geschäftsräume, Lager oder Material verfügt. Ihr Geschäftszweck habe ausschließlich in der Arbeitnehmerüberlassung bestanden. Da sie hierfür keine gültige Verleiherlaubnis nach § 9 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) gehabt habe, gälten die Arbeitsverhältnisse der von ihr vermittelten Arbeitnehmer gemäß § 10 Abs. 1 AÜG als mit der Antragstellerin zustande gekommen. Diese hafte daher für die Sozialversicherungsbeiträge gesamtschuldnerisch mit der B L C GmbH, der ebenfalls ein Beitragsbescheid zugestellt worden sei.

Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte, die Vollziehung des Bescheides vom 08.12.2008 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auszusetzen, hilfsweise zumindest bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Die Ermittlungen des HZA hätten ergeben, dass ihr, der Antragstellerin, eine Beteiligung an erlaubter oder unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung nicht nachzuweisen sei. Die Mitarbeiter der B L C GmbH seien ihr nicht bekannt gewesen. Diese hätten die werkvertraglich geschuldeten Leistungen auftragsgemäß erbracht und abgerechnet. Die B L C GmbH habe zumindest den Anschein erweckt, Bauleistungen zu erbringen, da sie der Antragstellerin 2 Freistellungs- und weitere 3 Unbedenklichkeitsbescheinigungen habe vorlegen können. Sie habe die geschuldeten Leistungen auch ohne Beanstandungen erbracht. Die Vorstellung, dass eine Bevorratung von Arbeitsutensilien und -material für die Unterhaltung des Betriebes einer Bauunternehmung erforderlich wäre, sei angesichts von "Just in Time"-Lieferungen von Arbeitsmaterialien direkt auf Baustellen und des Erscheinens von Vermietungsunternehmen, die die ganze Bandbreite von Werkzeug und Gerät gegen die Zahlung eines Mietzins überließen, ohnehin antiquiert. Die mögliche Vollstreckung stelle zudem eine unbillige Härte dar. Die Vollstreckung in ihr Vermögen würde die Existenz des Unternehmens gefährden. Sie habe keinerlei Kenntnis über den weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegen die B L C GmbH gehabt.

Mit Schreiben vom 13.02.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Am 27.02.2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung ihres Antrages hat sie im Wesentlichen ihre Ausführungen in dem Widerspruch wiederholt.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 18.12.2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.12.2008 einstweilen anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Beitragsforderung abzulehnen.

Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides bezogen.

Das SG hat mit Beschluss vom 17.03.2009 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 08.12.2008 angeordnet. Es hat diesen Bescheid für offensichtlich rechtswidrig gehalten, weil die Arbeitnehmer der B L C GmbH nicht in den Betriebsablauf der Antragstellerin integriert gewesen seien und diese nicht einmal gewusst habe, dass eine Arbeitnehmerüberlassung stattfand. Der Bescheid sei im Übrigen auch deswegen rechtswidrig, weil er nicht schon im Verfügungssatz darauf hinweise, dass die Antragstellerin und die B L C GmbH nur gesamtschuldnerisch hafteten.

Gegen den ihr am 26.03.2009 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragsgegnerin am 09.04.2009 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, es stehe zweifelsfrei fest, dass die B L C GmbH weder über das notwendige Personal noch über die organisatorischen und materiellen Strukturen verfügt habe, um qualifizierte Bauleistungen im Rahmen eines Werkvertrages zu erbringen. An Aufmaßen sei sie mangels ausreichender Qualifikation nie beteiligt gewesen. Sie habe ausschließlich die von der Antragstellerin vorgegebenen Preise akzeptiert. Die B L C GmbH habe auch kein eigenes Werkzeug in nennenswertem Umfang besessen. Außerdem hätten Werbefaxe/-angebote bereits auf den eigentlichen Zweck der Arbeitnehmerüberlassung hingedeutet, weil Personal zu festen Stundenverrechnungssätzen angeboten worden sei. Die Arbeitnehmerüberlassung sei dadurch gekennzeichnet, dass dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt würden, die dieser gemäß seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetze. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liege Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn der Werkunternehmer nicht über die betrieblichen oder personellen Voraussetzungen verfüge, die Tätigkeit der von ihm zur Erfüllung vertraglicher Pflichten im Betrieb eines Dritten eingesetzten Arbeitnehmer zu organisieren und ihnen Weisungen zu erteilen. Nach Auffassung des BAG sei es ausgeschlossen, dass eine Briefkastenfirma Werkvertragsleistungen erbringen könne. Im Hinblick darauf habe das SG übersehen, dass für die von der Antragstellerin zu erbringenden Bauleistungen unabdingbar eine Eingliederung der überlassenen Arbeitnehmer in deren Betriebsablauf notwendig gewesen sei, da nur diese über die erforderlichen Strukturen und Kenntnisse für die Ausführung von Bauleistungen verfügt habe. In den Fällen des § 86a Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe der Gesetzgeber bewusst das Vollzugsrisiko bei Beitragsforderungsbescheiden auf den Adressaten der Forderung verlagert, um die Finanzierbarkeit des öffentlichen Sozialversicherungssystems sicherzustellen. Diese gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung würde ad absurdum geführt, wenn bei einem offenen Ausgang des Widerspruchsverfahrens eine Aussetzung der Vollziehung angeordnet würde. Gewichtige Argumente, die zu einem Abweichen von dieser Regelung führen könnten, seien im Verfahren vor dem SG nicht vorgetragen worden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts vom 17.03.2009 aufzuheben und den Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus, es sei ein völlig üblicher Vorgang, dass eine Subunternehmung die seitens des Bestellers vorgegebenen Preise im Sinne einer Sollvereinbarung akzeptiere. Die von der B L C GmbH geschuldeten Leistungen stellten Grundtätigkeiten im Bauwesen dar, die üblicherweise nach Größeneinheiten pauschal abgerechnet würden. Die Preisvereinbarungen gäben daher nur marktübliche Vergütungssätze wieder. Die Tatsache, dass die Antragstellerin grundsätzlich das zu verarbeitende Material selbst und auf eigene Kosten zur Baustelle habe verbringen lassen und die dafür erforderlichen Werkzeuge vorgehalten habe, beruhe auf rein wirtschaftlichen Erwägungen. Die B L C GmbH habe im Übrigen gerade nicht nach Stundenverrechnungssätzen, sondern nach Abnahme und Umfang der geleisteten Werke abgerechnet. Es sei zwar richtig, dass die Antragstellerin auf ihren Baustellen Bauleiter einsetze, deren Aufgabe es sei, die einzelnen Gewerke und Subunternehmer sowie die Tätigkeiten der eigenen Mitarbeiter zu koordinieren. Im Verlauf dieser Tätigkeiten sprächen die Bauleiter auch Weisungen aus - gegenüber den eingesetzten Subunternehmen aber allein sachbezogen. Dies sei im Interesse einer ordnungsgemäßen Bauausführung nur nachvollziehbar. Das Vorgehen der Antragsgegnerin stelle im Ergebnis den untauglichen Versuch dar, einen Beitragsausfall zu Lasten eines Unbeteiligten zu kompensieren.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin betreffend die Antragstellerin und die B L C GmbH.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das SG hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.12.2008 zu Unrecht angeordnet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen. Die Entscheidung, ob sie ausnahmsweise dennoch angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des privaten Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. [2008] § 86b Rn. 12b; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. [2008]), Rdnr. 164) zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können im Regelfall nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs (Widerspruch oder Klage) überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen erforderlich sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung im Eilverfahren mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 24.06.2009, L 8 B 4/09 R ER, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Nach diesen Grundsätzen durfte das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.12.2008 nicht anordnen. Denn nach dem gegenwärtigen Sachstand spricht jedenfalls nicht mehr dafür als dagegen, dass sich dieser Bescheid im Rechtsbehelfsverfahren als rechtswidrig erweisen wird.

Zunächst liegen im Hinblick auf die Stellungnahme der I S & D vom 28.03.2007, wonach von dort für Mitarbeiter der Firma F G Ltd. keine Entsendebescheinigungen ausgestellt worden sind, nach dem bisherigen Sachstand keine Anhaltspunkte dafür vor, dass für auf den Baustellen der Antragstellerin vor Ort tätig gewordenen Arbeitskräfte nach § 5 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) / Art. 14 VO 1408/71 EWG die Vorschriften des SGB über die Versicherungspflicht keine Anwendung finden.

Die Pflicht der Antragstellerin zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann sich hier nur aus § 28e Abs. 1 SGB IV ergeben. Die Vorschrift des § 28e Abs. 2 SGB IV, die das SG maßgeblich herangezogen hat, enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage in Satz 1 gegen den Entleiher, der bei wirksamer Arbeitnehmerüberlassung wie ein selbstschuldnerischer Bürge haftet. Um einen solchen Fall geht es hier jedoch ersichtlich nicht. Bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung begründet § 28e Abs. 2 Satz 3 SGB IV zusätzliche Ansprüche nur gegen den Verleiher. Im Verhältnis zum Entleiher stellt § 28e Abs. 2 Satz 4 SGB IV dagegen keine eigenständige Anspruchsnorm dar, sondern beschränkt sich auf die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung. Die Voraussetzungen der Generalunternehmerhaftung nach § 28e Abs. 3a bis 3e SGB IV sind von der Antragsgegnerin bislang nicht festgestellt worden.

Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat "der Arbeitgeber" den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Arbeitgeber ist dabei zum einen derjenige, der unmittelbar mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV eingegangen ist. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht zudem der Entleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG, d.h. wegen Fehlens der erforderlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG, unwirksam ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entsteht - jedenfalls in aller Regel - auch ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, sodass den Entleiher neben den arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten auch die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages trifft (vgl. BSG, Urteil v. 27.07.1987, 2 RU 41/85, NZA 1988, 263; BSG, Urteil v. 18.03.1987, 9b RU 16/85, SozR 7815 Art 1 § 10 Nr 3; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 17.01.2005, L 2 B 9/03 KR ER, Breith 2005, 437; jeweils m.w.N.).

Diese Verpflichtung gilt auch dann, wenn der Verleiher den Arbeitslohn und/oder den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ganz oder teilweise entrichtet, unabhängig davon, ob hierdurch zusätzlich ein "faktisches Arbeitsverhältnis" zwischen Verleiher und Arbeitnehmer zustande kommt. Das ist durch die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung in § 28e Abs. 2 Satz 4 SGB IV klar gestellt (vgl. bereits BSG, Urteil v. 25.10.1988, 12 RK 21/87, BSG, Urteil v. 27.08.1987, a.a.O.; ebenso Thüsing in Thüsing, AÜG, 2008, Einf. Rdnr. 80 m.w.N. zum Streitstand). Wenn und soweit der Verleiher den Arbeitslohn bzw. den Gesamtsozialversicherungsbeitrag entrichtet, kann der Entleiher danach lediglich den Erfüllungseinwand gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erheben, sich im Übrigen aber nicht von seinen sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten befreien.

Nach dem vorliegenden Akteninhalt ist davon auszugehen, dass die B L C GmbH - jedenfalls an dritte Unternehmen - Arbeitnehmer gewerbsmäßig überlassen hat, ohne die dafür erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Ebenso spricht nichts gegen die Annahme der Antragsgegnerin, dass die im vorliegenden Fall auf der Baustelle eingesetzten Kräfte als Arbeitnehmer (und nicht als Selbstständige) tätig geworden sind. Entscheidend ist somit, ob die Tätigkeit im Rahmen eines Werkvertrages gemäß § 631 BGB oder auf der Grundlage einer Arbeitnehmerüberlassung erfolgt ist. Entgegen der Auffassung des SG sprechen nach dem derzeitigen Sachstand die überwiegenden Gesichtspunkte für eine Arbeitnehmerüberlassung.

Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Verleiher dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen ausführen. Im Gegensatz dazu wird beim Werk- und Dienstvertrag ein Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen. Die zur Ausführung der vertraglich geschuldeten Leistungen eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen als Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers dessen Weisungsbefugnis. Der Werkbesteller kann dem Werkunternehmer lediglich solche Anweisungen geben, die sich auf die Ausführung des Werkes beziehen (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Maßgeblich für die rechtliche Einordnung der jeweiligen Verträge ist weder die von den Vertragsparteien gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung, sondern der wirkliche Geschäftsinhalt. Dieser kann sich sowohl aus ausdrücklichen Vereinbarungen als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Vertragsausführung maßgebend, weil die Vertragspraxis zuverlässige Rückschlüsse auf das zwischen den Vertragsparteien wirklich Gewollte zulässt (BAG, Urteil v. 08.11.1978, 5 AZR 261/77,AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 09.11.1994, 7 AZR 217/94, AP Nr. 18 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 06.08.2003, 7 AZR 180/03, AP Nr. 6 zu § 9 AÜG; BSG, Urteil v. 11.02.1988, 7 RAr 5/86, AP Nr. 10 zu § 1 AÜG).

Die Einordnung von Weisungen des Hauptunternehmers an Mitarbeiter des Nachunternehmers als Anweisungen im Sinne von § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt dabei voraus, dass im Rahmen des Nachunternehmervertrages ein hinreichend bestimmtes abnahmefähiges Werk beschrieben wird (vgl. hierzu und zum Folgenden BAG, Urteil v. 09.11.1994, a.a.O.). Daran fehlt es, wenn der wesentliche Inhalt des Leistungsgegenstandes erst durch Anweisungen des Hauptunternehmers konkretisiert wird. Bei Durchsicht der von der Antragstellerin überreichten "Nachunternehmerverträge" lässt sich eine hinreichende vertragliche Konkretisierung der angeblich von der B L C GmbH zu erbringenden Werkleistungen nicht erkennen. Sie enthalten lediglich einige allgemeine Regelungen, sehen als Bestandteile des Auftrages indessen nur den Vertrag selbst, eine ggf. beigefügte Einheitspreisliste und die Verdingungsordnung für das Baugewerbe (VOB) vor. Eine Leistungsbeschreibung ist ihnen dagegen nicht zu entnehmen. Sie beziehen sich auch nicht auf eine solche, anders als z.B. in der Empfehlung "Muster für General- und Nachunternehmerverträge im Schlüsselfertigbau" v. 08.07.2005 (BAnz. Nr. 163, S. 13145 ff.) vorgesehen. Die genaue Bestimmung der Ausführungsfristen ist regelmäßig einer Absprache mit dem Bauleiter vorbehalten, ohne dass ersichtlich ist, wer diese Absprache auf Seiten der B L C GmbH treffen sollte. In einem Fall hat sich die Antragstellerin nicht einmal die Mühe gemacht, den vorformulierten Vertragstext individuell anzupassen. So sieht der Nachunternehmervertrag zur Ausführung der Verblendarbeiten am Bauvorhaben A-str. 00 in L2 für die Leistung "Verblendung des Bauteils I (Garagentrakt)" eine Ausführungsfrist bis zum 19.03.2004 vor (§ 4 des Vertrages). Dieselbe Regelung findet sich in einem anderen Vertrag, obwohl dort als Bauvorhaben "Am H, E" angegeben ist.

Mit Blick auf die tatsächliche Umsetzung dieser Verträge kommt hinzu, dass die B L C GmbH, soweit erkennbar, über keinerlei betriebliche oder personelle Voraussetzungen verfügte, die Tätigkeit der von ihr angeblich zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber der Antragstellerin eingesetzten Arbeitnehmer vor Ort zu organisieren, zu überwachen und ihnen Weisungen zu erteilen. Die geschäftsführende Gesellschafterin war ebenso wie ihr Ehemann im Baugewerbe offenbar unerfahren. Ein anderweitiger sachkundiger Mitarbeiter, der die auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer hätte anweisen können, ist nicht ersichtlich. In der Zusammenschau mit der unzureichenden Konkretisierung der zu erbringenden Bauleistungen erscheint es derzeit mindestens unwahrscheinlich, dass die Arbeitnehmer im Rahmen eines Werkvertrages für die B L C GmbH tätig geworden sind. Wenn sie demgegenüber auf der Baustelle, letztlich zur Erfüllung von Pflichten der Antragstellerin als "Hauptunternehmerin" gegenüber den jeweiligen Bauherren, eingesetzt waren, so lässt dies - zumal angesichts der Funktionen der Antragstellerin in der Bauleitung - es gegenwärtig als jedenfalls überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass sie ihre Arbeit auf der Grundlage einer Eingliederung in den Betrieb der Antragstellerin verrichtet haben.

Gegenüber dieser, aus den vorliegenden Verträgen und den bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen folgenden Beurteilung lässt der Vortrag der Antragstellerin keine überwiegenden Zweifel am Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung aufkommen. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass die von ihr eingesetzten Bauleiter auf den Baustellen Weisungen ausgesprochen haben. Ihre weitergehende Behauptung, diese seien gegenüber Nachunternehmern nur gegenstandsbezogen erfolgt, lässt sich im Falle der von der B L C GmbH in dieser allgemeinen Form demgegenüber nicht nachvollziehen. Obwohl ihr dies aus ihren umfangreichen Geschäftsbeziehungen mit der B L C GmbH ohne Weiteres hätte möglich sein müssen, hat die Antragstellerin z.B. nicht dargelegt, wer - wenn sie sich allein auf die Bauleitung beschränkt hat - auf Seiten der B L C GmbH als Ansprechpartner, insbesondere auch für die von ihr behauptete Abnahme, zur Verfügung gestanden hat, wie die Konkretisierung der in den Nachunternehmerverträgen allenfalls in groben Konturen erkennbaren Aufträge erfolgt ist oder wie die B L C GmbH den Einsatz ihrer angeblichen Arbeitnehmer auf den diversen Baustellen sonst organisiert hat.

Demgegenüber gibt die Art und Weise der Abrechnung der B L C GmbH, weil sie letztlich frei gestaltbar ist, keine sicheren Hinweise auf das Vorliegen eines Werkvertrages (vgl. BSG, Urteil v. 27.08.1987, a.a.O.). Ebenso wenig besteht eine Bindung der Antragsgegnerin geschweige denn des Senates an die (straf-)rechtliche Beurteilung des HZA.

Bedenken gegen die Höhe der geltend gemachten Beitragsforderung sind von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden. Für das Vorliegen einer unbilligen Härte durch die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin hat sie keine konkreten Tatsachen vorgetragen.

Der Bescheid ist entgegen der Auffassung des SG schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin gleichzeitig einen Forderungsbescheid gegenüber der B L C GmbH erlassen hat. Die in § 28e Abs. 2 Satz 4 SGB IV angeordnete gesamtschuldnerische Haftung zwingt die Antragsgegnerin zwar, bei der Auswahl des Haftungsschuldners Ermessen auszuüben. Dies kann jedoch gegebenenfalls auch auf der Vollstreckungsebene geschehen. Im Übrigen ist eine doppelte Inanspruchnahme im vorliegenden Fall voraussichtlich schon deshalb nicht zu befürchten, weil die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Masselosigkeit zur Auflösung der Gesellschaft führt (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und diese somit, jedenfalls mit Beendigung der Liquidation als Haftungsmasse nicht mehr zur Verfügung steht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 des Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Bruchteil des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.09.2006, L 5 (3) B 10/06 R ER m.w.N.; Beschluss v. 09.03.2009, L 16 (11) B 4/07 R ER; jeweils juris), wobei es in der Regel sachgerecht ist, ein Viertel des Wertes der Forderung in der Hauptsache zugrunde zu legen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER m.w.N., juris; Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit Stand: 01.04.2009, B.7.2).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved