L 34 AS 1024/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 16403/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 1024/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte und fristgerecht erhobene Beschwerde (vgl. § 172 Abs. 1 und § 173 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2009 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Recht einstweilig verpflichtet, die geltend gemachten Schulden als Darlehen zu übernehmen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund).

Im vorliegenden Fall entscheidet der Senat nach den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zum Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) entwickelt hat (Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005,927 ff.). Die danach zu treffende Entscheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden, wobei Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert werden, ist das erkennende Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu entscheiden, die daran ausgerichtet ist, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert. Die Sicherung des Existenzminimums (verwirklicht durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende) ist eine grundgesetzliche Gewährleistung in diesem Sinne (vgl. auch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 7. Juni 2007 – L 28 B 743/07-).

Zwischen den Beteiligten ist die darlehensweise Übernahme von Mietschulden im Streit. Dieser Anspruch setzt nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II voraus, dass bereits anderweitig nach dem SGB II Leistungen für die Unterkunft und Heizung erbracht werden. Ob der Antragsteller, der zwar gemäß § 7 Abs. 5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat, aber einen Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II zu seinen ungedeckten angemessenen Kosten für die Unterkunft und Heizung erhält, anspruchsberechtigt im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II ist, ist in der Rechtsprechung ungeklärt. Die Klärung dieser Rechtsfrage muss allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren ist hierfür nicht der geeignete Ort.

Die danach zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Folgenabwägung fällt im vorliegenden Fall zugunsten des Antragstellers aus, weil ihm bei einer zu seinen Ungunsten ausfallenden Entscheidung nicht nur der Verlust der Wohnung droht, sondern möglicherweise auch die am 1. September 2008 begonnene schulische Ausbildung zum Maler und Lackierer gefährdet ist. Nach der sozialpädagogischen Stellungnahme des Bezirksamtes Lichtenberg vom 19. Mai 2009 hat der Ausbildungsträger dem Antragsteller Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein attestiert und eine positive Prognose hinsichtlich des Erreichens des Ausbildungsziels gestellt. Die Vermieterin hat dem Vorsitzenden des Senats zudem auf fernmündliche Nachfrage bestätigt, dass der Antragsteller die laufende Miete regelmäßig zahlt und sie zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit ist, sofern die Mietschulden bezahlt werden. Den vorgenannten Nachteilen stehen auf der Seite des Antragsgegners lediglich finanzielle Interessen gegenüber, die sich im Hinblick darauf, dass der Antragsteller zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet ist, in Grenzen halten, und dementsprechend hinter den den Antragsteller drohenden Nachteilen zurückzutreten haben.

Der sinngemäße Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollstreckung (§ 199 Abs. 2 SGG) hat sich mit diesem Beschluss erledigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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