Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 A 7715/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 A 4797/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
In der Beitragssatzung einer gesetzlichen Krankenkasse kann nach § 53 Abs. 2 SGB V die Gewährung einer Prämienzahlung („Gesundheitsbonus“) wegen der Nichtinanspruchnahme von Leistungen nur dann erfolgen, wenn mit Ausnahme der in der Vorschrift genannten prämienunschädlichen Leistungen keinerlei Leistungen zu Lasten der Krankenkasse in Anspruch genommen werden (Prinzip des „Alles oder Nichts“).
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.08.2008 geändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
3. Die Revision wird zugelassen. Zwischen den Beteiligten ist die Genehmigung einer Satzungsänderung der Klägerin über die Ausgestaltung von Wahltarifen nach § 53 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) im Streit. Konkret geht es um die Frage, ob die Beitragserstattung ("Prämie") an Versicherte bei der Nichtinanspruchnahme von Leistungen bzw. nur geringfügiger Inanspruchnahme von Leistungen um pauschale Beträge statt um die tatsächlich angefallenen Kosten gemindert werden kann.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine bundesweit tätige geschlossene Betriebskrankenkasse und unterliegt als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts der Rechtsaufsicht durch die Beklagte nach den §§ 187 ff. Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Sitz der Klägerin ist in Stuttgart.
Mit Schreiben vom 09.05.2007 fragte die Klägerin bei der Beklagten an, ob der beabsichtigte 24. Nachtrag zu ihrer Satzung als genehmigungsfähig angesehen werde. In § 8c der Satzung der Klägerin werden die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Wahltarifs und die Möglichkeit einer Prämienzahlung geregelt. In Absatz 2 sollte durch die Änderung geregelt werden, dass bestimmte Leistungen (insbesondere Leistungen der Prävention, Selbsthilfe und Vorsorgeleistungen sowie die Behandlung von Kindern) unschädlich für die Leistung einer Prämie sein sollten. In dem beabsichtigten neuen Abs. 2 Satz 3 sollte vorgesehen werden, dass eine ärztliche oder zahnärztliche Behandlung mit der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr die Prämienzahlung nach Abs. 3 der Vorschriften um 40 EUR bzw. zwei Verordnungen im Kalenderjahr die Prämie entsprechend um 80 EUR minderten; jede weitere Verordnung solle eine Prämienzahlung ausschließen. Die pauschale Kürzung der Prämie gelte bereits nach der Satzung der AOK Baden-Württemberg (unter Hinweis auf § 17 k Abs. 3 dieser Satzung). Man befinde sich mit der AOK Baden-Württemberg in unmittelbarem Wettbewerb, so dass auf eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Genehmigungspraxis großer Wert gelegt werde.
Mit Schreiben vom 21.05.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie großes Verständnis dafür habe, dass diese aufgrund des Wettbewerbs den Versicherten dieselbe Satzungsregelung anbieten wolle wie einzelne landesunmittelbare (der Landesaufsicht unterliegende) Kassen. Die vorgelegte Regelung sei jedoch nicht genehmigungsfähig. Statt einer pauschalierten Prämienminderung habe die Kasse die konkreten Kosten zu berücksichtigen, welche das Mitglied verursacht habe; anderenfalls wäre die Voraussetzung in § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB V, dass das Mitglied Leistungen zu Lasten der Kasse nicht in Anspruch genommen habe, nicht erfüllt.
Mit der Satzungsänderung vom 31.05.2007 nahm die Klägerin die von der Beklagten zu anderen Änderungswünschen geäußerte Kritik der Beklagten auf und setzte diese um; allerdings beschloss sie entgegen den Ausführungen der Beklagten mit einem 24. Nachtrag zu ihrer Satzung einen neuen § 8a Abs. 3, der folgenden Wortlaut hat:
"Die Inanspruchnahme folgender Leistungen wird wie folgt auf die Prämienzahlung angerechnet: Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung mit einer Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr mindert die Prämienzahlung nach Abs. IV um 40 EUR, zwei entsprechende Verordnungen im Kalenderjahr mindern die Prämie um 80 EUR. Jede weitere Verordnung schließt eine Prämienzahlung aus."
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.09.2007 lehnte die Beklagte unter anderem die Genehmigung des neuen Abs. 3 des § 8a der Satzung in der Fassung des 24. Nachtrages ab. Eine Krankenkasse könne nach § 53 Abs. 2 SGB V in ihrer Satzung eine Prämienzahlung vorsehen, wenn Versicherte und ihre nach § 10 mit versicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen hätten. Die nicht zu berücksichtigenden Leistungen seien im Gesetz abschließend genannt. Darüber hinaus seien die Leistungen vollständig zu erfassen. Auch mit Blick auf das Selbstfinanzierungsgebot nach § 53 Abs. 9 SGB II (gemeint: SGB V) sei es nicht vertretbar, wenn über diese Ausnahmen hinaus weitere Leistungen bei der Anrechnung ausgeklammert oder nur mit Pauschalbeträgen angerechnet würden; die tatsächlich entstandenen Kosten seien insoweit zu erfassen und auch heranzuziehen.
Am 22.10.2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Die Beklagte habe mit der Versagung der beantragten Genehmigung ihr Aufsichtsrecht überschritten und ermessensfehlerhaft gehandelt. Im Rahmen der gesetzlich festgelegten Satzungsautonomie sei es der Klägerin allein überlassen, innerhalb der gesetzlichen Vorgaben ausgestaltende Regelungen zu den in § 53 Abs. 2 SGB V normierten Wahltarifen zu bestimmen. In der Gesetzesbegründung zu der Vorschrift in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung heiße es, dass die Wahlfreiheit für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht werden solle, da diese Voraussetzung für mehr Transparenz und Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sei. Die Begründung der Beklagten sei in sich widersprüchlich, wenn sie darauf hinweise, dass über die gesetzlich genannten Ausnahmen keine Leistungen bei der Anrechnung ausgeklammert oder nur mit Pauschalbeträgen angerechnet werden könnten, andererseits aber die tatsächlich entstandenen Kosten heranzuziehen seien. Denn das Selbstfinanzierungsgebot des § 53 Abs. 9 SGB V sehe gerade vor, dass die Wahltarife sich aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanzieren sollten. Dazu trügen gerade auch Pauschalbeträge bei, die unter anderem auch Verwaltungsvereinfachungen nach sich zögen. Die versichertengenaue Erfassung der tatsächlich entstandenen Kosten erfordere die Schaffung umfangreicher organisatorischer Voraussetzungen, die nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprächen, den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu stärken. In der vorliegenden Satzungsbestimmung sei daher kein Verstoß gegen höherrangiges Recht zu sehen. Die Klägerin habe auch vorab mit Schreiben vom 09.05.2007 auf die unterschiedliche Genehmigungspraxis zwischen der Beklagten und der Länderebene hingewiesen und um Gleichbehandlung insbesondere wegen des Wettbewerbsaspektes gebeten. Die Aufsichtsbehörden träfen sich regelmäßig zu einem Erfahrungsaustausch entsprechend § 90 Abs. 4 SGB IV, damit es hinsichtlich der Genehmigungs- und Aufsichtspraxis nicht zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen komme. Insofern habe das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg der AOK Baden-Württemberg jedoch einen nicht hinnehmbaren Wettbewerbsvorsprung verschafft, indem eine gleichlautende Regelung dort genehmigt worden sei. Die Beklagte sei als Aufsichtsbehörde auf eine Rechtsaufsicht beschränkt und dürfe fachaufsichtlich nicht Umfang und Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zum Gegenstand ihrer staatlichen Überwachungstätigkeit machen (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 A 1/03 R -).
Die Beklagte bekräftigte ihre Rechtsauffassung, dass § 53 Abs. 2 SGB V eine Prämienzahlung ausdrücklich nur dann vorsehe, wenn abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen worden seien. Bei diesen Ausnahmen handele es sich grundsätzlich um Leistungen ohne Verordnungsfolgen. Gemäß § 53 Abs. 9 SGB V müssten die Aufwendungen für jeden Wahltarif aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die durch diese Maßnahmen erzielt würden, finanziert werden (Selbstfinanzierungsprinzip). Die Gesetzesbegründung stelle darüber hinaus klar, dass jeder Wahltarif für sich betrachtet diesen Anforderungen genügen, sich also selber tragen müsse. Eine Quersubventionierung durch die übrigen Mitglieder sei grundsätzlich nicht zulässig (Bundestagsdrucksache 16/3100, S. 109). Die Krankenkassen hätten überdies regelmäßig und mindestens alle drei Jahre über die durch die Wahltarife erzielten Einsparungen gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde Rechenschaft abzulegen. Die beanstandete Regelung überschreite den satzungsrechtlichen Gestaltungsspielraum und sei daher nicht genehmigungsfähig. Aus der Zusammenschau von Satz 1 und Satz 3 des § 53 Abs. 2 SGB V ergebe sich, dass beim Wahltarif Prämienzahlung vom Gesetzgeber grundsätzlich das "Alles-oder-Nichts"-Prinzip vorgesehen sei. Die Kombination einer Inanspruchnahme prämienrelevanter Leistungen mit einer Beitragserstattung werde vom Gesetz nicht vorgesehen. Dies ergebe sich neben dem Wortlaut des Gesetzes auch aus der erforderlichen Abgrenzung zu Selbstbehalttarifen im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB V, bei denen eine Verringerung der Prämie bei Inanspruchnahme selbstbehaltrelevanter Leistungen bei Zugrundelegung der tatsächlichen entstandenen Kosten möglich wäre. Anders als bei dem Prämienzahlungstarif setze sich der Versicherte im Rahmen von Selbstbehalttarifen einem begrenzten finanziellen Risiko aus, da er Behandlungskosten insoweit selbst zu tragen habe. Genau dieses Risiko bestehe aber in der beanstandeten Tarifgestaltung nicht. Darüber hinaus sei die Tarifgestaltung auch mit den in § 53 Abs. 9 SGB V enthaltenen Selbstfinanzierungsprinzip nicht vereinbar, da die Solidar- und Systemverträglichkeit der Wahltarife nicht gewahrt würde. Nur der Prämienverlust, wie die Beklagte ihn fordere, könne eine unzulässige Quersubventionierung durch die Beiträge der übrigen Versicherten effektiv vermeiden. Die Verweigerung der Genehmigung stelle auch vorliegend eine reine Rechtskontrolle und damit keine Überschreitung der Kontrollbefugnisse der Beklagten dar. Zwar sei den Krankenkassen mit der Änderung des § 53 SGB V ein neuer Gestaltungsspielraum eröffnet worden. Der Beklagten komme damit jedoch die Aufgabe zu, unter Berücksichtigung der sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten die System- und Solidarverträglichkeit der Wahltarife im Interesse aller Versicherten sicher zu stellen. Einzuräumen sei, dass die unterschiedliche Genehmigungspraxis im Verhältnis beispielsweise zu Baden-Württemberg mit Blick auf den Wettbewerb nicht als optimal empfunden werden könne. Als Folge des föderalen Staatsaufbaus sei dies jedoch hinzunehmen. Die Beklagte könne ihre Genehmigungspraxis allein am geltenden Recht ausrichten und habe keinen Einfluss auf andere ihres Erachtens nach fehlerhaften Genehmigungen.
Das SG hat zunächst die Frage der örtlichen Zuständigkeit aufgeworfen, woraufhin die Klägerin ihre Satzung vorgelegt hat. In § 1 Abs. 1 ihrer Satzung ist festgelegt, dass der Sitz der Betriebskrankenkasse in Stuttgart ist.
Am 03.04.2008 hat das SG einen Erörterungstermin durchgeführt. Unter anderem gab der Klägervertreter hierin an, dass eine Querfinanzierung durch eine laufende Kontrolle mit der ggf. erforderlichen Konsequenz, die entsprechende Tarifstelle zu streichen, gewährleistet werde. Im Anschluss an den Erörterungstermin legte die Klägerin zur weiteren Information ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2006 vor.
Durch Urteil vom 06.08.2008 ohne mündliche Verhandlung hat das SG daraufhin die Beklagte unter Aufhebung des angegriffenen Bescheides verpflichtet, über den vom Verwaltungsrat der Klägerin am 31.05.2007 beschlossenen 24. Satzungsnachtrag zur Satzung vom 26.04.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Außerdem habe die Beklagte die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten und Auslagen der Klägerin zu tragen. Streitgegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei die Frage, ob die Beklagte eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Verweigerung der Genehmigung getroffen habe. Die Beklagte habe jedoch nicht in einer für das Gericht nachvollziehbaren Weise dargetan, weshalb die Versagung der Genehmigung der einzig gangbare Weg gewesen wäre, in Übereinstimmung mit der für die Zeit vom 01.04.2007 bis 31.12.2008 geltenden Rechtslage zu handeln. Die Genehmigungsbefugnis der Beklagten hinsichtlich der Rechtsaufsicht ergebe sich aus § 195 SGB V. Der rechtliche Rahmen dieser Rechtsaufsicht sei nicht eindeutig geregelt, doch es sei vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung davon auszugehen, dass die Beklagte sich insoweit auf eine reine Rechtskontrolle zu beschränken habe (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 24.04.2002 - B 7/1 a 1/00R -). Hierdurch werde die Beklagte darauf beschränkt, lediglich eindeutig rechtswidrige Satzungsbestimmungen durch Versagung der erforderlichen Genehmigung zu beanstanden. Es sei nämlich denkbar, dass innerhalb des Gestaltungsspielraums der Krankenkassen unterschiedliche Lösungen bereit stünden, welche mit höherem Recht vereinbar und daher nicht zu beanstanden seien (BSG a.a.O.). Insoweit seien lediglich die maßgeblichen gesetzlichen Wertungen zu beachten. Erklärtes Ziel der Umgestaltung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch das GKV-WSG sei neben anderen als Ausgleich eines für die Zukunft angestrebten einheitlichen Beitragssatzes eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Krankenversicherungsträger untereinander gewesen. Da den Krankenkassen weitgehend die Tarifhoheit genommen werde, sei der Rückgriff auf ein anderes Instrumentarium das notwendige Korrelat. Die durch die umstrittene 24. Satzungsänderung der Klägerin vom 31.05.2007 vorgesehene Regelung sei eine Mischform der Möglichkeiten aus § 53 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht könne in dieser Mischform nicht gesehen werden, insbesondere könne das von der Beklagten angeführte "Alles-oder-Nichts"-Prinzip im SGB V nicht verortet werden. Die Entscheidung der Beklagten sei mit dem Wegfall dieses Hauptarguments nicht mehr tragfähig. Insoweit könne offenbleiben, ob der Bescheid vom 25.09.2007 nicht bereits deshalb rechtswidrig sei, da sein knapper Begründungsteil bei Auslegung des Wortlautes an keiner Stelle zu erkennen gebe, dass und ggf. welches Ermessen die Beklagte ausgeübt habe. Immerhin habe die Beklagte in Form der Klageerwiderung vom 14.12.2007 ihren Standpunkt näher erläutert, was ein Nachschieben von Gründen darstellen könnte, dessen Statthaftigkeit indes vom SG offengelassen wurde. Jedenfalls sei bereits in dem Begleitschreiben vom 21.05.2007 auf die Anfrage der Klägerin vom 09.05.2007 der Rechtsstandpunkt der Beklagten ausreichend klargemacht worden. Die weiteren von der Beklagten angeführten Gründe für die Nichtgenehmigung genügten nicht. Die Behauptung der Klägerin, die gewählte Form der Prämienbewilligung unter pauschaler Betrachtungsweise trage zu einer kostengünstigeren Verwaltungseffizienz bei, sei nachvollziehbar. Die von der Beklagten behauptete Unzulänglichkeit des Zahlenmaterials stünde dem nicht entgegen. Auf eine Gleichbehandlung mit der AOK Baden-Württemberg könne die Klägerin sich indes nach Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) deswegen nicht erfolgreich berufen, da dies nur möglich wäre, wenn entweder die Aufsichtspraxis des Bundes oder diejenige des Landes Baden-Württemberg rechtswidrig wären. Die Beklagte sei daher verpflichtet, eine Lösung zusammen mit der Klägerin zu finden, welche dem Grundgedanken des 24. Satzungsnachtrags der Klägerin angemessen Rechnung trage. Das Urteil ist der Beklagten am 18.09.2008 zugestellt worden.
Die Beklagte hat am 14.10.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG stehe die Genehmigungserteilung nach § 195 Abs. 1 SGB V nicht im Ermessen der Beklagten, sondern es handele sich um eine gebundene Entscheidung (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 07.11.2000 - B 1 a 4/99 R -). Eine nach dem juristischen Interpretationsmethoden vorgenommene Auslegung des § 53 Abs. 2 SGB V komme zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin vorgesehene Satzungsbestimmung rechtswidrig und damit unzulässig sei. Der Wortlaut des § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB formuliere als Voraussetzung die Nichtinanspruchnahme von Leistungen, was sich mit der von der Beklagten trotz einer bis zu zweimaligen Inanspruchnahme von Leistungen versprochenen Beitragserstattung nicht vereinbaren lasse. Hinzu komme der Verstoß gegen das in § 53 Satz 9 SGB V geregelte Selbstfinanzierungsgebot, da die Leistungen lediglich pauschal berechnet würden (unter Berufung auf Schlegel in Juris-PK, § 53 Rdnr. 53 f.). Die systematische Auslegung des § 53 Abs. 2 SGB V führe zu demselben Ergebnis, da die vom SG für zulässig befundene Mischform aus § 53 Abs. 1 und 2 SGB V (nicht: Abs. 3 SGB V) der Systematik der Wahltarife bzw. der Regelungen des § 53 SGB V insgesamt widerspreche. Bei den absatzweise geregelten Tarifen in § 53 SGB V handele es sich um selbständige Wahltarife, denen jeweils ein abgegrenzter Sachverhalt zugrunde liege. Eine Mischform würde zu widersinnigen Ergebnissen führen, weil dann z.B. auch die Kombination der Absätze 2 und 3 (Prämie bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen sowie gleichzeitige Verpflichtung zur Teilnahme an Leistungen im Rahmen eines strukturierten Behandlungsprogramms) zulässig wäre. Bereits der Gesetzgeber habe im Übrigen entschieden, dass bestimmte Leistungen unschädlich sein sollten, was nicht beliebig erweiterbar sei. Insoweit sei von einem abschließenden Katalog unschädlicher Leistungen auszugehen. Die historische Auslegung schließlich zeige, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung in den Nachfolgebestimmungen zum § 65 SGB V a. F. bewusst davon Abstand genommen habe, die in dieser Vorschrift noch ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit einer anteiligen Beitragsrückzahlung zu normieren, da ansonsten diese Regelung ebenfalls in § 54 SGB V a. F. bzw. § 53 Abs. 2 SGB V überführt worden wäre. Das von der Klägerin angeführte Argument der Verwaltungseffizienz könne keinen Vorrang vor der Rechtmäßigkeit der Satzungsregelung haben. Schließlich treffe das Argument auch nicht zu, da von der Klägerin insoweit lediglich erfasst werden müsste, ob überhaupt Leistungen in Anspruch genommen worden sind und die einzelnen Kosten insoweit nicht zu erfassen seien. Ein erheblicher Verwaltungsaufwand falle daher nicht an. Die Festlegung von Pauschalbeträgen widerspreche außerdem insoweit vergleichbar mit dem Selbstbehalt dem angestrebten Steuerungseffekt, da der Versicherte über seine tatsächlich verursachten Kosten im Unklaren gelassen werde und Pauschalen stets eine Art Mischkalkulation beinhalteten bzw. auf Durchschnittswerten beruhten, die auf das einzelne Mitglied nicht zutreffen müssten. Das Urteil des SG sei im Übrigen auch wegen der unzutreffenden Kostenentscheidung aufzuheben, da die Beklagte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Tragung von Gerichtskosten befreit sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.08.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig, wozu sie auf die Ausführungen des SG verweist.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann nach § 54 Abs. 3 SGG mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, dass die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war vorliegend nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 SGG entbehrlich, weil der angegriffene Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde erlassen wurde.
Die Berufung ist begründet, weil die mit der Anfechtungsklage zugleich als Aufsichtsklage im Sinne von § 54 Abs. 3 SGG angefochtene Aufsichtsanordnung (vgl. BSGE 89, 213, SozR 3-2500 § 240 Nr. 42) der Beklagten rechtmäßig ist.
Nach § 195 Abs. 1 SGB V bedarf die Satzung der Klägerin der Genehmigung durch die Beklagte als ihrer Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung der Satzung und auch der Satzungsänderung ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Es hat eine Rechts-, nicht jedoch eine Zweckmäßigkeitsprüfung zu erfolgen. Die Rechtsprüfung hat sich darauf zu erstrecken, ob die Satzung bzw. die beschlossene Änderung der Satzung verfahrensmäßig ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. dazu § 197 SGB V), den erforderlichen Mindestinhalt hat (§ 194 Abs. 1 SGB V) und frei von einem Verstoß gegen höherrangiges Recht oder einer Zwecküberschreitung ist. Sind diese drei Punkte zu bejahen, muss die Genehmigung erteilt werden, weil eine Zweckmäßigkeitskontrolle durch die Aufsichtsbehörde nicht stattfindet (BSG SozR 3-3300 § 47 Nr. 1; Peters in Kasseler Kommentar, § 195 SGB V Rdnr. 4; Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB V, § 195 Rdnr. 16 ff.).
Nach § 53 Abs. 1 SGB V in der seit dem 01.04.2007 geltenden Fassung kann die Krankenkasse in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt); die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.
Nach Absatz 2 der Vorschrift kann die Krankenkasse in ihrer Satzung auch für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.
Schließlich hat die Krankenkasse nach Abs. 3 der Vorschrift in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 73c, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen.
Bereits das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2003, 2190) sah getrennt in den §§ 53 und 54 SGB V die Möglichkeit der Vereinbarung von Selbstbehalten und Beitragsrückerstattungen, vor welche nunmehr durch das GKV-WSG in der Neuregelung des § 53 SGB V zusammengefasst worden sind.
Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26.03.2007, BGBl I 2007, 378), mit dem § 53 Abs. 1 bis 3 SGB V mit Wirkung vom 01.04.2007 seine derzeit gültige Fassung erhalten hat, sollte angesichts der Ineffizienzen und vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen des demographischen Wandels und des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts das Gesundheitswesen weiterentwickelt werden. Dies sollte sowohl die Finanzierungsseite als auch die Angebotsstrukturen erfassen. Ausdrücklich sollten eine Qualitäts- und Effizienzsteigerung durch eine Intensivierung des Wettbewerbs auf Kassenseite insbesondere durch mehr Vertragsfreiheit der Kassen mit Leistungserbringern und Reformen der Organisation, wie z. B. die Ermöglichung neuer Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Einführung des Gesundheitsfonds, erreicht werden. Bürokratieabbau und mehr Transparenz auf allen Ebenen werden als weitere Motive des Gesetzgebers genannt (BT-Drucks. 13/3100, S. 1).
Als spezielles Motiv für die Änderung des § 53 SGB V wird in den Materialien angegeben, dass die Wahlfreiheit für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht werden solle, weil sie Voraussetzung für mehr Transparenz und Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sei. Speziell zu der Regelung in Absatz 2 der Vorschrift wird jedoch lediglich ausgeführt, dass die bisherige Regelung zur Beitragsrückerstattung in den Absatz 2 übernommen und insoweit redaktionell angepasst wird, als der Begriff "Beitragsrückerstattung" nicht mehr verwendet wird. Da die Krankenkassen keine Beiträge mehr erheben, könnten sie keine Beiträge zurückerstatten. Es seien daher jetzt Prämienzahlungen vorgesehen (BT-Drucks. a.a.O. S. 108).
Der Neuregelung des § 53 SGB V liegt die Zielsetzung des Gesetzgebers zugrunde, die Versicherten zur Nutzung der neuen Versorgungsformen anzuhalten und zu einem "sparsamen" Umgang mit Gesundheitsleistungen zu veranlassen. Hierbei wollte sich der Gesetzgeber nicht auf die Einsichtsfähigkeit der Versicherten verlassen zu wollen, sondern die Inanspruchnahme besonders wirtschaftlicher Versorgungsformen und sparsames "Konsumverhalten" der Versicherten sollte sich auch für den einzelnen Versicherten durch finanzielle Anreize individuell auswirken (Schlegel in: jurisPK-SGB V, § 53 Rdnr. 20).
Im Ergebnis stellt sich die beanstandete Regelung, nach der die erste ärztliche Behandlung mit einer Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr die Prämienzahlung (vormals: Beitragserstattung) um 40 EUR mindert, die zweite solche Verordnung die Prämie um 80 EUR mindert und die dritte eine Prämie ausschließt, als eine Kombination eines Wahltarifs "Beitragserstattung" mit einem Wahltarif "besonderes Behandlungsprogramm" entsprechend § 53 Abs. 3 SGV (Anreiz zu kostensparendem Verhalten durch Selektion/Verminderung der in Betracht kommenden Leistungen, hier wegen der Beschränkung auf zwei Verordnungen von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr auf die aus Sicht des Versicherten jeweils wichtigsten Leistungen) und / oder einem Selbstbehalt nach § 53 Abs. 1 SGB V (Deutung der Prämienminderung als pauschalierter Selbstbehalt eines geminderten KV-Beitrags) dar.
Insoweit ist festzustellen, dass diese 24. Satzungsänderung der Klägerin nicht dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip" des § 53 Abs. 2 SGB V entspricht. Zutreffend hat daher die Beklagte festgestellt, dass der Wortlaut des § 53 Abs. 2 SGB V deutlich für das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" spricht. Neben der Regelung eines Wahltarifs mit einer Gestaltung nach § 53 Abs. 2 SGB V bestehen in den anderen Absätzen des § 53 SGB V noch andere Wahltarif-Gestaltungsmöglichkeiten, die jeweils durch besondere Absätze mit eigenständigen Regelungen getrennt sind. Auch wenn sich dem Gesetz ein ausdrückliches Verbot einer Mischform eines Wahltarifs, der Elemente aus verschiedenen Absätzen des § 53 SGB V kombiniert, nicht entnehmen lässt, spricht die Gesetzessystematik dagegen.
Für eine strikte Auslegung im Sinne der Beklagten spricht außerdem, dass der Gesetzgeber Ausnahmen von der Prämienfeindlichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen in § 53 Abs. 2 Satz 3 SGB V ausdrücklich geregelt hat; in dem detaillierten Katalog sind Ausnahmen im Sinne der umstrittenen Regelung aber gerade nicht enthalten.
Zwar trifft es zu, dass aufgrund der Schaffung des Gesundheitsfonds und des bundeseinheitlichen Beitragssatzes der Wettbewerb nur noch über die Leistungen bzw. die Rückausnahmen (Prämien, Verzicht auf Zuschläge etc.) vom einheitlichen Beitragssatz geführt werden kann. Auch ist einzuräumen, dass die umstrittene Regelung der Zielsetzung des Gesetzgebers Rechnung tragen kann, wirtschaftliches Verhalten der Versicherten zu fördern und zu belohnen. Die Zweckmäßigkeit der Regelung ist indes kein hinreichendes Argument für deren Rechtmäßigkeit.
Sofern die Klägerin auf die Genehmigung einer vergleichbaren Regelung durch das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg in einer Satzungsänderung der AOK Baden-Württemberg hinweist, kann allein hieraus und aus dem Gedanken der Chancengleichheit im Wettbewerb um die Versicherten kein Anspruch auf Gleichbehandlung hergeleitet werden. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen kann sich wegen der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) nicht auf eine rechtswidrige Verwaltungspraxis gründen. Einen "Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht" kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfGE 50, 142, 166; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 1 S. 10; BSG SozR 4-5533 Nr. 40 Nr. 2; BSG SozR 4-4100 § 128 Nr. 8).
Das Insistieren der Beklagten auf eine Alles-oder-Nichts-Regelung in § 53 Abs. 2 SGB V für Beitragserstattungen kann auch nicht als unzulässige Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten von Satzungen der Krankenkassen angesehen werden, weil hierfür sinnvolle Rechtfertigungsgründe denkbar sind. So könnte dem Gesetzgeber daran gelegen sein, die Tarifformen für die Versicherten überschaubar zu halten und den Wettbewerb transparent zu halten, was durch die Zulassung beliebiger Mischformen nur schwer zu erreichen wäre. Die Erhöhung der Transparenz auf allen Ebenen ist ein ausdrückliches Motiv des Gesetzgebers bei der Neuregelung gewesen (BT-Drucks. 13/3100, S. 1).
Bei dieser Sachlage fällt entscheidend ins Gewicht, dass die von der Klägerin gewünschte Satzungsänderung sich nur gegen die Wortlautgrenze von § 53 Abs. 2 SGB V einführen ließe. Die bei unklarem oder nicht eindeutigem Wortlaut zur Auslegung gesetzlicher Bestimmungen heranzuziehenden Gesichtspunkte des Bedeutungszusammenhangs, der Regelungsabsicht, des Sinnes und Zweckes des Gesetzes, der Gesetzeshistorie oder des Gebots einer verfassungskonformen Auslegung sind nicht einschlägig, wenn der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift dem entgegensteht; eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 10 EG 1/08 R - mit Hinweis auf Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S 143 m.w.N. und auf BVerfGE 54, 277, 299 f.; 59, 330, 334; 93, 37, 81).
Insoweit lässt sich auch nicht überzeugend argumentieren, dass in der umstrittenen Satzungsänderung strukturell eine Prämienzahlung wegen der Nichtinanspruchnahme von Leistungen (über die zugelassenen zweimalige Ausnahme hiervon) vorliegt. Denn die zweimalige Ausnahme von der im Gesetz vorgesehenen Nichtinanspruchnahme von Leistungen bedeutet, dass gerade keine Nichtinanspruchnahme von Leistungen mehr vorliegt.
Allerdings ist der von der Beklagten behauptete Verstoß gegen das in § 53 Abs. 9 SGB V enthaltene Selbstfinanzierungsprinzip, wonach vorliegend die Solidar- und Systemverträglichkeit der Wahltarife nicht gewahrt würde, nicht zwingend. § 53 SGB V arbeitet auch in seinen Absätzen 1 (Selbstbehalte) und 3 (besondere Versorgungssysteme) mit Pauschalen, die im Einzelfall nicht dazu führen, dass die konkret durch eine Versicherten verursachten Kosten bei diesem wieder zum Ausgleich gebracht werden. Demnach sieht § 53 SGB V insoweit auch für alle Wahltarife vor, dass ein langfristiger Ausgleich für jeden einzelnen Wahltarif dergestalt vorzunehmen ist, wonach jeder Wahltarif sich prinzipiell selbst finanzieren soll und Quersubventionierungen ausgeschlossen werden. Nachdem dies offensichtlich vom Gesetzgeber für die mit Pauschalen arbeitenden Wahltarife der Absätze 1 und 3 der Vorschrift für möglich erachtet wird, ist nicht erkennbar, weshalb ein entsprechendes Verfahren der Kontrolle der Kostenentwicklung innerhalb eines Wahltarifs auch für die von der Klägerin gewählte Neuregelung gemäß ihrer 24. Satzungsänderung nicht möglich sein dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage zugelassen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
3. Die Revision wird zugelassen. Zwischen den Beteiligten ist die Genehmigung einer Satzungsänderung der Klägerin über die Ausgestaltung von Wahltarifen nach § 53 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) im Streit. Konkret geht es um die Frage, ob die Beitragserstattung ("Prämie") an Versicherte bei der Nichtinanspruchnahme von Leistungen bzw. nur geringfügiger Inanspruchnahme von Leistungen um pauschale Beträge statt um die tatsächlich angefallenen Kosten gemindert werden kann.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine bundesweit tätige geschlossene Betriebskrankenkasse und unterliegt als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts der Rechtsaufsicht durch die Beklagte nach den §§ 187 ff. Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Sitz der Klägerin ist in Stuttgart.
Mit Schreiben vom 09.05.2007 fragte die Klägerin bei der Beklagten an, ob der beabsichtigte 24. Nachtrag zu ihrer Satzung als genehmigungsfähig angesehen werde. In § 8c der Satzung der Klägerin werden die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Wahltarifs und die Möglichkeit einer Prämienzahlung geregelt. In Absatz 2 sollte durch die Änderung geregelt werden, dass bestimmte Leistungen (insbesondere Leistungen der Prävention, Selbsthilfe und Vorsorgeleistungen sowie die Behandlung von Kindern) unschädlich für die Leistung einer Prämie sein sollten. In dem beabsichtigten neuen Abs. 2 Satz 3 sollte vorgesehen werden, dass eine ärztliche oder zahnärztliche Behandlung mit der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr die Prämienzahlung nach Abs. 3 der Vorschriften um 40 EUR bzw. zwei Verordnungen im Kalenderjahr die Prämie entsprechend um 80 EUR minderten; jede weitere Verordnung solle eine Prämienzahlung ausschließen. Die pauschale Kürzung der Prämie gelte bereits nach der Satzung der AOK Baden-Württemberg (unter Hinweis auf § 17 k Abs. 3 dieser Satzung). Man befinde sich mit der AOK Baden-Württemberg in unmittelbarem Wettbewerb, so dass auf eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Genehmigungspraxis großer Wert gelegt werde.
Mit Schreiben vom 21.05.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie großes Verständnis dafür habe, dass diese aufgrund des Wettbewerbs den Versicherten dieselbe Satzungsregelung anbieten wolle wie einzelne landesunmittelbare (der Landesaufsicht unterliegende) Kassen. Die vorgelegte Regelung sei jedoch nicht genehmigungsfähig. Statt einer pauschalierten Prämienminderung habe die Kasse die konkreten Kosten zu berücksichtigen, welche das Mitglied verursacht habe; anderenfalls wäre die Voraussetzung in § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB V, dass das Mitglied Leistungen zu Lasten der Kasse nicht in Anspruch genommen habe, nicht erfüllt.
Mit der Satzungsänderung vom 31.05.2007 nahm die Klägerin die von der Beklagten zu anderen Änderungswünschen geäußerte Kritik der Beklagten auf und setzte diese um; allerdings beschloss sie entgegen den Ausführungen der Beklagten mit einem 24. Nachtrag zu ihrer Satzung einen neuen § 8a Abs. 3, der folgenden Wortlaut hat:
"Die Inanspruchnahme folgender Leistungen wird wie folgt auf die Prämienzahlung angerechnet: Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung mit einer Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr mindert die Prämienzahlung nach Abs. IV um 40 EUR, zwei entsprechende Verordnungen im Kalenderjahr mindern die Prämie um 80 EUR. Jede weitere Verordnung schließt eine Prämienzahlung aus."
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.09.2007 lehnte die Beklagte unter anderem die Genehmigung des neuen Abs. 3 des § 8a der Satzung in der Fassung des 24. Nachtrages ab. Eine Krankenkasse könne nach § 53 Abs. 2 SGB V in ihrer Satzung eine Prämienzahlung vorsehen, wenn Versicherte und ihre nach § 10 mit versicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen hätten. Die nicht zu berücksichtigenden Leistungen seien im Gesetz abschließend genannt. Darüber hinaus seien die Leistungen vollständig zu erfassen. Auch mit Blick auf das Selbstfinanzierungsgebot nach § 53 Abs. 9 SGB II (gemeint: SGB V) sei es nicht vertretbar, wenn über diese Ausnahmen hinaus weitere Leistungen bei der Anrechnung ausgeklammert oder nur mit Pauschalbeträgen angerechnet würden; die tatsächlich entstandenen Kosten seien insoweit zu erfassen und auch heranzuziehen.
Am 22.10.2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Die Beklagte habe mit der Versagung der beantragten Genehmigung ihr Aufsichtsrecht überschritten und ermessensfehlerhaft gehandelt. Im Rahmen der gesetzlich festgelegten Satzungsautonomie sei es der Klägerin allein überlassen, innerhalb der gesetzlichen Vorgaben ausgestaltende Regelungen zu den in § 53 Abs. 2 SGB V normierten Wahltarifen zu bestimmen. In der Gesetzesbegründung zu der Vorschrift in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung heiße es, dass die Wahlfreiheit für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht werden solle, da diese Voraussetzung für mehr Transparenz und Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sei. Die Begründung der Beklagten sei in sich widersprüchlich, wenn sie darauf hinweise, dass über die gesetzlich genannten Ausnahmen keine Leistungen bei der Anrechnung ausgeklammert oder nur mit Pauschalbeträgen angerechnet werden könnten, andererseits aber die tatsächlich entstandenen Kosten heranzuziehen seien. Denn das Selbstfinanzierungsgebot des § 53 Abs. 9 SGB V sehe gerade vor, dass die Wahltarife sich aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanzieren sollten. Dazu trügen gerade auch Pauschalbeträge bei, die unter anderem auch Verwaltungsvereinfachungen nach sich zögen. Die versichertengenaue Erfassung der tatsächlich entstandenen Kosten erfordere die Schaffung umfangreicher organisatorischer Voraussetzungen, die nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprächen, den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu stärken. In der vorliegenden Satzungsbestimmung sei daher kein Verstoß gegen höherrangiges Recht zu sehen. Die Klägerin habe auch vorab mit Schreiben vom 09.05.2007 auf die unterschiedliche Genehmigungspraxis zwischen der Beklagten und der Länderebene hingewiesen und um Gleichbehandlung insbesondere wegen des Wettbewerbsaspektes gebeten. Die Aufsichtsbehörden träfen sich regelmäßig zu einem Erfahrungsaustausch entsprechend § 90 Abs. 4 SGB IV, damit es hinsichtlich der Genehmigungs- und Aufsichtspraxis nicht zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen komme. Insofern habe das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg der AOK Baden-Württemberg jedoch einen nicht hinnehmbaren Wettbewerbsvorsprung verschafft, indem eine gleichlautende Regelung dort genehmigt worden sei. Die Beklagte sei als Aufsichtsbehörde auf eine Rechtsaufsicht beschränkt und dürfe fachaufsichtlich nicht Umfang und Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zum Gegenstand ihrer staatlichen Überwachungstätigkeit machen (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 A 1/03 R -).
Die Beklagte bekräftigte ihre Rechtsauffassung, dass § 53 Abs. 2 SGB V eine Prämienzahlung ausdrücklich nur dann vorsehe, wenn abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen worden seien. Bei diesen Ausnahmen handele es sich grundsätzlich um Leistungen ohne Verordnungsfolgen. Gemäß § 53 Abs. 9 SGB V müssten die Aufwendungen für jeden Wahltarif aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die durch diese Maßnahmen erzielt würden, finanziert werden (Selbstfinanzierungsprinzip). Die Gesetzesbegründung stelle darüber hinaus klar, dass jeder Wahltarif für sich betrachtet diesen Anforderungen genügen, sich also selber tragen müsse. Eine Quersubventionierung durch die übrigen Mitglieder sei grundsätzlich nicht zulässig (Bundestagsdrucksache 16/3100, S. 109). Die Krankenkassen hätten überdies regelmäßig und mindestens alle drei Jahre über die durch die Wahltarife erzielten Einsparungen gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde Rechenschaft abzulegen. Die beanstandete Regelung überschreite den satzungsrechtlichen Gestaltungsspielraum und sei daher nicht genehmigungsfähig. Aus der Zusammenschau von Satz 1 und Satz 3 des § 53 Abs. 2 SGB V ergebe sich, dass beim Wahltarif Prämienzahlung vom Gesetzgeber grundsätzlich das "Alles-oder-Nichts"-Prinzip vorgesehen sei. Die Kombination einer Inanspruchnahme prämienrelevanter Leistungen mit einer Beitragserstattung werde vom Gesetz nicht vorgesehen. Dies ergebe sich neben dem Wortlaut des Gesetzes auch aus der erforderlichen Abgrenzung zu Selbstbehalttarifen im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB V, bei denen eine Verringerung der Prämie bei Inanspruchnahme selbstbehaltrelevanter Leistungen bei Zugrundelegung der tatsächlichen entstandenen Kosten möglich wäre. Anders als bei dem Prämienzahlungstarif setze sich der Versicherte im Rahmen von Selbstbehalttarifen einem begrenzten finanziellen Risiko aus, da er Behandlungskosten insoweit selbst zu tragen habe. Genau dieses Risiko bestehe aber in der beanstandeten Tarifgestaltung nicht. Darüber hinaus sei die Tarifgestaltung auch mit den in § 53 Abs. 9 SGB V enthaltenen Selbstfinanzierungsprinzip nicht vereinbar, da die Solidar- und Systemverträglichkeit der Wahltarife nicht gewahrt würde. Nur der Prämienverlust, wie die Beklagte ihn fordere, könne eine unzulässige Quersubventionierung durch die Beiträge der übrigen Versicherten effektiv vermeiden. Die Verweigerung der Genehmigung stelle auch vorliegend eine reine Rechtskontrolle und damit keine Überschreitung der Kontrollbefugnisse der Beklagten dar. Zwar sei den Krankenkassen mit der Änderung des § 53 SGB V ein neuer Gestaltungsspielraum eröffnet worden. Der Beklagten komme damit jedoch die Aufgabe zu, unter Berücksichtigung der sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten die System- und Solidarverträglichkeit der Wahltarife im Interesse aller Versicherten sicher zu stellen. Einzuräumen sei, dass die unterschiedliche Genehmigungspraxis im Verhältnis beispielsweise zu Baden-Württemberg mit Blick auf den Wettbewerb nicht als optimal empfunden werden könne. Als Folge des föderalen Staatsaufbaus sei dies jedoch hinzunehmen. Die Beklagte könne ihre Genehmigungspraxis allein am geltenden Recht ausrichten und habe keinen Einfluss auf andere ihres Erachtens nach fehlerhaften Genehmigungen.
Das SG hat zunächst die Frage der örtlichen Zuständigkeit aufgeworfen, woraufhin die Klägerin ihre Satzung vorgelegt hat. In § 1 Abs. 1 ihrer Satzung ist festgelegt, dass der Sitz der Betriebskrankenkasse in Stuttgart ist.
Am 03.04.2008 hat das SG einen Erörterungstermin durchgeführt. Unter anderem gab der Klägervertreter hierin an, dass eine Querfinanzierung durch eine laufende Kontrolle mit der ggf. erforderlichen Konsequenz, die entsprechende Tarifstelle zu streichen, gewährleistet werde. Im Anschluss an den Erörterungstermin legte die Klägerin zur weiteren Information ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2006 vor.
Durch Urteil vom 06.08.2008 ohne mündliche Verhandlung hat das SG daraufhin die Beklagte unter Aufhebung des angegriffenen Bescheides verpflichtet, über den vom Verwaltungsrat der Klägerin am 31.05.2007 beschlossenen 24. Satzungsnachtrag zur Satzung vom 26.04.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Außerdem habe die Beklagte die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten und Auslagen der Klägerin zu tragen. Streitgegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei die Frage, ob die Beklagte eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Verweigerung der Genehmigung getroffen habe. Die Beklagte habe jedoch nicht in einer für das Gericht nachvollziehbaren Weise dargetan, weshalb die Versagung der Genehmigung der einzig gangbare Weg gewesen wäre, in Übereinstimmung mit der für die Zeit vom 01.04.2007 bis 31.12.2008 geltenden Rechtslage zu handeln. Die Genehmigungsbefugnis der Beklagten hinsichtlich der Rechtsaufsicht ergebe sich aus § 195 SGB V. Der rechtliche Rahmen dieser Rechtsaufsicht sei nicht eindeutig geregelt, doch es sei vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung davon auszugehen, dass die Beklagte sich insoweit auf eine reine Rechtskontrolle zu beschränken habe (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 24.04.2002 - B 7/1 a 1/00R -). Hierdurch werde die Beklagte darauf beschränkt, lediglich eindeutig rechtswidrige Satzungsbestimmungen durch Versagung der erforderlichen Genehmigung zu beanstanden. Es sei nämlich denkbar, dass innerhalb des Gestaltungsspielraums der Krankenkassen unterschiedliche Lösungen bereit stünden, welche mit höherem Recht vereinbar und daher nicht zu beanstanden seien (BSG a.a.O.). Insoweit seien lediglich die maßgeblichen gesetzlichen Wertungen zu beachten. Erklärtes Ziel der Umgestaltung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch das GKV-WSG sei neben anderen als Ausgleich eines für die Zukunft angestrebten einheitlichen Beitragssatzes eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Krankenversicherungsträger untereinander gewesen. Da den Krankenkassen weitgehend die Tarifhoheit genommen werde, sei der Rückgriff auf ein anderes Instrumentarium das notwendige Korrelat. Die durch die umstrittene 24. Satzungsänderung der Klägerin vom 31.05.2007 vorgesehene Regelung sei eine Mischform der Möglichkeiten aus § 53 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht könne in dieser Mischform nicht gesehen werden, insbesondere könne das von der Beklagten angeführte "Alles-oder-Nichts"-Prinzip im SGB V nicht verortet werden. Die Entscheidung der Beklagten sei mit dem Wegfall dieses Hauptarguments nicht mehr tragfähig. Insoweit könne offenbleiben, ob der Bescheid vom 25.09.2007 nicht bereits deshalb rechtswidrig sei, da sein knapper Begründungsteil bei Auslegung des Wortlautes an keiner Stelle zu erkennen gebe, dass und ggf. welches Ermessen die Beklagte ausgeübt habe. Immerhin habe die Beklagte in Form der Klageerwiderung vom 14.12.2007 ihren Standpunkt näher erläutert, was ein Nachschieben von Gründen darstellen könnte, dessen Statthaftigkeit indes vom SG offengelassen wurde. Jedenfalls sei bereits in dem Begleitschreiben vom 21.05.2007 auf die Anfrage der Klägerin vom 09.05.2007 der Rechtsstandpunkt der Beklagten ausreichend klargemacht worden. Die weiteren von der Beklagten angeführten Gründe für die Nichtgenehmigung genügten nicht. Die Behauptung der Klägerin, die gewählte Form der Prämienbewilligung unter pauschaler Betrachtungsweise trage zu einer kostengünstigeren Verwaltungseffizienz bei, sei nachvollziehbar. Die von der Beklagten behauptete Unzulänglichkeit des Zahlenmaterials stünde dem nicht entgegen. Auf eine Gleichbehandlung mit der AOK Baden-Württemberg könne die Klägerin sich indes nach Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) deswegen nicht erfolgreich berufen, da dies nur möglich wäre, wenn entweder die Aufsichtspraxis des Bundes oder diejenige des Landes Baden-Württemberg rechtswidrig wären. Die Beklagte sei daher verpflichtet, eine Lösung zusammen mit der Klägerin zu finden, welche dem Grundgedanken des 24. Satzungsnachtrags der Klägerin angemessen Rechnung trage. Das Urteil ist der Beklagten am 18.09.2008 zugestellt worden.
Die Beklagte hat am 14.10.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG stehe die Genehmigungserteilung nach § 195 Abs. 1 SGB V nicht im Ermessen der Beklagten, sondern es handele sich um eine gebundene Entscheidung (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 07.11.2000 - B 1 a 4/99 R -). Eine nach dem juristischen Interpretationsmethoden vorgenommene Auslegung des § 53 Abs. 2 SGB V komme zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin vorgesehene Satzungsbestimmung rechtswidrig und damit unzulässig sei. Der Wortlaut des § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB formuliere als Voraussetzung die Nichtinanspruchnahme von Leistungen, was sich mit der von der Beklagten trotz einer bis zu zweimaligen Inanspruchnahme von Leistungen versprochenen Beitragserstattung nicht vereinbaren lasse. Hinzu komme der Verstoß gegen das in § 53 Satz 9 SGB V geregelte Selbstfinanzierungsgebot, da die Leistungen lediglich pauschal berechnet würden (unter Berufung auf Schlegel in Juris-PK, § 53 Rdnr. 53 f.). Die systematische Auslegung des § 53 Abs. 2 SGB V führe zu demselben Ergebnis, da die vom SG für zulässig befundene Mischform aus § 53 Abs. 1 und 2 SGB V (nicht: Abs. 3 SGB V) der Systematik der Wahltarife bzw. der Regelungen des § 53 SGB V insgesamt widerspreche. Bei den absatzweise geregelten Tarifen in § 53 SGB V handele es sich um selbständige Wahltarife, denen jeweils ein abgegrenzter Sachverhalt zugrunde liege. Eine Mischform würde zu widersinnigen Ergebnissen führen, weil dann z.B. auch die Kombination der Absätze 2 und 3 (Prämie bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen sowie gleichzeitige Verpflichtung zur Teilnahme an Leistungen im Rahmen eines strukturierten Behandlungsprogramms) zulässig wäre. Bereits der Gesetzgeber habe im Übrigen entschieden, dass bestimmte Leistungen unschädlich sein sollten, was nicht beliebig erweiterbar sei. Insoweit sei von einem abschließenden Katalog unschädlicher Leistungen auszugehen. Die historische Auslegung schließlich zeige, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung in den Nachfolgebestimmungen zum § 65 SGB V a. F. bewusst davon Abstand genommen habe, die in dieser Vorschrift noch ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit einer anteiligen Beitragsrückzahlung zu normieren, da ansonsten diese Regelung ebenfalls in § 54 SGB V a. F. bzw. § 53 Abs. 2 SGB V überführt worden wäre. Das von der Klägerin angeführte Argument der Verwaltungseffizienz könne keinen Vorrang vor der Rechtmäßigkeit der Satzungsregelung haben. Schließlich treffe das Argument auch nicht zu, da von der Klägerin insoweit lediglich erfasst werden müsste, ob überhaupt Leistungen in Anspruch genommen worden sind und die einzelnen Kosten insoweit nicht zu erfassen seien. Ein erheblicher Verwaltungsaufwand falle daher nicht an. Die Festlegung von Pauschalbeträgen widerspreche außerdem insoweit vergleichbar mit dem Selbstbehalt dem angestrebten Steuerungseffekt, da der Versicherte über seine tatsächlich verursachten Kosten im Unklaren gelassen werde und Pauschalen stets eine Art Mischkalkulation beinhalteten bzw. auf Durchschnittswerten beruhten, die auf das einzelne Mitglied nicht zutreffen müssten. Das Urteil des SG sei im Übrigen auch wegen der unzutreffenden Kostenentscheidung aufzuheben, da die Beklagte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Tragung von Gerichtskosten befreit sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.08.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig, wozu sie auf die Ausführungen des SG verweist.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann nach § 54 Abs. 3 SGG mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, dass die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war vorliegend nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 SGG entbehrlich, weil der angegriffene Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde erlassen wurde.
Die Berufung ist begründet, weil die mit der Anfechtungsklage zugleich als Aufsichtsklage im Sinne von § 54 Abs. 3 SGG angefochtene Aufsichtsanordnung (vgl. BSGE 89, 213, SozR 3-2500 § 240 Nr. 42) der Beklagten rechtmäßig ist.
Nach § 195 Abs. 1 SGB V bedarf die Satzung der Klägerin der Genehmigung durch die Beklagte als ihrer Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung der Satzung und auch der Satzungsänderung ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Es hat eine Rechts-, nicht jedoch eine Zweckmäßigkeitsprüfung zu erfolgen. Die Rechtsprüfung hat sich darauf zu erstrecken, ob die Satzung bzw. die beschlossene Änderung der Satzung verfahrensmäßig ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. dazu § 197 SGB V), den erforderlichen Mindestinhalt hat (§ 194 Abs. 1 SGB V) und frei von einem Verstoß gegen höherrangiges Recht oder einer Zwecküberschreitung ist. Sind diese drei Punkte zu bejahen, muss die Genehmigung erteilt werden, weil eine Zweckmäßigkeitskontrolle durch die Aufsichtsbehörde nicht stattfindet (BSG SozR 3-3300 § 47 Nr. 1; Peters in Kasseler Kommentar, § 195 SGB V Rdnr. 4; Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB V, § 195 Rdnr. 16 ff.).
Nach § 53 Abs. 1 SGB V in der seit dem 01.04.2007 geltenden Fassung kann die Krankenkasse in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt); die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.
Nach Absatz 2 der Vorschrift kann die Krankenkasse in ihrer Satzung auch für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.
Schließlich hat die Krankenkasse nach Abs. 3 der Vorschrift in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 73c, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen.
Bereits das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2003, 2190) sah getrennt in den §§ 53 und 54 SGB V die Möglichkeit der Vereinbarung von Selbstbehalten und Beitragsrückerstattungen, vor welche nunmehr durch das GKV-WSG in der Neuregelung des § 53 SGB V zusammengefasst worden sind.
Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26.03.2007, BGBl I 2007, 378), mit dem § 53 Abs. 1 bis 3 SGB V mit Wirkung vom 01.04.2007 seine derzeit gültige Fassung erhalten hat, sollte angesichts der Ineffizienzen und vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen des demographischen Wandels und des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts das Gesundheitswesen weiterentwickelt werden. Dies sollte sowohl die Finanzierungsseite als auch die Angebotsstrukturen erfassen. Ausdrücklich sollten eine Qualitäts- und Effizienzsteigerung durch eine Intensivierung des Wettbewerbs auf Kassenseite insbesondere durch mehr Vertragsfreiheit der Kassen mit Leistungserbringern und Reformen der Organisation, wie z. B. die Ermöglichung neuer Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Einführung des Gesundheitsfonds, erreicht werden. Bürokratieabbau und mehr Transparenz auf allen Ebenen werden als weitere Motive des Gesetzgebers genannt (BT-Drucks. 13/3100, S. 1).
Als spezielles Motiv für die Änderung des § 53 SGB V wird in den Materialien angegeben, dass die Wahlfreiheit für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht werden solle, weil sie Voraussetzung für mehr Transparenz und Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sei. Speziell zu der Regelung in Absatz 2 der Vorschrift wird jedoch lediglich ausgeführt, dass die bisherige Regelung zur Beitragsrückerstattung in den Absatz 2 übernommen und insoweit redaktionell angepasst wird, als der Begriff "Beitragsrückerstattung" nicht mehr verwendet wird. Da die Krankenkassen keine Beiträge mehr erheben, könnten sie keine Beiträge zurückerstatten. Es seien daher jetzt Prämienzahlungen vorgesehen (BT-Drucks. a.a.O. S. 108).
Der Neuregelung des § 53 SGB V liegt die Zielsetzung des Gesetzgebers zugrunde, die Versicherten zur Nutzung der neuen Versorgungsformen anzuhalten und zu einem "sparsamen" Umgang mit Gesundheitsleistungen zu veranlassen. Hierbei wollte sich der Gesetzgeber nicht auf die Einsichtsfähigkeit der Versicherten verlassen zu wollen, sondern die Inanspruchnahme besonders wirtschaftlicher Versorgungsformen und sparsames "Konsumverhalten" der Versicherten sollte sich auch für den einzelnen Versicherten durch finanzielle Anreize individuell auswirken (Schlegel in: jurisPK-SGB V, § 53 Rdnr. 20).
Im Ergebnis stellt sich die beanstandete Regelung, nach der die erste ärztliche Behandlung mit einer Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr die Prämienzahlung (vormals: Beitragserstattung) um 40 EUR mindert, die zweite solche Verordnung die Prämie um 80 EUR mindert und die dritte eine Prämie ausschließt, als eine Kombination eines Wahltarifs "Beitragserstattung" mit einem Wahltarif "besonderes Behandlungsprogramm" entsprechend § 53 Abs. 3 SGV (Anreiz zu kostensparendem Verhalten durch Selektion/Verminderung der in Betracht kommenden Leistungen, hier wegen der Beschränkung auf zwei Verordnungen von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalenderjahr auf die aus Sicht des Versicherten jeweils wichtigsten Leistungen) und / oder einem Selbstbehalt nach § 53 Abs. 1 SGB V (Deutung der Prämienminderung als pauschalierter Selbstbehalt eines geminderten KV-Beitrags) dar.
Insoweit ist festzustellen, dass diese 24. Satzungsänderung der Klägerin nicht dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip" des § 53 Abs. 2 SGB V entspricht. Zutreffend hat daher die Beklagte festgestellt, dass der Wortlaut des § 53 Abs. 2 SGB V deutlich für das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" spricht. Neben der Regelung eines Wahltarifs mit einer Gestaltung nach § 53 Abs. 2 SGB V bestehen in den anderen Absätzen des § 53 SGB V noch andere Wahltarif-Gestaltungsmöglichkeiten, die jeweils durch besondere Absätze mit eigenständigen Regelungen getrennt sind. Auch wenn sich dem Gesetz ein ausdrückliches Verbot einer Mischform eines Wahltarifs, der Elemente aus verschiedenen Absätzen des § 53 SGB V kombiniert, nicht entnehmen lässt, spricht die Gesetzessystematik dagegen.
Für eine strikte Auslegung im Sinne der Beklagten spricht außerdem, dass der Gesetzgeber Ausnahmen von der Prämienfeindlichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen in § 53 Abs. 2 Satz 3 SGB V ausdrücklich geregelt hat; in dem detaillierten Katalog sind Ausnahmen im Sinne der umstrittenen Regelung aber gerade nicht enthalten.
Zwar trifft es zu, dass aufgrund der Schaffung des Gesundheitsfonds und des bundeseinheitlichen Beitragssatzes der Wettbewerb nur noch über die Leistungen bzw. die Rückausnahmen (Prämien, Verzicht auf Zuschläge etc.) vom einheitlichen Beitragssatz geführt werden kann. Auch ist einzuräumen, dass die umstrittene Regelung der Zielsetzung des Gesetzgebers Rechnung tragen kann, wirtschaftliches Verhalten der Versicherten zu fördern und zu belohnen. Die Zweckmäßigkeit der Regelung ist indes kein hinreichendes Argument für deren Rechtmäßigkeit.
Sofern die Klägerin auf die Genehmigung einer vergleichbaren Regelung durch das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg in einer Satzungsänderung der AOK Baden-Württemberg hinweist, kann allein hieraus und aus dem Gedanken der Chancengleichheit im Wettbewerb um die Versicherten kein Anspruch auf Gleichbehandlung hergeleitet werden. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen kann sich wegen der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) nicht auf eine rechtswidrige Verwaltungspraxis gründen. Einen "Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht" kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfGE 50, 142, 166; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 1 S. 10; BSG SozR 4-5533 Nr. 40 Nr. 2; BSG SozR 4-4100 § 128 Nr. 8).
Das Insistieren der Beklagten auf eine Alles-oder-Nichts-Regelung in § 53 Abs. 2 SGB V für Beitragserstattungen kann auch nicht als unzulässige Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten von Satzungen der Krankenkassen angesehen werden, weil hierfür sinnvolle Rechtfertigungsgründe denkbar sind. So könnte dem Gesetzgeber daran gelegen sein, die Tarifformen für die Versicherten überschaubar zu halten und den Wettbewerb transparent zu halten, was durch die Zulassung beliebiger Mischformen nur schwer zu erreichen wäre. Die Erhöhung der Transparenz auf allen Ebenen ist ein ausdrückliches Motiv des Gesetzgebers bei der Neuregelung gewesen (BT-Drucks. 13/3100, S. 1).
Bei dieser Sachlage fällt entscheidend ins Gewicht, dass die von der Klägerin gewünschte Satzungsänderung sich nur gegen die Wortlautgrenze von § 53 Abs. 2 SGB V einführen ließe. Die bei unklarem oder nicht eindeutigem Wortlaut zur Auslegung gesetzlicher Bestimmungen heranzuziehenden Gesichtspunkte des Bedeutungszusammenhangs, der Regelungsabsicht, des Sinnes und Zweckes des Gesetzes, der Gesetzeshistorie oder des Gebots einer verfassungskonformen Auslegung sind nicht einschlägig, wenn der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift dem entgegensteht; eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 10 EG 1/08 R - mit Hinweis auf Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S 143 m.w.N. und auf BVerfGE 54, 277, 299 f.; 59, 330, 334; 93, 37, 81).
Insoweit lässt sich auch nicht überzeugend argumentieren, dass in der umstrittenen Satzungsänderung strukturell eine Prämienzahlung wegen der Nichtinanspruchnahme von Leistungen (über die zugelassenen zweimalige Ausnahme hiervon) vorliegt. Denn die zweimalige Ausnahme von der im Gesetz vorgesehenen Nichtinanspruchnahme von Leistungen bedeutet, dass gerade keine Nichtinanspruchnahme von Leistungen mehr vorliegt.
Allerdings ist der von der Beklagten behauptete Verstoß gegen das in § 53 Abs. 9 SGB V enthaltene Selbstfinanzierungsprinzip, wonach vorliegend die Solidar- und Systemverträglichkeit der Wahltarife nicht gewahrt würde, nicht zwingend. § 53 SGB V arbeitet auch in seinen Absätzen 1 (Selbstbehalte) und 3 (besondere Versorgungssysteme) mit Pauschalen, die im Einzelfall nicht dazu führen, dass die konkret durch eine Versicherten verursachten Kosten bei diesem wieder zum Ausgleich gebracht werden. Demnach sieht § 53 SGB V insoweit auch für alle Wahltarife vor, dass ein langfristiger Ausgleich für jeden einzelnen Wahltarif dergestalt vorzunehmen ist, wonach jeder Wahltarif sich prinzipiell selbst finanzieren soll und Quersubventionierungen ausgeschlossen werden. Nachdem dies offensichtlich vom Gesetzgeber für die mit Pauschalen arbeitenden Wahltarife der Absätze 1 und 3 der Vorschrift für möglich erachtet wird, ist nicht erkennbar, weshalb ein entsprechendes Verfahren der Kontrolle der Kostenentwicklung innerhalb eines Wahltarifs auch für die von der Klägerin gewählte Neuregelung gemäß ihrer 24. Satzungsänderung nicht möglich sein dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage zugelassen.
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