S 15 U 143/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 15 U 143/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 U 446/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Wortlaut der Fassung der BK Nr. 2109 ist für die Gerichte grundsätzlich
verbindlich.
2. Der weite Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebens bei der Fassung einer BK gilt nicht für die Anwendung dieser Fassung durch die Gerichte.
3. Die Anerkennung eines vergleichbaren Belastungsprofils i.S. der BK 2109 kommt nur dann in Betracht, wenn die Belastung vom Wortlaut des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter noch gedeckt ist.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 04. April 2008 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr. 2109 ("Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können") der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1940 geborene Kläger war langjährig als Großtierarzt tätig, und zwar von 1965 bis 1991 als staatlicher Tierarzt beim Rat des Kreises K Abteilung Landwirtschaft, der ehemaligen DDR und in der Zeit von 1991 bis 1996 im Rahmen der Betreuung von zwei Agrargenossenschaften. Seit Dezember 1997 arbeitete er als selbständiger Tierarzt bei nach seinen Angaben eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Seit 01. April 2001 bezieht der Kläger eine Rente, die zunächst als Altersrente für Schwerbehinderte gewährt wurde.

Im November 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rentenleistungen; aufgrund 35jähriger tierärztlicher Tätigkeit vorwiegend im Großtierbereich sei sein gesundheitlicher Zustand nunmehr so schlecht, dass er nicht mehr weiterarbeiten könne. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2000 stellte der Kläger umfassend die von ihm in der Vergangenheit geleisteten Tätigkeiten dar. Er übersandte u. a. einen MRT-Befund der Halswirbelsäule (HWS) vom 26. September 1997 und einen Befund des Facharztes für Orthopädie Dr. K vom 06. November 2000, der ein chronisches Hals- und Brustwirbelsäulen(BWS)-Syndrom sowie ein Lumbalsyndrom bei seit 1996 zunehmenden Beschwerden bestätigte.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung des Klägers im Bereich der HWS als Berufskrankheit Nr. 2109 und die Gewährung von Leistungen ab, da der Kläger bei seiner Berufstätigkeit keine Lasten auf der Schulter getragen habe. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch führte der Kläger aus, dass seine berufliche Belastung gleichwertig zu den für die BK 2109 aufgestellten Voraussetzungen des Tragens auf der Schulter gewesen sei. Eine Kuh wiege 500 bis 750 kg, teilweise auch mehr. Dieses unruhige Gewicht und deren Kraft durch Abwehrbewegungen oder Niederwerfen habe er mit der Schulter abfangen müssen. Diesen Belastungen sei er auch langjährig, nämlich über 35 Jahre, und das nicht nur zu normalen Arbeitszeiten, sondern zusätzlich in wochenlangen Vertretungen und im Bereitschaftsdienst an Sonn- und Feiertagen ausgesetzt gewesen. Die hierdurch verursachten HWS- Veränderungen habe Dr. Z in seinem (im Rahmen des Verfahrens auf Anerkennung einer BK 2108 erstellten) Gutachten vom 27. Februar 2003 festgestellt. Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes (Technischer Aufsichtsdienst - TAD) ein, für den am 13. Juli 2004 Dipl.-Phys. M und Dipl.-Biol. L ausführten, dass die tierärztliche Tätigkeit zwar geprägt sei von belastenden Tätigkeiten und Manipulationen gegen den Willen der Patienten, Belastungen des Schultergürtels und insbesondere der Schultergelenke seien aufgrund einer Vielzahl von trächtigkeits- und zuchthygienischen Untersuchungen in der Großtierpraxis durchaus vorhanden; die Tätigkeit sei jedoch in den wenigsten Fällen mit Hebe- und Tragetätigkeiten im Sinne der BK 2109 verbunden, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese BK nicht gegeben seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 04. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers daraufhin zurück, da Tragetätigkeiten nicht ausgeübt worden seien.

Im Klageverfahren hat der Kläger Stellungnahmen des Dr. med. vet. W, Fachtierarzt für Tierärztliche Allgemeinpraxis, Bundesverband Praktischer Tierärzte, Landesverband Brandenburg e. V., vom 14. November 2004 ("Gutachten zur körperlichen Belastung der tierärztlichen Arbeit"), des Dr. K vom 14. September 2007 ("Einschätzung großtierärztlicher Tätigkeiten in der DDR") und der Dres. med. vet. Rund R vom 28. November 2007 beigebracht.

Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04. April 2008 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK 2109 ergäben sich allein aus dem Verordnungstext, wohingegen das Merkblatt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung nicht rechtsverbindlich sei, da es formalrechtlich nicht Bestandteil der BKV sei. Die vom Kläger dargestellte und mittels Bildern belegte Tätigkeit könne auch nicht im Wege der Auslegung unter die dargestellten Normen subsumiert werden, sie könne nicht als Tragen von Lasten auf der Schulter angesehen werden.

Gegen diesen ihm am 21. April 2008 zugegangenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. Mai 2008 eingegangene Berufung des Klägers. Dieser trägt zur Begründung weiterhin vor, dass das Schultern der Last der Großtiere während der zuchthygienischen Untersuchungen ein Tragen gewesen sei, das vom Wortlaut der BK Nr. 2109 erfasst werde. "Tragen" bedeute nicht, dass der gesamte getragene Gegenstand keinen Bodenkontakt mehr haben dürfe; bestehe noch Bodenkontakt, sei nur das Gewicht geringer. Weder der Verordnungstext noch das Merkblatt engten den Anwendungsbereich der BK Nr. 2109 auf das Berufsbild des Fleischträgers und auf entsprechende Tätigkeiten wie die des Kohlenträgers ein. Vielmehr sei im Merkblatt zur BK Nr. 2109 explizit darauf hingewiesen, dass "Tätigkeiten mit vergleichbarem Belastungsprofil" ebenfalls in Betracht zu ziehen seien. Er sei regelmäßig und langjährig spezifischen Belastungssituationen mit einer durch die Last auf der Schulter erzwungenen Kopf-Beuge-Haltung nach vorn und seitwärts bei gleichzeitiger Anspannung der Nackenmuskulatur ausgesetzt gewesen, die in ihrer Art und Weise eine spezifische Fehlbeanspruchung der Wirbelsäule bewirkt hätten, wie sie für die BK Nr. 2109 beschrieben sei. Zur Bewertung der Belastungssituation sei ein Gutachten des "Prof. Dr. D." einzuholen, der bereits für das Sozialgericht Gießen (Urteil vom 06. Juli 2007, Az.: S 1 U 168/05) ein Gutachten erstellt habe; auf dieses Urteil werde auch im Übrigen verwiesen. Der Kläger überreichte ferner eine Stellungnahme des Prof. Dr. PMLUH, vom 25. Februar 2009 zu den Arbeitsbedingungen von Großtierärzten in der ehemaligen DDR sowie einen Bericht der Dr. S/Dr. B/Dr. S, S- und H-Klinikum W vom 16. März 2007, in welchem als Diagnose ein chronisches zervikales Schmerzsyndrom bei Bandscheibendegeneration C 5/6 genannt ist, und einen CT-Bericht über seine HWS vom 08. Dezember 2006.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 04. April 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2004 aufzuheben, festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach der Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt und die Beklagte zu verurteilen, eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu gewähren. Der Kläger beantragt weiter hilfsweise,

ein Gutachten des "Prof. Dr. D. von der Orthopädischen Klinik -Stadt" einzuholen und die Herren Dr. med. vet. W, Dr. K und Prof. Dr. P zur Arbeitssituation eines angestellten Großtierarztes in der DDR als Zeugen zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2109 nicht gegeben seien.

Das Gericht hat am 16. April 2009 einen Erörterungstermin durchgeführt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen zum Gerichtsverfahren und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der erstinstanzliche Gerichtsbescheid und der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen der BK 2109 bei ihm vorliegen, weshalb auch Entschädigungsleistungen nicht zu erbringen sind.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter bei so genanntem Unterlassungszwang.

Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und dass die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 2. April 2009, Az. B 2 U 9/08 T, zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend im Hinblick auf die BK Nr. 2109 nicht erfüllt. Denn die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne eines Tragens schwerer Lasten auf der Schulter liegen im Falle des Klägers - wie bereits im angefochtenen Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid zu Recht ausgeführt - nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob die beim Kläger während der Untersuchungen und Geburtshilfen eingenommenen Zwangshaltungen zu Belastungen seiner Halswirbelsäule geführt haben, die mit denen der BK Nr. 2109 vergleichbar sind. Denn diese Zwangshaltungen waren nicht mit einem "Tragen schwerer Lasten auf der Schulter" verbunden. Das Gericht legt dabei durchaus die vom Kläger selbst geschilderten erheblichen körperlichen Belastungen insbesondere bei zuchthygienischen Tätigkeiten zugrunde, die durch die vom Kläger beigebrachten Erklärungen der Dr. W Dr. K Dr. R Dr. R und Prof. Dr. P bestätigt worden sind. So hat der Kläger etwa im Erörterungstermin vom 16. April 2009 ausgeführt, selbst 1,75 m groß zu sein. Der After der Kuh befinde sich in 1,35 m Höhe von dem Erdboden und die äußere Scheide in 1,25 m vom Erdboden, so dass er sich jeweils leicht beugen musste, um Untersuchungen ausführen zu können, die bis tief hinein in die Bauchhöhle bzw. Gebärmutter der Tiere reichten. Dies alles sei gegen den Willen der Tiere geschehen, die dabei Schmerzen verspürten und die er mit der Schulter habe fixieren müssen. Dabei habe sich, wie der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009 ausgeführt hat, nicht nur sein Arm, sondern auch seine Schulter im Körper der Tiere befunden. Ein "Tragen auf der Schulter" im Sinne der Definition der BK 2109 der BKV hat hierbei jedoch nicht stattgefunden.

Der Wortlaut der BKV ist hinsichtlich der hier streitigen arbeitstechnischen Voraussetzung zur BK 2109 verbindlich. Die Würdigung des Wortlauts einer Vorschrift ist die Grundlage jeder Auslegung; ist der Wortlaut eindeutig und nach ihm sprachlich und begrifflich das klar zum Ausdruck gebracht, was dem vom Normgeber gewollten Sinn der Vorschrift entspricht, so ist grundsätzlich hiernach auszulegen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007, Az. B 2 U 15/06 R, NZS 2008, 604, m. w. N.) Nach allgemeinen Grundsätzen setzt eine Auslegung zunächst immer einen auslegungsfähigen Wortlaut voraus; die Bedeutung, die ihm zugemessen werden soll, muss noch vom Wortsinn erfasst sein. Der Wortlaut der BK 2109 ist jedoch klar und im Hinblick auf die beschriebene Tätigkeit nicht interpretationsfähig. Den diesbezüglichen Ausführungen des Klägers vermag das Gericht nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung des Klägers umfasst der Begriff des "Tragens" nicht jedwede Belastung und ist sehr wohl damit verbunden, dass der getragene Gegenstand sich nicht mehr mit dem Eigengewicht auf dem Boden gestützt befindet, denn ansonsten würde man die Begriffe "anheben", "schieben" "ziehen" oder "bewegen" verwenden. Ein Tragen auf der Schulter liegt hingegen nur dann vor, wenn die im BK-Tatbestand beschriebene schwere Last von oben auf die Schulter drückt. Dies ist bei nach unten gebeugter Haltung nicht gegeben. Nichts anderes gilt, wenn man den erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2009 erfolgten Vortrag der Bevollmächtigten des Klägers, dass die Kühe bei den Untersuchungen mit beiden Hinterbeinen in der Luft gehangen hätten, zugrunde legt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass derartiges weder vom Kläger selbst noch von den von ihm benannten Zeugen behauptet wurde; ein derartiges Hängen der Kühe - die nach Angaben des Klägers 500 bis 600 kg wogen - in der Luft ist auf den vom Kläger als Beleg für seine Belastungen mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006 übersandten Fotos nicht zu sehen, auch ist nicht nachvollziehbar, welchem Nutzen eine solche Anstrengung hätte dienen sollen. Aber selbst bei Zugrundelegung dieses Vortrages hätte es sich, wie ausgeführt, allenfalls um ein "Anheben" oder "Stemmen" der Tiere gehandelt, deren Gewicht in diesem Falle weiter auf ihren Vorderbeinen lasten würde.

Der Wortlaut der BK 2109 deckt sich im hier verstandenen Sinn auch mit dem Sinn der Bestimmung, wie er sich aus den hierzu gemachten Ausführungen im Merkblatt zur BK 2109 (BArbBl 3/93, S. 53 ff.) ergibt. Der Kläger hat zu Recht darauf verwiesen, dass nach der Rechtsprechung Merkblätter als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes heranzuziehen sind (BSG, Urteil vom 18. August 2004, Az.: B 8 KN 1/03 U R, BSGE 93, 149, m. w. N.), denen allerdings keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zukommt (BSG, Urteil vom 12. April 2005, Az. B 2 U 6/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 59). Dem Merkblatt ist jedoch nichts zu entnehmen, was die Auffassung des Klägers stützen könnte. Der Verordnungsgeber hatte bei Einführung der BK 2109 die Berufsgruppe der Fleischträger als eine solche mit einer außerordentlichen Belastung der HWS vor Augen. Soweit ausgeführt ist, dass Tätigkeiten mit vergleichbarem Belastungsprofil ebenfalls in Betracht zu ziehen sind, bezieht sich dies eben nur auf das detailliert beschriebene Belastungsprofil bei Fleischträgern mit einer bestimmten, durch das Tragen erzwungenen Kopfbeugehaltung und dem Anspannen der Nackenmuskulatur, welche zu einer Hyperlordosierung und Verdrehung der HWS führen; dies öffnet jedoch nicht den Tatbestand der Verordnung entgegen seinem Wortlaut auf eine andere als die klar beschriebene Art der Tätigkeit, nämlich des Tragens auf der Schulter.

Etwas anderes ist auch nicht den vom Kläger zitierten Urteilen des BSG bzw. anderer Landessozialgerichte zu entnehmen. Soweit der Kläger wiederholt auf den in der Rechtsprechung dargestellten weiten Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers hinweist, folgt hieraus nichts dafür, dass nach Wahrnehmung dieses Gestaltungsspielraumes im Sinne einer bestimmten Definition der Voraussetzungen für eine BK diese für die anwendenden Gerichte nicht mehr verbindlich wären. Nicht ersichtlich ist, weshalb der Kläger meint, aus den Ausführungen des Sozialgerichts Gießen folgern zu können, dass auch seine tierärztliche Tätigkeit anerkennungspflichtig sei. Denn das Sozialgericht Gießen hat insbesondere Tätigkeiten für relevant gehalten, bei denen Bauholz und Sparren auf der Schulter befördert worden waren und bei denen etwa ein Sparren mit der Schulter nach oben gedrückt worden sei. Unter Bezugnahme auf den auch vom Kläger (wenn auch ohne Namensnennung) benannten Sachverständigen hat es insbesondere ausgeführt, dass auch dann, wenn in einer Vielzahl von Arbeitsschichten über einen langen Zeitraum schwere statische Gegenstände auf einer Schulter getragen würden, eine der BK 2109 entsprechende Belastung anzunehmen sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem zu folgen ist. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass zwei Landessozialgerichte derartige Belastungen bei Bauhelfern und Zimmerern nicht für ausreichend erachtet haben (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 1997, L 2 U 1591/97, HVBG-Info 8/1999, und LSG Niedersachsen, Urteil vom 29. April 1999, Az. L 6 U 206/98). Denn jedenfalls bei jemandem, der sich - wie der Kläger - bei seiner Tätigkeit sogar leicht mit der Schulter nach unten bücken muss, findet ein derartiges Tragen "auf der Schulter" nicht statt. Der Kläger verweist ferner für die Bedeutung der Merkblätter auf die Entscheidung des BSG vom 18. August 2004 (Az.: B 2 U 6/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 5), wo ausgeführt ist, dass "wegen der oftmals recht unbestimmten Fassung der BK’en" die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet seien, über deren Wortlaut hinaus den Inhalt dieser BK’en zu bestimmen. Um einen derartigen offenen, unbestimmten Tatbestand handelt es sich bei der BK 2109 jedoch im Hinblick auf die Art der Belastung gerade nicht. Diesen Ausführungen ist hingegen nicht zu entnehmen, dass, sofern die BK einen eindeutigen Inhalt hat, wie dies vorliegend der Fall ist, dieser nicht verbindlich wäre.

Den Beweisanträgen bzw. –anregungen des Klägers brauchte nach allem nicht gefolgt zu werden. Denn es wurde weder von seinen eigenen Angaben zur tatsächlich erfolgten Belastung bei seiner Tätigkeit als Großtierarzt noch von den Beschreibungen der benannten Zeugen, die er zuvor bereits schriftlich eingereicht hatte, so etwa des Prof. Dr. med. vet. P in dessen Ausführungen vom 25. Februar 2009, des Dr. K in dessen Stellungnahme vom 14. September 2007 oder des Dr. med. vet. W vom 14. November 2004 abgewichen. Nicht erheblich war, ob diese vom Kläger als Zeugen bzw. sachverständige Zeugen benannten Personen der Auffassung sind, dass Großtierärzte generell oder der Kläger im Besonderen einem der BK Nr. 2109 vergleichbaren Belastungsprofil ausgesetzt waren. Entscheidungserheblich ist allein die Subsumtion der ausgeübten Tätigkeit unter den Verordnungstext, dieser Vorgang ist nicht dem Zeugenbeweis zugänglich, sondern er obliegt allein dem erkennenden Gericht. Aus demselben Grund brauchte auch der namentlich nicht benannte "Prof. Dr. D." nicht gehört zu werden. Als Beweisthema gab der Kläger diesbezüglich an, dass der Gutachter feststellen solle, dass seine Arbeitssituation "ein Tragen auf der Schulter beinhaltet habe". Der Sachverständige kann aber weder Vorgänge bezeugen, die er zu keinem Zeitpunkt beobachtet hat, noch ist die Rechtsanwendung in Bezug auf unstreitige Arbeitsvorgänge seine Aufgabe. Der Sachverständige könnte allenfalls den wissenschaftlichen Stand zur Vergleichbarkeit von Belastungsprofilen darstellen, wie er beispielsweise zum Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern dargestellt worden ist (Klaus Schäfer und andere: Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf der Schulter, Zbl Arbeitsmed 58 (2008), 82 ff), worauf es aber in Ermangelung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung des Tragens auf der Schulter nicht entscheidungserheblich ankam.

Dahingestellt bleiben konnte nach allem, ob das beim Kläger vorliegende medizinische Schadensbild, insbesondere angesichts des Vorhandenseins von Veränderungen auch in anderen Wirbelsäulenabschnitten, wesentlich durch seine Tätigkeit verursacht worden sein kann.

Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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