L 7 KA 50/08 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 50/08 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat im Rahmen einer Normfeststellungsklage keine Klagebefugnis, wenn sie sich gegen die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses wendet, bei deren Zustandekommen die Mitglieder der Kassenärztlichen Bundesvereinigung überstimmt worden sind. Insbesondere ergibt sich eine solche Klagebefugnis nicht aus § 75 Abs. 2 SGB V oder aus „Fraktionsrechten“.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen den Beschluss des Beklagten zu 1) vom 17. Januar 2008 zur Richtlinie "Ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116 b SGB V: Konkretisierung der der onkologischen Erkrankungen in Anlage 3". Der Sache nach will die Klägerin erreichen, dass der ambulanten Krankenhausbehandlung eines Patienten bei diesen Erkrankungen die gesicherte Diagnose und die Überweisung durch einen niedergelassenen Facharzt vorausgehen ("Facharztfilter").

Am 17. Januar 2008 traf der Beklagte zu 1) auf der Grundlage von § 116 b Abs. 4 SGB V den o. g. Beschluss, der das Nähere über die ambulante Krankenhausbehandlung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen regelt. Zur Beschlussfassung beantragten die dem Beklagten zu 1) angehörenden Vertreter der Klägerin:

- "Einschränkung der Diagnosen auf seltene Erkrankungen oder solche mit einem besonderen Krankheitsverlauf.

- Die Versorgung in einem nach § 116 b Abs. 2 SGB V berechtigten Krankenhaus für die Leistungen nach § 116 b Nr. 2 Satz 1 Nr. 2 (Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen) setzt eine Überweisung durch den Facharzt voraus.

- Außerdem ist zu fordern, dass die Überweisung durch den Facharzt eine gesicherte Diagnostik für die entsprechenden Krankheiten voraussetzt, d.h. dass zum Zwecke der Diagnosesicherheit das Zusatzkennzeichen "G" (für "gesicherte Diagnose", vgl. ICD-10-GM/Version 2008/Systematisches Verzeichnis/Internationale statistische Qualifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision - German Modification), zu verwenden ist."

Die Mehrheit der Mitglieder des Beklagten zu 1) überstimmte in der Beschlussfassung diesbezüglich die Vertreter der Klägerin. Beschlossen wurden eine Liste onkologischer Erkrankungen, Erstzuweisung mittels Überweisung durch einen Vertragsarzt und der Verzicht auf eine gesicherte Diagnose.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2008 forderte die Klägerin den Beklagten zu 2) auf, im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach § 94 Abs. 1 SGB V die Beschlüsse in den genannten Punkten als gesetzeswidrig zu beanstanden. Diesen Antrag ließ der Beklagte zu 2) - soweit ersichtlich - unbeantwortet. Mit Schreiben vom 13. Mai 2008 teilte er dem Beklagten zu 1) vielmehr mit, dass die betreffenden Richtlinienbeschlüsse nicht beanstandet würden. Der Beklagte zu 1) veranlasste daraufhin die Bekanntmachung des Beschlusses im Bundesanzeiger vom 20. Juni 2008, Seite 2161 f., so dass er am 21. Juni 2008 in Kraft trat.

Am 3. Juli 2008 hat die Klägerin Klage bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Die Klage sei zulässig. Die Richtlinienbeschlüsse hätten die Rechtswirkung der Bundesmantelverträge und seien damit für die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenärztlichen Vereinigungen und für die teilnehmenden Vertragsärzte bindend. Die Verbindlichkeit der Beschlüsse für die Klägerin als eine der Trägerorganisationen des Beklagten zu 1) folge aus § 91 Abs. 6 SGB V. Die Klägerin und ihre Mitglieder hätten Anspruch darauf, dass die untergesetzlichen Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses gesetzeskonform und in Übereinstimmung mit der vom Bundesgesundheitsministerium genehmigten Verfahrensordnung ergingen. Die Trägerorganisationen des Beklagten zu 1) hätten als Normadressaten auch das Recht, den Beschluss auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Dies folge aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und der Weisungsungebundenheit der Mitglieder des Beklagten zu 1). Die Nichtbeanstandung durch den Beklagten zu 2) führe insbesondere nicht zur Unzulässigkeit einer gerichtlichen Überprüfung. Sie stelle einen Teilakt zum Wirksamwerden der Richtlinie dar, womit auch die Klage gegen den Beklagten zu 2) zulässig sei. Begründet sei die Klage, weil die angegriffenen Beschlüsse im Hinblick auf die im Antrag ersichtlichen Punkte rechtswidrig seien. Der Katalog in § 116 b Abs. 2 SGB V sei entgegen den getroffenen Beschlüssen einzuschränken. Er verletze die Rechte der Klägerin und ihrer Mitglieder, indem er - ungeachtet der anzunehmenden Verfassungswidrigkeit des § 116 b Abs. 2 SGB V - die Möglichkeiten der Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung unzulässig erweitere. Eine einschränkende Auslegung sei geboten, da ansonsten eine unverhältnismäßige Marktöffnung zulasten niedergelassener und niederlassungswilliger Spezialisten die Folge wäre. Die Öffnung der Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung sei - zumal mit den staatlichen Finanzierungsvorteilen der Krankenhäuser - als Wettbewerb der öffentlichen Hand zu bewerten, der ohne die geforderten Einschränkungen eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung und gemäß Art. 12 Abs. 1 GG einen Eingriff in die berufliche Entwicklungsmöglichkeiten der Vertragsärzte darstelle. Ein Wettbewerbsmodell würde zudem mit dem Nebeneinander von Zulassungsbeschränkungen für niederlassungswillige (zulassungswillige) Ärzte mit einer spezialisierten Ausrichtung einerseits und einer nicht mit einer expliziten Bedarfsprüfung versehenen Marktöffnung für Krankenhäuser im Bereich der ambulanten Versorgung andererseits gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoßen. Damit entfalle die Rechtfertigung für die Zulassungsbeschränkungen bei dem Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung. Es sei zu verhindern, dass die nach § 116 b SGB V in Frage kommenden Krankenhäuser sich auch mit der den Vertragsärzten möglichen Versorgung befassen und unterhalb der Schwelle der Ergänzungsversorgung bei seltenen Erkrankungen und besonderen Krankheitsverläufen tätig würden. Daher müsse der Beklagte zu 1) über seinen Auftrag nach § 116 b Abs. 4 Satz 4 SGB V, die Notwendigkeit der ambulanten Krankenhausbehandlung zu überprüfen, die Möglichkeiten der ambulanten Krankenhausbehandlung einschränken. Die Liste der beschlossenen onkologischen Erkrankungen sei zu ausführlich und beschränke sich nicht auf "seltene Erkrankungen". Die Überweisung durch einen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Facharzt des entsprechenden Gebiets sei erforderlich, um die Notwendigkeit der Leistungserbringung im Krankenhaus zu gewährleisten. Die von den Beschlüssen betroffenen Krankheiten seien auch in der vertragsärztlichen Versorgung diagnostizierbar und therapierbar. Darüber hinaus stelle das obligatorische Überweisungserfordernis einen verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleichsmechanismus dar. Die Richtlinie dürfe die ambulante Behandlung im Krankenhaus auch nur unter der Voraussetzung einer Überweisung auf der Basis einer bereits gesicherten Diagnose ermöglichen. Dies ergebe sich aus der Ergänzungsfunktion der Versorgung nach § 116 b SGB V. Die gesetzliche Voraussetzung des Vorliegens einer seltenen Erkrankung bzw. einer Erkrankung mit besonderem Krankheitsverlauf setze eine gesicherte Diagnose derselben voraus. § 116 b SGB V sei überdies nicht nur verfassungswidrig; er verstoße auch gegen die im europäischen Gemeinschaftsrecht verbürgte Niederlassungsfreiheit (Hinweis auf Urteil des EuGH vom 10. März 2009, Rs. C-169/07).

Anfänglich hat die Klägerin auch begehrt, den Beklagten zu 2) zu verpflichten, im Wege der aufsichtsrechtlichen Anordnung nach § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB V den Beklagten zu 1) anzuweisen, den Beschluss vom 17. Januar 2008 in den fraglichen Punkten neu zu fassen. Diesen Antrag hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2009 zurückgenommen. Ihr nunmehr ausschließlich gegen den Beklagten zu 1) gerichteter Antrag lautet,

a) betreffend den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.01.2008: die Regelungen insgesamt, hilfsweise - hinsichtlich der "Konkretisierung der Erkrankungen und des Behandlungsauftrags mittels Angaben von Diagnosen" (Eingangsformulierung linke Spalte) und - hinsichtlich des Überweisungserfordernisses (linke Spalte vor dem "Speziellen Teil") als gesetzeswidrig aufzuheben und

b) den Beklagten zu 1) zu verpflichten, anstelle der aufgehobenen Regelungen folgende Regelungen aufzunehmen:

aa) Den Abschnitt "Konkretisierung des Behandlungsauftrags" unter Beachtung der gesetzlichen Einschränkungen aus § 116 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V ("Seltene Erkrankungen und Krankheiten mit besonderen Krankheitsverläufen") sowie des § 27 der Verfahrensordnung des gemeinsamen Bundesausschusses neu zu beschließen.

bb) In der Eingangsformulierung im Abschnitt "Konkretisierung des Behandlungsauftrags" in der linken Spalte nach der Überschrift zu ergänzen: "Bei der Angabe der Diagnosen zum Zwecke der Diagnosesicherheit ist das Zusatzkennzeichen "G" zu verwenden.".

cc) Bei der Bestimmung "Überweisungserfordernis": "Bei Erstzuweisung besteht ein Überweisungserfordernis durch einen an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsarzt, in dessen Fachgebiet die Erstellung einer gesicherten Diagnose für die genannten Krankheiten fällt.";

c) hilfsweise: festzustellen, dass die vorgenannten Beschlüsse hinsichtlich der bezeichneten Regelungsbereiche gesetzeswidrig sind.

Hilfsweise beantragt die Klägerin, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, die Klage sei bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Die Klägerin könne nicht geltend machen, in eigenen subjektiven Rechten verletzt zu sein. Im hier streitigen Bereich der Krankenhausbehandlung sei keine Rechtsposition ersichtlich, die die Klägerin ohne Erlass der streitigen Regelungen gehabt hätte und die nunmehr eingeschränkt sei. Im Übrigen sei die Klägerin für eine Regelung der ambulanten Krankenhausbehandlung weder zuständig noch befugt. Sie nehme hier nur die Interessen der Vertragsärzte und zulassungswilliger Bewerber wahr, nicht aber eigene Rechte. Eine gewillkürte Prozessstandschaft sei mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung unstatthaft. In der Sache sei die Klage auf eine abstrakte Normenkontrolle gerichtet. Das Sozialgerichtsgesetz sehe dies nicht vor. Denkbar sei nur eine Konkurrentenklage des einzelnen Vertragsarztes, und zwar nicht gegen die Richtlinie, sondern gegen den einzelnen Exekutivakt, der es dem einzelnen Krankenhaus erst ermögliche, ambulant tätig zu werden. Die Klage sei aber auch unbegründet. Onkologische Erkrankungen seien bereits von Gesetzes wegen (§ 116 b Abs. 3 SGB V) durch Krankenhäuser ambulant behandelbar. Daher gehe eine etwaige Rechtsverletzung nicht von den Richtlinien, sondern unmittelbar vom Gesetz aus. Der Gesetzgeber selbst habe in seinem "Startkatalog" pauschal onkologische Erkrankungen als "seltene Erkrankungen bzw. Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen" definiert. Der Gemeinsame Bundesausschuss sei nicht befugt, diesen Katalog einzuschränken. Von einer generellen Marktöffnung zugunsten der Krankenhäuser könne angesichts der vielfältigen Voraussetzungen keine Rede sein. Die Entscheidung der Krankenhausplanungsbehörde habe zudem keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Bedarfsplanung im Zulassungssystem der Vertragsärzte, sondern erfolge rechtlich unabhängig von diesem. Auch erfolge die Vergütung nicht aus der an die Kassenärztlichen Vereinigungen geleisteten Gesamtvergütung nach § 85 SGB V, sondern gem. § 116 b Abs. 5 SGB V unmittelbar durch die Krankenkassen, so dass Einnahmeverluste der niedergelassenen Fachärzte allenfalls bei Unterschreitung des individuellen Praxisbudgets infolge der Konkurrenz zu erwarten seien. Die verlangte "gesicherte Diagnose" verstoße gegen den Wortlaut des Gesetzes in § 116 b Abs. 3 SGB V, wo gerade "Diagnostik und Versorgung" in die Hände des Krankenhauses gelegt würden. Im Rahmen seiner Entscheidung nach § 116 b Abs. 4 Satz 3 SGB V habe der gemeinsame Bundesausschuss eine Überweisung auch durch Hausärzte für ausreichend gehalten. Der im Gesetz enthaltene Beurteilungsspielraum sei keineswegs auf die von der Klägerin beanspruchte Regelung eingeengt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 116 b SGB V enthaltene Regelung bestünden schließlich nicht; vielmehr müsse man die fortgeltende Legitimation der vertragsärztlichen Bedarfsplanung in Frage stellen.

Die Beklagte zu 2) hat keinen Antrag gestellt.

Auch die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hält die Klage für unzulässig. Relevante Auswirkungen entfalte die Richtlinie allenfalls auf niedergelassene Vertragsärzte. Fachärztliche Überweisung und vorherige gesicherte Diagnose seien zudem nicht gesetzlich zwingend.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des Eilverfahrens L 7 KA 51/08 ER und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegen¬stand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Zuständigkeit des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ergibt sich aus § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Gesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444). Danach entscheidet das Landessozialgericht Berlin-Branden¬burg im ersten Rechtszug über Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und über Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss.

Die Klage gegen den Beklagten zu 1) hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, so dass der Senat in eine Prüfung ihrer Begründetheit nicht eintritt.

Unzulässig ist die Klage gegen den Beklagten zu 1), weil die Klägerin offensichtlich und eindeutig (vgl. zu diesem Maßstab Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Februar 2007, B 6 KA 8/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17) eigene rechtlich geschützte Belange nicht geltend machen kann; der Klage mangelt es an einem in Frage stehenden subjektiven Recht.

Der Klageart nach handelt es sich um eine Normenkontrollklage. In Betracht kommt nur ein Antrag auf Feststellung der Ungültigkeit der fraglichen Richtlinienbeschlüsse, nicht aber ihre "Aufhebung" bzw. die "Verpflichtung" des Beklagten zu 1) zum Erlass anders lautender Richtlinienbeschlüsse. Bei den Richtlinienbeschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 116 b Abs. 4 SGB V handelt es sich nicht um Verwaltungsakte, die die Möglichkeit der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage eröffnen, sondern um verbindliche untergesetzliche Normen (§ 91 Abs. 6 SGB V; vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20). Sachgerecht und als Klageart statthaft erscheint danach nur der Feststellungsantrag zu c). Zwar kennt das Sozialgerichtsgesetz keine abstrakte Normenkontrolle. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm ist kein "Rechtsverhältnis" im Sinne der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG; eine § 47 VwGO entsprechende Norm fehlt im SGG. Allerdings hat das Bundessozialgericht unter Verweis auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Normenkontrollklage juristischer oder natürlicher Personen unter bestimmten Einschränkungen für zulässig erachtet (vgl. Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 69/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14). Diese Rechtsprechung liegt auch § 29 Abs. 4 Nr. 3, 1. Alt. SGG zu Grunde.

Unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Klage auf Feststellung der Gültigkeit untergesetzlicher Rechtsvorschriften als "Normfeststellungsklage" ist die gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit des Klägers, ähnlich der Klagebefugnis nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Unmittelbarkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass die Rechtsnorm selbst die Betroffenheit des Klägers hervorruft, indem sie dessen eigene rechtlich geschützten Belange berührt (vgl. zu alledem Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 10 b bis 10 e zu § 55). Für eine solche als subjektives Recht wirkende Norm ist vorliegend nichts ersichtlich.

Eigene rechtlich geschützte Belange hat das Bundessozialgericht etwa berührt gesehen im Rahmen einer Klage der Spitzenorganisationen der Pflegedienste gegen die Regelung in Nr. 3 Satz 2 Krankenpflege-Richtlinien. Die Krankenpflege-Richtlinien beeinflussten nämlich allein durch ihre rechtliche Existenz den Spielraum der Spitzenorganisationen der Pflegedienste bei der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen zur näheren Ausgestaltung der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, ohne dass es hierfür noch eines gesonderten Vollzugsaktes bedurfte. Die Spitzenorganisationen der Pflegedienste nähmen zudem im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen zur häuslichen Krankenpflege eigene und von der Rechtsordnung geschützte Belange wahr. Sie würden hierbei nicht lediglich als Teil mittelbarer Staatsverwaltung tätig, sondern erfüllten bei der Mitwirkung an der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen vielmehr originär ihre Funktion als private Zusammenschlüsse zur Interessenvertretung ihrer Mitglieder (Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 16, 17, mit Hinweis auf Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG).

Gemessen daran und im Unterschied etwa zu den Spitzenorganisationen der Pflegedienste bei einer Klage gegen die Krankenpflege-Richtlinien kann die Klägerin im vorliegenden Zusammenhang keine eigenen – und auch keine fremden – rechtlich geschützten Belange geltend machen. Ihr fehlt damit ein Klagerecht.

Die Klägerin ist - ebenso wie die Kassenärztlichen Vereinigungen - eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V). Damit ist sie eine Behörde, die der Gesetzesbindung unterliegt (Art. 20 Abs. 3 GG). Sie ist kein Grundrechtsträger (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. September 1995, 1 BvR 597/95, zitiert nach juris) und auf die ihr kraft Gesetzes zugewiesenen Aufgaben beschränkt (vgl. Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 1. Aufl. 2008, Rdnr. 4 zu § 77). Ihre Aufgabe besteht von Gesetzes wegen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V) insbesondere in der Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrages. In diesem Zusammenhang hat sie die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen (§ 75 Abs. 2 SGB V).

Aus § 75 Abs. 2 SGB V lässt sich dabei kein subjektives Recht der Klägerin ableiten. Einerseits beschränkt sich die Interessenwahrnehmung durch die Klägerin auf die Beziehungen der Vertragsärzte mit den Krankenkassen. Andererseits steht dieses Mandat in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sicherstellungsauftrag und kann daher zur Überzeugung des Senats nicht verallgemeinert werden. § 75 Abs. 2 SGB V führt zu gebündelter Interessenwahrnehmung und Verhandlungsbefugnis; die Rechtswahrnehmung durch die Klägerin ist eine Kompensation für die fehlenden unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen. Eine Vertretungsaufgabe im Sinne einer allgemein-berufspoli¬tischen Zielsetzung ist damit nicht übertragen (vgl. Hesral in jurisPK SGB V, Rdnrn. 62 bis 66 zu § 75; Klückmann in Hauck, SGB V, Rdnr. 6 zu § 75; Orlowski in GKV-Komm SGB V, Rdnr. 29 bis 31 zu § 75). Der Klägerin kommt daher für die von ihr vertretenen Kassenärztlichen Vereinigungen und Vertragsärzte weder eine Verbandsklagekompetenz noch eine Prozessstandschaft zu. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB V der Klägerin kein allgemeines Mandat zur Wahrnehmung der Rechte der Vertragsärzte bei der Abwehr von Konkurrenz durch die Krankenhäuser zuschreibt; aufgrund ihres gesetzlich genau umgrenzten Aufgabenkreises wird ihr deshalb auch allgemein eine Klagebefugnis bzw. ein Feststellungsinteresse bei Klagen in Zusammenhang mit Maßnahmen oder Richtlinienbeschlüssen nach § 116 b SGB V abgesprochen (vgl. hierzu Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 11. Februar 2008, L 2 B 485/07 ER KA, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15; Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 4. Februar 2009, S 16 KA 654/08 ER, zitiert nach juris; Möller, SGb 2009, S. 345 [350]; Stollmann, NZS 2009, S. 248 [252]; Wenner, GesR 2007, 337 [343]). Der Sicherstellungsauftrag selbst ist von Maßnahmen und Richtlinien auf der Grundlage von § 116 b SGB V gleichzeitig nicht berührt. Dies gilt auch insoweit, als das Gesetz in § 116 b Abs. 2 SGB V die Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation fordert. Zwar mag sich die Bestimmung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung dadurch auf den Sicherstellungsauftrag auswirken, dass in den Katalogbereichen mehr Behandler zur Verfügung stehen. Der Sicherstellungsauftrag selbst ist hiervon aber ebenso wenig betroffen wie die von den Krankenkassen nach § 85 SGB V zu entrichtende Gesamtvergütung.

Eigene rechtlich geschützte Belange kann die Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass sie gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu den Trägerorganisationen des Beklagten zu 1) gehört. Zwar trifft es zu, dass § 91 Abs. 6 SGB V die Verbindlichkeit der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Träger nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V anordnet und die Richtlinien nach § 92 Abs. 8 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge sind. Allein hieraus folgt jedoch keine Klagebefugnis, da die Kompetenz der Klägerin zur Vertragsschließung nach § 87 Abs. 1 SGB V unberührt bleibt und die Verbindlichkeit einer Norm nicht ohne Weiteres auch die rechtlich geschützten Belange der Normadressaten berührt.

Eine Parallele zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen des Erweiterten Bewertungsausschusses (§ 87 Abs. 4 und 5 SGB V) kann nicht gezogen werden. Die Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gegenüber den Vertragspartnern aufgrund der Schiedsamtsfunktion des Gremiums anfechtbare Verwaltungsakte (vgl. Urteil vom 11. September 2002, B 6 KA 34/01 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19). Gerade in der Schiedsamtsfunktion liegt der entscheidende Unterschied zur Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dieser trifft seine Beschlüsse mit der Mehrheit der gesetzlich vorgesehenen Mitglieder (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 SGB V) und wirkt so originär rechtsetzend, ohne dass seine Entscheidungen schiedsamtlichen Charakter hätten. Den Mitgliedern des Beschlussgremiums kommt eine gerichtliche Anfechtungsbefugnis daher nicht zu. Das Recht auf Mitwirkung im Gemeinsamen Bundesausschuss würde durch eine formell oder materiell rechtswidrige Richtlinie zudem nicht beeinträchtigt. Gemäß § 91 Abs. 2 SGB V gehören dem Beklagten zu 1) zwei Vertreter der Klägerin an, denen unter den 13 Mitgliedern des Beklagten zu 1) auch bei der Beschlussfassung volles Stimmrecht zukommt. Die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit eines Beschlusses schränkt die organschaftlichen Rechte der Vertreter der Klägerin nicht ein. Die Vertreter der Klägerin haben vielmehr in Ausübung Ihres Stimmrechts entsprechend der auch hier vorgetragenen Überzeugung der Klägerin gegen den Beschluss gestimmt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Rechtmäßigkeitskontrolle der beschlossenen Richtlinien kann es für die Mitglieder des Beschlussgremiums nicht geben. Grundsätzlich wäre allenfalls denkbar, den einzelnen Mitgliedern des Gemeinsamen Bundesausschusses ein Klagerecht gegen diesen zuzuerkennen, wenn die Verletzung von Verfahrensrechten – etwa in Gestalt des willkürlichen Ausschlusses von Abstimmungen – geltend gemacht wird. Auch dann wären aber nur die Mitglieder des Beschlussgremiums klagebefugt, in keinem Fall dagegen die Klägerin als entsendende Körperschaft.

"Fraktionsrechte", etwa in Gestalt der verfassungsrechtlich für die Fraktionen einer gesetzgebenden Körperschaft vorgesehenen eigenen Rechte, kennen das Gesetz und die Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht. Im Rahmen der Selbstverwaltung bestehen Klagrechte grundsätzlich nur, wenn das Gesetz sie vorsieht. Weil das Gesetz im Falle des Gemeinsamen Bundesausschusses schweigt, muss es dabei bleiben, der Klägerin ein Klagerecht abzusprechen. Sofern sie die Mehrheitsentscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses im konkreten Fall für rechtswidrig hält, muss sie dies hinnehmen. Es erscheint auch ohne Weiteres sachgerecht, die Klägerin von einer Begründetheitsprüfung auszuschließen; andernfalls hätten es Angehörige eines Beschlussgremiums wie des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Hand, missliebige Mehrheitsentscheidungen stets der gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Im Sinne effektiver Regulierung und Verwaltung kann dies nicht gewollt sein. Denkbar sind allenfalls Klagen einzelner Vertragsärzte gegen die Zulassung einzelner Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung nach § 116 b Abs. 2 SGB V. Der Senat ist nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur konkreten Nomenkontrolle vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG), denn auf die Gültigkeit von § 116 b SGB V (in der Fassung des GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378) kommt es für die vorliegende Entscheidung, die allein prozessrechtlicher Natur ist, nicht an. Zur Verfassungswidrigkeit von § 116 b Abs. 2 SGB V hat die Klägerin im Übrigen nichts Substantielles vorgetragen. Der Sinn und Zweck der Norm besteht darin, über die Ermächtigung einzelner Krankenhausärzte gemäß § 116 SGB V hinaus den Versicherten die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten von Krankenhausärzten ohne Aufnahme in ein Krankenhaus zugute kommen zu lassen und dabei ambulante und stationäre Versorgung zu verzahnen; es soll ein Wettbewerb ermöglicht werden zwischen verschiedenen Versorgungsformen, um eine patienten- und bedarfsgerechtere sowie effizientere Versorgung zu gewährleisten (BT-Drs. 16/3100, S. 152). Im Rahmen seiner Prüfungskompetenz hat der Senat insoweit auch keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Norm (ebenso Wenner, GesR 2007, S. 337 ff., insbes. S. 342; Vollmöller, NZS 2006, S. 572; kritischer: Pitschas, MedR 2008, S. 473, insbes. 478 bis 480; vgl. auch das Gutachten von Barth und Hänlein zur "Gefährdung der Berufsfreiheit niedergelassener Vertragsärzte durch Verträge nach § 116 b Abs. 2 SGB V" für den Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und internistischen Onkologen in Deutschland e.V., abzurufen bei www.kbv.de). Etwas anderes ergibt sich vor allem nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Klagebefugnis von Vertragsärzten gegen die Ermächtigung von Krankenhausärzten (Beschluss vom 17. August 2004, 1 BvR 378/00, zitiert nach juris). Dieser Beschluss befasst sich nämlich mit der prozessualen Gestaltung von Konkurrenzsituationen in Bereichen, in denen kraft Gesetzes der Vorrang der niedergelassenen Ärzte gilt (§ 116 Satz 1 und Satz 2 SGB V). Wo der Gesetzgeber selbst aber diesen Vorrang einschränkt oder beseitigt – wie mit § 116 b SGB V -, indem er anderen Leistungserbringern gleichberechtigt neben den Vertragsärzten und ohne Prüfung eines Bedarfs den Zugang zur ambulanten Versorgung der Versicherten eröffnet, hat die genannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Bedeutung (Wenner, a.a.O.).

Nachdem die Klägerin ihre Klage gegen den Beklagten zu 2), mit der sie eine Aufsichtsmaßnahme herbeiführen wollte, zurückgenommen hat, war insoweit nur noch über die Kosten zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Der Senat misst dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung bei und hat daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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