L 9 KR 630/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 221/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 630/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Behandlung des bei der Beklagten versicherten F E (im Folgenden: der Versicherte) in der Zeit vom 16. September bis zum 20. De¬zem¬ber 2002 in der damaligen Landesklinik T. Diese rechtlich unselbständige Klinik war der Aufsicht des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg (LASV) unterstellt, bis sie mit Wirkung zum 15. Oktober 2006 einschließlich aller zum Krankenhausbetrieb gehörenden Vermögensgegenstände des Aktivvermögens an die jetzige Klägerin veräußert wurde.

Der zum streitigen Zeitraum arbeitslose Versicherte ist seit 1987 alkoholabhängig und hatte sich, nachdem zuvor die von ihm mitgenutzte Wohnung seiner Lebensgefährtin so seine Angaben "vom Amt" wegen Verwahrlosung geräumt worden sei, vom 29. August bis zum 12. Sep¬tember 2002 zum insgesamt neunten Mal einer Alkoholentgiftungsbehandlung in der (damaligen) Landesklinik B unterzogen. Am 12. September 2002 wurde er in die Landesklinik T verlegt. Nach dem von der Landesklinik B erstellten "Kurzbrief an den weiterbehandelnden Arzt" vom 11. September 2002 sei die Anmeldung zur Alkoholentwöhnungsbehandlung (AEB) erfolgt.

Unter dem 13. September 2002 beantragte die Landesklinik T (im Folgenden: Landesklinik) bei der Beklagten die Übernahme der Behandlungskosten für vier Wochen. Als Einweisungs- bzw. Aufnahmediagnose nannte sie die nach der ICD 10 verschlüsselten Diagnosen F 10.2 (Abhängigkeitssyndrom in Form von psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol) und Verdacht auf F 60 (paranoide Persönlichkeitsstörung) sowie als zusätzliche Behandlungsdiagnose K 70.0 (alkoholische Leberkrankheit). In der Zeile "Zuordnung nach §4 Psych. PV" des Antragsformulars findet sich die Eintragung "A5". Zur Erreichung der Ziele "Konzeptualisierung der Weiterbehandlung" und "Herstellung der ambulanten Therapiefähigkeit" gab die Landesklinik folgende Therapiemittel an:

- Medizinische und pflegerische Behandlung anderer psychischer Erkrankungen - Medizinische und pflegerische Behandlung somatischer Erkrankungen - Differentialdiagnostische Abklärung (psychologische Testung, EEG, CCT, NLG, EMG, Sonographie, ÖGD, EKG, Laborparameter) - Tägliche ärztliche Visite mit Befundkontrolle und Therapieanpassung - Täglich ärztlich geleitete Psychotherapie - Gruppen-, Musik-, Ergo-, Bewegungs-, Physiotherapie, Infogruppen, Gedächtnistraining Mit Schreiben vom 19. September 2002 teilte die (damalige) Landesversicherungsanstalt (LVA) Brandenburg - heute: Deutsche Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg - der Beklagten mit, sie habe dem Kläger eine voraussichtlich 12 wöchige stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Landesklinik T bewilligt. Hierzu erfolgte jedoch keine Aufnahmemeldung seitens der Landesklinik gegenüber der Beklagten. Im "Befundbericht im Rentenverfahren" vom 06. Dezember 2002 teilte die Landesklinik der LVA Brandenburg u.a. mit, der Versicherte befinde sich derzeit auf einer Psychotherapiestation, die dortige Behandlung komme inhaltlich einer AEB sehr nahe. In der Zeit vom 1. April bis zum 23. Juni 2003 nahm der Versicherte an einer von der LVA Brandenburg getragenen teilstationären Rehabilitationsmaßnahme in der Tagesklinik P teil.

Ausweislich des unter dem 08. Mai 2003 gestellten Verlängerungsantrags der Landesklinik sei eine Kostenübernahme bis zum 15. September 2002 erfolgt; der neue Antrag gelte bis zum 20. Dezember 2002. Als Behandlungsdiagnose wird nunmehr zusätzlich eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1) und als weitere Diagnose eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (F 60.8) aufgeführt. Zur Begründung des Verlängerungsantrages führte die Landesklinik aus:

"Hohes Schuld- & Schamerleben, Misstrauen, Größenideen, ausgeprägte Insuffizienz- & Versagensgefühle, Stimmung wechselhaft, vornehmlich depressiv, affektiv nicht authentisch"

Zur Erreichung der Therapieziele "psychische Stabilisierung", "Verbesserung des Psychopathogeneseverständnisses" und "Übergang in betreute Wohneinrichtung (Brandenburg) am 20.12.02" sollten folgende Therapiemittel eingesetzt werden:

- tägliche Gruppenpsychotherapie - Einzelpsychotherapie - medikamentöse Therapie - Ergo-, Musik-, Bewegungstherapie - soziale Beratung - Informationsstunden - Entspannungstraining

Nachdem die Beklagte bereits im Januar 2003 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Behandlungsnotwendigkeit beauftragt hatte und die Beteiligten in der Folgezeit ihre unterschiedlichen Standpunkte in diversen Stellungnahmen dargelegt hatten, stellte die Klägerin unter dem 30. Oktober 2003 der Beklagten für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 16. September bis zum 20. Dezember 2002 einen Betrag von 18.367,30 EUR in Rechnung und erhob am 03. August 2004 Klage.

Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. U L vom 22. April 2006 einschließlich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13. Oktober 2006 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 08. Oktober 2007 die Klage im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Im Zeitraum vom 17. Sep¬tem¬ber bis zum 20. Dezember 2002 habe im Falle des Versicherten keine medizinische Notwendigkeit zur stationären Krankenhausbehandlung bestanden, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe. Nach dessen Feststellungen habe bei dem Versicherten nur eine Alkoholabhängigkeit vorgelegen. Für die Annahme einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und/oder einer mittelgradigen depressiven Episode fänden sich demgegenüber in den Krankenunterlagen keine den gängigen Standards genügenden psychischen Befunde. Zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit seien jedoch nicht die Mittel eines psychiatrischen Krankenhauses erforderlich gewesen, vielmehr wäre im Hinblick auf die Vorgeschichte des Versicherten (bereits neun Entgiftungsbehandlungen durchgeführt) eine AEB als medizinische Rehabilitationsbehandlung ausreichend gewesen. Hinweise auf eine bedrohliche körperliche Erkrankung könnten nicht vorhanden gewesen sein, da dem Versicherten bereits am ersten Tag der stationären Behandlung Ausgänge ins Klinikgelände gestattet worden seien. Der Verlust der eigenen Wohnung des Versicherten sei offensichtlich der wesentliche Grund der Aufnahme in die Landesklinik gewesen. Die Dokumentation der fünf psychotherapeutischen Einzelgespräche zwischen dem 12. September und dem 20. Dezember 2002 sowie die Eintragungen in den Kurven dokumentierten die Standardbehandlung eines persönlichkeitsgestörten, alkoholkranken Patienten, ohne dass sich hieraus die besondere Notwendigkeit einer stationären Behandlung in einem Akutkrankenhaus ergeben würde. Insbesondere der Eintrag vom 13. Dezember 2002 dokumentiere, dass ein wesentlicher psychotherapeutischer Erfolg innerhalb des gegebenen stationären Rahmens nicht erzielt worden sei und natürlich bei einer Persönlichkeitsstörung auch innerhalb der kurzen Zeit nicht möglich gewesen wäre. Da narzisstische Persönlichkeitsstörungen und Alkoholmissbrauch/ abhängigkeit derart häufig vergesellschaftet seien, dass dieser Sachverhalt in sämtlichen medizinischen Rehabilitationsbehandlungen oder Tageskliniken oder ambulanten Behandlungen von alkoholabhängigen Patienten berücksichtigt werde, rechtfertigten auch die von der Klägerseite vorgebrachten Besonderheiten des Einzelfalles die Behandlung mit den Mitteln eines psychiatrischen Akutkrankenhauses nicht.

Gegen dieses ihr am 22. Oktober 2007 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 22. November 2007, zu deren Begründung sie vorbringt: Die Persönlichkeitsstörung habe sich aus der Biografie des Versicherten ergeben: alkoholkranke Eltern, die fast im Bett verbrannt und von dem Versicherten gerettet worden seien, von den Eltern körperlich misshandelt, Jähzornigkeit der Eltern, Scheidung der Eltern, als der Versicherte zehn oder zwölf Jahre alt gewesen sei. Selbstverständlich mache die Diagnose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung allein nicht den Einsatz der Mittel eines psychiatrischen Krankenhauses notwendig, es bestehe jedoch die Relevanz durch Bezug zur Alkoholerkrankung und der Depression: Die narzisstische Persönlichkeitsstörung erschwere die Abstinenzfähigkeit und Krankheitseinsicht erheblich und mache das stationäre Setting im Falle des Versicherten zwingend erforderlich. Zu Unrecht rüge der Sachverständige, dass psychiatrische Befunde und anamnestische Daten nicht nach dem AMDP System dokumentiert worden seien, denn zum einen sei der Befund nach AMDP aus der Dokumentation ableitbar, zum anderen stellten die von der Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie (AMDP) erarbeiteten Module nur eine Möglichkeit der Dokumentation in der Patientenakte dar. Die Dokumentation sei nicht allein deswegen mangelhaft, weil die Klägerin dieses System nicht einsetze. Der CT Befund einer Hirnatrophie ergebe für sich allein keinen pathologischen hirnorganischen Befund. Die Hirnatrophie müsse klinisch relevant sein, erst dann werde eine testpsychologische Untersuchung vorgenommen.

Bei seiner Einweisung habe der Versicherte nur 68 kg bei einer Körpergröße von 1,85 m gewogen, so dass er eine reguläre AEB in diesem Zustand nicht durch¬gehalten hätte. Er sei in einem sehr schlechten Allgemein- und Ernährungszustand eingeliefert worden, der nicht lediglich durch einen fünftägigen stationären Aufenthalt habe beseitigt werden können. Hauptsächlich sei der Patient in einem derartig psychisch labilen Zustand gewesen, dass er nicht hätte sich selbst überlassen werden dürfen. Er sei nur bedingt in der Lage gewesen, seine Erkrankung zu erkennen und dementsprechend damit umzugehen. Eine mittel- bis schwergradige Depression mit latenter Selbstmordgefährdung sei hinzugekommen. Eine ambulante oder teilstationäre Reha Maßnahme hätte der Versicherte daher nicht durchgehalten, da es ihm nicht möglich gewesen wäre, regelmäßig eine Therapieeinrichtung auf outpatient-Basis zu besuchen und dort erfolgreich gegen seine Sucht anzukämpfen. Eine stationäre psychotherapeutische Behandlung werde in der Regel erwogen, wenn mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllt sei:

- Es liegt eine erhebliche somatische Beeinträchtigung durch die psychische Symptomatik vor. - Eine im psychischen Beschwerdebild begründete Indikation ist gegeben (z. B.: Der Schweregrad der Störung ist besonders stark ausgeprägt). - Es besteht eine psychische Symptomatik, die in ambulanter Therapie zu chronifizieren droht. - Die Aufarbeitung besonderer sozialer Defizite ist notwendig. - Es besteht die Notwendigkeit einer intensiveren Konfliktverarbeitung. - Eine Überforderung der Familie im Umgang mit dem Patienten oder Überforderung des Patienten durch seine engste Umgebung/Familie liegt vor. - Die stationäre Psychotherapie dient als Motivierung für eine sich anschließende längerfristige Behandlung. - Es besteht eine regional-pragmatische Indikation (z. B. für Patienten einer Region, in der keine ausreichende ambulante psychotherapeutische Versorgung besteht).

Im Falle des Versicherten sei eine stationäre Psychotherapie angezeigt gewesen, um ihn für eine ambulante Langzeittherapie in Bezug auf seine Alkoholsucht vorzubereiten. Die ergotherapeutische Verlaufsdokumentation vermerke daher, dass er körperliche Schwierigkeiten gehabt habe, längere Arbeiten ohne Pausen durchzuhalten. Der Versicherte habe jedoch gerade zu Beginn die ständige Überwachung gebraucht, u.a. damit die regelmäßige Einnahme von Medikamenten und Mahlzeiten sichergestellt und seine körperliche Entwicklung ärztlich streng überwacht habe werden können. Wegen der stark ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitsstörung sei zunächst eine spezielle Psychotherapie auf der H II Station indiziert gewesen. In den ersten Wochen habe der Versicherte sowohl in der Gruppen- als auch in der Einzeltherapie immer wieder gezeigt, dass es ihm noch an der erforderlichen Krankheitseinsicht fehle und er seine Alkoholprobleme nicht zugeben könne. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung sei so ausgeprägt gewesen, dass von ihm empfundene Kränkungen ohne das entsprechende Setting sofort zu einem Trinkrückfall geführt hätten. Dem Versicherten sei es gleich¬gültig gewesen, ob er durch einen Trinkexzess seine Gesundheit oder gar sein Leben gefährde; in der Vergangenheit hätten die Trinkexzesse durchaus suizidalen Charakter gehabt. Auf der H II Station seien die Patienten grundsätzlich viel stärker in ein organisiertes und strukturiertes stationäres Setting eingebunden als auf der regulären AEB Station, da sie praktisch während des gesamten Tages durch Gruppen-, Beschäftigungs-, Sport- oder Kreativtherapien sowie durch Einzelgespräche beschäftigt seien. Es würde weniger Freiraum gelassen. Demgegenüber seien Patienten in der AEB schon sehr auf sich gestellt, auch, um über sich nachzudenken und für sich selber ein Leben ohne Alkohol zu erlernen und zu entwickeln. Dazu seien H II Patienten noch gar nicht in der Lage. Beim Versicherten sei erschwerend hinzugekommen, dass aufgrund seiner ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitsstörungen bestimmte Punkte nicht hätten thematisiert werden dürfen, er in der AEB jedoch in der Lage sein müsse, über seine Sucht und seine Probleme zu reden. Dies hätte beim Versicherten zum damaligen Zeitpunkt zu einem Zusammenbruch geführt. Die Überwachung im Rahmen einer A 5 Be¬hand¬lung sei am Anfang engmaschiger, als es das Behandlungskonzept der AEB Station vorsehe, da z.B. bei aufkommender Inakzeptanz des Behandlungsplanes das weitere Vorgehen abgestimmt werden müsse. Dem Versicherten habe auf der H II Station praktisch rund um die Uhr ein Ansprechpartner zur Verfügung gestanden, was aufgrund der Schwere der Sucht auch erforderlich gewesen sei. Obwohl den Ärzten bekannt gewesen sei, dass eine Bewilligung des Rentenversicherungsträgers für eine AEB vorgelegen habe, habe man sich zum damaligen Zeitpunkt bewusst für eine Vorschaltung der Behandlung auf der H II Station entschieden.

Dass im Aufnahmebericht vom 12. September 2002 eine Krankheitseinsicht des Versicherten sowie seine Therapiemotivation vermerkt seien, schließe die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht aus. Es sei gerade typisch für Patienten mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, dass sie Therapiewillen vorgäben und behandlungsmotiviert erschienen. Hierbei handele es sich aber hauptsächlich um eine psychische Abwehrhaltung der Patienten, da sie dazu neigten, die Sucht vor sich selber und gegenüber anderen zu bagatellisieren. Die Proklamation des Behandlungswillens reiche nicht aus, vielmehr sei für eine Alkoholentzugsbehandlung als Reha Maßnahme eine tiefere Einsicht in die Krankheit und ein aktives Mitwirken an der Gesundung erforderlich. Der Patient müsse begreifen, dass er durch die Sucht fremdgesteuert sei. Der typische Patient mit einer narzisstischen Persönlichkeitsführung könne sich dies nicht eingestehen, er schäme sich für seine Sucht und lege die typische narzisstische Abwehrhaltung an den Tag. Dies sei ein Schutzmechanismus, der verhindere, dass er zu stark mit seiner Sucht konfrontiert wäre, seine Gefühle ihn dabei überfluteten, so dass die Erkenntnis über das wahre Ausmaß der Sucht zu schmerzhaft für den Patienten sei. An dieser Stelle setze die H II Be¬hand¬lung an, um den Patienten für die spätere reguläre Alkoholentzugsbehandlung vorzubereiten, in welcher er noch stärker mit seiner Sucht konfrontiert werde. Bereite man einen Patienten mit einer narzisstischen Persönlichkeitsführung nicht durch entsprechende Psychotherapie auf die Alkoholentzugsbehandlung vor, drohe der vorzeitige Abbruch dieser Therapiemaßnahme. Die Beklagte verkenne, dass im Aufnahmebericht nur kurz vermerkt werden könne, was der Patient äußere und welchen Eindruck er auf den Aufnahmearzt mache. Ein eingehendes psychologisches Gespräch mit ausführlicher Anamnese sei weder möglich noch üblich. Die relativ inhaltsleere Aussage "Ich will ja trocken werden" bedeute noch nicht, dass ein Patient reha fähig sei.

Falsch sei, dass das therapeutische Setting der Station H II mit dem einer regulären AEB vergleichbar sei. Die Personaldecke auf einer AEB Station sei weitaus dünner als auf der H II Sta¬tion. Der Versicherte habe - wie sich aus der Akte ergebe - häufig über Suchtdruck geklagt, dem er auch nachgegangen wäre, wäre nicht rund um die Uhr ein Ansprechpartner vorhanden gewesen. Dass die Wohnung der Lebensgefährtin von Amts wegen aufgrund Verwahrlosung geräumt worden sei, belege, dass der Versicherte vor Beginn der Entgiftungsbehandlung sich überhaupt nicht mehr mit seiner sozialen Realität und den damit verbundenen Pflichten und Erledigungen im Alltag beschäftigt habe. Auf der H II Station werde ein Patient erst einmal befähigt, sich wieder um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Auch fänden im Bereich der der H II Station deutlich mehr Einzelgespräche statt als im Rahmen einer normalen AEB. Der Versicherte habe sich in seinen Einzelgesprächen der Therapeutin nach und nach etwas öffnen können, in der Gruppentherapie, auf der in der AEB der Schwerpunkt liege, sei es ihm jedoch, bedingt durch seine narzisstische Persönlichkeitsstörung, nach wie vor sehr schwer gefallen, vor anderen über seine Probleme zu reden. Er habe sich seiner selbst so sehr geschämt, dass eine Gruppenarbeit sehr erschwert gewesen sei. Die Kurz- und Tagesurlaube hätten der Belastungserprobung der Einschätzung der Rückfallgefährdung gedient.

Der 24. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg habe in seiner Entscheidung im Rechtsstreit L 24 KR 51/03 (Vorinstanz: Sozialgericht Cottbus, Az.: S 10 KR 85/02) unter Berufung auf den dortigen Sachverständigen ausgeführt, dass eine längere vollstationäre Behandlung eines alkoholabhängigen Patienten gerade wegen seiner narzisstischen Persönlichkeitsstörung gerechtfertigt sein könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 08. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 18.367,30 EUR nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 13. Oktober 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und wiederholt ihr früheres Vorbringen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten und der DRV Berlin-Brandenburg (Ärztliche und Reha-Akte) und die von der Klägerin geführte, den Versicherten betreffende Patientenakte verwiesen. Diese wurden beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Vergütung der Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 16. September bis zum 20. De¬zem¬ber 2002 zu.

I. Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Denn sie ist - ausweislich der Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie vom 19. Mai 2008 - durch den Kauf- und Übertragungsvertrag mit dem Land Brandenburg (UR-Nr. 1096/2005 vom 16. Dezember 2005 des Notars Dirk Reischauer) Inhaberin der zunächst dem Land Brandenburg als Trägerin der (damaligen) Landesklinik Teupitz zustehenden Vergütungsforderungen geworden. Aufgrund der Bezeichnung "Kauf- und Übertragungsvertrag" ist davon auszugehen, dass das neben dem Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft erforderliche Verfügungsgeschäft in Form der Abtretung gleichfalls Gegenstand der vertraglichen Regelungen wurde. Möglichen Formvorschriften für die Abtretung (vgl. Rohe, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand: 01. Februar 2009, § 398 Rd. 53) ist damit Genüge getan.

II. Ein Vergütungsanspruch der Klägerin besteht nicht.

1) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 01. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 für das Land Berlin (ABK-Vertrag).

a) Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung, jeweils in der im Jahre 2000 geltenden Fassung, in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008, Az.: B 1 KN 1/07 KR R und B 1 KN 3/08 KR R, veröffentlicht in Juris). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht insoweit unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage, die nur als deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen ist (BSGE 86, 166), unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem - wie hier - zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist.

b) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich alle allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der GKV sowie speziell von Krankenhausbehandlung, insbesondere deren Erforderlichkeit, vorliegen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V) wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nach-stationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen (§ 27 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V; vgl. BSG vom 16. Dezember 2008, a.a.O.).

c) Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Maßnahmen dürfen daher z.B. nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen; ebenso unterfallen rein pflegerische Maßnahmen nicht der Leistungspflicht der Krankenkassen, vielmehr müssen diese als Teil einer ärztlichen Behandlung dieser Behandlung untergeordnet sein (BSG a.a.O.). Besondere Mittel des Krankenhauses sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt (BSG a.a.O.). Dabei erfordert die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder den Einsatz aller dieser Mittel noch ist er stets ausreichend. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommen. Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (BSG a.a.O.).

d) Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung. Das gilt auch dann, wenn der Versicherte zur Sicherstellung der ambulanten Behandlung einer Betreuung durch medizinische Hilfskräfte in geschützter Umgebung bedarf und eine dafür geeignete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung steht. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist es, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 Satz 1 SGB V). Es geht dabei um die Bereitstellung der für diese Zwecke benötigten medizinischen Versorgung. Das lässt sich aus zahlreichen Einzelvorschriften des Leistungsrechts, insbesondere aus der Beschreibung der Leistungsziele in § 11 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowie aus dem Leistungskatalog in § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V ersehen.

Zu den Aufgaben der GKV gehört es dagegen nicht, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszu¬glei¬chen. Für derartige Risiken haben die Krankenkassen nicht einzustehen. Sie haben auch keine Möglichkeit, strukturelle Mängel außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu beheben, etwa eine Unterversorgung bei den Betreuungseinrichtungen für psychisch schwer kranke Patienten. Sie tragen dafür weder Verantwortung noch dürfen sie hierfür Geldmittel verwenden. Soweit ausnahmsweise etwas anderes gelten soll, legt das Gesetz dies ausdrücklich fest. Angesichts einer über mehrere Jahrzehnte unveränderten, im krankenversicherungsrechtlichen Schrifttum akzeptierten Rechtsprechung, die durch Fortschreibung des durch sie konkretisierten Rechtszustandes Eingang in das geltende Recht gefunden hat, ist für eine Auslegung des Gesetzes, die den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 SGB V auf andere als medizinisch begründete Behandlungsnotwendigkeiten erweitert, kein Raum (BSG a.a.O.).

e) Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung kommt es auf die medizinischen Erfordernisse im Einzelfall und nicht auf eine abstrakte Betrachtung an. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben hierbei im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dabei haben sie zwar von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, wenn die Krankenkasse im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen. Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse und des Gerichts in der Weise, dass von der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auszugehen ist, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist, bietet das Gesetz jedoch keine Grundlage. Auch Vereinbarungen in den Normsetzungsverträgen auf Landesebene können daher nicht bewirken, dass die Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung entgegen dem Gesetz nicht nach objektiven Maßstäben getroffen wird, sondern im Ergebnis der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes überlassen bleibt (BSG a.a.O.).

Der Grundsatz, dass die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im Prozess vom Gericht vollständig zu überprüfen ist, gilt auch dann, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht nachträglich für einen zurückliegenden Zeitraum bestreitet. Auch in dieser Konstellation ist eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse unter Berufung auf einen vermeintlichen Einschätzungsvorrang des verantwortlichen Krankenhausarztes weder vom Gesetz vorgesehen noch von der Sache her erforderlich und deshalb mit dem rechts-staatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar. Eine Besonderheit besteht - wie schon ausgeführt - lediglich darin, dass die Berechtigung der Krankenhausbehandlung nicht rückschauend aus der späteren Sicht des Gutachters zu beurteilen ist, sondern zu fragen ist, ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat (BSG a.a.O.).

2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann die Klägerin für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 16. September 2002 bis zum 20. Dezember 2002 keine Vergütung verlangen, weil vollstationäre Krankenhausbehandlung nicht erforderlich war.

a) Der Versicherte litt im streitigen Zeitraum an einer Alkoholabhängigkeit. Dies ergibt sich aus den insoweit überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. Lange und ist auch unstreitig. Dass der Versicherte darüber hinaus auch an einer mittelgradigen depressiven Episode sowie einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung litt, lässt sich nicht feststellen.

aa) Die Diagnose "mittelgradige depressive Episode" lässt sich weder anhand der Aufzeichnungen in der Patientenakte noch des Vorbringens der für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 4. Juni 2009 aufgetretenen Oberärztin Dr. G feststellen. Die in der ICD - 10 (in der für die Jahre 2000 bis 2003 geltenden Version 1.3) unter der Überschrift "affektive Störungen" zusammengefassten depressiven Episoden (Code F 32.-) werden wie folgt definiert: "Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden, leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zur Freude, das Interesse und die Fähigkeit zur Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle und Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig. Reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von "somatischen" Symptomen begleitet werden, die Interessenverlust oder Verlust der Freude früh erwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmungen, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust."

Von einer mittelgradigen depressiven Episode (F 32.1) wird gesprochen, wenn vier oder mehr dieser Symptome vorhanden sind und der betroffene Patient meist große Schwierigkeiten hat, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen.

Hieran gemessen ist die Diagnose mittelgradige depressive Episode nicht nachvollziehbar, da außer dem offensichtlich beeinträchtigten Selbstwertgefühl - die ärztliche Verlaufskurve schildert wiederholt Gefühle der Scham und der Unsicherheit - und einer am 16. September 2002 in der Pflegedokumentation festgehaltenen "gedrückten Stimmung" keines der sonstigen o.g. Symptome Erwähnung findet. Dass sich diese gedrückte Stimmung - wie in der o.g. Definition beschrieben - von Tag zu Tag wenig geändert habe, lässt sich anhand der Eintragungen in der Patientenakte ebenfalls nicht feststellen. Allerdings gibt der Bericht über die Einzelpsychotherapie des Versicherten an drei Tagen (08. Oktober, 15. Oktober, 29. Oktober) schwere depressive Erscheinungen wider. Symptome, die den Schluss auf dieses Krankheitsbild nachvollziehbar werden ließen, werden jedoch nicht genannt. Somit beschränkt sich die Dokumentation der Landesklinik auf das Festhalten eines Ergebnisses (Depression), ohne dies durch Aufzählung der einzelnen Symptome zu begründen. Das Vorliegen einer (schwer-, mittel- oder leichtgradigen) Depression hätte die Klägerin mittels der Patientenakte nur dadurch nachweisen können, dass ihre behandelnden Mitarbeiter für jeden Tag, an dem diese von einer Depression des Versicherten ausgingen, die hierfür erforderlichen Symptome der o.g. Definition aufgezeichnet hätten. Erst wenn diese Symptome in einer bestimmten Anzahl vorliegen, kann daraus auf eine (schwer-, mittel- oder leichtgradige) Depression geschlossen werden.

bb) Auch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung lässt sich - worauf der Sachverständige zutreffend hinweist - nicht feststellen.

Die in Kapitel V der ICD-10 (Version 1.3) insbesondere unter den Kennziffern F 60 bis F 62 erfassten Persönlichkeitsstörungen sind "tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen. Sie verkörpern gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen. Solche Verhaltensmuster sind meistens stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche des Verhaltens und der psychologischen Funktionen. Häufig gehen sie mit einem unterschiedlichen Ausmaß persönlichen Leidens und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einher." Bei den spezifischen Persönlichkeitsstörungen (F 60.-) handelt es sich "um schwere Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens der betroffenen Person, die nicht direkt auf eine Hirnschädigung oder -krankheit oder auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen sind. Sie erfassen verschiedene Persönlichkeitsbereiche und gehen beinahe immer mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Persönlichkeitsstörungen treten meist in der Kindheit oder in der Adoleszenz in Erscheinung und bestehen während des Erwachsenenalters weiter." Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist der Gruppe der sonstigen spezifischen Persönlichkeitsstörung (F 60.8) zugeordnet.

Auch insoweit bleibt die Klägerin die Darstellung der das Ergebnis "Persönlichkeitsstörung" rechtfertigenden Symptome schuldig. Deren Beschreibung kann nicht durch die Schilderung der (nahe liegenden) Ursachen einer Persönlichkeitsstörung - hier z.B.: Alkoholkrankheit und Jähzornigkeit der Eltern, Misshandlung durch die Eltern, deren Rettung aus Lebensgefahr - ersetzt werden. Die Klägerin hätte vielmehr detailliert aufführen müssen, welche konkreten starren Reaktionen der Versicherte auf welche konkreten unterschiedlichen persönlichen und sozialen Lebenslagen zeigt und inwiefern sein Wahrnehmen, Denken, Fühlen und seine Beziehungen zu anderen im einzelnen von der Mehrheit der Bevölkerung abweichen. Erst diese Angaben erlauben es Dritten - Kostenträgern, Sachverständigen oder Gerichten -, die Diagnose Persönlichkeitsstörung nachzuvollziehen.

Hinzukommt, dass die Grenze zu einfach auffälligem oder als störend empfundenem Verhalten, das nicht als krankhaft anzusprechen ist, zu exzentrischen Wesenszügen, aber auch zur bloßen Kriminalität schwer zu ziehen ist (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger [Hrgb.], Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 6. A., 2003, S. 552 ff.). Dies hat Dr. G in der mündlichen Verhandlung durch den Hinweis, nicht jede narzisstische Persönlichkeitsstörung sei behandlungsbedürftig, bestätigt. Die Klägerin hätte daher zusätzlich darlegen müssen, aufgrund welcher konkreter Umstände beim Versicherten eine behandlungsbedürftige narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt.

Der Reha-Entlassungsbericht der Tagesklinik P vom 2. Juli 2003 erhärtet dieses Ergebnis, da die dortigen Behandler die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung nicht gestellt haben. Zwar trifft zu - worauf Dr. G in der mündlichen Verhandlung aufmerksam machte -, dass sich das Verhalten des Versicherten in Gruppen- und Einzelpsychotherapie im Vergleich zum Aufenthalt in der Landesklinik nicht geändert hatte. Dass im Reha-Entlassungsbericht vom 2. Juli 2003 dennoch nicht von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung die Rede ist, zeigt, dass die dortigen Behandler des Versicherten den von ihnen festgestellten Symptomen offensichtlich nicht den Rang einer (behandlungsbedürftigen) Erkrankung beigemessen haben. Da es sich bei einer Persönlichkeitsstörungen ferner um eine tief verwurzelte, anhaltende Erkrankung handelt, deren 12-wöchige Behandlung auch nach Auffassung der Klägerin nicht zur vollständigen Gesundung des Versicherten hätte führen können, sondern eine Weiterbehandlung erfordert hätte, ist auch nicht davon auszugehen, dass in den knapp 3 ½ Monaten bis zum Beginn der tagesklinischen Behandlung am 1. April 2003 die auf eine Persönlichkeitsstörung hinweisenden Symptome ihren Krankheitswerten verloren.

Offen bleiben kann somit, ob der MDK und der Sachverständige zu Recht das vollständige Fehlen eines (ausreichenden) psychopathologischen Befunds bzw. das Fehlen einer in regelmäßigen Abständen während der stationären Behandlung durchzuführenden Aktualisierung rügen, oder ob der im Aufnahmebericht der Landesklinik vom 12. September 2002 unter Ziffer 5 enthaltene psychopathologische Befund genügt.

b) Allein die Alkoholabhängigkeit des Versicherten erforderte, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, keine vollstationäre Krankenhausbehandlung. Hieran ändert sich selbst dann nichts, wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, der Versicherte habe zusätzlich an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung gelitten. Denn diese beiden Krankheitsbilder sind - wie von Dr. G in der mündlichen Verhandlung bestätigt - häufig mit einander vergesellschaftet, so dass dieser Umstand nach den nachvollziehbaren, von der Klägerseite unwidersprochenen Feststellungen des Sachverständigen bei sämtlichen nicht-vollstationären Behandlungsformen therapeutisch berücksichtigt wird.

c) Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin darüber hinaus das Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Episode annähme, könnte dies den geltend gemachten Vergütungsanspruch nicht rechtfertigen. Denn dass die Behandlung aller genannten Krankheiten nur mit den Mitteln des Akutkrankenhauses unter vollstationären Bedingungen möglich ist, ist nicht nachgewiesen.

aa) Allerdings spricht gegen das Vorliegen von stationärer Behandlung nicht bereits der Umstand, dass die Einzelmaßnahmen jeweils für sich auch in einem ambulanten Setting hätten durchgeführt werden können. Denn nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen erfordert die Behandlung schwerer psychischer Leiden einen komplexen Behandlungsansatz unter Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams von Ärzten, Diplompsychologen, Sozialpädagogen, Ergo- und Bewegungstherapeuten mit fachlich besonders geschultem und erfahrenem psychiatrischen Pflegepersonal im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes (BSG, Urteile vom 16. Februar 2005, Az.: B 1 KR 18/03 R, und vom 20. Januar 2005, Az.: B 3 KR 9/03 R, veröffentlicht jeweils in Juris und jeweils unter Bezugnahme auf Weig/Gelhausen, SGb 96,577 ff). Daher spricht auch allein der Umstand, dass bei der Behandlung des Versicherten in hohem Maße Angehörige nicht-medizinischer Berufe zum Einsatz kamen und der Einsatz ärztlich koordiniert werden musste, nicht per se gegen das Vorliegen (und das Erfordernis) stationärer Behandlung. Der Leistungsanspruch des Versicherten – und somit der Vergütungsanspruch der Klägerin – hängt vielmehr entscheidend von der Schwere der Krankheit und die hierauf bezogenen, mit dem Gesamtbehandlungsplan verfolgten Behandlungsziele ab (BSG, Urteil vom 16. Februar 2005, a.a.O.).

bb) Die Erforderlichkeit stationärer (Krankenhaus-)Behandlung ist aber auch gegenüber der stationären medizinischen Rehabilitation abzugrenzen. Denn die im streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführten therapeutischen Maßnahmen unterscheiden sich letztlich nicht wesentlich von solchen, die auch in einer Rehabilitationseinrichtung erforder¬lich gewesen wären; die Über¬gänge zwischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation sind insoweit fließend (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005, a.a.O.). Der Umstand, dass die durchgeführte Behandlung dem äußeren Ablauf nach im Prinzip ggf. auch in einer Rehabilitationseinrichtung hätte stattfinden kön¬nen, belegt die besonderen Schwierigkeiten, bei psychischen/psychiatrischen Erkrankungen stationäre Krankenhausbehandlung und stationäre medizinische Rehabilitation voneinander abzugrenzen. Es lässt sich kaum unterscheiden, was noch zur Behandlung der Krankheit gehört, welche Therapieformen insbesondere bei chronischen Krankheiten noch zur Krankheitsbekämpfung zu rechnen sind und wann eine Ma߬nahme "nur" zur Sicherung des Erfolges einer vorangegangenen Behandlung dient. Die thera¬peutischen Maßnahmen in der Krankenhausbehandlung sind der Art nach dieselben wie in der Rehabilitation. Während in der somatischen Medizin die Berücksichtigung der psychosozialen Probleme ganz vorrangig Aufgabe der Rehabilitation ist, gilt dies im Bereich der Psychosoma¬tik/Psychotherapie nicht in diesem Maße; Schädigung und Schädigungsfolgen sind hier eng miteinander verwoben, sodass schon die Krankenhausbehandlungsphase rehabilitative Ele¬mente enthalten muss. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles ist ent¬scheidend, dass die Behandlung einer Erkrankung im Vordergrund steht (BSG a.a.O. m.w.N.).

cc) Im vorliegenden Fall sprechen folgende Umstände gegen die Erforderlichkeit stationärer Krankenhausbehandlung:

(1) Ein (Gesamt-)Behandlungsplan findet sich in der Patientenakte nicht. Zwar nennt der Verlängerungsantrag der Landesklinik vom 08. Mai 2003 mehrere Therapieziele. Aufgrund des Datums dieses Antrages - fast fünf Monate nach Entlassung des Versicherten (!) - liegt es jedoch nahe, dass hier Therapieziele nicht aufgrund einer prospektiven, sondern aufgrund einer retrospektiven Betrachtung formuliert wurden, da zum damaligen Zeitpunkt im Rahmen des bereits eingeleiteten Überprüfungsverfahrens die divergierenden Standpunkte der Beteiligten erstmalig ausgetauscht waren.

Die im Kostenübernahmeantrag vom 13. September 2002 genannten Therapieziele vermögen eine stationäre Krankenhausbehandlung nicht zu rechtfertigen. Denn die Konzeptualisierung von Weiterbehandlungsmöglichkeiten ist auch ambulant möglich. Aus welchen Gründen die "Herstellung der ambulanten Therapiefähigkeit" nicht auch im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu erreichen gewesen wäre, hat die Klägerin nicht dargelegt. Darüber hinaus ist das in diesem Antrag genannte Therapiemittel "tägliche ärztliche Visite mit Befundkontrolle und Therapieanpassung" während des gesamten beantragten Zeitraums von vier Wochen nicht durchgeführt, zumindest jedoch in keiner Weise dokumentiert worden. Gleiches gilt für die "tägliche ärztliche Psychotherapie": hierbei kann es sich nicht um die täglich mit Ausnahme der Wochenenden durchgeführte, psychotherapeutisch oder ärztlich geleitete (Groß- oder Klein-)Gruppentherapie handeln, da diese ausweislich des Kostenübernahmeantrags zusätzlich erbracht werden sollte.

(2) Aus welchen Gründen die von der LVA Brandenburg bewilligte stationäre 12 wöchige (!) Rehabilitationsmaßnahme für den Versicherten von der hierfür vorgesehenen Landesklinik nicht durchgeführt wurde, ist nicht erkennbar. Die Bewilligung seitens des Rentenversicherungsträgers belegt jedoch, dass auch aus seiner Sicht eine stationäre medizinische Rehabilitationsleistung dem Krankheitsbild des Versicherten entsprach, demzufolge keine stationäre Krankenhausbehandlung mehr erforderlich war.

(3) Auch die Einschätzung der Stationsärztin Frau S - sie führte auch die Einzelpsychotherapie ab dem 8. November 2002 durch - im Befundbericht für die LVA Brandenburg vom 06. Oktober 2002, die Behandlung des Versicherten auf der Psychotherapiestation komme inhaltlich einer AEB sehr nahe, lässt die Zweifel an der Erforderlichkeit stationärer Krankenhausbehandlung begründet erscheinen. In ihrer internen, nur in der Patientenakte abgelegten Stellungnahme vom 3. Dezember 2003 gibt sie der MDK-Gutachterin H sogar "formal gesehen Recht, dass der Patient die gleichen Therapien in einer Alkoholentwöhnungsbehandlung erhalten hätte".

(4) Zu keinem anderen Ergebnis führt im Übrigen der Hinweis der Klägerin auf die beim Versicherten durchgeführte so genannte A 5 Behandlung. Der Inhalt dieser Behandlungsformen ergibt sich aus der Anlage zur Psychiatrie-Personal¬ver¬ord¬nung (PsychPV). Diese Verordnung regelt nach ihrem § 1 Abs. 1 die Maßstäbe und Grundsätze zur Ermittlung des Personalbedarfs für Ärzte, Krankenpflegepersonal und sonstiges therapeutisches Fachpersonal in psychiatrischen Einrichtungen für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche mit dem Ziel, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche stationäre oder teilstationäre Behandlung der Patienten zu gewährleisten, die einer Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 SGB V bedürfen. Sie hat damit nicht nur eine spezifisch krankenhausfinanzierungsrechtliche, sondern eine unmittelbar auch krankenversicherungsrechtliche Funktion; denn sie macht durch die Beschreibung von Tätigkeitsprofilen im Krankenhaus zugleich inhaltliche Vorgaben zur Behandlung psychisch Kranker, indem sie dabei die Bedingungen einer modernen psychiatrischen Behandlung berücksichtigt (BSG, Urteil vom 16. Februar 2005, Az.: B 1 KR 18/03 R, veröffentlicht in Juris).

Anlage 1 zu dieser Verordnung enthält die inhaltliche Beschreibung der aufgabentypischen Schwerpunkte u.a. des Behandlungsbereichs A (Allgemeine Psychiatrie). Der Teilbereich A 5 (Psychotherapie) sieht für Kranke mit schweren Neurosen oder Persönlichkeitsstörungen, die stationär psychotherapeutisch behandelt werden müssen, als Behandlungsmittel eine komplexe psychotherapeutische Behandlung vor. Die Voraussetzungen für den Leistungsbereich A 5 lagen jedoch nicht vor, da nach den Feststellungen des Senats keine - somit erst recht keine schwere - Persönlichkeitsstörung des Versicherten gegeben war.

dd) Mögliche Abweichungen von der Rechtsprechung des 24. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, insbesondere in dem von der Klägerin zitierten Urteil vom 20. Sep¬tember 2005 (Az.: L 24 KR 51/03), können außer Betracht bleiben. Denn diese Entscheidung des 24. Senats berücksichtige noch die - inzwischen überholte - Rechtsprechung des 3. Senats des BSG, wonach die Erforderlichkeit vollstationärer Krankenhausbehandlung bereits dann zu bejahen sei, wenn die Entscheidungen des Krankenhauses medizinisch vertretbar seien.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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