L 11 R 1328/09 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1448/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1328/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. März 2009 aufgehoben.

Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG).

In dem Klageverfahren S 5 R 1448/06 beim SG ist zwischen den dortigen Beteiligten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig. Mit Beschluss vom 28. April 2008 wurde Dr. R. auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt und gebeten, das Gutachten bis 15. August 2008 zu erstatten. Die Klägerin teilte dem SG am 2. Juni 2008 mit, dass sie aufgrund eines längeren Krankenhausaufenthaltes erst am 9. Juli 2008 begutachtet werden und es deswegen zu einer Verzögerung kommen könne. Bereits am 20. August 2008 und dann am 18. September 2008 mahnte das SG bei dem Sachverständigen die Erstattung des Gutachtens an. Eine telefonische Nachfrage vom 21. November 2008 ergab, dass das Gutachten in 14 Tagen vorliegen müsse. Bei einem weiteren Rückruf am 15. Dezember 2008 konnte der Sachverständige nicht erreicht werden. Hierauf setzte das SG dem Sachverständigen mit Schreiben vom 12. Januar 2009 eine letzte Frist bis zum 6. Februar 2009, andernfalls werde ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,- EUR gegen ihn verhängt. Hierauf teilte der Sachverständige mit, dass es aufgrund eines Umzugs seiner Praxis zu einer weiteren Verzögerung kommen werde, deswegen das Gutachten erst bis Ende Februar fertig gestellt sein könne. Mit weiterem Schreiben vom 30. Januar 2009, gerichtet an die alte bekannte Adresse des Sachverständigen, verlängerte das SG die Frist bis zum 26. Februar 2009 unter erneuter Androhung eines Ordnungsgeldverfahrens. Hierauf bat der Sachverständige am 11. Februar 2009 um eine letzte Fristverlängerung bis Freitag, die unter Hinweis auf das Gerichtsschreiben vom 30. Januar 2009 abgelehnt wurde. Am 3. März 2009 um 18:29 Uhr ging das Gutachten beim SG ein.

Mit Beschluss vom 3. März 2009, ausgefertigt am 4. März 2009 und dem Sachverständigen zugestellt am 6. März 2009, hat das SG gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,- EUR bei Nichtbeitreibung eine Ordnungshaft von einem Tag verhängt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Sachverständige habe die ihm gesetzte Frist nicht eingehalten, so dass die beschlossenen Ordnungmaßnahmen festzusetzen gewesen wären, die auch der Verhältnismäßigkeit entsprächen.

Mit seiner dagegen am 10. März 2009 beim SG eingelegten Beschwerde hat der Sachverständige geltend gemacht, dass es zu der verspäteten Gutachtenserstattung in erster Linie deswegen gekommen sei, weil das Schreibbüro so lange Zeit in Anspruch genommen habe und derzeit auch sehr viele Anfragen an seine Praxis vorlägen. Es sei deswegen nicht mehr möglich, die Anfragen innerhalb von Fristen von drei Monaten zu beantworten, diese müssten auf sechs Monate verlängert werden.

Der Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. März 2009 aufzuheben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die Akten des SG sowie die Beschwerdeakte des Senats Bezug genommen.

II.

Die unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Beschwerde ist zulässig und statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 409 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Die zulässige Beschwerde ist auch begründet, denn das SG hat zu Unrecht gegen den Beschwerdeführer in dem Verfahren S 5 R 1448/06 ein Ordnungsgeld von 300,- EUR (ersatzweise einen Tag Ordnungshaft) verhängt.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO kann gegen einen zur Erstattung eines Gutachtens verpflichteten Sachverständigen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn er die Gutachtensfrist versäumt und das Ordnungsgeld vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht worden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Ungeachtet des Umstandes, dass bereits aufgrund der telefonischen Mitteilung vom 29. Januar 2009 Anlass bestanden hätte, das hier allein maßgebliche Schreiben vom 30. Januar 2009 an die neue Praxisadresse zu richten, hätte aufgrund des Praxisumzugs der beantragten letztmaligen Fristverlängerung stattgegeben werden müssen. In einem solchen Falle muss nämlich das Gericht ohnehin damit rechnen, dass es bedingt durch den Umzug zu Verzögerungen des Praxisbetriebs kommen kann und sich dies naturgemäß auch auf die Erstattung von Gutachten auswirken wird. Insofern fehlt es, jedenfalls in dem hier beschriebenen Umfang von nur einer Woche, an einem Verschulden des Sachverständigen an der Fristüberschreitung. Dessen ungeachtet steht der Rechtmäßigkeit des Ordnungsgeldbeschlusses entgegen, dass das Gutachten bereits vor Übersendung des Ordnungsgeldbeschlusses dem SG vorlag. In einem solchen Falle ist dann die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nicht mehr zulässig (so auch Thüringisches LSG, Beschluss vom 19. April 1994, L 3 B 2/94, Breithaupt 1995, 298).

Die Kostenentscheidung beruht zum einen auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da der Beschwerdeführer nicht zu dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehört. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens, hier somit jedenfalls nicht der obsiegende Beschwerdeführer. Allerdings ist im Beschwerdeverfahren von Zeugen - für die Beschwerde des Sachverständigen gilt dann nichts anderes - gegen Ordnungsgeldbeschlüsse nur der jeweilige Beschwerdeführer beteiligt (BFH, Beschluss vom 10.01.1986, IX B 5/85 in BFHE 145, 314; zur Beschwerde eines Verfahrensbeteiligten gegen ein Ordnungsgeld BGH, Beschluss vom 12.06.2007, VI ZB 4/07: "nicht kontradiktorisch ausgestaltet"; zur Beschwerde des Klägers gegen Entscheidungen über Gerichtskosten nach § 109 SGG LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.03.2009, L 10 U 1056/09 KO-B, und 23.07.2009, L 10 U 2682/09 B: "parteieinseitiges Verfahren"). Die Kostenentscheidung beruht deshalb zum anderen, hinsichtlich der Frage nach dem Kostenschuldner im Falle des Obsiegens des Beschwerdeführers, auf einer entsprechenden Anwendung des § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO; so auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.10.1994, L 3 SB 65/94, Breithaupt 1995, 548; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.03.2009, L 10 U 1056/09 KO-B, und 23.07.2009, L 10 U 2682/09 B). Kostenschuldner ist somit die Staatskasse.

Eines Ausspruchs zu den Gerichtskosten bedarf es nicht, sodass nur über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist. Dies folgt indessen noch nicht aus dem Umstand, dass die Staatskasse gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist, weil andernfalls der Beschwerdeführer für die Gerichtskosten haften würde (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Nr. 4, § 31 GKG; zum Ausschluss der Kostenerhebung in einem solchen Fall: § 2 Abs. 5 Satz 1 GKG). Vielmehr fallen für das vorliegende Beschwerdeverfahren keine Gerichtskosten an. Gemäß § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Kostenverzeichnis Nr. 7504 beträgt die Gerichtsgebühr bei erfolgloser Beschwerde pauschal 50 EUR, bei teilweiser Erfolglosigkeit ggf. weniger. Dies schließt Gerichtskosten im Falle eines vollen Erfolges der Beschwerde aus, sodass eine Entscheidung über Gerichtskosten entfällt (BFH, a.a.O.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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