L 16 R 688/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 5119/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 688/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Isoliertes Klage auf Datenfeststellung nach dem AAÜG unzulässig bei gleichzeitiger anhängiger Klage auf höhere Altersrente; nachträglich weggefallenes Rechtsschutzbedürfnis
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
München vom 5. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) streitig, ob die Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 als Beitragszeit nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) anzuerkennen ist.

Die 1943 geborene Klägerin stellte am 29.05.2001 einen Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften bei der Beklagten. Die Klägerin studierte vom 01.09.1963 bis zum 07.07.1967 an der Pädagogischen Fakultät der H.-Universität in A-Stadt. Das Studium schloss sie mit dem Staatsexamen als Fachlehrerin für Körpererziehung/ Geographie ab. Von August 1967 bis Juli 1968 war sie als Lehrerin tätig. Vom 15.08.1968 bis zum 31.08.1969 hatte die Klägerin eine Anstellung als Kreissportlehrerin. Vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 war die Klägerin im Rahmen einer Frauensonderaspirantur und vom 15.12.1971 bis zum 31.07.1972 als wissenschaftliche Assistentin an der H.-Universität in A-Stadt tätig. Für die Frauensonderaspirantur erhielt die Klägerin nach eigenen Angaben ein Stipendium in Höhe von 530,- Mark monatlich. Vom 01.08.1972 bis zum 31.12.1973 hatte die Klägerin eine Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Turn- und Sportbund. Bis zum 31.12.1990 war sie als Dipl. Sportlehrerin bzw. wissenschaftliche Mitarbeiterin/Trainerin tätig. Die Tätigkeit wurde lediglich durch eine Erziehungszeit vom 01.01.1978 bis zum 14.01.1981 unterbrochen.

Mit Feststellungsbescheid vom 30.11.2001 stellte die Beklagte folgende Zeiten fest:

Vom 01.08.1967 bis zum 31.07.1968 Zeiten zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen;
vom 15.08.1968 bis zum 31.08.1969 Zeiten zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter gesellschaftlicher Organisationen;
Vom 15.12.1971 bis zum 31.07.1972 Zeiten zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen;
vom 01.08.1972 bis zum 31.05.1990 Zeiten zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter gesellschaftlicher Organisationen;
vom 01.06. bis zum 30.06.1990 Zeiten zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen.

Am 30.08.2002 stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X.

Mit Bescheid vom 27.09.2002 lehnte die Beklagte die Abänderung des Bescheides vom 30.11.2001 hinsichtlich der Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 ab, da die Überprüfung ergeben habe, dass weder das Recht unrichtig angewandt worden sei noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Es lägen keine Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG vor, da die Klägerin im streitigen Zeitraum keiner entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen sei. Die Ausbildung an einer Hochschule bzw. Fachschule oder sonstiger Bildungseinrichtung würde diese Voraussetzung regelmäßig nicht erfüllen, da die Ausbildung kein Bestandteil eines Beschäftigungsverhältnisses gewesen wäre. Geleistete Zahlungen würden kein Entgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis darstellen. Auch dann nicht, wenn solche Ausbildungszeiten in der ehemaligen DDR als beitragspflichtige Versicherungszeiten im Sozialversicherungsausweis eingetragen worden seien.

Hiergegen legte die Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, dass aufgrund der Besonderheiten des beruflichen Lebenslaufes der Versicherten die unvollständigen Regelungen des Rentenüberleistungsgesetzes im Einigungsvertrag, das Grundgesetz sowie die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen wurden. Die Klägerin verlange, dass ihr die Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 anerkannt werde. Zum Beweis legte die Klägerin eine Urkunde über die Aufnahme in die wissenschaftliche Aspirantur an der H.-Universität zu A-Stadt vor sowie die Aufnahme in die Frauen-Sonderaspirantur.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2003 zurück und führte aus, dass mit dem Widerspruch die Feststellung des Zeitraums vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971, in der die Klägerin eine außerplanmäßige wissenschaftliche Aspirantur absolvierte, als Beitragszeit nach dem AAÜG begehrt werde. Diesem Begehren könne nicht entsprochen werden, da Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG nur bei entgeltlicher Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen würden. Die außerplanmäßige wissenschaftliche Aspirantur bzw. Frauen-Sonderaspirantur an einer Hochschule erfülle diese Voraussetzungen regelmäßig nicht. Die geleisteten Zahlungen stellten kein Entgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis dar, sondern seien ein Stipendium. Dies gelte auch anbetracht dessen, dass solche Aspiranturzeiten in der früheren DDR als beitragspflichtige Versicherungszeit im Sozialversicherungsausweis eingetragen worden seien.

Die Klägerin erhob durch ihre Bevollmächtigte am 12.08.2003 Klage zum Sozialgericht München und machte die Anerkennung der Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 als Beitragszeit geltend sowie erstmals auch die Zeit vom 01.08.1972 bis zum 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur FZR. Zur Begründung trug sie u.a. vor, dass ihr in der Bundesrepublik Deutschland eine angemessene Altersversorgung vorenthalten werde, insbesondere wurde auf bestehende Gerechtigkeitslücken in der Überleitung von DDR-Renten in bundesdeutsches Recht hingewiesen.

Die Beklagte führte zur Erwiderung aus, dass die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem vom 01.08.1972 bis zum 31.05.1990 bereits in die FZR übertragen worden seien. Im Übrigen sei die weiter geltend gemachte Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 keine Pflichtbeitragszeit nach § 5 AAÜG, da es an einer entgeltlichen Beschäftigung fehle. Ergänzend wies die Beklagte darauf hin, dass für die Klägerin ausweislich der Eintragung im Sozialversicherungsausweis im Zeitraum vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 monatlich 6,- Mark von der H.-Universität an Sozialversicherungsbeiträgen einbezahlt worden sei und zwar auf der Grundlage der Verordnung über die Pflichtversicherung der Studenten und Aspiranten bei der Sozialversicherung der Arbeiten und Angestellten (vgl. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil II, vom 24. März 1962, S.126). Aus dieser Verordnung ergebe sich, dass Studenten und wissenschaftliche Aspiranten der Universitäten der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung unterliegen, wenn sie während der Zeit des Studiums nicht nach anderen Bestimmungen bei der Sozialversicherung pflichtversichert sind (§ 1 Abs. 2 der genannten Verordnung). Gemäß der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Pflichtversicherung der Studenten und Aspiranten bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 15. März 1962 (S.127 Gesetzblatt Teil II, Nr.15) gelten als nach anderen Bestimmungen bei der Sozialversicherung pflichtversichert Studierende, die während des Studiums eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben (§ 3 der Verordnung).

Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.09.2006 ab, da für die Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 keine Entgelte nach dem AAÜG festzustellen seien. Nach § 5 AAÜG seien Pflichtbeitragszeiten und Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in dem eine Beschäftigung ausgeübt worden sei. Der Zeitraum der Absolvierung einer wissenschaftlichen Aspirantur sei als Hochschulzeit zu qualifizieren (vgl. BSG vom 24.10.1996, Az.: B 4 RA 121/95, BSG vom 30.08.2000, Az.: B 5/4 RA 87/97 R). Nach den von der Beklagten vorgelegten Verordnungen stehe fest, dass durch die Aspirantur kein Beschäftigungsverhältnis, sondern ein Ausbildungsverhältnis begründet worden sei. Die Klägerin sei als Studierende pflichtversichert gewesen. Daher seien die Zeiten nicht als Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen. Hinsichtlich der Zeit der Anerkennung der Zeit vom 01.08.1972 bis zum 30.06.1990 als Teil der Zugehörigkeit zur FZR sei die Klage ebenfalls unbegründet.

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte am 06.10.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat die Bevollmächtigte ausgeführt, dass die Klägerin durch die Verweigerung der Anerkennung der weiteren Mitgliedschaftszeiten eine diskriminierend geringe Versichertenrente erhalte. Sie werde um ihre Lebensleistung gebracht. Die Klägerin sei dadurch erheblich benachteiligt. Das Sozialgericht hätte es dahinstehen lassen, ob die Klägerin eine Tätigkeit im Sinne des § 5 AAÜG nachgegangen sei. Das Sozialgericht hätte dieses aber anhand von objektiven Auslegungskriterien feststellen müssen.

Auf Nachfrage des Senats teilte die Klägerbevollmächtigte mit, dass die Klägerin die wissenschaftliche Aspirantur nicht beendet habe und dass diese ein weiteres Verfahren hinsichtlich der Rentenhöhe vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Az.: S 5 R 2917/08 gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund gegen den Rentenbescheid vom 27.07.2007, mit dem der Klägerin Altersrente für Frauen ab dem 01.08.2007 gewährt werde, führe.

Auf den Hinweis des Senats, dass eine isolierte Klage auf Datenfeststellung nach der Rechtsprechung des BSG vom 23.08.2007, Az.: B 4 RS 7/06 R, nicht mehr möglich sei, hat die Klägerbevollmächtigte sich nicht geäußert. Auf den Hinweis, dass der erstmals vor dem Sozialgericht München geltend gemachte Zeitraum vom 01.08.1972 bis zum 30.06.1990 nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war und daher auch nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens sein kann, hat die Klägerbevollmächtigte den Klageantrag bezüglich dieser Zeiten in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Die Klägerbevollmächtigte hat beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 05.09.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 30.11.2001 sowie sämtliche Folgebescheide abzuändern und die Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 als Zeit der Mitgliedschaft in der zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen festzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Berufungserwiderung hat die Beklagte auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides hingewiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin, Az.: S 5 R 2917/08 Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz -SGG - i.V.m. § 144 Abs.1 Satz 2 SGG) form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Die Berufung ist zulässig, da die Klägerin durch den klageabweisenden Gerichtsbescheid beschwert ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl. 2008, Vor § 143 RdNr. 6 ff), aber unbegründet, da für eine Klage auf Feststellung der Zeit vom 01.09.1969 bis zum 14.12.1971 als Beitragszeit nach dem AAÜG das Rechtschutzbedürfnis, durch Klageerhebung gegen den Rentenbescheid, nachträglich weggefallen ist.

Nach der Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 23.08.2007, B 4 RS 7/06 R fehlt ab dem 01.01.2008 ein schutzwürdigen Interesse der Klägerin an einem gesonderten gerichtlichen Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund, Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme, wenn neben diesem gerichtlichen Verfahren zur isolierten Überprüfung einer abgelehnten Datenfeststellung auch ein Verfahren auf Verurteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Gewährung einer höheren Rente anhängig ist.

Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht Berlin ein Verfahren gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 27.07.2007, mit dem ihr Regelaltersrente für Frauen ab dem 01.09.2007 gewährt wird, ab dem 14.05.2008 anhängig. Nach der oben genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts fiel das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der isolierten Überprüfung des Feststellungsbescheides der Beklagten mit dem Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Sozialgericht Berlin weg. Damit fehlt für das hier streitgegenständliche Verfahren ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Fortführung der Klage.

Die Klägerin ist darauf zu verweisen, dass sie im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG ihr Begehren in der bereits anhängigen Rentenstreitsache vor dem Sozialgericht Berlin durchsetzt. Denn ihr eigentliches Begehren richtet sich auf die Gewährung einer höheren Rente und nicht auf die isolierte Datenfeststellung, die nur eine zu klärende Vorfrage darstellt. Ein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin hinsichtlich der isolierten Datenfeststellung in diesem Rechtsstreit besteht nach der Rechtsprechung des BSG nicht mehr, da die von der Klägerin gewünschten Feststellungen im Rahmen der Anfechtung der Höhe der Altersrente überprüft werden können. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ist nachträglich weggefallen, da sie ihr eigentliches Klageziel -die Gewährung einer höheren Altersrente- einfacher, leichter und damit prozessökonomischer erreichen kann (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, Grundz § 253 RdNr. 34).

Die Berufung der Klägerin ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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