L 9 AL 191/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 468/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 191/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 15/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine ständige Rechtsprechung im Sinne des § 330 Abs. 1 SGB III kann auch vorliegen, wenn nur eine Entscheidung des Bundessozialgerichts ergangen ist, die vom betroffenen Versicherungsträger verbindlich akzeptiert wurde (z. B. durch Runderlass).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. April 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Winterbauumlage in Höhe von 51.693,06 Euro zuzüglich Zinsen.

Die Klägerin ist nach der Gewerbeanmeldung vom 07.02.1963 ein Betrieb zur Herstellung und Vertrieb von Fertigbeton in A-Stadt. Im Anschluss an eine Außenprüfung durch die Beklagte am 23.07.1991 - die Klägerin hielt hier eine Umlagepflicht zur Winterbauumlage nicht für gegeben - erließ die Beklagte am 25.11.1991 einen Bescheid, mit dem sie die Umlagepflicht zur Winterbauumlage feststellte. Die Klägerin machte mit dem Widerspruch von 27.12.1991 geltend, sie sei zur Zahlung der Umlage nicht verpflichtet; es bestünde nach Angaben der Beklagten kein Anspruch auf das beantragte Wintergeld. Am 03.01.1993 erließ die Beklagte Leistungsbescheide, mit denen sie von der Klägerin 39.196,98 DM für die Zeit vom 01.12.1986 bis 30.06.1991 Winterbauumlage forderte. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.1993 den Widerspruch zurück; das Unternehmen zähle zu den Betrieben im Sinne der Baubetriebeverordnung, es beliefere mit dem überwiegenden Teil der hergestellten Baustoffe die Baustellen der am Unternehmen beteiligten Kommanditisten.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 25.11.1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.1993 sowie gegen den Leistungsbescheid vom 03.01.1993 am 08.02.1993 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage (S 2 AL 59/93).

Sie zahlte am 11.02.1993 die geforderte Winterbauumlage für die Zeit im 01.12.1986 bis 30.09.1991 sowie am 08.03.1993 auch für den anschließenden Zeitraum bis 31.12.1992 in Höhe von 23.222,08 DM. Das SG wies mit Urteil vom 23.05.1995 die Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid ab.

Das Bundessozialgericht (BSG) verneinte mit Urteil vom 04.03.1999 (B 11/10 AL 6/98 R) die Förderungsfähigkeit und damit die Winterbau-Umlagepflicht für Betriebe, die ausschließlich oder überwiegend Transportbeton herstellen und liefern, ohne daneben andere bauliche Leistungen zu erbringen.

Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 04.03.1999 stellte die Beklagte im Anschluss an eine weitere Betriebsprüfung (02.09.1999) mit Bescheid vom 25.11.1999 den Wegfall der Umlagepflicht für die Zeit nach der Entscheidung des BSG fest und wies auf die Möglichkeit einer Erstattung hin. Die Betriebsprüfung habe ergeben, dass im Betrieb der Klägerin zumindest seit 1994 überwiegend Transportbeton hergestellt und geliefert werde. Das BSG habe die Umlagepflicht für Betriebe verneint, die ausschließlich oder überwiegend Transportbeton herstellen und liefern, ohne daneben andere bauliche Leistungen zu erbringen. Nachdem die Klägerin bereits am 02.09.1999 einen Erstattungsantrag gestellt hatte, stellte sie dann am 08.12.1999 einen weiteren Antrag auf Erstattung in Höhe von 145.266,80 DM.

Am 14.07.1999 erging ein Runderlass der Beklagten, dass Anträge auf Aufhebung der Zahlungspflicht zur Winterbauumlage und Erstattung der Umlage dahingehend zu bescheiden sind, dass die Zahlungspflicht mit dem Datum der BSG-Entscheidung ende und erst die ab diesem Zeitpunkt gezahlte Umlage zu erstatten sei (Schreiben der Beklagten vom 17.03.2000 an die Landesarbeitsämter).

Die Beklagte berechnete im Aktenvermerk vom 11.05.2000 und 05.06.2000 den
Erstattungsbetrag (4.951,47 DM) einschließlich Zinsen (115,52 DM) mit insgesamt 5.066,99 DM. Mit Bescheid vom 06.06.2000 stellte sie fest, dass der Betrieb der Klägerin nicht mehr der Umlagepflicht für die Winterbauumlage unterliegt und nahm den Bescheid vom 25.11.1991 zurück, soweit er die Umlagepflicht für die Zeit ab 05.03.1999 festgestellt hatte. Die für die Zeit vom 05.03.1999 bis 31.08.1999 zu Unrecht entrichteten Umlagebeträge sowie die angefallenen Zinsen seien auf das Konto der Klägerin erstattet worden.

Die Klägerin machte mit dem Widerspruch vom 03.07.2000 - nach Abzug der bereits erfolgten Erstattung - die weitere Rückzahlung von 101.102,83 DM nebst Zinsen ab Zahlungseingang für die Zeit vom 01.12.1986 bis einschließlich 1999 geltend. Die Beklagte wies mit Widerspruchbescheid vom 23.08.2000 den Widerspruch zurück. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes sei der Verwaltungsakt, auch nach Unanfechtbarkeit, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Dies gelte für Leistungen und auch für die Finanzierung. Die Entscheidung des BSG vom 04.03.1999 habe zur Folge, dass Betriebe wie die Klägerin nicht mehr der Umlagepflicht unterliegen.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 12.09.2000 beim SG geltend gemacht, sie habe auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung Anspruch auf Zahlung von 101.102,83 DM. Die Beklagte ist demgegenüber bei der Auffassung geblieben, dass eine Erstattung erst ab 05.03.1999 zu leisten gewesen sei.

Das SG hat mit Urteil vom 09.04.2003 die Klage (wieder) unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 26.05.2003, mit der sie die Erstattung von 51.693,06 Euro geltend macht. Die Erstattung nur für die Zukunft sei wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips rechtswidrig. Es sei vielmehr zu berücksichtigen, dass sie gegen die Zahlungspflicht prozessiert, nur unter Druck und zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen gezahlt und die Beklagte von vornherein die Leistung des Wintergeldes abgelehnt hat. Die Beklagte hätte ihr Ermessen ausüben müssen, wobei im Hinblick auf die hier gegebene atypische Fallgestaltung das Ermessen auf Null reduziert sei. Zumindest müsse unter Berücksichtigung der Verjährung der vor dem 01.01.1995 geleisteten Beiträge eine Rückerstattung für die Zeit vom 01.01.1995 bis einschließlich März 1999 (die Beitragszahlung betrug 45.806,78 DM) zuzüglich Zinsen erfolgen.

Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, dass ein Erstattungsanspruch auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Regelung des Sozialgesetzbuchs IV wegen der Rechtmäßigkeit der Zahlung bis zur Feststellung der Umlagefreiheit durch das BSG ab 05.03.1999 nicht zu einem früheren Zeitpunkt infrage kommt (Schriftsatz vom 20.01.2009).

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 09.04.2003 sowie des Bescheides der Beklagten vom 06.06.2000 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.08.2000 zu verurteilen, die gezahlte Winterbauumlage in Höhe von 51.693,06 Euro zu erstatten,

hilfsweise,
für die Zeit vom 01.01.1995 bis einschließlich März 1997 in Höhe von 45.806,78 DM in Euro.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 SGG); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 Euro.

Die Berufung ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.

Streitig ist hier die Rückforderung der Winterbauumlage für die Zeit vom 01.12.1986 bis 04.03.1999, d. h. bis zur Erstattung durch die Beklagte für die Zeit vom 05.03. bis einschließlich Ende August 1999.

Der Klägerin steht ein derartiger Anspruch bis 04.03.1999, das heißt dem Tag der Verkündung der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Umlagepflicht von Transportbetonunternehmen (SozR3-4100 § 75 Nr. 2 = BSGE 83, 297 f.) nicht zu. Anspruchsgrundlage ist § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Wintergeld und das Winterausfallgeld (Winterbau-Umlageverordnung) vom

13.07.1972 (BGBl. I S. 1201). § 3 regelt in Absatz 1 die Zahlung der Winterbauumlage, und in Absatz 2 verweist er u. a. bezüglich der Beitragserstattung auf die entsprechende Vorschrift des Sozialgesetzbuches IV (SGB IV).

Nach § 26 Abs. 2 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Nach § 26 Abs. 3 S. 1 SGB IV steht der Erstattungsanspruch dem zu, der die Beiträge getragen hat.

Diese Anspruchsgrundlage ist hier heranzuziehen, weil die Winterbauumlage verfahrensrechtlich wie Beiträge behandelt wird. Denn ein Beitrag ist diese Zahlung, die im Sinne der §§ 20 ff. SGB IV der Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherungsträger dient und im Rahmen einer Versicherungspflicht oder freiwilligen Versicherung nach Maßgabe gesetzlicher Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige von Versicherten, Arbeitgebern oder Dritten erhoben wird (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 44, Rdnr. 15 m. w. N.). Hierzu zählt also die von Arbeitgebern gezahlte Winterbauumlage zur Finanzierung für das Wintergeld und Winterausfallgeld.

Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ist unbegründet, weil die Klägerin die Winterbau-Umlage bis 04.03.1999 rechtmäßig entrichtet hat. Die Beklagte hat zutreffend den Umlagebescheid vom 25.11.1991, mit dem sie die Zahlungspflicht der Klägerin für die Winterbau-Umlage ab 01.12.1986 festgestellt hat, erst mit Wirkung ab 05.03.1999 zurückgenommen (vgl. Bescheid vom 06.06.2000). Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin sich von Anfang an gegen die Zahlung der Winterbau-Umlage gewendet hat und ihre Rechtsauffassung letztlich mit dem o. g. Urteil des BSG vom 04.03.1999 im Ergebnis bestätigt wurde. § 330 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) sowie beitragsrechtliche Grundsätze lassen jedoch eine andere Entscheidung, auch eine Erstattung unter Berücksichtigung der Verjährungsvorschriften gemäß § 27 Abs. 2 SGB IV ab 1995, nicht zu.

§ 330 SGB III ist mit Wirkung vom 01.01.1998 durch Art. 1 AFRG (= SGB III) eingeführt worden. Im Wesentlichen entspricht § 330 Abs. 1 bis 4 SGB III der Vorgängerregelung des § 152 Abs. 1 bis 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Vorschrift regelt die Besonderheiten im Bereich der Arbeitsförderung für die Aufhebung von Verwaltungsakten nach den §§ 44, 45 und 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Inhaltlich betrifft § 330 SGB III die Frage, ob und inwieweit Verwaltungsakte in Abweichung zu den §§ 44, 45 und 48 SGB X für die Vergangenheit aufzuheben sind. Damit wird für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts mit dem Argument der Verwaltungsvereinfachung bei massenhaften rückwirkenden Korrekturen von Verwaltungsakten (BT-Drucks. 12/5502 S. 37, auch BT-Drucks. 8/2034 S. 37) vom allgemeinen System der Aufhebung von Verwaltungsakten nach den §§ 44 f. SGB X abgewichen. Die Sonderregelungen des § 330 SGB III sind im Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 44 ff. SGB X zu sehen. Bei § 330 Abs. 1 SGB III handelt es sich um eine Abweichung von § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X, die sich zulasten des Adressaten des Verwaltungsaktes auswirkt, nämlich durch einen eingeschränkten Korrekturausgleich, und zum Vorteil der Bundesagentur durch Vermeidung zahlreicher Zugunstenentscheidungen (vgl. Coseriu/Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III (Arbeitsförderung), 3. Aufl., 2008, § 330, Rn. 1 f.; Vor in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 31, Rdnr. 10; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, Stand: 2008, § 330, Rn. 56). § 330 Absatz 1 SGB III schließt damit die Rückwirkung gänzlich aus, wenn sich die Unrichtigkeit einer Entscheidung in der Arbeitslosenversicherung erst aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung ergeben hat (Pilz in Gagel, SGB III, Stand: 2005, § 330, Rn. 2). § 330 Abs. 1 SGB III rekurriert auf § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz und überträgt diese Norm in Modifikation des § 44 SGB X auf das Arbeitsförderungsrecht. Dem Gedanken der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens wird auf diese Weise für die Fälle einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht ein absoluter Vorrang vor dem des Individualrechtschutzes zugestanden (BSG vom 25.03.2003 BSGE 91, 47 f., ebenso BSG vom 25.03.2003, info also 2003, 266; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III (Arbeitsförderung), Stand: 2007, § 330 Abs. 1 Rn. 3; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a. a. O., Rn. 155 m. w. N.).

Als Sondervorschrift zu § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist § 330 Abs. 1 SGB III auch auf die hier streitige Winterbauumlage anzuwenden. § 330 Abs. 1 SGB III erfasst rechtswidrige nicht begünstigende Bescheide über Sozialleistungen und über Beiträge. Die Beklagte ist nach §§ 354 f. SGB III für die Winterbauumlage zuständig (Eicher in Eicher/Schlegel, a. a. O., Rn. 16; Rolfs in Spellbrink/Eicher, a. a. O., § 30, Rn. 116 f.). Es ist auch anerkannt, dass § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X den Begriff Beitrag im weiten Sinne versteht und auch die Winterbauumlage erfasst (Coseriu/Jakob, in Mutschler u. a., a. a. O., Rn. 162; Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., § 44, Rn. 5; Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 44, Rn. 15; Hengelhaupt, a. a. O., Rn. 105). Nicht anwendbar ist § 330 Abs. 1 SGB III, wenn der Adressat des Verwaltungsaktes selbst an dem Verfahren beteiligt gewesen ist, das zum Entstehen der ständigen Rechtsprechung geführt hat oder wenn ein Verfahren nach § 44 SGB X mit einer Entstehung einer ständigen Rechtsprechung endet (BSG vom 09.12.2003 SozR 4-4100 § 168 Nr. 2). Nach der Rechtsprechung des BSG wird jedoch die Anwendung für nach der Entstehung der ständigen Rechtsprechung begonnene Überprüfungsverfahren bejaht (BSG vom 08.02.2007, SozR 4-4300, § 330 Nr. 4; ebenso Sächsisches Landessozialgericht vom 03.11.2005, L 3 AL 259/03). Das heißt, die Einschränkung des § 330 Abs. 1 2. Alternative SGB III, dass ein unanfechtbarer Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen ist, gilt dann nicht, wenn der Antrag im Zugunstenverfahren vor diesem Zeitpunkt gestellt worden ist. Eicher (in Eicher/Schlegel, a. a. O., Rn. 18) sieht aufgrund einer teleologischen Reduzierung den Zweck des § 330 Abs. 1 SGB III darin, dass verhindert werden soll, dass Beteiligte gewissermaßen als "Trittbrettfahrer" von einer "neuen" ständigen Rechtsprechung profitieren (im Anschluss an BSG vom 08.02.2007, a. a. O.).

Die Klägerin hat jedoch von diesen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten nicht Gebrauch gemacht, obwohl die frühere Rechtsprechung des BSG eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsanwendung der Beklagten ermöglicht hat (BSG vom 19.03.1974 SozR 4670 § 2 Nr. 2; BSG vom 14.09.1978 SozR 4100 § 186 a Nr. 6).

Die Gesetzeskonkurrenz des § 330 Abs. 1 SGB III zu § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X hat zur Folge, dass im Anwendungsbereich des § 330 Abs. 1 SGB III diese Norm lex specialis ist und damit nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X verdrängt (lex specialis derogat legi generali), das heißt, dass die Rechtsfolge der spezielleren Vorschrift entnommen werden soll (vgl. z. B. Zippelius, 6. Aufl. 1994, Juristische Methodenlehre, S. 35; Lehmann, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 11. Aufl., 1958, S. 61; Lehmann/Hübner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 15. Aufl., 1966, S. 68). Der Senat ist der Auffassung, dass die Rechtsfolgen des § 330 Abs. 1 SGB III und des § 44 Abs. 1 und 2 SGB X sich im vorliegenden Fall ausschließen, so dass das logische Verhältnis der Spezialität notwendig zur Verdrängung der allgemeinen Norm führt. Im umgekehrten Fall hätte die speziellere Norm kein Anwendungsgebiet (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., 1979, S. 251 f.).

Die historische Entwicklung belegt, dass seit 1994 eine Abweichung von der Rechtsfolge des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X (Rücknahme des rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit) nur noch für folgende Fälle vorgesehen war (§ 152 Abs. 1 AFG i. d. F. des 1. SKWPG vom 21.12.1993 BGBl.I S. 2353): Der Verwaltungsakt beruht auf einer Rechtsnorm, die nach seinem Erlass für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt worden ist oder der Verwaltungsakt beruht auf einer Rechtsnorm, die nach seinem Erlass in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Bundesanstalt für Arbeit ausgelegt worden ist. In diesen Fällen war der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, abweichend von § 44 Abs. 1 SGB X nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder die Zeit nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Im Regierungsentwurf zum ersten SKWPG war für diese Fälle die Rücknahme für die Zukunft vorgesehen (BT-Drucksache 12/5902 zu Nr. 43). Anders als nach dem bis zum 31.12.1993 geltenden Recht steht der Bundesanstalt bezüglich der Frage, ob sie den Verwaltungsakt für die Vergangenheit aufhebt oder nicht, kein Ermessen zu. Sind die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X erfüllt, wurde bereits durch § 152 Abs. 1 AFG die Anwendung des § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X ausgeschlossen, der bestimmt, dass der Verwaltungsakt im Übrigen für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Es ergeht eine gebundene Entscheidung und für Ermessen ist insoweit kein Raum mehr. Dieser Rechtszustand ist von § 330 Abs. 1 SGB III übernommen worden (Wagner in Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsrecht (GK-SGB III), Stand 2007, Rdnr. 13 f.; Niesel in Niesel, AFG, 2. Aufl., 1997, § 152, Rdnrn. 5, 15 m. w. N.). Beruht dagegen die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X auf anderen Umständen, als denen, die im § 330 Abs. 1 SGB III beschrieben sind, wird vom § 44 Abs. 1 SGB X nicht abgewichen. In diesen Fällen ist der Verwaltungsakt, wie von § 44 Abs. 1 SGB X vorgesehen, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (Wagner, a. a. O., Rn. 17).

Die Klägerin beruft sich auch zu Unrecht auf § 44 Abs. 2 SGB X, der Regel, dass "im Übrigen" ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen ist (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Diese Regelungen sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die Rücknahme bestimmt sich "im Übrigen" nach § 44 Abs. 2 SGB X, soweit sich diese nicht nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X beurteilt. Das heißt, § 44 Abs. 2 SGB X erfasst danach solche rechtswidrigen Verwaltungsakte, deren Rücknahme nicht in den Geltungsbereich des Absatz 1 Satz 1 einbezogen ist. Dies sind die Fälle des § 44 Abs. 1 S. 2 SGB V (wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat) und die Verwaltungsakte, die nicht i. S. v. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ursächlich für Grund oder Höhe einer Sozialleistung oder einer Beitragsforderung geworden sind. Zum Beispiel gilt § 44 Abs. 2 SGB X für Nicht-Leistungsbescheide (Wagner, a. a. O., Rn. 17). § 44 SGB X enthält in Absatz 1 somit eine Sonderregelung über die Rücknahme (mit Wirkung auch für die Vergangenheit) jener nicht begünstigenden Verwaltungsakte, aufgrund derer Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind mit Ausnahme jener in § 44 Abs. 1 S. 2 SGB X geregelten Fälle, in denen der Verwaltungsakt auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen beruht. Demgegenüber ist § 44 Abs. 2 SGB X die Auffangvorschrift, nicht nur für jene Fälle, in denen der frühere Verwaltungsakt auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen beruht, sondern auch dann, wenn der Regelungsgehalt des früheren Verwaltungsaktes weder Beiträge noch Sozialleistungen betrifft (Steinwedel in KassKomm, § 44 SGB X, Stand: Mai 2006, Rdnr. 38, 39). Da § 330 Abs. 1 SGB III die Sonderregelung zu § 44 Abs. 1 SGB X und diese die Sonderregelung zu § 44 Abs. 2 SGB X ist, kommt im vorliegenden Fall § 44 Abs. 2 SGB X nicht zur Anwendung. Anderenfalls bestünde die Möglichkeit, dass der Regelungsbereich des § 330 Abs. 1 SGB III obsolet würde und der Wille des Gesetzgebers, in den in § 330 Abs. 1 SGB III genannten Fällen eine Rückwirkung auszuschließen, wenn sich die Unrichtigkeit einer Verwaltungsentscheidung erst aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt, über die Ermessensanwendung in das Gegenteil verkehrt wird. Der Senat verkennt dabei nicht, dass in der Literatur die Konsequenzen des Paragraphen als rechtspolitisch fragwürdig bezeichnet werden (vgl. z. B. Pilz in Gagel, a. a. O., Rn. 14, 19 a; Vor in Spellbrink/Eicher, a. a. O., Rdnr. 14; Eicher in Spellbrink/Eicher, a. a. O., § 2, Rdnr. 3, Abb. 35).

Dies bedeutet zusammengefasst: Im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. § 330 Abs. 1 SGB III modifiziert § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) dahin, dass ein Anspruch auf Rücknahme des anfänglich rechtswidrigen (weil die Rechtsnormen in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Bundesagentur ausgelegt worden ist) nicht begünstigenden Verwaltungsakts nur für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen sind. Da § 330 SGB III die Besonderheiten regelt, die für die Bundesagentur bei der Aufhebung von Verwaltungsakten nach §§ 44 ff. SGB X gelten und § 44 SGB X auch Beiträge betrifft, ist § 330 Abs. 1 SGB X auch im vorliegenden Fall für die Winterbau-Umlage anwendbar. Die Rechtsfolge liegt in der Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts erst ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung (Coseriu/Jakob, in Mutschler u. a., SGB III, 3. Aufl., § 330, Rn. 162, 164 m. w. N.). Aus § 330 Abs. 1 SGB X folgt gleichfalls, dass hier eine Ermessensentscheidung nicht zu treffen ist. Da im vorliegenden Fall sich die Rücknahme des Bescheides vom 25.11.1991 nach § 330 Abs. 1 SGB III richtet, ist auch die Anwendung des § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X ausgeschlossen.

Eine anfängliche Unrichtigkeit der Rechtsanwendung aufgrund entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt vor, wenn sich, wie hier, die höchstrichterliche Rechtsprechung erst nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes gebildet hat. Entgegenstehende Auslegungen wirken zurück und führen zur anfänglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Sie konkretisieren das seinerzeit maßgebliche Recht, das aufgrund der Norm bereits in der Vergangenheit gegolten hat, aber nicht beachtet worden ist. In qualitativer Hinsicht ist für die Annahme einer ständigen Rechtsprechung i. S. d. § 330 Abs. 1 SGB III eine Entscheidung des zuständigen obersten Gerichtshofes des Bundes (Revisionsgericht) erforderlich. Dies kann ein Senat des BSG sein (vgl. BSG vom 23.03.1995 SozR 3-4100 § 152 Nr. 5; BSG vom 29.06.2000 SozR 3-4100 § 152 Nr. 10), aber auch jedes andere für eine Entscheidung in einer erheblichen Vorfrage zuständige oberste Bundesgericht (BSG vom 16.10.2003 SozR 4-4300 § 330 Nr. 1), auch der Große Senat oder der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Es ist aber nicht erforderlich, dass alle mit einem Fachgebiet befassten Senate bereits Gelegenheit zur Entscheidung hatten (Pilz in Gagel, a. a. O., Rn. 18 a. E.). Die Rechtsprechung der Instanzgerichte reicht dagegen, auch wenn sie ständig ist, schon aus Praktikabilitätserwägungen nicht aus (vgl. Hengelhaupt, a. a. O., Rdnrn. 91, 92, 164). Im Hinblick auf die Regelung des § 48 Abs. 2 SGB X kommt es auf die höchstrichterliche Rechtsprechung der jeweils zuständigen Gerichtsbarkeit an, also im Regelfall auf die Rechtsprechung des BSG (Wagner, a. a. O., Rn. 16 a. E. mit Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 5). In quantitativer Hinsicht liegt eine ständige Rechtsprechung in der Regel vor, wenn mehrere inhaltlich gleichlautende Entscheidungen ergangen sind (BSG vom 23.03.1995, a. a. O.). Es kann aber auch eine einzige Entscheidung genügen, wenn die zu beurteilende Rechtsfrage damit hinreichend geklärt ist. Das heißt, es muss eine zweifelsfrei abschließende Klärung der Rechtsfrage vorliegen (BSG vom 20.10.2005 SozR 4-4300 § 71 Nr. 2; Fichte, SGG 1998, 1 ff.). Eine ständige Rechtsprechung ist also gegeben, wenn die Entscheidung nicht mit gewichtigen Gründen infrage gestellt wird, wenn die Rechtslage danach nicht mehr umstritten ist. Eine hinreichende Klärung einer bisher zweifelhaften Rechtsfrage liegt vor, wenn die betroffene Verwaltung, hier also die Bundesagentur, die Entscheidung auch für andere gleich gelagerte Fälle verbindlich akzeptiert und nicht etwa annimmt, es handele sich um eine Einzelfallentscheidung, der in anderen Fällen nicht zu folgen sei. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Bundesagentur die Entscheidung in ihrer Durchführungsanweisung eingearbeitet hat (BSG vom 29.06.2000 SozR 3-4100 § 152 Nr. 10). Maßgebend ist dann der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung, ab der eine Rechtsfrage als abschließend geklärt angesehen werden muss (Hengelhaupt, a. a. O., Rdnr. 168; Eicher in Eicher/Schlegel, a. a. O., Rn. 18; Pilz in Gagel, a. a. O., Rn. 18).

Der Vergangenheitszeitraum, der vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides zu bestimmen ist, reicht somit im Hinblick auf das Bestehen der ständigen Rechtsprechung bis zur Entstehung der abweichenden ständigen Rechtsprechung zurück. Bezüglich des Zeitpunktes des Entstehens der ständigen Rechtsprechung kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, in dem die sich später verfestigende Rechtsprechung ihren Ursprung gefunden hat, sondern auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung, ab dem die Rechtsfrage abschließend geklärt ist.

Eine ständige Rechtsprechung zu der Frage der Umlagepflicht der Klägerin ist erst mit dem Urteil des BSG vom 04.03.1999 (a. a. O.) entstanden. Denn die im Leitsatz dieser Entscheidung in Bezug genommenen früheren Urteile des BSG betreffen andere Leistungen bzw. Normen oder andere Betriebsarten. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität kann eine ständige Rechtsprechung erst dann entstehen, wenn das Revisionsgericht (z. B. BSG) eine Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne beantwortet hat. Zum Entstehen einer ständigen Rechtsprechung genügt, dass eine einzige Entscheidung des Revisionsgerichts vorliegt, wenn damit die zu beurteilende Rechtsfrage hinreichend geklärt ist. Dies ist also der Fall, da die betroffene Verwaltung die höchstrichterliche Entscheidung auch für andere gleichgelagerte Fälle verbindlich akzeptiert (Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 330, Rn. 14 m. w. N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entstehung der ständigen Rechtsprechung ist somit die Rechtskraft des betreffenden Urteils, d. h. bei dem Urteil des BSG der Tag der Verkündung am 04.03.1999.

Eine zeitliche Einschränkung der rückwirkenden Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts findet dann nicht statt, wenn, wie bereits ausgeführt wurde, entweder das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X schon vor dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung in Gang gesetzt worden ist oder wenn der Betroffene selbst die ständige Rechtsprechung herbeigeführt hat.

Beides ist hier nicht der Fall, da die Klägerin den Antrag auf Erstattung der Winterbau-Umlage erst nach dem Urteil des BSG vom 04.03.1999 gestellt hat und sie auch nicht an diesem Revisionsverfahren beteiligt gewesen ist.

Das BSG hat mit diesem Urteil vom 04.03.1999 (a. a. O.) entschieden, dass Arbeitgeber des Baugewerbes nur solche Betriebe sind, deren Mitarbeiter überwiegend Leistungen am erdverbundenen Bau erbringen. Für Transportbetonunternehmen trifft dies nur zu, wenn ihre Mitarbeiter durch das Einbringen des Betons an der Baustelle überwiegend in Anspruch genommen sind. Hierbei hat das BSG auch unter Fortentwicklung der früheren Rechtsprechung (BSG vom 19.03.1974, Breith. 1974, 169 ff.) festgestellt, dass Leistungen am erdverbundenen Bau, damit Bauleistungen im Sinne des § 75 Nr. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes, ein Unternehmen erbringt, wenn die Mitarbeiter etwa über das Betätigen einer Betonpumpe und das Ausrichten von Entladevorrichtungen unmittelbar am Einbringen des Betons an der Baustelle beteiligt wären. Das BSG hat zudem eine abweichende rechtliche Beurteilung auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 Nr. 17 Baubetriebsvorordnung i. d. F. vom 28.10.1980 verneint. Diese Vorschrift bestimmt als durch Leistungen der produktiven Winterbauförderung zu fördernde Betriebe solche, die nicht lagerfähige Baustoffe (wie Transportbeton) herstellen, wenn mit dem überwiegenden Teil der hergestellten Baustoffe die Baustelle des herstellenden Betriebes, eines anderen Betriebs desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen - unbeschadet der Rechtsform - die Baustelle des Betriebes mindestens eines beteiligten Gesellschafters versorgt werden. Diese Regelung lässt sich nach dem BSG (Urteil vom 04.03.1999, a. a. O.) nicht zur Heranziehung der Zahlung der Winterbauumlage verwenden. Damit hat das BSG in dieser Entscheidung die streitige Rechtsfrage hinreichend geklärt und die Beklagte hat im Anschluss an den Runderlass vom 12.03.2000 in Ergänzung des Runderlasses vom 14.07.1999 darauf hingewiesen, dass Anträge betroffener Betriebe auf Aufhebung der Zahlungspflicht zur Winterbau-Umlage und Erstattung gezahlter Winterbau-Umlage unter Beachtung des § 330 Abs. 1 SGB III dahingehend zu bescheiden sind, dass generell die Zahlungspflicht mit dem Datum der BSG-Entscheidung endet und erst die ab diesem Datum gezahlte Umlage zu erstatten ist. Eine ständige Rechtsprechung in diesem Sinne liegt hier also seit 04.03.1999 vor.

Eine Rückerstattung der Winterbauumlage für die Zeit vor dem 05.03.1999 würde auch nicht mit beitragsrechtlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen sein. Wie das BSG mit Urteil vom 11.10.2001 entschieden hat (SozR 3-2400 § 26 Nr. 13) kommt eine rückwirkende Veränderung der Beitragslast nur dann in Betracht, wenn damit einer von Anfang an bestehenden, aber erst nachträglich erkannten Beitragspflicht oder Beitragsfreiheitsgeltung Geltung verschafft wird. Beitragserstattungen können grundsätzlich nicht verlangt werden, wenn sie auf einer nachträglichen Änderung der Rechtslage - wenn auch mit Rückwirkung - beruhen. Diese Rechtsauffassung wird auch vom BSG im früheren Urteil vom 21.06.2001 (BSGE 88, 187 f.) vertreten.

Trotz rechtspolitischer Bedenken haben Rechtsprechung und Literatur keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 330 Abs. 1 SGB III (z. B. BSG vom 29.06.2000 SozR 3-4100 § 152 Nr. 10; LSG Nordrhein-Westfalen vom 01.03.2005 L 1 AL 77/03; Pilz in Gagel, a. a. O., Rdnr. 19 a; Hengelhaupt, a. a. O., Rn. 160; Eicher in Schlegel/Eicher, a. a. O., Rdnr. 23). Der Senat macht sich die Ansicht des BSG zur Vorgängervorschrift des § 152 Abs. 1 AFG zu eigen. Verfahrensrechtliche Bestimmungen sind an rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu messen. Ähnlich wie in § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz hat der Gesetzgeber im hier streitigen Anwendungsfall des § 330 Abs. 1 SGB III entschieden, dass bei der Behandlung von nicht mehr anfechtbaren Verwaltungsakten dem Gedanken der Rechtssicherheit Vorrang vor dem des Rechtsschutzes des einzelnen im Sinne der Herstellung der materiell richtigen Rechtslage zu geben ist. Das BSG hat hier keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes geäußert, denn dieser verfassungsrechtliche Grundsatz gewährleistet nicht etwa die Unabänderlichkeit einmal gegebener Verhältnisse und Rechtspositionen. Auch verstößt § 330 Abs. 1 SGB III im vorliegenden Anwendungsfall nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) im Vergleich zu den Klägern, die die Rechtslage klärenden Urteile erwirkt haben. Insofern wirkt sich diese Vorschrift in ähnlicher Weise aus wie eine Stichtagsregelung, die als zeitliche Differenzierung in der Form der Typisierung grundsätzlich hinzunehmen ist, sofern sie sich als notwendig erweist, sich am gegebenen Sachverhalt orientiert und sachlich vertretbar ist. Hierbei ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, nämlich Reduzierung des Verwaltungsaufwandes, sowie der Tatsache auszugehen, dass es jeder Betroffene grundsätzlich in der Hand hat, durch Einlegung von Rechtsmitteln die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes zu verhindern. Der Klägerin war es unbenommen, eine höchstrichterliche Klärung der streitigen Fragen selbst herbeizuführen.

Entgegen der Klägerin sind die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung aus dem Zivilrecht (§§ 812 f. BGB) hier nicht direkt bzw. analog anzuwenden. Denn der Gesetzgeber hat mit § 26 Abs. 2 SGB IV eine spezialgesetzliche Regelung für die Rück-
erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge geschaffen, die gegenüber allgemeinen Rechtsgrundlagen vorrangig gilt. Da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, scheidet auch eine analoge Heranziehung der §§ 812 ff. BGB aus.

Für die Kostenentscheidung gilt noch das alte Recht (§ 183 SGG). § 197 a SGG, wonach Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben werden, gilt erst dann, wenn das Verfahren ab Inkrafttreten (02.01.2002) rechtshängig geworden ist. Für vorher rechtshängige Verfahren gilt - für alle Instanzen, auch wenn ein Rechtsmittel erst nach dem 01.01.2002 eingelegt worden ist - noch die Kostenfreiheit des § 183 SGG.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Der Senat hat die Revision zugelassen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil er die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 330 Abs. 1 SGB III, 44 Abs. 1, 2 SGB X durch die Rechtsprechung des BSG für klärungsbedürftig hält.
Rechtskraft
Aus
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