Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 166/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist ein Regress wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln in den Quartalen I/05 und II/05.
Der Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und war zur vertragsärztlichen Versorgung in F zugelassen. In den streitigen Quartalen verordnete er jeweils für Versicherte der Beigeladenen zu 1) Kontrazeptiva zu einem Betrag von 373,86 Euro bzw. 475,56 Euro.
Die Beigeladene zu 1) beanstandete die Verordnungen und beantragte unter dem 31.01.2006 (Quartal I/05) bzw. 13.04.2006 (Quartal II/05) die Feststellung eines sonstigen Schadens unter Hinweis auf § 24a SGB V.
Der Kläger machte hierzu geltend, dass die Beigeladene zu 1) sich weigere, medizinische Standards anzuerkennen. Dazu gehöre die Behandlung diverser katamenialer und dermatologischer Krankheitsbilder mit einem hormonalen Kontrazeptivum. Bei den entsprechenden Diagnosen sei dies eine Therapie der Wahl.
Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 15.08.2006 die Regresse antragsgemäß fest, gegen den der Kläger Widerspruch einlegte.
Diesen Bescheid hob der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 14.02.2007 wegen eines Schreibfehlers auf und setzte zugleich die beantragten Regresse erneut fest.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2007 zurück. Fertigarzneimittel dürften grundsätzlich nur zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für das Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung beziehe. Die beanstandeten Kontrazeptiva seien nur zur hormonalen Kontrazeption zugelassen, so dass eine Verordnung dieser Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei.
Der Kläger hat am 24.08.2007 Klage erhoben. Er beanstandet, dass der Beschwerdeausschuss nicht geprüft habe, ob eine Ausnahme von dem zitierten Grundsatz der Verordnung zugelassener Arzneimittel vorliege. Es bestehe seit langer Zeit ein Konsens der medizinischen Fachkreise darüber, bestimmte fest definierte Krankheitsbilder mit oralen Kontrazeptiva zu behandeln, weil so im Vergleich mit herkömmlichen Methoden eine sehr viel höhere Effektivität erzielt werde und dies zu wesentlich geringeren Kosten führe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 30.07.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist darauf hin, dass nach § 24a Abs. 2 SGB V die Verordnungsfähigkeit von Kontrazeptiva zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auf Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr beschränkt sei. Diese Altersgrenze sei in den Regressfällen überschritten. Soweit Kontrazeptiva für andere Zwecke als die Schwangerschaftsverhütung verordnet werden, bestehe eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur, wenn und soweit eine erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung gegeben sei. Diese bestehe für die vom Kläger geltend gemachten Anwendungsbereiche nicht. Darüber hinaus lägen weder die Voraussetzungen für einen sog. "Off-Label-Use" noch für ein Systemversagen der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vor.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen des Beklagten an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für die Beigeladenen zu 1) bis 7) niemand zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Beigeladenen sind in den ihnen ordnungsgemäß bekannt gegebenen Terminsmitteilungen auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 30.07.2007 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Regressfestsetzung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Zunächst ist festzuhalten, dass Streitgegenstand allein der Bescheid des Beklagten und die darin enthaltenen Begründungen sind. Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung gem. § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird (vgl. BSG Urteil vom 20.09.1995 - 6 RKa 63/94 -).
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung und damit auch der Beklagte sind im Rahmen der ihnen in § 106 SGB V übertragenen Verpflichtung, die Einhaltung des in den §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots im Einzelfall zu gewährleisten, auch befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln festzusetzen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit erfolgt nach den Bestimmungen der Prüfvereinbarung. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.
Vorliegend gilt die zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) und den Krankenkassen geschlossene Prüfvereinbarung vom 01.01.2001, ergänzt durch zwei Nachträge sowie in der Fassung der sog. Übergangs- und Errichtungsvereinbarung vom 05.04.2004 (Rhein. Ärzteblatt 6/2001, S. 109ff; 6/2002, S. 75ff; 4/2003, S. 68; 6/2004, S. 72ff).
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 der Prüfvereinbarung prüft der Prüfungsausschuss auf Antrag der Krankenkassen, ihrer Verbände, der von ihnen benannten Stellen oder der KVNo auch, ob der Vertragsarzt bei Verordnungen in ungerechtfertigter Weise Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) unbeachtet gelassen bzw. unwirtschaftliche Arzneimittelanwendungen veranlasst hat.
In § 24 a Abs. 1 SGB V ist geregelt, dass Versicherte Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung haben. Zur ärztlichen Beratung gehören auch die erforderliche Untersuchung und die Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln. Nach Abs. 2 haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden.
Eine Verordnung nach § 24a Abs. 2 SGB V schied bei sämtlichen betroffenen Versicherten aus, da diese bereits alle das 20. Lebensjahr vollendet hatten.
Darüber hinaus ist in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt, dass Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung haben, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Nach der Rechtsprechung des BSG sind empfängnisverhütende Mittel in Form oraler Kontrazeptiva jedoch grundsätzlich keine Arzneimittel im Sinne des § 31 SGB V. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Mittel bestimmungsgemäß zur Verhinderung einer unerwünschten Schwangerschaft eingenommen werden (vgl. BSG Urteil vom 31.08.2000 – B 3 KR 11/98 R -).
Soweit der Kläger vorträgt, die Verordnungen nicht im Hinblick auf die empfängnisverhütende Wirkung, sondern im Hinblick auf eine Krankenbehandlung vorgenommen zu haben, und danach eine Verwendung der Kontrazeptiva als Arzneimittel nach § 31 SGB V in Betracht kommt, rechtfertigt dies die Verordnungen hier ebenfalls nicht. Die Verordnungsfähigkeit richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG Urteil vom 30.09.1999 - BSGE 85, 36; Urteil vom 19.03.2002, BSGE 89, 184) nach dem Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die Verordnung eines Arzneimittels in einem Anwendungsgebiet außerhalb dieser Zulassung ist grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) möglich. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßig- und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinne besteht nur, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll (vgl. BSG Urteil vom 29.06.2006 - B 1 KR 14/06 R -). Für sämtliche von dem Kläger verordnete Kontrazeptiva gilt, dass sie allein zur (hormonalen) Kontrazeption zugelassen sind. Damit scheidet zulassungsrechtlich eine Verordnung für die Behandlung der von dem Kläger angeführten Krankheitsbilder zu Lasten der GKV aus.
Ein Ausnahmefall nach den Grundsätzen des sog. "Off-Label-Use" ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt die Verordnung eines Medikamentes außerhalb der von der Zulassung umfassten Anwendungsgebiete zu Lasten der GKV nur in Betracht, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, keine andere Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl. BSG Urteil vom 29.06.2006 - B 1 KR 14/06 R -). Die vorgenannten Voraussetzungen sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil auch nach Vortrag des Klägers keine in diesem Sinne schwerwiegenden Erkrankungen bei den Versicherten vorgelegen haben.
Anlass für eine erweiternde Auslegung der Grundsätze des Off-Label-Use besteht nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zuletzt in seinem Nichtannahmebeschluss vom 30.06.2008 - 1 BvR 1665/07 - ausgeführt, dass sich ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte und spezielle Gesundheitsleistungen aus den Grundrechten nicht ergebe und die gesetzlichen Krankenkassen nicht von Verfassung wegen gehalten seien, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei. Es sei ferner nicht zu beanstanden, die Wirtschaftlichkeit einer Leistung im Sinne des in § 12 SGB V verankerten Wirtschaftlichkeitsgebots mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts zu verknüpfen, mithin die Wirtschaftlichkeit zu verneinen, wenn das Arzneimittel nicht oder noch nicht zugelassen ist (BVerfG a.a.O.). Mit der vorgenannten Entscheidung hat das BVerfG die vom BSG aufgestellten Grundsätze für die Verordnung im Rahmen eines Off-Label-Use ausdrücklich gebilligt. Derartige Verordnungen sind daher auf die vorgenannten Ausnahmefälle beschränkt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Verordnung von Kontrazeptiva bei diversen katamenialen und dermatologischen Krankheitsbildern - wie der Kläger vorträgt - das Mittel der Wahl darstellt. Selbst wenn diese Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft als erfolgreich anzusehen wäre, stehen einer Verordnung zu Lasten der GKV die gesetzlichen und hier insbesondere die arzneimittelrechtlichen Vorgaben entgegen. Es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, über den Off-Label-Use einen zweiten Weg der Arzneimittelzulassung zu eröffnen.
Der streitgegenständliche Regress setzt kein Verschulden voraus. Für die Festsetzung eines Regresses gegen einen Vertragsarzt wegen Verstößen gegen die Arzneimittelrichtlinien bzw. wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel kommt es nach der Rechtsprechung des BSG auf ein Verschulden des Arztes nicht an (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 06.05.2009 - B 6 KA 3/08 R -).
Auch hinsichtlich der Höhe des Regresses sind Mängel nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die erforderlichen Abzüge des Apothekenrabatts und der Patienteneigenanteile vorgenommen (vgl. hierzu BSG SozR 3-2500 - § 106 Nr. 50 S. 269 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Tatbestand:
Streitig ist ein Regress wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln in den Quartalen I/05 und II/05.
Der Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und war zur vertragsärztlichen Versorgung in F zugelassen. In den streitigen Quartalen verordnete er jeweils für Versicherte der Beigeladenen zu 1) Kontrazeptiva zu einem Betrag von 373,86 Euro bzw. 475,56 Euro.
Die Beigeladene zu 1) beanstandete die Verordnungen und beantragte unter dem 31.01.2006 (Quartal I/05) bzw. 13.04.2006 (Quartal II/05) die Feststellung eines sonstigen Schadens unter Hinweis auf § 24a SGB V.
Der Kläger machte hierzu geltend, dass die Beigeladene zu 1) sich weigere, medizinische Standards anzuerkennen. Dazu gehöre die Behandlung diverser katamenialer und dermatologischer Krankheitsbilder mit einem hormonalen Kontrazeptivum. Bei den entsprechenden Diagnosen sei dies eine Therapie der Wahl.
Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 15.08.2006 die Regresse antragsgemäß fest, gegen den der Kläger Widerspruch einlegte.
Diesen Bescheid hob der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 14.02.2007 wegen eines Schreibfehlers auf und setzte zugleich die beantragten Regresse erneut fest.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2007 zurück. Fertigarzneimittel dürften grundsätzlich nur zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für das Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung beziehe. Die beanstandeten Kontrazeptiva seien nur zur hormonalen Kontrazeption zugelassen, so dass eine Verordnung dieser Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei.
Der Kläger hat am 24.08.2007 Klage erhoben. Er beanstandet, dass der Beschwerdeausschuss nicht geprüft habe, ob eine Ausnahme von dem zitierten Grundsatz der Verordnung zugelassener Arzneimittel vorliege. Es bestehe seit langer Zeit ein Konsens der medizinischen Fachkreise darüber, bestimmte fest definierte Krankheitsbilder mit oralen Kontrazeptiva zu behandeln, weil so im Vergleich mit herkömmlichen Methoden eine sehr viel höhere Effektivität erzielt werde und dies zu wesentlich geringeren Kosten führe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 30.07.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist darauf hin, dass nach § 24a Abs. 2 SGB V die Verordnungsfähigkeit von Kontrazeptiva zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auf Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr beschränkt sei. Diese Altersgrenze sei in den Regressfällen überschritten. Soweit Kontrazeptiva für andere Zwecke als die Schwangerschaftsverhütung verordnet werden, bestehe eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur, wenn und soweit eine erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung gegeben sei. Diese bestehe für die vom Kläger geltend gemachten Anwendungsbereiche nicht. Darüber hinaus lägen weder die Voraussetzungen für einen sog. "Off-Label-Use" noch für ein Systemversagen der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vor.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen des Beklagten an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für die Beigeladenen zu 1) bis 7) niemand zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Beigeladenen sind in den ihnen ordnungsgemäß bekannt gegebenen Terminsmitteilungen auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 30.07.2007 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Regressfestsetzung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Zunächst ist festzuhalten, dass Streitgegenstand allein der Bescheid des Beklagten und die darin enthaltenen Begründungen sind. Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung gem. § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird (vgl. BSG Urteil vom 20.09.1995 - 6 RKa 63/94 -).
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung und damit auch der Beklagte sind im Rahmen der ihnen in § 106 SGB V übertragenen Verpflichtung, die Einhaltung des in den §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots im Einzelfall zu gewährleisten, auch befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln festzusetzen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit erfolgt nach den Bestimmungen der Prüfvereinbarung. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.
Vorliegend gilt die zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) und den Krankenkassen geschlossene Prüfvereinbarung vom 01.01.2001, ergänzt durch zwei Nachträge sowie in der Fassung der sog. Übergangs- und Errichtungsvereinbarung vom 05.04.2004 (Rhein. Ärzteblatt 6/2001, S. 109ff; 6/2002, S. 75ff; 4/2003, S. 68; 6/2004, S. 72ff).
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 der Prüfvereinbarung prüft der Prüfungsausschuss auf Antrag der Krankenkassen, ihrer Verbände, der von ihnen benannten Stellen oder der KVNo auch, ob der Vertragsarzt bei Verordnungen in ungerechtfertigter Weise Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) unbeachtet gelassen bzw. unwirtschaftliche Arzneimittelanwendungen veranlasst hat.
In § 24 a Abs. 1 SGB V ist geregelt, dass Versicherte Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung haben. Zur ärztlichen Beratung gehören auch die erforderliche Untersuchung und die Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln. Nach Abs. 2 haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden.
Eine Verordnung nach § 24a Abs. 2 SGB V schied bei sämtlichen betroffenen Versicherten aus, da diese bereits alle das 20. Lebensjahr vollendet hatten.
Darüber hinaus ist in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt, dass Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung haben, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Nach der Rechtsprechung des BSG sind empfängnisverhütende Mittel in Form oraler Kontrazeptiva jedoch grundsätzlich keine Arzneimittel im Sinne des § 31 SGB V. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Mittel bestimmungsgemäß zur Verhinderung einer unerwünschten Schwangerschaft eingenommen werden (vgl. BSG Urteil vom 31.08.2000 – B 3 KR 11/98 R -).
Soweit der Kläger vorträgt, die Verordnungen nicht im Hinblick auf die empfängnisverhütende Wirkung, sondern im Hinblick auf eine Krankenbehandlung vorgenommen zu haben, und danach eine Verwendung der Kontrazeptiva als Arzneimittel nach § 31 SGB V in Betracht kommt, rechtfertigt dies die Verordnungen hier ebenfalls nicht. Die Verordnungsfähigkeit richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG Urteil vom 30.09.1999 - BSGE 85, 36; Urteil vom 19.03.2002, BSGE 89, 184) nach dem Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die Verordnung eines Arzneimittels in einem Anwendungsgebiet außerhalb dieser Zulassung ist grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) möglich. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßig- und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinne besteht nur, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll (vgl. BSG Urteil vom 29.06.2006 - B 1 KR 14/06 R -). Für sämtliche von dem Kläger verordnete Kontrazeptiva gilt, dass sie allein zur (hormonalen) Kontrazeption zugelassen sind. Damit scheidet zulassungsrechtlich eine Verordnung für die Behandlung der von dem Kläger angeführten Krankheitsbilder zu Lasten der GKV aus.
Ein Ausnahmefall nach den Grundsätzen des sog. "Off-Label-Use" ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt die Verordnung eines Medikamentes außerhalb der von der Zulassung umfassten Anwendungsgebiete zu Lasten der GKV nur in Betracht, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, keine andere Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl. BSG Urteil vom 29.06.2006 - B 1 KR 14/06 R -). Die vorgenannten Voraussetzungen sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil auch nach Vortrag des Klägers keine in diesem Sinne schwerwiegenden Erkrankungen bei den Versicherten vorgelegen haben.
Anlass für eine erweiternde Auslegung der Grundsätze des Off-Label-Use besteht nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zuletzt in seinem Nichtannahmebeschluss vom 30.06.2008 - 1 BvR 1665/07 - ausgeführt, dass sich ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte und spezielle Gesundheitsleistungen aus den Grundrechten nicht ergebe und die gesetzlichen Krankenkassen nicht von Verfassung wegen gehalten seien, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei. Es sei ferner nicht zu beanstanden, die Wirtschaftlichkeit einer Leistung im Sinne des in § 12 SGB V verankerten Wirtschaftlichkeitsgebots mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts zu verknüpfen, mithin die Wirtschaftlichkeit zu verneinen, wenn das Arzneimittel nicht oder noch nicht zugelassen ist (BVerfG a.a.O.). Mit der vorgenannten Entscheidung hat das BVerfG die vom BSG aufgestellten Grundsätze für die Verordnung im Rahmen eines Off-Label-Use ausdrücklich gebilligt. Derartige Verordnungen sind daher auf die vorgenannten Ausnahmefälle beschränkt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Verordnung von Kontrazeptiva bei diversen katamenialen und dermatologischen Krankheitsbildern - wie der Kläger vorträgt - das Mittel der Wahl darstellt. Selbst wenn diese Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft als erfolgreich anzusehen wäre, stehen einer Verordnung zu Lasten der GKV die gesetzlichen und hier insbesondere die arzneimittelrechtlichen Vorgaben entgegen. Es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, über den Off-Label-Use einen zweiten Weg der Arzneimittelzulassung zu eröffnen.
Der streitgegenständliche Regress setzt kein Verschulden voraus. Für die Festsetzung eines Regresses gegen einen Vertragsarzt wegen Verstößen gegen die Arzneimittelrichtlinien bzw. wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel kommt es nach der Rechtsprechung des BSG auf ein Verschulden des Arztes nicht an (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 06.05.2009 - B 6 KA 3/08 R -).
Auch hinsichtlich der Höhe des Regresses sind Mängel nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die erforderlichen Abzüge des Apothekenrabatts und der Patienteneigenanteile vorgenommen (vgl. hierzu BSG SozR 3-2500 - § 106 Nr. 50 S. 269 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
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