L 4 R 1279/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3285/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1279/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02. Oktober 2007 (S 13 R 3285/07) und der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2001 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, weitere EUR 61,36 Zinsen zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Berechnung von Zinsen aus Rentennachzahlungen.

Der am 1934 geborene Kläger beantragte mit dem Hinweis, er befinde sich seit 01. August 1993 im Vorruhestand, Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Schreiben vom 28. August 1993, bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rechtsvorgängerin der Beklagten [im Folgenden einheitlich Beklagte] eingegangen am 06. September 1993). Der mit 15. November 1993 ausgefüllte Antragsvordruck ging bei der Beklagten am 13. Dezember 1993 ein. In diesem Vordruck beantragte der Kläger Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sowie Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres, erklärte mit Schreiben vom 09. und 16. Februar 1994 dann, den Antrag auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zunächst nicht weiterzuverfolgen, sondern einen Antrag auf Altersrente wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 04. Januar 1995 den Antrag auf Zahlung einer Altersrente wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) ab. Den Antrag vom 06. September 1993 auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte nach Einholung eines internistischen und eines nervenärztlichen Gutachtens durch Bescheid vom 24. Juli 1996 ab. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies die Widersprüche gegen die Bescheide vom 04. Januar 1995 und 24. Juli 1996 zurück (Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 1997). Deswegen erhob der Kläger am 18. August 1997 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage (zunächst S 18 An 3950/97, später S 18 RA 3950/97 sowie nach Trennung S 18 RA 1905/99). Im Laufe des Verfahrens legte der Kläger die von der Beklagten gewünschten Einkommensnachweise vor. Die Beklagte erklärte im Termin vom 12. Januar 2000 nach Übergabe des Gewinnfeststellungsbescheids für 1997 vom "13. Januar 2000", ab 01. Oktober 1994 Rente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 38 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der bis 31. Dezember 1999 geltenden Fassung zu gewähren; der Kläger nahm das Anerkenntnis an.

Die Beklagte bewilligte aufgrund des Anerkenntnisses beim SG im Verfahren S 18 RA 1905/99 vom 12. Januar 2000 mit dem (Ausführungs-)Bescheid vom 20. März 2000 Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gemäß § 38 SGB VI mit einem monatlichen Zahlbetrag (Stand April 2000) in Höhe von DM 1.800,47. Die Rente werde unter Vorbehalt bewilligt, weil das Einkommen noch nicht endgültig geklärt sei. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01. Oktober 1994 bis 31. März 2000 betrug DM 115.598,64. Hiervon überwies die Beklagte dem Kläger am 22. März 2000 zunächst einen Betrag von DM 83.000,00 ... Mit weiterem Bescheid vom 14. April 2000 stellte die Beklagte die bewilligte Altersrente neu fest (Berücksichtigung höherer Beiträge für die Pflichtbeitragszeit der Arbeitslosigkeit vom 01. Januar bis 30. September 1994) mit einem Zahlbetrag von DM 1.837,41 ab 01. Juni 2000. Von dem sich vom 01. Oktober 1994 bis 31. Mai 2000 ergebenden Nachzahlungsbetrag von insgesamt DM 2.445,53 zahlte die Beklagte den Zuschuss zum Pflegeversicherungsbeitrag von DM 17,39 aus und behielt die restliche Nachzahlung von DM 2.428,14 vorläufig ein. Durch das Arbeitsamt waren Erstattungsansprüche angemeldet. Durch Bescheid vom 08. August 2000 berechnete die Beklagte die bisher gezahlte Rente neu (Zahlung eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung) mit einem monatlichen Zahlbetrag ab 01. September 2000 von DM 1.972,17. Für den Zeitraum vom 01. Oktober 1994 bis 31.August 2000 ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von DM 8.462,28, den die Beklagte dem Kläger überwies. Mit Bescheid vom 08. Februar 2001 berechnete die Beklagte die bisher gezahlte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit neu mit einem monatlichen Zahlbetrag ab 01. April 2001 von DM 1.972,17. Für die Zeit vom 01. Oktober 1994 bis 09. April 1996 erfolgte keine Zahlung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung mehr. Statt dessen zog sie vom Bruttobetrag der Altersrente (Pflicht)Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab, wodurch sich ein geringerer Zahlbetrag der Altersrente und deshalb für den Zeitraum vom 01. Oktober 1994 bis 31. März 2001 eine Überzahlung von DM 4.500,53 ergab, dessen Erstattung sie verlangte. Von dem Nachzahlungsbetrag in Höhe von insgesamt DM 118.026,78 erstattete die Beklagte dem Arbeitsamt Herrenberg DM 29.590,52 und zahlte unter Berücksichtigung des bereits ausbezahlten Betrags von DM 83.000,00 sowie der Überzahlung aus dem Bescheid vom 08. Februar 2008 von DM 4.500,53 dem Kläger DM 935,72 aus (Abrechnung vom 30. März 2001).

Der Kläger machte Verzinsung der Nachzahlungen geltend. Unter dem 22. Mai 2001 erläuterte die Beklagte unter Wiedergabe der gesetzlichen Vorschrift des § 44 SGB I und der Berechnungsmodalitäten sowie auf die erteilte Abrechnung (vom 30. März 2001) u.a., eine Verzinsung entfalle, soweit die Nachzahlung mit erstattungsberechtigten Stellen (z.B. Krankenkasse, Arbeitsamt usw.) abzurechnen gewesen sei. Soweit bereits ein Vorschuss oder eine vorläufige Leistung gezahlt worden sei, bestehe in Höhe dieser Leistung kein Anspruch auf Verzinsung. Demgemäß seien bezogen auf April 1996 DM 935,73 zu verzinsen. Dies ergebe für die Zinsmonate August 2000 bis März 2001 bei einem Ausgangsbetrag von (abgerundet) DM 935,00,einen monatlichen Zins von DM 3,12, zusammen DM 24,96.

Der Kläger erhob Widerspruch. Die Berechnung könne nicht ernst gemeint sein, da sich eine Schuld der Beklagten von DM 85.000,00 für die Zeit von 1964 bis 2000 sowie von etwa DM 7.000,00 für Februar 2000 bis Februar 2001 ergebe. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2001. Eine "Schuld" seit 1964 könne nicht festgestellt und nachvollzogen werden.

Der Kläger erhob am 17. Januar 2002 Klage zum SG. Eine Begründung wurde nicht vorgetragen. Das zunächst unter S 13 RA 466/02 geführte Verfahren wurde, nachdem ein Erörterungstermin vom 24. Oktober 2002 wegen Erkrankung des Klägers hatte aufgehoben werden müssen, vom SG als unterbrochen betrachtet und ab 04. Mai 2007 unter S 13 R 3285/07 fortgeführt.

Durch Gerichtsbescheid vom 02. Oktober 2007 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitergehende Zahlung von Zinsen. Einer Neuberechnung bedürfe es nicht. Die Beträge seien richtig errechnet. Die Einrede der Verjährung sei gegenüber der Arbeitsverwaltung seitens der Beklagten nicht geltend gemacht worden.

Gegen den am 08. Oktober 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 06. November 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat auf die Begründung der Berufungsverfahren L 4 R 4072/07 und L 4 R 4073/07 verwiesen und weiter ausgeführt, aus gesundheitlichen Gründen habe er die Verfahren nicht weiterverfolgen können. Er verbleibt dabei, die Zinsberechnung sei nicht akzeptabel und gesetzmäßig. Es werde zwar eine hohe Nachzahlung erwähnt, eine Spezifizierung sei aber nicht ersichtlich. Eine rechtliche Prüfung im Detail durch das Gericht sei deshalb notwendig. Das Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2001 zu verurteilen, höhere Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg. Es besteht Anspruch auf eine höhere Zahlung von Zinsen.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags bei zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung (Abs. 2). Verzinst werden volle Euro-Beträge (Abs. 3 Satz 1). Dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen zugrunde zu legen (Abs. 3 Satz 2).

Auf dieser Grundlage war die Berechnung im Bescheid vom 22. Mai 2001 zutreffend, abgesehen davon, dass ein Überzahlungsbetrag aus dem Bescheid vom 08. Februar 2001 in Höhe von DM 4.500,53 nicht abgezogen werden durfte (vgl. hierzu Urteil vom heutigen Tag L 4 R 1278/09).

Der vollständige Leistungsantrag hatte bei Abschluss des Verfahrens S 18 RA 1905/99 im Termin vom 12. Januar 2000 vorgelegen. Denn erst in diesem Termin hatte der Kläger die vollständigen Nachweise seiner Einkünfte aus der ausgeübten selbstständige Tätigkeit vollständig vorgelegt. Damit konnte eine Verzinsung erst mit August 2000 beginnen. Von dem von Oktober 1994 bis März 2000 aufgelaufenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von DM 115.598,64 hatte der Kläger am 22. März 2000 einen Betrag von DM 83.000,00 unter dem Vorbehalt ausgezahlt erhalten, dass der noch endgültig zu klärende Hinzuverdienst nicht entgegenstehe. Von der weiteren Nachzahlung für April und Mai 2000 (Bescheid vom 14. April 2000) in Höhe von DM 2.445,53 zahlte die Beklagte den Zuschuss zum Pflegeversicherungsbeitrag von DM 17,39 aus und behielt die restliche Nachzahlung von DM 2.428,14 ein. Insgesamt ergab sich damit ein zunächst einbehaltener Nachzahlungsbetrag von DM 32.598,64. Für die Zeit vom 01. Oktober 1994 bis 09. April 1996 war wegen des gezahlten höheren Arbeitslosengeldes die gesamte Rente der Arbeitsverwaltung zu erstatten (DM 29.590,52), auf welchen Betrag der Kläger keinen Anspruch hatte. Denn nach § 107 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Dagegen durfte der im Bescheid vom 08. Februar 2001 genannte Überzahlungsbetrag von DM 4.500,53 nicht abgezogen werden. Denn die Regelung, die entstandene Überzahlung von DM 4.500,53 sei zu erstatten, ist rechtswidrig (Urteil des Senats vom heutigen Tag - L 4 R 1278/09 -).

Anstelle des von der Beklagten im Übrigen zutreffend errechneten Betrags von DM 935,73 ist mithin ein solcher von DM 5.436,26 (DM 935,73 + DM 4.500,53) zu verzinsen. Dies ergibt nach der Zinsformel (DM 5.436,26 x 4 v.H. x 30: 360) einen monatlichen Zins von DM 18,12, für die acht Monate August 2000 bis März 2001 einen Betrag von DM 144,96 (= EUR 74,12). Abzüglich des bereits gezahlten Betrages für Zinsen von DM 24,96 hat die Beklagte damit einen weiteren Betrag von Zinsen in Höhe von DM 120,00 (= EUR 61,36) zu zahlen.

Für die vom Kläger im Widerspruchsverfahren genannten Zahlen, eine "Schuld" der Beklagten von DM 85.000,00 sei für die Zeit von 1964 bis 2000 aufgelaufen sowie eine weitere von DM 7.000,00 von Februar 2000 bis Februar 2001, ist keine Grundlage ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Der zuletzt genannte Gesichtspunkt rechtfertigt es, trotz des nach Prüfung von Amts wegen erzielten Teilerfolgs von einer Kostenquotelung zugunsten des Klägers abzusehen.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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