L 11 KR 1990/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1891/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1990/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen streitig.

Der 1945 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1999, zuletzt als Rentenempfänger, gesetzlich krankenversichert. Sein ehemaliger Arbeitgeber schloss mit Wirkung ab 1. Dezember 1980 für den Kläger als Arbeitnehmer eine Lebensversicherung in Form der Direktversicherung bei der C. Lebensversicherung AG ab. Der Wert, der sich aus den Beitragszahlungen bis zum 30. Juni 1985 ergab, belief sich auf 4.310 EUR (vgl. Bescheinigung vom 21. Januar 2006, Bl. 13 der SG-Akte). Im Zuge des Ausscheidens seines Vaters aus der Firma wurde die Direktversicherung zum 01. Juli 1985 in eine Kapitallebensversicherung mit eigener Beitragsleistung umgewandelt (vgl. Vereinbarung vom 18. Juli 1985, Bl. 9 SG-Akte). Zum Fälligkeitszeitpunkt am 1. Dezember 2005 wurde dem Kläger aus der Lebensversicherung ein Betrag in Höhe von 46.547,70 EUR ausgezahlt. Hierüber unterrichtete das Versicherungsunternehmen die Beklagte am 24. November 2005.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 setzte die Beklagte den ab 1. Januar 2006 zu zahlenden monatlichen Krankenversicherungsbeitrag aus der Kapitalzahlung bei einem allgemeinen Beitragssatz von 13,5 vH sowie einem zusätzlichen Beitragssatz von 0,9 vH auf insgesamt 55,86 EUR fest. Sie legte dabei 1/120 der Kapitalzahlungen, nämlich 387,90 EUR, als monatliche beitragspflichtige Versorgungsbezüge zugrunde. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2006 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, es sei unerheblich, wer die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung entrichtet habe. Dies gelte auch insoweit, als es sich um Leistungen aufgrund einer Höher- oder Weiterversicherung handle oder es um Leistungen aus einer Direktversicherung gehe, die durch Gehaltsumwandlung finanziert worden sei. Der erworbene Versorgungsanspruch sei nicht teilbar in einen privat- und einen arbeitgeberfinanzierten Teil. Es gebe auch keinen Grundsatz im Sozialversicherungsrecht, nach dem eine Einnahme nicht mehrfach mit Beiträgen belegt werden könne. Auch eine "doppelte" Verbeitragung sei danach zulässig.

Mit seiner dagegen am 19. Mai 2006 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beitragserhebung sei deswegen rechtswidrig, weil nach der Umwandlung der Direktversicherung im Jahr 1985 und der eigenen Beitragsleistung kein Bezug mehr zur bisherigen Erwerbstätigkeit bestanden habe. Zumindest müsse eine Quotelung entsprechend der Beitragsleistung erfolgen.

Mit Urteil vom 5. Februar 2009, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 6. April 2009, hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides abgewiesen. Es sei grundsätzlich geklärt, dass die Erhebung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Es komme auch nicht darauf an, in welchem Verhältnis der Versorgungsbezug auf der Beitragsleistung des Arbeitnehmers oder seines ehemaligen Arbeitgebers beruhe. Maßgeblich sei allein der noch so geringe Bezug zur Erwerbstätigkeit, der bei dem Kläger zweifelsfrei gegeben sei.

Zur Begründung seiner dagegen am 29. April 2009 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, er habe seine Versicherung bewusst und gewollt als eigene in Form einer normalen Kapitallebensversicherung fortgeführt. Spätestens ab Übertragung dieser Versicherung sei der Bezug zum Erwerbsleben nicht mehr vorhanden. Entsprechend dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. September 2007 (L 4 P 1312/07) könnten Beiträge daher nur aus dem auf diese Laufzeit entfallenen Teil der einmaligen Einnahme aus der Kapitallebensversicherung erhoben werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Februar 2009 sowie den Bescheid vom 6. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die seit 1. Dezember 2005 gezahlten Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich vergleichsweise geeinigt, dass die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung nicht streitbefangen sind.

Sie sind schriftlich darauf hingewiesen worden, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger hat sich hiermit nicht einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann - auch ohne das Einverständnis des Klägers - über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten, eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten und die Beteiligten gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Ausführungen des Klägers machen es nicht erforderlich, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 S. 2 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind, soweit es um die Beitragspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung geht, rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat aus der Kapitalzahlung der Lebensversicherung Beiträge in der von der Beklagten festgestellten Höhe zu entrichten.

Zu entscheiden war nur noch über die Rechtmäßigkeit der die Beiträge zur Krankenversicherung betreffenden Bescheide der Beklagten vom 6. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2006.

Nach § 237 Satz 1 SGB V, der seit Inkrafttreten des SGB V am 01.01.1989 unverändert geblieben ist und § 180 Reichsversicherungsordnung (RVO) entspricht, werden der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtigen Rentnern

1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen

zu Grunde gelegt.

Zu den der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) i.S.v. § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V gehören nach Maßgabe von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch "Renten der betrieblichen Altersversorgung", soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 anzuwendenden Fassung (GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190)) ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.

Der Kläger ist durch den Bezug der gesetzlichen Altersrente Pflichtmitglied der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.

Um von Anfang an statt einer Rente zugesagte und nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung handelt es sich in vollem Umfang auch bei dem von den Lebensversicherungsgesellschaft zum 1. Dezember 2005 zeitnah zur Vollendung seines 60. Lebensjahres an den Kläger ausgezahlten Beträgen aus der Lebensversicherung. Der Vertrag war ursprünglich als Direktversicherung von dem ehemaligen Arbeitgeber zugunsten des Klägers abgeschlossen worden. Sie diente im Hinblick auf den Zeitpunkt der Auszahlung in dem Jahr, in dem der Kläger das 60. Lebensjahr vollendete, seiner Altersversorgung. Bei der dem Kläger ausgezahlten Lebensversicherung handelt es sich auch um eine betriebliche Altersversorgung in diesem Sinne, denn sie wird im Wege einer Gruppenversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall des Arbeitnehmers als Begünstigten abgeschlossen, der Arbeitgeber ist aber Versicherungsnehmer. Dass eine solche Konstellation bei dem Kläger vorliegt, ergibt sich aus dem von ihm vorgelegten Versicherungsschein wie dem Versicherungsvertrag. Insofern besteht ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Klägers.

Insofern ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob der Kläger 1985 die Lebensversicherung umgewandelt und die Beiträge allein erbracht hat. Wer die Auszahlung der Versorgungsbezüge finanziert, ist nicht erheblich, maßgebend ist allein der - hier vorliegende - Zusammenhang mit der früheren Berufstätigkeit des Klägers. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinen Entscheidungen zu den Direktversicherungen für die Definition der betrieblichen Altersvorsorge den Begriff der "institutionellen Abgrenzung" geprägt. Danach ist typisierend an einen Zusammenhang mit dem Erwerbsleben anzuknüpfen. Ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei der typischen Versicherungsart einer Direktversicherung gegeben. Darauf, ob die Berufstätigkeit fortgesetzt wurde oder die Vorsorge nachweislich aus Einkünften der Berufstätigkeit betrieben wurde, kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass derjenige, der durch die berufliche Tätigkeit eine solche Versorgung abschließen kann, sich nicht irgendeiner Form der privaten Altersvorsorge bedient, sondern sich gerade die Vorteile der betrieblichen Altersvorsorge zu Nutze machen möchte (BSG, Urteil vom 27.01.2000 - B 12 KR 17/99 R-, vom 11.10.2001 - B 12 KR 4/00 R-, vom 25.04.2007 - B 12 KR 25/05 R-, vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R und B 12 KR 9/08 R -). Deswegen ist es auch unerheblich, dass nach dem Ausscheiden des Klägers aus seinem Arbeitsverhältnis die Direktversicherung auf ihn als Versicherungsnehmer übertragen wurde und er die Versicherung mit eigenen Beiträgen weitergeführt hat.

Die ursprünglich als Direktversicherung abgeschlossene Lebensversicherung kann auch nicht mit dem Anteil der Kapitalauszahlung außer Betracht bleiben, der auf den eigenen Einzahlungen des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruht (so zuletzt auch BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 9/08 R). Die Beklagte ist vielmehr berechtigt, von dem in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Kläger Beiträge aus einmaligen Zahlungen aus Direktversicherungen, die Zahlungen der betrieblichen Altersversorgung waren, auch insofern zu verlangen, als diese auf eigenen Beitragszahlungen beruhen. Die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 14. September 2007, L 4 P 312/07 betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich den Abschluss der Lebensversicherung durch Privatvertrag ohne Bezug zur Erwerbstätigkeit, der dann erst vom Arbeitgeber als Direktversicherung übernommen wurde. Dabei konnte der hier allein maßgebende Bezug zum Erwerbsleben nicht rückwirkend festgestellt werden. Hieraus folgt für den vorliegenden Rechtsstreit, bei dem der Arbeitgeber von Anfang an die Direktversicherung abgeschlossen hat, und der Arbeitnehmer nur die Beiträge allein weiterzahlt, nichts.

Die beitragsrechtliche Berücksichtigung von laufenden Versorgungsbezügen verstößt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auch nicht gegen das Grundgesetz (GG). Insbesondere bestehen verfassungsrechtliche Bedenken auch dann nicht, wenn das entsprechende Rechtsverhältnis wie vorliegend bereits vor dem 1. Januar 2004 abgeschlossen wurde (BVerfG vom 07.04.2008, 1 BvR 1924/07). Die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Sie bildet ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dabei durfte im Wege einer sogenannten unechten Rückwirkung auch an in der Vergangenheit begründete Rechtsverhältnisse angeknüpft werden.

Die Berufung des Klägers war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, nachdem auch zu der Frage, dass Kapitalleistungen in vollem Umfang beitragspflichtig sind, die ganz oder teilweise auf eigenen Beitragsleistungen des Arbeitnehmers beruhen, eine inzwischen als gefestigt angesehene höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und auch das Bundesverfassungsgericht diese Praxis für verfassungsgemäß erachtet hat.
Rechtskraft
Aus
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