L 4 KA 76/08

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 424/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 76/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 17/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Antrag der Klägerin vom 14. Juni 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu zu bescheiden.

Klägerin und Beklagte haben jeweils die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Sonderregelung zum praxisindividuellen Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 und zur Härtefallregelung nach Ziffer 7.5 der Honorarvereinbarung der Beklagten mit den Verbänden der Krankenkassen (HVV in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. November 2005) bzw. nach § 5 Abs. 3 (und 4) HVV (in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007 – info.doc Nr. 6 – Dezember 2007) sowie in der am 1. Januar 2008 geltenden Fassung vom 21. Mai 2008 - info.doc Nr. 3a - Juli 2008) für die Quartale II/2005 bis I/2008.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie mit Praxissitz in A-Stadt seit 1. April 2005 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ihre Praxiszulassung ruhte vom 1. April 2008 bis 31. März 2009, weil die Praxis zur Nachfolge ausgeschrieben ist.

Der HVV (2005) der Beklagten enthält unter Ziffer 6.3 (Bildung des praxisindividuellen Regelleistungsvolumens) folgende Regelungen:

"Die Bewertung der Honorarforderungen einer Praxis, die der Honorargruppen A2/B2 bzw. einer entsprechenden Honorar(unter)gruppe zugeordnet sind, erfolgt auf Basis eines Regelleistungsvolumens, soweit für die in der Praxis vertretenen Arztgruppen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen benannt sind.

Die im Abrechnungsquartal für eine Praxis zutreffende Fallpunktzahl bestimmt sich aus der Zugehörigkeit der Ärzte einer Praxis zu einer in der Anlage 1 angeführten Arzt-/Fachgruppe unter Beachtung der angeführten Altersklassen. Bei Gemeinschaftspraxen bestimmt sich die Höhe der in der einzelnen Altersklasse zutreffenden Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert aus der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte (gemäß Zuordnung entsprechend Anlage zu Ziffer 6.3) verbunden mit folgender Zuschlagsregelung:

- 130 Punkte bei arztgruppen- und schwerpunktgleichen Gemeinschaftspraxen sowie bei Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung gemäß Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen,

alternativ

- 30 Punkte je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, mindestens jedoch 130 Punkte und höchstens 220 Punkte.

Bei der Ermittlung der Zuschlagsregelung bleiben Ärzte aus Arztgruppen, für die gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 keine arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen definiert sind, unberücksichtigt.

Die Zuschlagsregelung findet keine Anwendung bei Praxen mit angestellten Ärzten bzw. zugelassenen Ärzten, die einer Leistungsbeschränkung gemäß Bedarfsplanungsrichtlinien bzw. Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen. Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, richtet sich die Höhe der Fallpunktzahl in den einzelnen Altersklassen nach dem Schwerpunkt der Praxistätigkeit bzw. dem Versorgungsauftrag mit dem der Arzt bzw. Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.

Das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis bestimmt sich dann aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal nach vorstehender Vorgabe ermittelten arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in die verschiedenen Altersklassen.

Bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis sind alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle (gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BMVÄ beziehungsweise § 25 Abs. 1 S. 1 GKV) zu Grunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 und 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V.40 abgerechnet werden. Die so festgestellten Fallzahlen reduzieren sich dabei (vorab der Berechnung des praxisindividuellen (fallzahlabhängigen) Regelleistungsvolumens) aufgrund einer zuvor durchgeführten fallzahlabhängigen Bewertung (Fallzahlbegrenzungsregelung) gemäß Ziffer 5.2, wobei die aus dieser Maßnahme resultierende Reduzierung anteilig auf die Altersklassen zu verteilen ist. Das nach dieser Vorschrift festgestellte Regelleistungsvolumen einer Praxis im aktuellen Quartal ist dann nachfolgend für jeden über 150% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal hinausgehenden Fall um 25% zu mindern. Die Feststellung der relevanten durchschnittlichen Fallzahl erfolgt bei Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung unterliegen, je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt bzw. Psychotherapeuten.

Für die Bildung des Regelleistungsvolumens einer Praxis im Abrechnungsquartal gilt im Übrigen eine Fallzahlobergrenze in Höhe von 200% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal. Überschreitet eine Praxis im aktuellen Abrechnungsquartal diese Fallzahlobergrenze, tritt diese anstelle der praxisindividuellen Fallzahl bei der Ermittlung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens. Dabei bestimmt sich im Falle von Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die keiner Leistungsbeschränkung unterliegen, die Fallzahlobergrenze aus den arztgruppenbezogenen durchschnittlichen Fallzahlen im entsprechenden Vorjahresquartal je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt bzw. Psychotherapeuten.

Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, bestimmt sich die durchschnittliche Fallzahl im entsprechenden Vorjahresquartal für vorstehende Bewertungsvorgaben bzw. Fallzahlobergrenze aus der Honorar(unter)gruppe, zu der sie nach dem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.

Soweit in der Anlage zu Ziffer 6.3 Arztgruppen nicht aufgeführt sind, gehen deren Fälle und Honorarforderungen nicht in die Berechnung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens ein.

Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen".

Diese Regelungen wurden im wesentlichen inhaltsgleich in § 4 Abs. 3 der ab 1. April 2007 geltenden Fassungen des HVV übernommen, wobei in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Vertragspartner nach Abrechnung der jeweiligen Quartale und der gemeinsamen Bewertung der Auswirkungen auf die Versorgungssituation im gegenseitigen Einvernehmen weitere Anpassungen bezüglich der Regelleistungsvolumina beschließen können (§ 4 Abs. 3 Buchst. e) HVV 2008).

Ferner enthält Ziffer 7.5 HVV (2005) folgende "Regelung zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000 plus":

"7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000 plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt.

Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen - Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 - notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5% resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichen sein sollten. Sollte durch eine solche Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.

7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zu der Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Er ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 Buchstaben g. im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderungen mehr als 15%, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% müssen vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2000 plus haben.

7.5.3 Die vorstehende Ausgleichsvorschrift steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Verbände der Krankenkassen mindestens eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütungszahlung geleistet wird und die aufgrund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 vorzunehmenden Honorarverschiebungen nach Abschluss des Abrechnungsquartals - siehe Ziffer 2.5 der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 - noch ein ausreichendes Honorarvolumen für diese Maßnahme in der einzelnen Honorar(unter)gruppe belassen".

Diese Regelungen wurden für die nachfolgende Zeit mit der Modifikation fortgeschrieben, dass als Referenzquartal auf das jeweilige Vorjahresquartal abgestellt wurde (siehe Landesrundschreiben vom 23. Juni 2006, info.doc Nr. 3 - Juni 2006) und dann ab 1. April 2007 die entsprechenden Abrechnungsquartale des Jahres 2005 als Referenzquartale dienten, ein "Abschneiden" des Fallwertzuwachses über 5% aber nicht mehr erfolgte (HVV i.d.F der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007- info.doc Nr. 6 - Dezember 2007). Durch den ab 1. Januar 2008 in Kraft getretenen HVV wurde die zuvor zitierte Regelung unter § 5 Abs. 4 zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2008 mit der Änderung fortgeführt, dass der Referenzfallwert aus sämtlichen Fällen und Honorarzahlungen der Quartale II/05 bis I/06 gebildet wird und Ausgleichszahlungen auf die Fallzahl im Referenzquartal des Jahres 2005 begrenzt sind.

Im Falle der Klägerin setzte die Beklagte die Honorare für die Quartale II/2005 bis IV/2006 mit Honorarbescheiden fest, wobei die Nettohonorare der Klägerin pro Quartal zwischen 4.762,85 EUR (im Quartal II/2005) und 8.267,35 EUR (im Quartal IV/2006) lagen. Die Fallzahlen der Klägerin steigerten sich im gleichen Zeitraum von 59 auf 88 Fälle (die durchschnittlichen Fallzahlen ihrer Fachgruppe lagen in den Quartalen II/2004 bis IV/2005 zwischen 213 (III/2004) und 237 (II/2005) Fällen), wobei sie ihr praxisindividuelles Regelleistungsvolumen im Quartal II/2005 um 235,6% und schließlich in den Quartalen III/2006 um 39,4% und IV/2006 um 43% überschritt. Im Umfang der Überschreitung erfolgte die Vergütung nur mit dem unteren Punktwert (mindestens 0,51 Cent), wobei der obere Punktwert (4,0 Cent) für Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens eine weitergehende Quotierung erfuhr, weil mit den zur Verfügung stehenden Vergütungsanteilen die abgerechneten Leistungen in der Fachgruppe der Klägerin mangels Nachschusspflicht der Krankenkassen (außer bei zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen) nicht mit dem entsprechenden Punktwert vergütet werden konnten. Die Abrechnungshäufigkeit der Leistungsziffer (LZ) 14.220 nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) 2005 (= EBM 2000 plus; Kinder- und Jugend psychiatrisches Gespräch, Kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung - Dauer mindestens 10 Minuten), die mit 345 Punkten bewertet ist, lag bei der Klägerin bezogen auf 100 Fälle im Quartal II/2005 bei 951 und in den Quartalen III und IV/2006 noch bei 503, während der Durchschnitt der Fachgruppe 325 (Quartal III/2006) bis 385 (Quartal III/2005) Abrechnungen dieser Art bezogen auf 100 Fälle betrug. Bei der Honorarberechnung kam ab Quartal II/2006 auch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 bzw. § 5 Abs. 4 HVV zur Anwendung, wobei sich aber nur im Quartal II/2006 ein Auffüllbetrag in Höhe von insgesamt 182,71 EUR und im Quartal IV/2006 in Höhe von 25,31 EUR ergab. Hierbei legt die Beklagte jeweils die Fallwerte und Fallzahlen der Referenzquartale im Jahr 2005 zugrunde, in denen die Klägerin mangels Referenzquartalen im Jahr 2004 noch nicht an der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV teilgenommen hatte. Im Vergleich zu den Durchschnittswerten ihrer Fachgruppe (siehe Schriftsatz der Beklagten vom 20. März 2009, Bl. 146, 147 Gerichtsakte) lagen die aktuellen Fallwerte der Klägerin in den Quartalen II/2005 bis IV/2006 nur bei etwa der Hälfte. Wegen weiterer Einzelheiten der bereits erfolgten Honorarabrechnungen wird auf die tabellarische Darstellung im Tatbestand des angegriffenen Urteils des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 (Seite 2 und 3), den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19. September 2007 (Blatt 109, 110 Verwaltungsakte) sowie die Honorarbescheide für die Zeit vom Quartal II/2005 bis IV/2006 (Blatt 1 bis 68 Verwaltungsakte) Bezug genommen.

Am 14. Juni 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen und/oder zur Härtefallregelung unter Hinweis darauf, dass die Abschlagszahlungen nur knapp die Praxisunkosten decken würden. Mit Bescheid vom 25. September 2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Das praxisindividuelle Regelleistungsvolumen sei zutreffend berechnet worden. Eine Ausnahmeregelung können nur aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erfolgen, die aber nicht gefährdet sei, weil im Umkreis von 50 km zur Praxis der Klägerin ausreichend Ärzte zur Verfügung stünden, die die streitgegenständlichen Leistungen erbringen und abrechnen würden. Auch der Umstand, dass die Klägerin eine "junge Praxis" betreibe, rechtfertige keine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens, denn diesem Umstand sei bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihre für das Regelleistungsvolumen maßgebliche Fallzahl mit einer Quote von 100% in die Berechnung desselben eingeflossen sei. Die Härtefallregelung nach Ziffer 7.5 HVV habe in den Quartalen II/2005 bis I/2006 nicht zur Anwendung kommen können, weil die klägerische Praxis in den entsprechenden Referenzquartalen des Vorjahres noch nicht bestanden habe. Insoweit hätten auch keine Verwerfungen eintreten können, die durch eine "Bestandsschutzklausel" auszugleichen gewesen wären. Insoweit werde sie mit anderen jungen Praxen gleich behandelt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007 zurück, der der Klägerin am 26. September 2007 zugestellt wurde.

Mit ihrer am 10. Oktober 2007 beim Sozialgericht Marburg erhobenen Klage hat die Klägerin eine Neubescheidung ihres Antrages mit dem Ziel einer Ausnahmeregelung zum Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 HVV und zur Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV ab dem Quartal II/2005 angestrebt. Mit Urteil vom 27. August 2008 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Sonderregelung zur Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV ab dem Quartal II/2005 könne die Klägerin nicht beanspruchen, weil es sich hierbei um eine Härtefallregelung handle, die Veränderungen aufgrund des zum Quartal II/2005 eingeführten EBM 2005 abfedern und insofern für eine Übergangszeit den Arztpraxen die Umstellung auf die neue Honorarstruktur ermöglichen sollte. Praxen, die keine Ausgleichsbeträge erhielten, hätten hinzunehmen, dass sich der Verteilungspunktwert für sie hierdurch ggf. verringere. Zumindest für einen Zeitraum von vier Quartalen sei dies zulässig. Ziffer 7.5 HVV könne somit jedenfalls nicht auf Praxen angewandt werden, die erstmals unter Geltung des neuen EBM 2005 ab 1. April 2005 tätig geworden seien. Hingegen sei der Klägerin als Anfängerpraxis eine Ausnahmeregelung vom Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 HVV für die ersten acht Quartale nach Praxisgründung zuzubilligen. Jedenfalls in der Fachgruppe der Klägerin bestehe bei neu gegründeten Praxen ein vermehrter Gesprächs-, Diagnostik- und Beratungsbedarf, weil Praxisanfänger zunächst einen Patientenstamm aufbauen müssten und im Wesentlichen eine Behandlung mit zeitintensiven Leistungen über mehrere Quartale hinweg vorzunehmen sei. Für die ersten Quartale benötigten Praxisanfänger in der Fachgruppe der Klägerin daher vermehrt Leistungen nach LZ 14.220 EBM 2005, die mit 345 Punkten je vollendeten 10 Minuten bewertet würden. Im Rahmen des Regelleistungsvolumens, das die Kammer mit circa 2000 Punkten geschätzt hat, sei eine solche Behandlung somit im Durchschnitt auf nur eine Stunde im Quartal begrenzt. Dies sei nach Einschätzung der fachkundig besetzten Kammer jedenfalls für die erste Zeit unzureichend. Aufgrund eigener Sachkunde sei davon auszugehen, dass eine Anfängerpraxis in der Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie einen Zeitraum von acht Quartalen benötige, nach dessen Abschluss ein ausreichendes Regelleistungsvolumen zu erreichen sei. Im Übrigen seien die Regelungen unter Ziffer 6.3 des HVV der Beklagten zum Regelleistungsvolumen mit höherrangigem Recht vereinbar und von der Beklagten auch zutreffend angewandt worden.

Gegen das ihr am 4. September 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. September 2008 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Die Entscheidung des Sozialgerichts verstoße gegen den Beschluss des Bewertungsausschusses zur Bildung von Regelleistungsvolumen (93. Sitzung am 29. Oktober 2004 - DÄBl. 2004, Heft 46, S. A-3129 - kurz: BRLV), der nach der Rechtsprechung der hessischen Sozialgerichtsbarkeit für die Beklagte bindend sei. Eine Abweichung von dessen Vorgaben sei nach Ziffer III. 3.1 nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung oder zur Zielerreichung einer Maßnahme nach Ziffer III.1 BRLV zulässig. Letzteres sei offensichtlich nicht gegeben, so dass nur Gründe der Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung als Rechtfertigung für eine Ausnahmeregelung für die Klägerin in Betracht kämen, wie auch in Ziffer 6.3 HVV letzter Absatz vorgesehen sei. Ausnahmen für junge Praxen in bestimmten Fachgruppen seien im BRLV nicht vorgesehen. Einen Sicherstellungsbedarf habe das Sozialgericht aber weder ermittelt noch auch nur behauptet. Ein solcher sei auch nicht gegeben. Der Bewertungsausschuss habe die LZ 14.220 EBM 2005 gerade nicht vom Regelleistungsvolumen ausgenommen. Der Bewertungsausschuss habe bei der Bildung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen am Leistungsbedarf der Vergangenheit angeknüpft und somit bereits auch Daten junger Praxen berücksichtigt. Beim Regelleistungsvolumen handle es sich bereits um arztgruppenspezifische Grenzwerte. Ein Bezug zum individuellen Leistungsgeschehen erfolge nach der Systematik des Regelleistungsvolumens lediglich durch das Anknüpfen an die Fallzahlen der jeweiligen Praxis, die im Falle der Klägerin als "junge Praxis" nach Ziffer 5.2.1 Buchstabe d) HVV unquotiert seien. Der "jungen Praxis" werde hierdurch ein angemessenes Wachstum ermöglicht. Im Übrigen Stelle die Gründung einer Praxis keine atypische Situation dar, sondern begründe ein eigenes unternehmerisches Risiko des tätig werdenden Arztes. Auch anderer Arztgruppen hätten gesprächsintensive Leistungen zu erbringen, wie etwa die Fachärzte für Nervenheilkunde, Neurologie und Psychiatrie (mit Doppelzulassung), deren Regelleistungsvolumen im Vergleich zur Fachgruppe der Klägerin eine mehr als um die Hälfte niedrigere Fallpunktzahl aufweise. Eine zusätzliche Differenzierung zu Gunsten der Fachgruppe der Klägerin sei daher nicht gerechtfertigt. Jede im Aufbau befindliche Praxis habe zum Kennenlernen neuer Patienten und deren Anamnese einen höheren Zeitaufwand. Dies relativiere sich im Laufe der Zeit und bedürfe auch keiner acht Quartale, wie das Sozialgericht angenommen habe. Insoweit sei die Situation seit Einführung von Regelleistungsvolumen für alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten ähnlich und betreffe keinesfalls nur die Betreuung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag der Klägerin vom 14. Juni 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu zu bescheiden.

Die Klägerin bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils, die sie für zutreffend hält, und weist ergänzend darauf hin, der Begriff der "Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung" im Sinne von Ziffer III.3.1 BRLV, der sich in Ziffer 6.3 HVV wiederfinde, sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) so auszulegen, dass generell atypische Versorgungssituationen vom Vorstand der Beklagten zu regeln seien. Für die Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie gebe es keine Bedarfsplanung, weshalb ein Rückgriff auf den Versorgungsgrad ausscheide. Nachdem Praxen in der unmittelbaren Umgebung der Klägerin wegfallen würden, könnten die verbleibenden Fachkollegen die Patienten nicht auffangen. Außerdem werde schon durch die Erbringung der Leistungen durch die Klägerin der Versorgungsbedarf dokumentiert. Ohne die Möglichkeit der Vergütung ihrer Leistungen zum oberen Punktwert sei es ihr unmöglich, einen Patientenstamm aufzubauen, weshalb sie auch zur Einstellung des Praxisbetriebes im Quartal II/2008 gezwungen gewesen sei. Die mit der Festlegung des Regelleistungsvolumens verbundene Honorarbegrenzung habe das Ziel, die Anreize zur Ausweitung der Leistungsmenge zu verringern, dadurch die Gesamthonorarssituation zu stabilisieren und damit die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit zu verbessern sowie die Versorgungsqualität zu steigern (unter Hinweis auf Engelhard in: Hauck/Noftz, § 85 SGB V, Rdnr. 256a). Die Festlegung des Regelleistungsvolumens dürfe nicht völlig unabhängig vom Leistungsgeschehen und vom Leistungsumfang der einzelnen Praxis erfolgen. Die Gesamtfallzahl der Klägerin liege erheblich unter dem Durchschnitt der Fachgruppe und nach der zutreffenden Einschätzung des Sozialgerichts könne die Klägerin mit dem ihr gewährten Regelleistungsvolumen einem Patienten im Quartal lediglich eine einstündige Behandlung nach LZ 14.220 EBM 2005 zukommen lassen, weshalb eine übermäßige Ausdehnung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit gerade nicht gegeben sei. Vielmehr werde die Möglichkeit der Durchführung der notwendigen Behandlung versperrt, denn eine einstündige kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung pro Quartal unterschreite das Maß des Notwendigen ganz erheblich. Der Umstand, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen insbesondere nach der zuvor genannten LZ grundsätzlich dem Regelleistungsvolumen unterliegen und keine besonderen Leistungen im Sinne von Ziffer III. 4.1 BRLV seien, könne nicht bedeuten, dass hierdurch eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen wegen der atypischen Situation junger Praxen in der Fachgruppe der Klägerin ausgeschlossen sei, sonst ergebe die Ausnahmeregelung zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung nach Ziffer III.3.1 BRLV keinen Sinn. Auch eine völlige Freistellung von Regelleistungsvolumen sei eine "Anpassung" desselben an eine atypische Versorgungssituation im Sinne dieser Vorschrift. Der besonderen Situation einer jungen Praxis werde durch die Aussetzung der fallzahlabhängigen Quotierung nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Fallzahlen der Klägerin lägen weit unter dem Durchschnitt der Fachgruppe. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse ihr aber der HVV ermöglichen, in effektiver Weise und in angemessener Zeit den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Der Klägerin müsse daher ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass in der Anfangsphase vermehrt Leistungen mit hohem Punktwert benötigt würden, andererseits aber Fälle fehlten, die ein geringeres Punktezahlvolumen erforderten, wie sie in jeder etablierten Praxis vorhanden seien.

Im Rahmen ihrer Anschlussberufung trägt die Klägerin außerdem vor, ihr sei zumindest im Hinblick auf die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV auch in den Quartalen II/2005 bis I/2006 im Rahmen einer Sonderregelung für junge Praxen ein Ausgleich etwa unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Fallwerte der Fachgruppe aus den Referenzquartalen II/2004 bis I/2005 und ihrer aktuellen Fallzahlen zuzugestehen.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalten der Gerichts- und Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist ebenso sachlich begründet wie die zulässige Anschlussberufung der Klägerin. Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Marburg war daher aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag der Klägerin vom 14. Juni 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu zu bescheiden.

Soweit das Sozialgericht einen Anspruch der Klägerin auf eine Sonderregelung zum praxisindividuellen Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 beziehungsweise § 5 Abs. 3 HVV bejaht hat, folgt dem der Senat nicht.

Zutreffend hat das Sozialgericht bereits ausgeführt, dass sowohl der BRLV des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 als auch - in Ausführung desselben - Ziffer 6.3 bzw. § 5 Abs. 3 HVV mit höherrangigem Recht vereinbar und damit wirksam sind. Ob die Beklagte diese Regelungen - jedenfalls bis vom Quartal IV/2006 - bei Erlass ihrer Honorarbescheide auch zutreffend angewandt hat, wovon der Senat in Übereinstimmung dem Sozialgericht ausgeht, kann und muss hier dahingestellt bleiben, denn Gegenstand dieses Rechtsstreits ist nicht ein einzelner Honoraranspruch der Klägerin sondern eine Sonderregelung zu einer allgemeinen Honorarverteilungsregelung im HVV, über die die Beklagte vorab durch Verwaltungsakt entschieden hat (siehe hierzu: BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, Az.: B 6 KA 65/97 R, Juris Rdnr. 17 bis 19).

Die Beklagte war jedoch nicht verpflichtet der Klägerin als "junge Praxis" aus der Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie für die ersten acht Quartale nach ihrer Gründung eine Sonderregelung zum praxisindividuellen Regelleistungsvolumen zuzubilligen und ihren Antrag insoweit neu zu bescheiden. Als Rechtsgrundlage für eine Ausnahmeregelung kommt insoweit lediglich Ziffer 6.3 letzter Absatz bzw. § 5 Abs. 3 Buchstabe d) HVV in Betracht, wonach der Vorstand der Beklagten ermächtigt ist, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen. Dies stimmt mit Ziffer III. 3.1 S. 4 BRLV überein, wonach u. a. "Zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung" im HVV Anpassungen des Regelleistungsvolumens vorgenommen werden können. Zwar kann nach Auffassung des Senats zu solchen Anpassungen auch eine im Einzelfall begründete völlige Freistellung vom Regelleistungsvolumen gehören. Jedoch ist im Falle der Klägerin weder eine zeitweilige völlige Freistellung noch eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens oder auch nur eine andere Sonderregelung zum praxisindividuellen Regelleistungsvolumen "zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung" erforderlich. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsprechung des BSG (siehe etwa: Urteile vom 21. Oktober 1998, Az.: B 6 KA 65/97 R, Juris Rdnr. 22 bis 25 und vom 3. März 1999, Az.: B 6 KA 15/98 R, Juris Rdnr. 36), die sich auf seinerzeit noch einseitig von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) getroffene Honorarverteilungsregelungen bezog, ohne weiteres auf die nunmehr zwischen KV und Krankenkassenverbänden zu vereinbarenden Honorarverteilungsverträge zu übertragen ist, auch wenn eine am Willen der Vertragspartner orientierte Auslegung des Vertragsinhaltes keine Befugnis des Vorstandes zur Regelung sämtlicher atypischer Fälle erkennen lässt und auch nach dem BRLV eine Befugnis zu Ausnahmeregelungen nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung vorgesehen ist. Denn eine atypische Situation der Klägerin als "junge Praxis" in ihrer speziellen Fachgruppe, die aus Gründen der verfassungsrechtlich garantierten Honorarverteilungsgerechtigkeit (Artikel 12 Abs. 1 i.V.m. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG) eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen begründen könnte, ist für den erkennenden Senat nicht ersichtlich. Mit dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist es unvereinbar, wenn die durch ein System individueller Bemessungsgrenzen beabsichtigten Vergütungsbeschränkungen unterdurchschnittlich große Praxen faktisch daran hindern, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe, der die Praxis zugehört, zu steigern (so: BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, Az.: B 6 KA 71/97 R). Das BSG hat auch mehrfach ausdrücklich bekräftigt, dass das Wachstum, das unterdurchschnittlichen Praxen durch Gestaltungen der Honorarverteilung nicht verbaut werden darf, nicht durch reine Leistungsausweitungen, sondern durch eine Erhöhung der Zahl der behandelten Patienten erzielt werden muss (so zuletzt: BSG, Urteil vom 19. Juli 2006, Az.: B 6 KA 1/06 B, Juris Rdnr. 10 m.w.N.). Im Fall Klägerin ist aber offensichtlich, dass sie eine Erhöhung der Zahl der behandelten Patienten jedenfalls bis zum Quartal IV/2006 nicht in ausreichendem Umfang erreicht hat, denn selbst in dem zuletzt genannten Quartal ist sie mit 88 Behandlungsfällen noch deutlich unter der Hälfte der durchschnittlichen Fallzahl ihrer Fachgruppe (über 200) geblieben. Zwar mag es zutreffen, dass bei einer neu gegründeten Praxis bei neuen Patienten ein vermehrter Bedarf nach Gesprächs- bzw. Beratungsleistungen besteht, wie das Sozialgericht ausführt, das Verhältnis zwischen den zeitintensiven und auch mit einer hohen Punktzahl bewerteten Leistungen etwa nach LZ 14.220 EBM 2005 und anderen Leistungen müsste sich in dem hier zu beobachtenden Zeitraum bis Quartal IV/2006 aber bereits weitgehend ausgeglichen haben, was bei der Klägerin jedoch nicht der Fall ist, denn auch im Quartal IV/2006 lag die Abrechnungshäufigkeit der zuvor genannten LZ bezogen auf 100 Fälle bei der Klägerin mit 503 noch deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe (344). Zur Überzeugung des Senats beruhen daher sowohl die niedrigere Honorierung der Klägerin in den eingangs dargestellten Quartalen als auch die hohen Überschreitungen des Regelleistungsvolumens im Wesentlichen auf dem Leistungsverhalten der Klägerin selbst. Jedenfalls wird sie durch die Regelungen der Beklagten zum praxisindividuellen Regelleistungsvolumen nicht daran gehindert, ihr Abrechnungsvolumen bis zum Durchschnittsumsatz ihrer Fachgruppe auszuweiten, soweit es ihr gelungen wäre, zusätzliche Patienten an sich zu binden. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist die Klägerin als "junge Praxis" von der fallzahlabhängigen Quotierung gemäß Ziffer 5.2.1 Buchstabe d) bzw. § 5 Abs. 2 Buchstabe b) HVV ausgenommen. Damit fließt ihre Fallzahl mit 100% in die Berechnung des Regelleistungsvolumens ein. Einer darüber hinausgehenden Berücksichtigung der Besonderheiten einer jungen Praxis in der Fachgruppe der Klägerin bedarf es jedenfalls im Bereich des Regelleistungsvolumens nicht. Insbesondere ist die Annahme des Sozialgerichts unzutreffend, unter Zugrundelegung des Regelleistungsvolumens könne die Klägerin pro Patient im Quartal die Leistung nach LZ 14.220 nur für maximal 60 Minuten erbringen, denn hierbei geht das Sozialgericht fehlerhaft davon aus, dass ein kinder- und jugendpsychiatrisches Gespräch etc. nach dieser LZ nur höchstens 10 Minuten dauern dürfe. Dies ist unzutreffend, denn für die Abrechenbarkeit der LZ 14.220 sieht der EBM 2005 lediglich eine Mindestdauer des Gesprächs von 10 Minuten vor. Zwar wird die darüber hinausgehende Gesprächsdauer nicht noch zusätzlich vergütet, gleichwohl ist dies aber kein Problem des zur Verfügung stehenden Regelleistungsvolumens.

Hingegen ist der Antrag der Klägerin auf eine Sonderregelung zur Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 beziehungsweise § 5 Abs. 4 HVV - auf deren Anschlussberufung hin - neu zu bescheiden, weil der HVV der Beklagten rechtswidrig ist, soweit er junge Praxen, die erst mit oder nach Inkrafttreten des EBM 2000 plus gegründet wurden, mangels Referenzquartal nicht an der Ausgleichsregelung hat teilnehmen lassen. Insoweit ist an die bisherige Rechtsprechung des Senats anzuknüpfen, wonach diese Regelung im Hinblick auf junge Praxen ergänzungsbedürftig ist.

Die Rechtsprechung des BSG zum Schutz unterdurchschnittlich großer Praxen vor unangemessener Benachteiligung durch Honorarbegrenzungsregelungen ist auf die vorliegende Konstellation übertragbar. Ziffer 7.5 HVV stellt sich zwar nach ihrem äußeren Regelungszweck nicht als Honorarbegrenzungsmaßnahme sondern vielmehr im wesentlichen als Bestandsschutzmaßnahme im Rahmen einer allgemeinen Härtefallregelung für bestehende Praxen gegenüber Honorarverwerfungen durch Einführung des EBM 2000 plus dar, wobei es nach dem zunächst noch maßgeblichen HVV aus dem Jahr 2005 bei EBM-bedingten Fallwertsteigerungen von über 5% im Einzelfall auch zur Begrenzung der Fallwertsteigerung kommen konnte, was im vorliegenden Fall aber keine Rolle spielt und mit dem ab 1. April 2007 geltenden HVV abgeschafft wurde. Im Ergebnis wirkt sich diese Regelung bei jungen Praxen aber wie eine Honorarbegrenzungsmaßnahme aus, weil im Gegensatz zu bereits im Jahr 2004 durchschnittlich abrechnenden Praxen die Erzielung eines durchschnittlichen Honorars bei jungen Praxen eine ungleich größere Anstrengung des Arztes durch Fallzahlsteigerung und Leistungsausweitung erfordert und hierdurch das Prinzip der Leistungsproportionalität ohne ausreichende sachliche Gründe verletzt wird. Dies gilt aber nicht nur für junge Praxen, die bereits vor Inkrafttreten des EBM 2000 plus bestanden haben, sondern trifft Praxen, die erst mit Inkrafttreten des EBM 2000 plus gegründet wurden, in gleicher Weise. Darüber hinaus ist die Anwendung der Ausgleichsregelung grundsätzlich nicht auf bereits vor Inkrafttreten des EBM 2000 plus bestehende Praxen begrenzt, wie gerade auch der Fall der Klägerin zeigt, die in den Quartalen II/2006 unter IV/2006 eine - wenn auch nur geringfügige - Ausgleichszahlung aufgrund dieser Regelung erhalten hat. Die Geringfügigkeit der Ausgleichszahlung hängt u. a. damit zusammen, dass die Klägerin in den ersten vier Quartalen nach Gründung der Praxis mangels Referenzquartalen keine in die Berechnung des für spätere Quartale maßgeblichen Referenzfallwertes einfließende Ausgleichszahlungen erhalten hat und damit gegenüber etablierten Praxen von vornherein und andauernd schlechter gestellt war, wie der Vergleich der Fallwerte der Klägerin mit den durchschnittlichen Fallwerten der Fachgruppe zeigt, die in den Quartalen II/2005 bis IV/2006 gut doppelt so hoch waren. Bei Praxen in der Aufbauphase kommt typischerweise durch das Anknüpfen an der Fallzahl im Referenzquartal insgesamt nur ein deutlich geringerer Auffüllbetrag zustande, als dies bei einer eingeführten Praxis, die auch im Referenzquartal eine vergleichbar hohe Fallzahl wie im aktuellen Quartal erreicht, der Fall ist. Hinzu kommt, dass der geringere oder völlig fehlende Auffüllbetrag auch zu einem niedrigeren Fallwert im aktuellen Quartal führt, mit der weiteren Folge, dass in nachfolgenden Quartalen der Jahre 2006 bis 2008 ebenfalls geringere oder keine Auffüllbeträge nach den Ausgleichsregelungen im HVV der Beklagten fällig werden und sich somit das Anknüpfen an ein fallzahlschwaches Quartal oder gar an ein Quartal, in dem die Praxis noch gar nicht bestand, auch bei der zukünftigen Honorarberechnung honorarmindernd fortschreibt, während bei etablierten Praxen aufgrund einer annähernd gleichbleibenden Fallzahl der Fallwert nur langsam absinkt (um jeweils maximal 5%) und damit, bezogen auf die erbrachten Leistungen, ein deutlich höheres Honorar anfällt. Die Ausgleichsregelung im HVV der Beklagten widerspricht vor allem im Verhältnis junger Praxen zu etablierten Praxen dem Grundsatz der Leistungsproportionalität nach § 85 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Zwar ist dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt anwendbar. Die strikte Befolgung des Gebots der leistungsproportionalen Verteilung hätte zur Folge, dass alle Leistungen innerhalb der beiden Versorgungsbereiche (hausärztliche und fachärztliche Versorgung) mit einem einheitlichen Punktwert vergütet werden müssten. Die damit zwangsläufig verbundenen Verwerfungen, insbesondere die Begünstigung von Arztgruppen, die ihrer Leistungsmenge ausweiten können, gegenüber solchen, denen das nicht oder nur ganz eingeschränkt möglich ist, haben alle kassenärztlichen Vereinigungen in den letzten 15 Jahren dazu veranlasst, Verteilungs- und Begrenzungsmechanismen zu entwickeln, die eine gerechte Verteilung der Gesamtvergütung eher ermöglichen als die strikte Leistungsproportionalität (so Wenner, a.a.O., § 21 Rdnr. 31 m.w.N.). Bezüglich der hier streitigen Regelung im HVV der Beklagten bestehen aber keine hinreichend gewichtigen Gründe, um eine Abweichung vom Grundsatz der Leistungsproportionalität vorwiegend zu Lasten junger Praxen zu rechtfertigen. Die Anknüpfung der Ausgleichsregelung hinsichtlich der Fallzahl an das jeweils entsprechende Vorjahresquartal zur Vermeidung der Einbeziehung jahreszeitlich bedingter Schwankungen in die Berechnung des Ausgleichsbetrages ist bei jungen Praxen nicht unvermeidlich und auch nicht sachgerecht. Zwar unterliegen auch junge Praxen jahreszeitlich bedingten Schwankungen. Dies alleine ist jedoch noch kein ausreichender Rechtfertigungsgrund für die zuvor beschriebene erhebliche nicht durch eigenes Leistungsverhalten bedingte Benachteiligung junger Praxen, zumal andere Regelungen für junge Praxen vorstellbar sind, wie etwa das Anknüpfen an die jährlich durchschnittlichen Fallzahlen und Fallwerte der Fachgruppe im Referenzjahr, wodurch ebenfalls jahreszeitlich bedingte Schwankungen vermieden würden. Dass der HVV der Beklagten die Widersprüche zwischen den zuvor dargestellten beachtenswerten Gesichtspunkten ohne Berücksichtigung der Besonderheiten junger Praxen gelöst hat, verstößt gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG). Einen solchen Verstoß hat das BSG bisher angenommen, wenn die durch ein System individueller Bemessungsgrenzen beabsichtigten Vergütungsbeschränkungen unterdurchschnittlich großer Praxen faktisch daran hindern, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu steigern (Wenner, a.a.O., § 21 Rdnr. 33, m.w.N.). Hieran wird die Klägerin zwar nicht gehindert. Aber diese Grundsätze sind auf die vorliegende Fallgestaltung deshalb übertragbar, weil die junge Praxis auf längere Sicht erhebliche Honorareinbußen hinnehmen muss, die nicht durch ihr Leistungsgeschehen sondern durch Honorarumschichtungen vorwiegend zugunsten bereits seit längerer Zeit bestehender Praxen bedingt sind. Zur Überzeugung des Senats ist aber der Vorstand der Beklagten insoweit nicht zu einer vom HVV abweichenden Regelung zugunsten junger Praxen befugt. Vielmehr ist der HVV als Normsetzungsvertrag (siehe hierzu: Freudenberg in Juris Praxiskommentar SGB V, 2008, § 85, Rdnr. 114) insoweit rechtswidrig, weil er eine regelungsbedürftige und durch Auslegung nicht zu schließende Lücke enthält, die von den Vertragspartnern des HVV kraft gesetzlichen Auftrags (Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit) zu schließen ist. Insoweit ist ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung "teilweise nicht zustande" gekommen i.S.d. § 89 Abs. 1 S.1 SGB V, sodass jede der Vertragsparteien befugt ist, einen Antrag bei dem zuständigen Landesschiedsamt auf Herbeiführung einer entsprechenden Regelung zu stellen (siehe hierzu Beier in Juris Praxiskommentar, § 89 SGB V, Rdnr. 31), sofern nicht vorab eine vertragliche Ergänzung erfolgt. Sollten sich die Vertragsparteien wider Erwarten nicht einigen und auch keinen Antrag beim Schiedsamt stellen, könnte die zuständige Aufsichtsbehörde nach Ablauf einer von ihr gesetzten angemessenen Frist das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen (§ 89 Abs. 1a S.1 SGB V). Eine rechtmäßige Ergänzung der Ziff. 7.5 bzw. § 5 Abs. 4 HVV könnte vorsehen, dass bei jungen Praxen, die sich im sonst maßgeblichen Referenzquartal noch in der Aufbauphase befunden haben oder noch gar nicht gegründet waren, zur Berechnung des Auffüllbetrages von der Fallzahl der Praxis im aktuellen Quartal oder alternativ von der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Referenzjahr auszugehen ist und das hieraus errechnete fiktive Honorar auf das Durchschnittshonorar der Fachgruppe im aktuellen Quartal zu beschränken ist. Hat die Praxis im sonst maßgeblichen Referenzquartal noch nicht bestanden, könnte wegen des Referenzfallwertes ebenfalls auf den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe im Referenzjahr abgestellt werden. Eine rechtmäßige Änderung könnte auch in einer vollständigen Umgestaltung oder Abschaffung der unter Ziff. 7.5 HVV getroffenen Regelung bestehen, die vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG (siehe etwa Urteil vom 24. August 1994, L 6 RKa 15/93, Juris Rdnr. 27 - 31 zur "Segeberger Wippe") zumindest bis zur Änderung des HVV ab Quartal II/07 ohnehin als fragwürdig erscheinen mag. Auch wäre vorstellbar, dass dem Vorstand der Beklagten im Rahmen der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 eine eigene Regelungskompetenz für Fälle der vorliegenden Art eingeräumt werden könnte, wie dies etwa bei der fallzahlabhängigen Quotierung nach § 5 Abs. 2 f) HVV-2008 der Fall ist (so: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. November 2008, Az.: L4 KA 14/08). Eine Beiladung der am HVV beteiligten Kassenverbände war insoweit nicht erforderlich. Bei der von der Beklagten angeregten Beiladung der Krankenkassenverbände als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung handelt es sich um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG, die im Ermessen des Gerichts steht. Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird (so: BSG, Urteil vom 17. September 2008, B 6 KA 46/07 R, Juris Rdnr. 12 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach waren die Kosten des Rechtsstreits nach dem Umfang des gegenseitigen Obsiegens hälftig aufzuteilen.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

Mangels konkreter Anhaltspunkte war der Streitwert auf 10.000 EUR festzusetzen, wobei der Auffangstreitwert von 5.000 EUR wegen der zwei unterschiedlichen Streitgegenstände (Regelleistungsvolumen und Ausgleichsregelung) zu verdoppeln war (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 39 Abs. 1, 47, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG).
Rechtskraft
Aus
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