L 11 (10) KA 31/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 204/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 (10) KA 31/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.04.2007 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird festgesetzt auf 7.633,34 EUR. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des vertragsärztlichen Honorars für das Quartal II/2003; zwischen den Beteiligten ist insofern strittig, ob ein Arzneimittelbonus zu gewähren ist.

Die Klägerin, der 2003 zwei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Fachärzte für Innere Medizin angehörten, erhob gegen den Honorarbescheid vom 22.10.2003 für das Quartal II/2003 Widerspruch mit der Begründung, dass kein Arzneimittelbonus gezahlt worden sei, obwohl sie die Richtgrößen um 23 v.H. unterschritten habe. Ein Vergleich der Zahlen für das Jahr 2002 mit den Zahlen für das Jahr 2001 sei nicht sachgerecht bzw. unmöglich. Vom 01.01. bis 31.07.2001 sei die Praxis von B O allein geführt worden. In der Folge habe zunächst eine Job-Sharing-Praxis bestanden. Mit Wirkung ab August 2001 sei eine uneingeschränkte Zulassung für sie - die Gemeinschaftspraxis - erfolgt. Die Zulassung von M L habe zudem im August 2001 kurzzeitig geruht. Zuverlässige Mitteilungen über das Verschreibungsverhalten im dritten und vierten Quartal 2001 seien nicht gemacht worden, so dass eine Steuerung des Verordnungsverhaltens anhand eines Vorjahresvergleichs nicht möglich gewesen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2004 zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung eines Bonus. Für M L ergebe sich eine Erhöhung der Nettokosten pro Fall von 18,44 EUR (2001) auf 63,46 EUR (2002), mithin eine Steigerung um 244,14 v.H. und für B O eine Erhöhung der Nettokosten pro Fall von 34,35 EUR (2001) auf 63,46 EUR (2002), mithin eine Steigerung um 84,75 v.H. Die Sparkriterien der Arzneimittelbonusvereinbarung für das Jahr 2002 (AMBV) seien daher nicht erfüllt.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihr Bonusbegehren für sparsame Arzneimittelverordnung gestützt auf von ihr dargelegte Praxisbesonderheiten aufrechterhalten. Ihr seien aufgrund der Veränderungen im Jahr 2001 zudem insgesamt drei Arztnummern zugewiesen worden, für die alle Verordnungen vorliegen müssten. Die Beklagte habe diese Arzneiverordnungen nicht vollständig und zutreffend erfasst. Das lasse sich auch an der unrealistischen Unterschreitung der Richtgrößensummen mit einer Abweichung von minus 53,46 v.H. ersehen. Darüber hinaus habe die Beklagte im Jahr 2002 keine brauchbare Orientierungsgrundlage zur Verfügung gestellt, die eine zielführende Steuerung ihres Verschreibungsverhaltens ermöglicht hätte. Im Übrigen habe die Beklagte lediglich das Quartal IV/2001, in welchem die Gemeinschaftspraxis über den gesamten Zeitraum bestanden habe, in ihre Berechnungen einbeziehen dürfen. Soweit die Bonusregelung diesen Fall nicht erfasse, sei diese ergänzend dahingehend auszulegen, dass nur der Zeitraum des Jahres 2001 zu Grunde zu legen sei, in dem die neu gegründete Gemeinschaftspraxis oder die neu gegründete Einzelpraxis bestanden habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Honorarbescheides für das Quartal II/03 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2004 zu verurteilen, das Honorar für das Quartal II/03 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu berechnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und unter Vorlage der AMBV weiterhin die Auffassung vertreten, ihre Berechnung zum Verordnungsverhalten der Klägerin sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin komme es nicht lediglich auf eine Unterschreitung der Richtgrößen um 23 v.H. an, es seien auch die vorliegend gesteigerten Nettokosten pro Fall zu berücksichtigen. Hieran ändere auch die Praxiszusammensetzung nichts. Selbst wenn lediglich das Verordnungsverhalten von B O für die Quartale I/2001 und II/2001 isoliert betrachtet würde, lägen die Nettokosten pro Fall bei 50,25 EUR. Damit sei ebenfalls eine deutliche Steigerung unter Berücksichtigung der Verordnungskosten pro Fall für das Jahr 2002 i.H.v. 63,46 EUR zu verzeichnen.Eine Rückfrage bei den Kassen habe zwar ergeben, dass tatsächlich nicht alle Verordnungen des Jahres 2001 unter den diversen Abrechnungsnummem erfasst worden seien, sondern lediglich die Daten, die der zum entsprechenden Zeitpunkt aktuellen Abrechnungsnummer zugeordnet werden konnten. Anhand der neuen Daten sei sodann aber eine manuelle Neuberechnung, vorgenommen worden. Auch diese ergebe jedoch, dass trotz erheblich verbesserter Differenz (20,86 v.H. Steigerung bezogen auf B O) kein Anspruch auf eine Bonuszahlung bestehe, da die Voraussetzungen der Sparkategorie D nach wie vor nicht erfüllt seien.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 04.04.2007 unter Aufhebung des Honorarbescheides für das Quartal II/2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2004 verurteilt, über das Honorar der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beklagte sei bei der Berechnung des Durchschnittswertes für das Jahr 2001 nicht von den richtigen Voraussetzungen ausgegangen. Sie habe die Durchschnittswerte pro Fall rechtswidrig unabhängig davon ermittelt, in welcher Zusammensetzung sich die Praxis im jeweiligen Quartal befunden habe. Auch wenn anzunehmen sei, dass die Anzahl der Ärzte in der Praxis bei der Berechnung der Durchschnittskosten pro Fall keine Auswirkung habe, bringe die Erweiterung der Einzelpraxis auf eine Gemeinschaftspraxis eine Veränderung im Verordnungsverhalten allein dadurch mit sich, dass nun zwei Ärzte trotz gleicher Fachrichtung jedoch ggf. mit unterschiedlichem Ansatz Arzneimittelverordnungen vornehmen würden. Damit seien die Durchschnittskosten nicht vergleichbar. Auch die neue Niederlassung von M L habe sich auf das Verordnungsverhalten ausgewirkt. Die AMBV stelle ihrem Wortlaut nach auf die Praxis und nicht auf den einzelnen Vertragsarzt ab ("Praxen niedergelassener Vertragsärzte"). Die zu dem Jahr 2002 maßgebliche Vergleichspraxis, d.h. die Gemeinschaftspraxis, habe jedoch lediglich im Quartal IV/2001 in tragfähigem Umfang bestanden. Bei Hochrechnung des Wertes dieses Quartals und Vergleich mit dem Durchschnittswert des Jahres 2002 erfülle die Klägerin die Voraussetzungen der Sparkategorie D mit der Folge, dass ihr ein Bonus nach der Anlage zum Gesamtvertrag zu gewähren sei.

Im Berufungsverfahren wendet sich die Beklagte gegen das erstinstanzliche Urteil und vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein Arzneimittelbonus nicht zu gewähren gewesen sei. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der AMBV, wonach für den Vergleichszeitraum ausnahmslos von einem Jahr (vier Quartale) auszugehen sei. Dies sei im Sinne der Vergleichbarkeit auch sachgerecht. Das SG habe in den Entscheidungsgründen ausgeführt, welche Problematiken sich bei der Zulassung von M L ergeben hätten. Gerade solche sollten aber keinen Einfluss auf die Gewährung des Bonus haben. Da die Praxis der Klägerin in der vorgegebenen Konstellation nicht das gesamte Jahr 2001 bestanden habe, könne ein Vergleichszeitraum bezogen auf das Jahr 2002 nicht gebildet werden. Ein Hochrechnen der Werte, wie seitens des SG vorgenommen, sehe die Vereinbarung nicht vor. In der Sache könne daher keine andere Entscheidung als die Nichtgewährung des Bonus ergehen, denn dieser könne nur unter den genannten Voraussetzungen erlangt werden.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt schriftsätzlich ,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.04.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und bleibt bei der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf eine Bonuszahlung. Eine ausschließlich am Wortlaut orientierte Auslegung der Vereinbarung, die zwangsläufig auf vier Quartale abstelle, vermöge nicht zu überzeugen. Die Beklagte habe es zudem versäumt, sie über die Verordnungsdaten des Jahres 2001 zu informieren, so dass eine Steuerung des Verordnungsverhaltens nicht möglich gewesen sei. Soweit die Beklagte nunmehr die Ansicht vertrete, sie gehöre nicht zum anspruchsberechtigtem Personenkreis, stehe dies im Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag. Unabhängig davon zähle § 1 Nr.3 AMBV alle die Fälle auf, die die Gewährung eines Bonus ausschlössen. Diese Regelung sei abschließend und der Fall der nicht ein Jahr bestehenden Gemeinschaftspraxis nicht enthalten, so dass aus diesem Grund bereits nicht davon ausgegangen werden könne, sie sei nicht anspruchsberechtigt. Im Übrigen liefe ein Ausschluss auch dem Zweck der Vereinbarung zuwider. Die Mittel für den Bonus stammten aus der Gesamtvergütung, weshalb für alle Vertragsärzte, die anderenfalls an der (höheren) Gesamtvergütung partizipiert hätten, die Voraussetzungen der Bonuszahlung erreichbar sein müssten.

Die Beteiligten sind im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 11.03.2009 zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angehört worden und haben jeweils ihr Einverständnis dazu erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das SG hat der auf Gewährung eines Arzneimittelbonus gerichteten, zulässigen Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/2003 vom 22.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin ist nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 S.1 SGG beschwert. Sie hat für den genannten Zeitraum keinen Anspruch auf einen Arzneimittelbonus.

Auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V, vorliegend in der Fassung des Gesetzes vom 11.12.2001 (BGBl I 3526), steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung ihres vertragsärztlichen Honorars, d.h. ein Anspruch auf Teilhabe an der von den Krankenkassen (KKen) entrichteten Gesamtvergütung entsprechend der Art und dem Umfang der von den ihr angehörigen Ärzten erbrachten abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im damals noch anzuwendenen Honorarverteilungsmaßstab zu. Nach § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen, ab 31.12.2001 geltenden Fassung des Arzneimittel-Ablösungsgesetzes (ABAG) vom 19.12.2001 (BGBl. I 3773) werden die Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen von den Landesverbänden der KKen und den Verbänden der Ersatzkassen (EKen) mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) durch Gesamtverträge geregelt. Die KVen schließen insofern mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der KKen und den Verbänden der EKen Gesamtverträge mit Wirkung für die KKen der jeweiligen Kassenart über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen (§ 83 Abs.1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 11.12.2001 - a.a.O. -). Die Vertragsparteien des Gesamtvertrages haben unter im Einzelnen zu berücksichtigenden Vorgaben die Veränderungen der Gesamtvergütungen zu vereinbaren (§ 85 Abs. 3 SGB V a.F.). Des Weiteren bestimmt § 84 SGB V in der Fassung des ABAG (a.a.O.), dass die Landesverbände der KKen und die Verbände der EKen gemeinsam und einheitlich und die KV zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung zu treffen haben (Abs. 1 Satz 1). Die Vereinbarung umfasst ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 SGB V veranlassten Leistungen (Arznei- und Verbandsmittel), Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung, und Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres (Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 - 3). § 84 Abs. 3 SGB V a.F. sieht vor, dass dann, wenn das tatsächliche, nach Abs. 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Arznei- und Verbandmittel das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen überschreitet, diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge ist. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Abs. 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden. Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, können die beteiligten KKen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen Bonus an die KV entrichten (Abs. 4).

Von dieser Ermächtigung haben die Vertragspartner in der zum Gesamtvertrag gehörenden - ab 01.01.2002 geltenden - AMBV in Verbindung mit der Arznei- und Verband(s)mittelvereinbarung (Rhein. Ärzteblatt 6/2002, S. 73 ff.) sowie der Richtgrößenvereinbarung (Rhein. Ärzteblatt 6/2002, S. 75 ff) rechtmäßig (vgl. insoweit Urteil des Senats vom 11.03.2009 - L 11 KA 28/08 - ) Gebrauch gemacht.

Zutreffend ist die Beklagte im Rahmen des angefochtenen Honorarbescheides davon ausgegangen, dass die Klägerin - vorbehaltlich der Erfüllung weiterer Voraussetzungen - grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört, da die insoweit abschließenden Tatbestände des § 1 Nr. 3 AMBV:

"Ein Bonus aus der Verteilung des Volumens aus dem Anreizsystem ist ausgeschlossen

- für Verordnungen von Sprechstundenbedarf, ...
- für Ärzte und Einrichtungen, die nicht als Vertragsärzte niedergelassen sind, ...
- für niedergelassene Vertragsärzte, die weniger als 1,00 EUR pro Fall im Durchschnitt verordnen, da relevante Einsparungen nicht zu erzielen sind,
- wenn der begründete Verdacht besteht, dass gebotene Arzneimittel verweigert werden, "

nach Aktenlage nicht gegeben sind.

Die durch die AMBV postulierten Voraussetzungen für die Gewährung eines Arzneimittelbonus mit der Honorarabrechnung des Quartals II/2003 hat die Klägerin indessen nicht erfüllt:

§ 1
1. Überschreitet das tatsächliche Ausgabenvolumen 2002 für Arznei- und Verbandmittel das vereinbarte Ausgabenvolumen nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, verständigen sich die Vertragspartner darüber, die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen, zu analysieren. Die Krankenkassen zahlen, unabhängig von einer Über- oder Unterschreitung des Ausgabenvolumens 2002, an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein im Februar 2003 für das Jahr 2002 einen Betrag in Höhe von 0,92 % der budgetierten Gesamtvergütung je Mitglied als Bezugsgröße. Basis ist die budgetierte Gesamtvergütung des Jahres 2001 sowie die Mitgliederentwicklung des Jahres 2002.

2. ( ... ) Dabei ist im Falle einer Unterschreitung des Ausgabenvolumens der vorgenannte Betrag der Gesamtsumme zuzuführen, die nach nachfolgendem Mechanismus an die Praxen niedergelassener Ärzte verteilt wird, die im Bereich der Arznei- und Verbandsmittelverordnung nachfolgende Kriterien erfüllen:

- Praxen niedergelassener Ärzte, die in der Summe der vier Quartale des Jahres 2001 ihr Richtgrößenvolumen um 50 % oder mehr überschritten haben, müssen (Sparkategorie A)

- Praxen niedergelassener Ärzte, die in der Summe der vier Quartale des Jahres 2001 ihr Richtgrößenvolumen um 25 % bis 50 % überschritten haben, müssen (Sparkategorie B)

- Praxen niedergelassener Ärzte, die in der Summe der vier Quartale des Jahres 2001 ihr Richtgrößenvolumen bis 25 % überschritten haben, müssen (Sparkategorie C)

- Praxen niedergelassener Ärzte, die in der Summe der vier Quartale des Jahres 2001 ihr Richtgrößenvolumen unterschritten haben, dürfen ihre Netto-Arzneimittelkosten pro Fall, bezogen auf das Gesamtjahr 2002, gegenüber dem Vorjahreswert nicht wesentlich steigern (Sparkategorie D).

...

Letztere - hier allein in Betracht kommende - Voraussetzung der Sparkategorie D ist nach Maßgabe der Richtgrößenvereinbarung erfüllt, wenn die Werte um nicht mehr als bis zu 15 v.H. gesteigert worden sind. Die Netto-Arzneimittelkosten (von der Beklagten verkürzt als Nettokosten bezeichnet) ergeben sich aus den von Kassenseite im Rahmen der Quartalsbilanz gelieferten Brutto-Arzneimittelkosten abzüglich der Patientenzuzahlungen und des Apothekenrabatts mit Hilfe des Netto-Kostenindexes der Fachgruppe (§ 1 Nr. 2 AMBV). Ausgehend von diesen Vorgaben hat die Beklagte für M L eine Erhöhung der Nettokosten pro Fall von 18,44 EUR (2001) auf 63,46 EUR (2002), mithin eine Steigerung um 244,14 v.H. festgestellt und für B O, zuletzt auch unter Berücksichtigung seiner Rezepte im Jahr 2002, die fälschlicherweise mit der alten Abrechnungsnummer versehen waren, eine Erhöhung der Nettokosten pro Fall von 52,93 EUR (2001) auf 63,97 EUR (2002), mithin eine Steigerung um 20,86 v.H, beide demnach höher als den Grenzwert von 15 v.H., festgestellt.

Die von der Beklagten zu Grunde gelegten Werte für das Vergleichsjahr 2001 sind nicht zu beanstanden. Ihre Berechnung steht im Einklang mit § 1 Nr. 2 AMBV, wonach zur Ermittlung des Ausgabenvolumens im Sinn des oben ausgeführten § 84 SGB V a.F. auf die Summe der Netto-Arzneimittelkosten in den vier Quartalen des Jahres abzustellen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG hat die Beklagte für das Vergleichsjahr 2001 insofern zutreffend, für die der Klägerin angehörigen Ärzte jeweils getrennt, das Ausgabenvolumen auf der Basis der Niederlassungsdauer unabhängig davon ermittelt, in welcher Zusammensetzung sich die Praxis im jeweiligen Quartal befunden hat.

Soweit das SG die Ansicht vertreten hat, das Verordnungsverhalten eines Arztes in einer Einzelpraxis (wie von B O bis 31.07.2001 geführt) sei im Hinblick auf die Berechnung der durchschnittlichen Netto-Arzneikosten eine andere als die von Ärzten in einer Gemeinschaftspraxis (wie die Klägerin seit 01.08.2001 geführt), folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Bereits dem Wortlaut nach stellt die AMBV bei der Ermittlung der Vergleichsdaten nicht darauf ab, aus welchen Gründen eine Über- oder Unterschreitung der Richtgrößen eingetreten ist. So finden ausdrücklich auch (sonstige) Praxisbesonderheiten bei der Beurteilung der Einsparung keine Berücksichtigung, da ansonsten nicht ausgeschlossen ist, dass allein durch Einsparungen bei Praxisbesonderheiten die Sparziele erreicht werden (§ 1 Nr. 3 AMBV). Anders als die Richtgrößenvereinbarung sieht die AMBV auch keine Wirtschaftlichkeitsprüfung vor, was ebenfalls dafür spricht, dass die Gründe für das Verordnungsverhalten eines Vertragsarztes für die Sparkriterien der AMBV nicht erheblich sind. Unabhängig davon überzeugt die Auffassung des SG, das Verordnungsverhalten ändere sich durch die Gründung einer Gemeinschaftspraxis und Eintreten eines weiteren Arztes, nicht. Im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Patienten entscheidet jeder Arzt vielmehr grundsätzlich unabhängig im Rahmen seiner Therapieverantwortung (hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.07.2005 - L 10 KA 38/03 -), ob er zur Behandlung seiner Patienten ein Arzneimittel anwendet oder verordnet, welche Arzneimittel bei der Behandlung zur Anwendung kommen und bei welchen Indikationen er das Arzneimittel einsetzt. Insofern besteht kein Unterschied zwischen der Arzttätigkeit in einer Einzelpraxis und der in einer Gemeinschaftspraxis.

Auch soweit die Klägerin einwendet, zuverlässige Mitteilungen über das Verschreibungsverhalten im dritten und vierten Quartal 2001 seien nicht gemacht worden, so dass eine Steuerung des Verordnungsverhaltens anhand eines Vorjahresvergleichs nicht möglich gewesen sei, führt auch dies nicht zu dem von ihr begehrten Bonus.

Die mit dem ABAG erstmals eingeführte Regelung des § 84 Abs. 3 Satz 3 SGB V a.F., der den Bonus für die Unterschreitung des Ausgabenvolumens vorsieht, soll(te) den KVen einen zusätzlichen Anreiz bieten, insbesondere durch Information und Beratung ihrer Mitglieder das Ausgabenvolumen unterjährig zu steuern und darüber hinaus auf Grund ihrer besonderen Stellung in der vertragsärztlichen Versorgung auf die Erfüllung der Zielvereinbarungen zur Versorgungssicherung und zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven intensiv hinzuwirken (BT-Ds 14/6309 S.1, 8). Entsprechend wurde mit § 84 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB V eine Informationspflicht einerseits der KKen gegenüber den KVen, andererseits der KVen gegenüber den Vertragsärzten konzipiert. Die Arznei- und Verband(s)mittel-Vereinbarung für das Jahr 2002 (a.a.O) enthält nach Maßgabe dieser Vorschrift in § 4 Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung sowie Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres. Ergänzend regelt die Richtgrössenvereinbarung für das Jahr 2002 (a.a.O) in § 2 die an die Vertragsärzte zu übermittelnden Informationen über das Kostenvolumen ihrer Verordnungstätigkeit im Vergleich zur Richtgrößensumme unter Zugrundelegung der Fallzahlen des Arztes im betreffenden Quartal zur "Orientierung in dem Bemühen, Überschreitungen der Richtgrößen zu vermeiden bzw. auszugleichen" (§ 2 Abs. 3 RGV). Diese Informationspflicht bestand 2001 (auch im Rahmen des § 305a SGB V in der damals gültigen Fassung des Gesundheitsreform-Gesetzes vom 22.12. 1999 ( BGBl. I 2626 )) jedoch noch nicht, sondern wurde erstmals mit dem ABAG vom 19.12.2001, durch das § 84 SGB V grundlegend umgestaltet wurde (zur Entstehungsgeschichte vgl. Freudenberg in Juris Praxiskommentar § 84 SGB V Rdn. 1 ff. m.w.N.), zum 01.01.2002 eingeführt.

Auch wenn die der Klägerin angehörenden Ärzte im Jahr 2001 noch nicht entsprechende Informationen erhielten, ist zu berücksichtigen, dass vor Inkrafttreten des ABAG auf der Grundlage des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21.12.1992 Arzneimittel budgetiert wurden. Bei deren Überschreiten waren zwar - bis Inkrafttreten des ABAG - die KVen kollektiv zum Ausgleich verpflichtet, der einzelne Vertragsarzt war aber gleichwohl zur Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung, die nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V auch die Verordnung von Arzneimitteln umfasst, verpflichtet (§ 106 SGB V in der Fassung des GSG, a.a.O.). Dies erforderte bereits damals gesetzeskonform eine kostenverantwortliche Verordnungspraxis jedes einzelnen Vertragsarztes mit einer praxisinternen Arzneimittelsteuerung zur Vermeidung einer Verringerung der Gesamtvergütung, die die Kollektivhaftung mit sich brachte. Die der Klägerin zugehörigen Ärzte waren nicht gehindert, sich die erforderlichen Datengrundlage selbst zu beschaffen, zumal die beabsichtigte Gesetzesänderung durch das ABAG bereits vorzeitig (zumindest) in Fachkreisen diskutiert wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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