Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 14/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AL 34/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.04.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 16.10.2003 bis zum 31.05.2004 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).
Die am 00.00.1952 geborene Klägerin bezog bis zur Erschöpfung des Anspruches am 27.04.1994 Arbeitslosengeld, in der Folge weitere Lohnersatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung (SGB III), zuletzt Arbeitslosenhilfe bis zum Auslauf des Bewilligungsabschnittes mit dem 28.04.2003. Den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Folgezeitraum lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.05.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2003 im Hinblick auf vorhandenes Vermögen der Klägerin wegen fehlender Bedürftigkeit ab. Das anschließende Klageverfahren verlief erfolglos (S 3 AL 103/03, SG Münster).
Am 16.10.2003 beantragte die Klägerin erneut die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.2003 ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 24.05.2004 mit der Begründung zurück, die Klägerin verfüge über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 14828,06 EUR, der den ihr zustehenden Vermögensfreibetrag um 4628,06 EUR übersteige und deshalb ihren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ausschließe. Die anschließende Klage in dem Verfahren S 3 AL 163/04, SG Münster, nahm die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.06.2006 zurück.
Auf den Folgeantrag vom 01.06.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosenhilfe ab dem 01.06.2004 im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Verbrauch des über dem Freibetrag liegenden Vermögens.
Am 03.07.2006 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 09.12.2003 und überreichte Unterlagen zu ihren Lebensversicherungsverträgen. Mit Bescheid vom 11.10.2006 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 30.01.2007 zurück mit der Begründung, auch unter Berücksichtigung der weiter eingereichten Unterlagen sei der Bescheid vom 09.12.2003 nicht zu beanstanden.
Mit der Klage zum Sozialgericht hat die Klägerin vorgetragen, der auf ihr 53. Lebensjahr abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag lasse eine Anschlussverwendung der Ablaufsumme für eine Anlage mit Rentenbezug zu. Die Anlage sei daher als Bestandteil ihrer Altersvorsorge schutzwürdig und schließe den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht aus.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 11.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 ihr ab 16.10.2003 Arbeitslosenhilfe bis zum 31.05.2004 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Mit Urteil vom 23.04.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 05.05.2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 15.05.2008, mit der sie ihre Argumente aus dem Klageverfahren wiederholt und betont, die Lebensversicherung sei in einer seinerzeit unsicheren beruflichen Situation zwecks finanzieller Absicherung im Alter abgeschlossen worden.
Auf Aufforderung des Senats hat die Klägerin einen Versicherungsverlauf vom 06.05.2009 in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgelegt, in dem Versicherungszeiten vom 21.09.1969 bis zum 31.12.2008 ohne zwischenzeitliche Lücken eingetragen sind, sowie eine Probeberechnung vom 12.01.2009 hinsichtlich einer nach dem aktuellen Stand bei Fortzahlung der im Durchschnitt der letzten 5 Kalenderjahre gezahlten Beiträge bis zur Regelaltersgrenze zu erwartenden Monatsrente von 713,41 EUR.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.04.2008 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozess- und Verwaltungsakten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die gegen den Bescheid vom 11.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2007 gerichtete Klage abgewiesen, denn die mit Bescheid vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 getroffene Entscheidung, den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 16.10.2003 im Hinblick auf vorhandenes Vermögen abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.
Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, weil bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Diese Voraussetzungen sind bezüglich des Bescheides vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 nicht erfüllt, denn mit dieser Entscheidung hat die Beklagte unter Zugrundelegung zutreffender tatsächlicher Verhältnisse die rechtlich nicht zu beanstandende Entscheidung getroffen, dass der Antrag der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe vom 16.10.2003 im Hinblick auf bei ihr vorhandenes Vermögen wegen fehlender Bedürftigkeit abzulehnen war.
Gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung (SGB III), aufgehoben ab 01.01.2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I 2954), setzt der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe unter anderem voraus, dass der Arbeitslose bedürftig ist. Nicht bedürftig ist er unter anderem, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 16.02.2001, BGBl. I 266).
Hierzu enthält die auf der Grundlage des § 206 Nr. 1 SGB III ergangene Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13.12.2001 (AlhiV 2002, BGBl. I 3734), hier anwendbar in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I 4607, aufgehoben ab 01.01.2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, a.a.O.) nähere Regelungen.
Nach § 1 Abs. 1 AlhiV 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen zu berücksichtigen, soweit der Freibetrag 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners, jedoch nicht mehr als 13000,- EUR, überschritten wird, § 1 Abs. 2 S. 1 AlhiV 2002.
Ein erhöhter Freibetrag von 520,- EUR je vollendetem Lebensjahr, jedoch nicht mehr als 33.800,- EUR steht nur Personen zu, die bis zum 01. Januar 1984 geboren sind, § 4 Abs. 2 S. 2 AlhiV 2002. Bei Personen, die die vorgegebene Altersgrenze nicht überschreiten, findet die Übergangsregelung des § 4 Abs. 2 S. 2 AlhiV 2002 keine Anwendung, stattdessen ist für die von der Absenkung des generellen Freibetrages von 520,- EUR auf 200,- EUR ab dem 01.01.2003 betroffenen Personen bei einer gemäß § 165 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) kündbaren Lebensversicherung, die nach der subjektiven Zweckbestimmung als Altersvorsorge dient, aus Härtegründen ein zusätzlicher Freibetrag von 200,- EUR je Lebensjahr, höchstens 13.000,- EUR zu berücksichtigen. Dieser Altersvorsorgefreibetrag im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende, SGB II, ist ab dem 01. Januar 2005 im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende selbständig neben dem Grundfreibetrag aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II getreten und darf deshalb auch Alhi-Empfängern für die Zeit vor dem 01. Januar 2005 nicht vorenthalten werden (BSG SozR 4 - 4400 § 193 Nr. 5, SozR 4 - 4220 § 6 Nr. 2, Urteil des BSG vom 27.08.2008 - B 11 AL 25/07 R -).
Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum über verwertbares Vermögen in Gestalt eines Lebensversicherungsvertrages mit einem Rückkaufswert zum 01.11.2003 in Höhe von 14.828,06 EUR, dessen Verwertung nicht unwirtschaftlich war, seiner Höhe nach über dem der Klägerin nach ihrem Alter zustehenden Vermögensfreibetrag von 10.200,- EUR lag und ihren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe daher wegen fehlender Bedürftigkeit ausschloss.
Die Klägerin verfügte nach der vorgelegten Rückkaufswertbescheinigung ihrer Lebensversicherung über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert zum 01.11.2003 in Höhe von 14.828,06 EUR.
Die Verwertung dieses Vermögens war nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002. Offensichtliche Unwirtschaftlichkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzunehmen, wenn der mittelbar entstehende "Zwang zum Verkauf" die Investition für den Erwerb eines Vermögensgegenstandes in einem nennenswerten Umfang entwerten würde und daher ein normal und ökonomisch Handelnder die Verwertung unterlassen würde. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der aktuell zu erzielende Gegenwert (Verkehrswert) in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert (Substanzwert) des zu verwertenden Vermögensgegenstandes stehen würde (BSG, Urteil vom 27.08.2008, a.a.O., m.w.N.).
Die Verwertung der Lebensversicherung der Klägerin war hiernach nicht offensichtlich unwirtschaftlich, denn nach den bei Antragstellung vorgelegten Bescheinigungen des Lebensversicherungsunternehmens lag der durch Auflösung der Versicherung zu realisierende Wert von 21.679,06 EUR (Rückkaufswert zum 01.11.2003 14.828,06 EUR zuzüglich des zuvor gewährten Policendarlehens von 6851,- EUR) deutlich über der Summe der eingezahlten Beiträge von 16.927,22 EUR. Diese Werte finden sich in den von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen ihres Versicherungsunternehmens, werden von ihr selbst nicht in Frage gestellt und können daher zur Überzeugung des Senats zugrunde gelegt werden.
Der noch realisierbare Ertragswert von 14828,06 EUR übersteigt die Summe des nach dem Lebensalter der Klägerin von 51 Jahren im streitigen Zeitraum nach § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 zustehenden Freibetrags in Höhe von 10.200,- EUR deutlich und schließt ihre Bedürftigkeit daher aus. Ein weiterer Freibetrag von 200,- EUR im Sinne der vorher zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Gleichstellung von zur Altersvorsorge bestimmten Geldanlagen im Recht der Arbeitslosenhilfe mit Geldanlagen in dem ab dem 01.01.2005 geltenden Recht der Grundsicherung nach dem SGB II steht der Klägerin nicht zu. Denn eine Geldanlage ist nach der auch vom Senats zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts "zur Altersvorsorge bestimmt", wenn ein Fälligkeitsdatum in etwa auf den Zeitpunkt der Vollendung des 60. bzw. 65. Lebensjahres datiert ist (Urteil des BSG vom 17.03.2005 - B 7a / 7 AL 68/ 04 R m.w.N.).
Der von der Klägerin abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag enthielt eine Fälligkeitsbestimmung zum 53. Lebensjahr der Klägerin. Dieses Fälligkeitsdatum liegt so deutlich vor den nach dem seinerzeitigen Recht der gesetzlichen Rentenversicherung für den regelmäßigen Eintritt der Altersrente maßgeblichen Daten - Vollendung des 60. bzw. 65. Lebensjahres -, dass auch vor dem Hintergrund der Darstellung der Klägerin zu ihrer Risikoeinschätzung bei Abschluss des Versicherungsvertrages die subjektive Zweckbestimmung der Lebensversicherung zur Altersvorsorge nicht nachgewiesen ist. Zwar kann auch bei Lebensversicherungen, deren Versicherungssumme deutlich vor dem Eintritt in das Rentenalter auszuzahlen ist, nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass sie nicht der Alterssicherung, sondern der Kapitalbildung dienen (BSG, Urteil vom 17.10.1996 - 7 RaR 2/96 -). Der Nachweis einer subjektiven Zweckbestimmung der Altersvorsorge erforderte im Falle der Klägerin angesichts der großen Differenz zwischen dem Ablaufdatum und dem frühestmöglichen Eintritt der Altersrente von immerhin 7 Jahren jedoch den Nachweis besonderer Umstände, die eine Festlegung bezüglich der Verwendung des angesparten Betrages zur Alterssicherung bereits bei Vertragsschluss zuließen. Solche Umstände sind zur Überzeugung des Senats im Falle der Klägerin nicht nachgewiesen und insbesondere nicht in der vereinbarten Rentenoption zu sehen. Denn diese beließ der Klägerin bei Ablauf der Versicherungszeit ein Wahlrecht, das Kapital entsprechend den aktuellen Bedürfnissen aufzubrauchen, in beliebiger Form neu anzulegen oder eben der Option entsprechend zu "verrenten".
Vor dem Hintergrund dieser bereits bei Vertragsschluss vereinbarten Wahlfreiheit hinsichtlich der Verwendung des angesparten Kapitales gelänge der Nachweis einer subjektiven Zweckbestimmung zur Überzeugung des Senats auch dann nicht, wenn der Vortrag der Klägerin bewiesen wäre, dass bei Abschluss der Lebensversicherung mit den Vertretern des Versicherungsunternehmens über Fragen der finanziellen Absicherung in späteren Lebensphasen gesprochen worden war. Dies ist im Zusammenhang mit dem Abschluss einer länger laufenden Lebensversicherung normal, entspricht der Natur der Geldanlage und beweist keine Festlegung hinsichtlich der konkret beabsichtigten Weiterverwendung nach Ablauf der zu vereinbarenden Versicherungszeit.
Schließlich liegt auch kein Härtefall (vgl. u.a. BSG SozR 4 - 4300 § 193 Nrn. 2, 3, 9) nach § 193 Abs. 2 SGB III bei Verkauf der Lebensversicherung vor. Eine über den reinen Wertverlust hinausgehende Härte besteht weder im Hinblick auf Alter, Lebensumstände und Dauer des Arbeitslosenhilfebezuges der Klägerin (BSG SozR 3 4100 § 137 Nrn. 6 und 7 zu AlhiV 1974) noch wegen kindererziehungsbedingter Lücken im Versicherungsverlauf (BSG SozR 4 4300 § 193 Nr. 9). Vielmehr enthält der vorgelegte Versicherungsverlauf der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung keine derartigen Lücken. Die sich aus Zeiten der Arbeitslosigkeit ergebende Schmälerung der Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung an sich führt nicht zur Annahme einer besonderen Härte (BSG, Urt. vom 14.09.2005 - B 11a/ 11 AL 71/04 R).
Die Ablehnung des Antrags auf Arbeitslosenhilfe vom 16.10.2003 durch Bescheid vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 ist danach auch im Rahmen der erneuten Prüfung nach § 44 SGB X nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Ein Anlass zur Zulassung der Revision (§ 160 SGG) besteht nicht.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 16.10.2003 bis zum 31.05.2004 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).
Die am 00.00.1952 geborene Klägerin bezog bis zur Erschöpfung des Anspruches am 27.04.1994 Arbeitslosengeld, in der Folge weitere Lohnersatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung (SGB III), zuletzt Arbeitslosenhilfe bis zum Auslauf des Bewilligungsabschnittes mit dem 28.04.2003. Den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Folgezeitraum lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.05.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2003 im Hinblick auf vorhandenes Vermögen der Klägerin wegen fehlender Bedürftigkeit ab. Das anschließende Klageverfahren verlief erfolglos (S 3 AL 103/03, SG Münster).
Am 16.10.2003 beantragte die Klägerin erneut die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.2003 ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 24.05.2004 mit der Begründung zurück, die Klägerin verfüge über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 14828,06 EUR, der den ihr zustehenden Vermögensfreibetrag um 4628,06 EUR übersteige und deshalb ihren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ausschließe. Die anschließende Klage in dem Verfahren S 3 AL 163/04, SG Münster, nahm die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.06.2006 zurück.
Auf den Folgeantrag vom 01.06.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosenhilfe ab dem 01.06.2004 im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Verbrauch des über dem Freibetrag liegenden Vermögens.
Am 03.07.2006 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 09.12.2003 und überreichte Unterlagen zu ihren Lebensversicherungsverträgen. Mit Bescheid vom 11.10.2006 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 30.01.2007 zurück mit der Begründung, auch unter Berücksichtigung der weiter eingereichten Unterlagen sei der Bescheid vom 09.12.2003 nicht zu beanstanden.
Mit der Klage zum Sozialgericht hat die Klägerin vorgetragen, der auf ihr 53. Lebensjahr abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag lasse eine Anschlussverwendung der Ablaufsumme für eine Anlage mit Rentenbezug zu. Die Anlage sei daher als Bestandteil ihrer Altersvorsorge schutzwürdig und schließe den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht aus.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 11.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 ihr ab 16.10.2003 Arbeitslosenhilfe bis zum 31.05.2004 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Mit Urteil vom 23.04.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 05.05.2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 15.05.2008, mit der sie ihre Argumente aus dem Klageverfahren wiederholt und betont, die Lebensversicherung sei in einer seinerzeit unsicheren beruflichen Situation zwecks finanzieller Absicherung im Alter abgeschlossen worden.
Auf Aufforderung des Senats hat die Klägerin einen Versicherungsverlauf vom 06.05.2009 in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgelegt, in dem Versicherungszeiten vom 21.09.1969 bis zum 31.12.2008 ohne zwischenzeitliche Lücken eingetragen sind, sowie eine Probeberechnung vom 12.01.2009 hinsichtlich einer nach dem aktuellen Stand bei Fortzahlung der im Durchschnitt der letzten 5 Kalenderjahre gezahlten Beiträge bis zur Regelaltersgrenze zu erwartenden Monatsrente von 713,41 EUR.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.04.2008 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozess- und Verwaltungsakten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die gegen den Bescheid vom 11.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2007 gerichtete Klage abgewiesen, denn die mit Bescheid vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 getroffene Entscheidung, den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 16.10.2003 im Hinblick auf vorhandenes Vermögen abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.
Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, weil bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Diese Voraussetzungen sind bezüglich des Bescheides vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 nicht erfüllt, denn mit dieser Entscheidung hat die Beklagte unter Zugrundelegung zutreffender tatsächlicher Verhältnisse die rechtlich nicht zu beanstandende Entscheidung getroffen, dass der Antrag der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe vom 16.10.2003 im Hinblick auf bei ihr vorhandenes Vermögen wegen fehlender Bedürftigkeit abzulehnen war.
Gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung (SGB III), aufgehoben ab 01.01.2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I 2954), setzt der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe unter anderem voraus, dass der Arbeitslose bedürftig ist. Nicht bedürftig ist er unter anderem, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 16.02.2001, BGBl. I 266).
Hierzu enthält die auf der Grundlage des § 206 Nr. 1 SGB III ergangene Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13.12.2001 (AlhiV 2002, BGBl. I 3734), hier anwendbar in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I 4607, aufgehoben ab 01.01.2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, a.a.O.) nähere Regelungen.
Nach § 1 Abs. 1 AlhiV 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen zu berücksichtigen, soweit der Freibetrag 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners, jedoch nicht mehr als 13000,- EUR, überschritten wird, § 1 Abs. 2 S. 1 AlhiV 2002.
Ein erhöhter Freibetrag von 520,- EUR je vollendetem Lebensjahr, jedoch nicht mehr als 33.800,- EUR steht nur Personen zu, die bis zum 01. Januar 1984 geboren sind, § 4 Abs. 2 S. 2 AlhiV 2002. Bei Personen, die die vorgegebene Altersgrenze nicht überschreiten, findet die Übergangsregelung des § 4 Abs. 2 S. 2 AlhiV 2002 keine Anwendung, stattdessen ist für die von der Absenkung des generellen Freibetrages von 520,- EUR auf 200,- EUR ab dem 01.01.2003 betroffenen Personen bei einer gemäß § 165 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) kündbaren Lebensversicherung, die nach der subjektiven Zweckbestimmung als Altersvorsorge dient, aus Härtegründen ein zusätzlicher Freibetrag von 200,- EUR je Lebensjahr, höchstens 13.000,- EUR zu berücksichtigen. Dieser Altersvorsorgefreibetrag im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende, SGB II, ist ab dem 01. Januar 2005 im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende selbständig neben dem Grundfreibetrag aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II getreten und darf deshalb auch Alhi-Empfängern für die Zeit vor dem 01. Januar 2005 nicht vorenthalten werden (BSG SozR 4 - 4400 § 193 Nr. 5, SozR 4 - 4220 § 6 Nr. 2, Urteil des BSG vom 27.08.2008 - B 11 AL 25/07 R -).
Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum über verwertbares Vermögen in Gestalt eines Lebensversicherungsvertrages mit einem Rückkaufswert zum 01.11.2003 in Höhe von 14.828,06 EUR, dessen Verwertung nicht unwirtschaftlich war, seiner Höhe nach über dem der Klägerin nach ihrem Alter zustehenden Vermögensfreibetrag von 10.200,- EUR lag und ihren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe daher wegen fehlender Bedürftigkeit ausschloss.
Die Klägerin verfügte nach der vorgelegten Rückkaufswertbescheinigung ihrer Lebensversicherung über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert zum 01.11.2003 in Höhe von 14.828,06 EUR.
Die Verwertung dieses Vermögens war nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002. Offensichtliche Unwirtschaftlichkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzunehmen, wenn der mittelbar entstehende "Zwang zum Verkauf" die Investition für den Erwerb eines Vermögensgegenstandes in einem nennenswerten Umfang entwerten würde und daher ein normal und ökonomisch Handelnder die Verwertung unterlassen würde. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der aktuell zu erzielende Gegenwert (Verkehrswert) in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert (Substanzwert) des zu verwertenden Vermögensgegenstandes stehen würde (BSG, Urteil vom 27.08.2008, a.a.O., m.w.N.).
Die Verwertung der Lebensversicherung der Klägerin war hiernach nicht offensichtlich unwirtschaftlich, denn nach den bei Antragstellung vorgelegten Bescheinigungen des Lebensversicherungsunternehmens lag der durch Auflösung der Versicherung zu realisierende Wert von 21.679,06 EUR (Rückkaufswert zum 01.11.2003 14.828,06 EUR zuzüglich des zuvor gewährten Policendarlehens von 6851,- EUR) deutlich über der Summe der eingezahlten Beiträge von 16.927,22 EUR. Diese Werte finden sich in den von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen ihres Versicherungsunternehmens, werden von ihr selbst nicht in Frage gestellt und können daher zur Überzeugung des Senats zugrunde gelegt werden.
Der noch realisierbare Ertragswert von 14828,06 EUR übersteigt die Summe des nach dem Lebensalter der Klägerin von 51 Jahren im streitigen Zeitraum nach § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 zustehenden Freibetrags in Höhe von 10.200,- EUR deutlich und schließt ihre Bedürftigkeit daher aus. Ein weiterer Freibetrag von 200,- EUR im Sinne der vorher zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Gleichstellung von zur Altersvorsorge bestimmten Geldanlagen im Recht der Arbeitslosenhilfe mit Geldanlagen in dem ab dem 01.01.2005 geltenden Recht der Grundsicherung nach dem SGB II steht der Klägerin nicht zu. Denn eine Geldanlage ist nach der auch vom Senats zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts "zur Altersvorsorge bestimmt", wenn ein Fälligkeitsdatum in etwa auf den Zeitpunkt der Vollendung des 60. bzw. 65. Lebensjahres datiert ist (Urteil des BSG vom 17.03.2005 - B 7a / 7 AL 68/ 04 R m.w.N.).
Der von der Klägerin abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag enthielt eine Fälligkeitsbestimmung zum 53. Lebensjahr der Klägerin. Dieses Fälligkeitsdatum liegt so deutlich vor den nach dem seinerzeitigen Recht der gesetzlichen Rentenversicherung für den regelmäßigen Eintritt der Altersrente maßgeblichen Daten - Vollendung des 60. bzw. 65. Lebensjahres -, dass auch vor dem Hintergrund der Darstellung der Klägerin zu ihrer Risikoeinschätzung bei Abschluss des Versicherungsvertrages die subjektive Zweckbestimmung der Lebensversicherung zur Altersvorsorge nicht nachgewiesen ist. Zwar kann auch bei Lebensversicherungen, deren Versicherungssumme deutlich vor dem Eintritt in das Rentenalter auszuzahlen ist, nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass sie nicht der Alterssicherung, sondern der Kapitalbildung dienen (BSG, Urteil vom 17.10.1996 - 7 RaR 2/96 -). Der Nachweis einer subjektiven Zweckbestimmung der Altersvorsorge erforderte im Falle der Klägerin angesichts der großen Differenz zwischen dem Ablaufdatum und dem frühestmöglichen Eintritt der Altersrente von immerhin 7 Jahren jedoch den Nachweis besonderer Umstände, die eine Festlegung bezüglich der Verwendung des angesparten Betrages zur Alterssicherung bereits bei Vertragsschluss zuließen. Solche Umstände sind zur Überzeugung des Senats im Falle der Klägerin nicht nachgewiesen und insbesondere nicht in der vereinbarten Rentenoption zu sehen. Denn diese beließ der Klägerin bei Ablauf der Versicherungszeit ein Wahlrecht, das Kapital entsprechend den aktuellen Bedürfnissen aufzubrauchen, in beliebiger Form neu anzulegen oder eben der Option entsprechend zu "verrenten".
Vor dem Hintergrund dieser bereits bei Vertragsschluss vereinbarten Wahlfreiheit hinsichtlich der Verwendung des angesparten Kapitales gelänge der Nachweis einer subjektiven Zweckbestimmung zur Überzeugung des Senats auch dann nicht, wenn der Vortrag der Klägerin bewiesen wäre, dass bei Abschluss der Lebensversicherung mit den Vertretern des Versicherungsunternehmens über Fragen der finanziellen Absicherung in späteren Lebensphasen gesprochen worden war. Dies ist im Zusammenhang mit dem Abschluss einer länger laufenden Lebensversicherung normal, entspricht der Natur der Geldanlage und beweist keine Festlegung hinsichtlich der konkret beabsichtigten Weiterverwendung nach Ablauf der zu vereinbarenden Versicherungszeit.
Schließlich liegt auch kein Härtefall (vgl. u.a. BSG SozR 4 - 4300 § 193 Nrn. 2, 3, 9) nach § 193 Abs. 2 SGB III bei Verkauf der Lebensversicherung vor. Eine über den reinen Wertverlust hinausgehende Härte besteht weder im Hinblick auf Alter, Lebensumstände und Dauer des Arbeitslosenhilfebezuges der Klägerin (BSG SozR 3 4100 § 137 Nrn. 6 und 7 zu AlhiV 1974) noch wegen kindererziehungsbedingter Lücken im Versicherungsverlauf (BSG SozR 4 4300 § 193 Nr. 9). Vielmehr enthält der vorgelegte Versicherungsverlauf der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung keine derartigen Lücken. Die sich aus Zeiten der Arbeitslosigkeit ergebende Schmälerung der Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung an sich führt nicht zur Annahme einer besonderen Härte (BSG, Urt. vom 14.09.2005 - B 11a/ 11 AL 71/04 R).
Die Ablehnung des Antrags auf Arbeitslosenhilfe vom 16.10.2003 durch Bescheid vom 09.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2004 ist danach auch im Rahmen der erneuten Prüfung nach § 44 SGB X nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Ein Anlass zur Zulassung der Revision (§ 160 SGG) besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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