L 17 U 130/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 193/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 130/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt und deshalb Anspruch auf Verletztenrente besteht. Außerdem ist die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV streitig.

Der 1948 geborene Kläger erhielt von 1962 bis 1965 bei der E eine Ausbildung zum Briefzusteller und war als solcher in der Folgezeit bis 1968 tätig. Danach arbeitete er bei verschiedenen Großbäckereien als Auslieferungsfahrer, zuletzt bei der Bäckerei F in S. Am 31.03.2001 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei dem er auf die linke Hand fiel und sich eine Radiustrümmerfraktur zuzog. Er bezieht deswegen Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H ...

Im Rahmen dieses Feststellungsverfahrens machte der Kläger im Februar 2004 geltend, er leide auch an einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie der Halswirbelsäule (HWS). Die Beklagte befragte den Kläger daraufhin zu Einzelheiten seiner beruflichen Tätigkeit und holte Arbeitgeberauskünfte ein. Der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) Dipl.-Ing. G, Abteilung Prävention der Unfallkasse Q, kam in einer Stellungnahme vom 19.07.2004 zu dem Ergebnis, der Kläger habe während seiner Tätigkeit bei der E eine Gesamtbealstungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) von 3.19 x 10&8310; Newton Stunden (Nh) zurückgelegt. Die TAB M von der Präventionsabteilung der Beklagten führte in einer Stellungnahme vom 16.12.2004 zusammenfassend aus, der Kläger habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Auslieferungsfahrer die Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD von 25 MNh erfüllt bzw. überschritten. Dagegen seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK nach den Nummern 2109 und 2110 nicht erfüllt. Der sodann mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Chirurg Dr. I, Erster Oberarzt der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E, führte darin am 03.03.2005 aus, ein bandscheibenbedingtes Schadensbild im Bereich der LWS sei nicht zu sichern. Es bestehe keine Symptomatik im Sinne eines Bandscheibenvorfalls und die Röntgenaufnahmen zeigten keine nennenswerte Einengung der Zwischenwirbelräume der LWS. Die etwas stärker ausgeprägten Verschleißerscheinungen an den Wirbelgelenken bei L5/S1 könnten noch als altersentsprechend angesehen werden. Es handele sich insoweit um eine primäre Spondylarthrose aufgrund des ausgeprägten Übergewichts. Im Übrigen bestünden ausgeprägte degenerative Veränderungen an der HWS und insbesondere an der Brustwirbelsäule (BWS), wobei sich letztere deutlich vom Befund der LWS abhöben. Ein belastungskonformes Schadensbild liege nicht vor, wesentliche Funktionseinschränkungen der LWS seien nicht feststellbar und der Kläger übe seine belastende berufliche Tätigkeit auch weiterhin aus. Es bestünde nach alledem auch keine konkrete Gefahr für das Entstehen einer BK nach Nr. 2108.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.04.2005 die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sowie die Gewährung von Entschädigungs- und Übergangsleistungen ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger, der seit Juli 2005 arbeitsunfähig erkrankt war und seit Januar 2009 Altersrente bezieht, am 28.07.2005 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Er hat vorgebracht, die Beklagte gehe zutreffend davon aus, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit im Sinne der streitigen BK hinreichend belastend tätig gewesen sei. Wenn demgegenüber Dr. I die Auffassung vertreten habe, eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der LWS liege nicht vor, überzeuge dies nicht. Inzwischen habe nämlich der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. X einen Bandscheibenvorfall an der LWS festgestellt. Bei Berücksichtigung der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung könne eine wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Tätigkeit für die bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der Wirbelsäule nicht bestritten werden. Im Hinblick auf den prophylaktischen Ansatz des § 3 BKV müssten auch Übergangsleistungen gewährt werden.

Das SG hat einen Behandlungs- und Befundbericht von Dr. X, die den Arbeitsunfall betreffenden Streitakten S 16 U 117/04 sowie das im Schwerbehindertenstreitverfahren des Klägers erstattete orthopädische Gutachten des Dr. T vom 18.01.2005 beigezogen und sodann weiteren Beweis erhoben durch die Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. W in S. Darin ist dieser am 15.08.2007 zu dem Ergebnis gelangt, eine Segmenterkrankung der unteren LWS sei nicht feststellbar und auch von den Vorgutachtern Dr. I und Dr. T nicht festgestellt worden. Es finde sich radiologisch eine erstgradige Osteochondrose L3/L4, die bei einem 57-jährigen nicht altersuntypisch sei und eine erst- bis zweitgradige Osteochondrose L5/S1, die allenfalls grenzwertig die Altersnorm übersteige. Unter Berücksichtigung der "Konsensempfehlungen" - Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS - fehle es schon am Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Unterstelle man eine solche in Bezug auf das Segment L5/S1, so fehle es jedenfalls an einer Akzentuierung der Veränderungen am belasteten Wirbelsäulenabschnitt. Eine Begleitspondylose als Positivkriterium liege nicht vor und die beginnenden Spondylosen in der mittleren LWS könnten nicht als Begleitspondylosen gewertet werden. Es bestehe außerdem als konkurrierender Ursachenfaktor eine Drehseitverbiegung der Rumpfwirbelsäule mit Zeichen einer Wirbelsäulenaufbaustörung im Bereich der mittleren BWS. Insbesondere seien aber die Veränderungen im Bereich der HWS stärker ausgeprägt als im Bereich der LWS, weshalb von der Konstellation B5 der Konsensempfehlungen auszugehen sei. Nach alledem sei daher die streitige BK medizinisch nicht wahrscheinlich zu machen.

Hierauf gestützt hat das SG mit Urteil vom 06.05.2008 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 10.06.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.07.2008 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Klageverfahren ist er der Ansicht, dass der erstinanzlich gehörte Sachverständige (SV) unzulässige Beweisregeln angewandt habe.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.05.2008 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2005 zu verurteilen, ihm wegen einer BK nach Nr. 2108 Verletztenrente sowie Übergangsleistungen zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag des Klägers hat gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. C in X am 05.05.2009 ein arbeitsmedizinisches Gutachten erstattet und dabei das neurologische Gutachten von Dr. L in X vom 02.03.2009 und das radiologische Gutachten von Priv.-Doz. Dr. S in X vom 14.04.2009 berücksichtigt. Der SV ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in Form einer altersuntypischen Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung oder Bandscheibenvorfall lasse sich nicht nachweisen. Es liege eine altersuntypische ventrale Spondylose im Rahmen eines Morbus Forestier im Bereich der LWS vor. Dieser habe auch zu einer altersuntypischen ventralen Spondylose im Bereich der HWS und BWS geführt. Er komme damit in der Zusammenhangsbeurteilung zum gleichen Ergebnis wie zuvor Dr. I und Dr. W.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die den Arbeitsunfall betreffende Streitakte S 16 U 117/04 = L 15 U 75/05 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der Beratung.

II.

Die Berufsrichter sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass die zulässige Berufung offensichtlich unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Sie haben sie daher - nachdem die Beteiligten unter dem 29.06.2009 und 03.08.2009 auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden sind - durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG zurückgewiesen.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV beim Kläger festzustellen. Dementsprechend kann er auch keine Verletztenrente nach § 56 des Siebten Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) beanspruchen (dazu unter 1). Schließlich bestand bei ihm auch nicht die konkrete individuelle Gefahr des Entstehens dieser BK, weshalb kein Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV besteht (dazu unter 2).

1. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfasst bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpf-Beuge-Haltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Feststellung einer BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII, Rnd. Nr. 3; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, E § 9 SGB VII, Rnd. Nr. 14), dass in der Person des Versicherten zunächst die arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d.h., dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der streitigen BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen - wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung (BSG E 63, 270, 271; 96, 196; 96, 291) entschieden hat, die schädigende Einwirkung einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-) ursächlich, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg für dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität müssen hinreichend wahrscheinlich sein; die bloße Möglichkeit genügt nicht (BSGE, a.a.O.; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., Rdnr ... 26.2). Dieser Zusammenhang ist unter Zugrundelegung der herrschenden arbeitsmedizinischen Lehrauffassung, die bei der Beurteilung maßgebend ist (BSG SozR 1500 § 128 Nr. 38; BSGE 96, 196; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Seite 146), erst dann gegeben, wenn mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 43, 110, 113; BSG SozR 3 - 1300, § 48 Nr. 68). Die Faktoren, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, müssen die gegenteiligen deutlichen überwiegen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist nach dem Gesamtergebnis der arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht der Nachweis geführt, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt. Zwar sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in der Person des Klägers nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten in Bezug auf die seit 1968 ausgeübte Tätigkeit als Auslieferungsfahrer für Backwaren gegeben. Nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell - MDD - (vgl. Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 1999, Seite 110 ff., 123 ff), das nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4 - 2700 § 9 Nr. 1) und in modifizierter Form (BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R) derzeit noch ein geeignetes Modell ist, um die gesundheitsgefährdende Belastungsdosis eines Versicherten zu ermitteln und in Bezug auf sein Erkrankungsrisiko zu setzen, wird auch die ursprünglich hohe Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 MNh, die durch das letztgenannte Urteil des BSG um 50 v.H. herabgesetzt worden ist, überschritten.

Sind danach die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS durch Belastungen im Sinne der BK 2108 in der Person des Klägers gegeben, so fehlt es nach dem medizinischen Beweisergebnis aber am Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität. Insoweit ist bei der Ursachenbeurteilung eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wobei die belastenden Einwirkungen, das Krankheitsbild, insbesondere, ob ein altersuntypischer bandscheibenbedingter Befund der LWS und ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, und eine zeitliche Korrelation zwischen den Einwirkungen und dem Erkrankungsverlauf besteht, und das Vorliegen von konkurrierenden Ursachen wie Schadensanlagen zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 4 - 2700 § 9 Nr. 9; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2108 Rnd. Nr. 6.1). Dazu hat das versicherungsmedizinische Schrifttum auf Anregung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" (sog. Konsensempfehlungen) entwickelt (vgl. Bolm-Audorff, Brandenburg, Brüning u.a. in: Trauma und Berufskrankheit, Ausgaben 3/2005, Seite 211 ff. und 4/2005, Seite 320 ff.), die den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und die herrschende arbeitsmediznische Lehrmeinung wiedergeben und die daher nach dem vorgenannten Urteil des BSG bei der Zusammenhangsbegutachtung berücksichtigt werden müssen (so auch Senatsurteil vom 07.11.2007, L 17 U 26/07). Danach müssen bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sein, bevor anhand weiterer Kriterien beurteilt werden kann, ob ein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist. Diese Abwägung haben die Autoren der "Konsensempfehlungen" in bestimmten typischen Fallkonstellationen vorweggenommen (antizipiert), wobei sie sich in 15 Befundkonstellationen geeinigt (Konsens) und in 6 Befundkonstellationen nicht geeinigt haben (Dissens).

Die beiden "Grundvoraussetzungen" für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 sind einmal der Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der LWS, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und zweitens eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung ausweisen muss (z.B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraumes zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab). Vorliegend fehlt es aber nach den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten bereits am Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Schon Dr. I hatte in seinem von der Beklagten eingeholten Gutachten, das kein Parteigutachten darstellt und in Form und Inhalt den Anforderungen entspricht, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind und das deshalb urkundsbeweislich zu verwerten war (vgl. BSG SozR 1500 § 128 Nr. 24; Senatsurteil vom 16.05.2007 - L 17 U 187/04 = NZS 2008, 231ff.), die Ansicht vertreten, das Beschwerdebild sowie der klinische und radiologische Befund sprächen gegen das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Diese Einschätzung ist von dem erstinstanzlich gehörten SV Dr. W bestätigt worden, der unter Hinweis auf die Konsensempfehlungen dargelegt hatte, eine bandscheibenbedingte Erkrankung werde definiert als Kombination aus einem Bandscheibenschaden (Höhenminderung und/oder Vorfall) mit korrelierender klinischer Symptomatik im Sinne eines lokalen Lumbalsyndromes oder eines lumbalen Wurzelsyndromes. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung liegt danach bei einem Bandscheibenschaden in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder bei einem Bandscheibenvorfall vor. Derartige Befunde konnte aber auch Dr. W, der dem Senat aus einer Vielzahl von Streitverfahren als besonders erfahrener und sachkundig urteilender SV für die Feststellung beruflich entstandener Krankheiten der Wirbelsäule bekannt ist, nicht feststellen. Er hat unter Berücksichtigung der beigezogenen medizinischen Unterlagen gleichfalls ausgeführt, dass auch bei früheren Untersuchungen, z.B. durch den Orthopäden Dr. T im Schwerbehindertenstreitverfahren des Klägers, zwar gewisse Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule beschrieben worden sind, jedoch keine bandscheibenbedingten Veränderungen mit entsprechender Beschwerdesymptomatik. Wenn er dann zugunsten des Klägers die erst- bis zweitgradige Osteochondrose im Bereich L5/S1 als altersuntypisch und Hinweis auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung gewertet hat, so hat er dann im Folgenden unter Berücksichtigung der Abwägungskriterien der Konsensempfehlungen die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf das Fehlen einer Begleitspondylose und die stärkere Ausprägung der Veränderungen im Bereich der HWS die Konstellation B5 vorliege, bei der dann eine berufliche Verursachung der (unterstellten) bandscheibenbedingten Erkrankung L5/S1 nicht wahrscheinlich zu machen sei. Schließlich hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass auch eine geringe Drehseitverbiegung der Rumpfwirbelsäule und Zeichen einer Wirbelkörperaufbaustörung in der mittleren BWS vorliegen und die dort vorhandenen verklammernden Spondylosen Ausdruck einer eigenständigen Erkrankung, nämlich einer Spondylosis hyperostotica (Morbus Forestier) sind.

Ist das SG daher zu Recht der Auffassung des SV Dr. W gefolgt, so hat auch die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren durch das Gutachten von Prof. Dr. C eindeutig ergeben, dass es schon an dem erforderlichen Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der LWS beim Kläger fehlt, so dass es letztlich auf die für die Kausalitätsbeurteilung wichtigen und in den Konsensempfehlungen niedergelegten Kriterien und deren Anwendung im vorliegenden Fall nicht ankommt. In Übereinstimmung mit Dr. W ist auch der SV des Vertrautens des Klägers zu der Feststellung gelangt, dass die Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule im Wesentlichen Folge des berufsunabhängigen schicksalhaften Morbus Forestier sind.

2. Fehlt es mithin schon am Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung an der LWS des Klägers, so bestand für ihn auch kein signifikant erhöhtes Risiko für die Entstehung einer BK nach Nr. 2108, wie schon Dr. I dargelegt hatte. Zur gleichen Einschätzung ist Dr. W gelangt, der plausibel darauf hingewiesen hat, dass sich trotz des vorgerückten Alters des Klägers und den jahrzentelangen Belastungen durch das Heben und Tragen von Lasten kein belastungskonformes Schadensbild entwickelt habe und der Schwerpunkt der Veränderungen beim Kläger belastungsfern im Bereich der HWS und BWS liegt. Es sei deshalb nicht wahrscheinlich zu machen, dass sich bei Fortführung der Arbeit als Auslieferungsfahrer die BK entwickelt hätte. Zu einer anderen Beurteilung ist Prof. Dr. C nicht gelangt. Die Beklagte hat daher zutreffend auch die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV abgelehnt.

Entspricht nach alledem der angefochtene Verwaltungsakt der Sach- und Rechtslage, mussten Klage und Berufung erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 SGG.

Gründe für die Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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