Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 AL 889/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706) können versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse nach den §§ 24 ff. SGB III mit na
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld im Anschluss an eine geförderte Arbeitsgelegenheit streitig.
Die 1952 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige, gehörlos und schwerbehindert mit einem GdB von 100. Seit 2003 ist sie mit D. L. verheiratet. Bis 31.08.2006 bezogen die Klägerin und ihr Ehemann Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II nach dem SGB II) vom Landkreis L ... Vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 war die Klägerin als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde B. angestellt. Sie erzielte dort ein monatliches Gehalt von 1.280,00 EUR. Das Arbeitsverhältnis wurde gefördert durch das Son-derprogramm "Sofort" für Arbeitslosengeld II-Empfänger des Landkreises. Vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 war die Klägerin erneut als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde B. mit einem monatlichen Gehalt von 1.280,00 EUR tätig. Dieses Arbeitsverhältnis wurde gefördert durch das Sonderprogramm "Perspektive" für Arbeitslosengeld II-Empfänger des Landkreises.
Am 26.09.2007 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Sie legte dabei unter anderem den Arbeitsvertrag vom 30.03.2007 über die Tätigkeit ab 01.04.2007 vor. Danach wurde zwischen der Gemeinde B. und der Klägerin vorbehaltlich des Bescheides BAI/AIA/11595 ein Arbeitsvertrag geschlossen. Die Klä-gerin wurde befristet ab 01.04.2007 mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden bis 30.09.2007 eingestellt (§ 1). Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich in Anlehnung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung (§ 2). Als Anlage zum Arbeitsvertrag wurde der Bescheid zur Schaffung von zusätzlichen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zur Aktivierung des Arbeitsmarktes im Rahmen des Sonderprogrammes für Arbeitslosengeld II-Bezieher (§ 16 Abs. 3 SGB II) genannt.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 05.10.2007 ab, da die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 01.10.2007 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2007 Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie habe zwölf Monate (01.09.2006 bis 28.02.2007 und 01.04.2007 bis 30.09.2007) versicherungspflichtig gearbeitet. Für diese Zeiten seien Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt worden. Die Klägerin legte Meldenachweise zur Sozialversiche-rung vor und führte weiter aus, dass in dieser Zeit Einkommen erzielt und kein Hartz IV (ALG II) gezahlt wurde. Für die Klägerin wurde ein Arbeitszeugnis der Integrativen Kindertagesstätte "B." sowie ein Zeugnis der Gemeinde O. vorgelegt.
Die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 25.10.2007). Zur Begründung verwies sie auf die §§ 118 ff. SGB III. Die Rahmenfrist für die Klägerin umfasse die Zeit vom 01.10.2005 bis 30.09.2007. Innerhalb dieser Zeit habe die Klägerin in keinem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des § 24 SGB III bzw. § 26 SGB III gestanden. Die Beschäftigungsverhältnisse bei der Gemeinde B. seien im Rahmen des Sonderprogramms für Arbeitslosengeld II-Empfänger zur Aktivierung des Arbeitsmarktes in Umsetzung des § 16 Abs. 3 SGB II geschaffen worden. Diese Arbeitsge-legenheiten begründeten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts. Die Beklagte verwies ferner auf § 27 Abs. 3 SGB III. Danach könnten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen keine Anwartschaftszeit mehr begründen. Auf die entrichteten Beiträge komme es nicht an. Mit der am 05.11.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Sie bat um Prüfung des Sachverhalts, da es bei der gleichen Maßnahme unterschiedliche Entscheidungen gebe. Der Kindergarten sei mittlerweise von der Diakonie übernommen worden. Seit Februar/März 2008 ist die Klägerin dort, befristet bis 31.12.2012, angestellt. Die Klägerin verweist darauf, dass in den Unterlagen von einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit die Rede ist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zur verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007 Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die vom Landkreis eingerichteten Maßnahmen voll aus Mitteln des Landkreises finanziert und gefördert werden. Die Beklagte stützt ihre Rechtsauffassung auch auf diese Fremdfinanzierung. Dadurch habe die Entlohnung nicht der Versiche-rungspflicht im Sinne von § 25 Abs. 1 SGB III entsprochen, da kein "echtes" Beschäftigungsverhältnis und kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zu zahlen gewesen sei. Die Kriterien einer Beschäftigung (Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers) erscheinen der Beklagten zweifelhaft. Auch sei Gegenstand des "Arbeitsvertrages" keine geschuldete Leistung. Diese erschließe sich nur bei Gesamtbetrachtung des Vertrages mit dem Maßnahmeträger. Auch aus den Richtlinien der Programme ("Sofort"/"Perspektive") ergebe sich keine vertraglich vereinbarte konkrete Arbeitsleistung. Es spreche daher nichts dafür, dass eine konkrete Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert erbracht werden sollte. Die Beklagte bezweifelt, ob die Klägerin den Weisungen des Maßnahmeträgers unterlag und in die Maßnahme organisatorisch eingebunden war. Sie ist weiter der Auffassung, dass kein freier Arbeitsvertrag geschlossen wurde, zumal der Arbeitsvertrag vom erteilten Zuwendungsbescheid abhängig gemacht wurde. Die Klägerin habe sich auch den Arbeitgeber nicht ausgesucht, sondern wurde dem Maßnahmeträger zugewiesen. Bei der Beschäftigung habe nicht der Austausch von Lohn gegen Arbeit im Vordergrund gestanden. Vielmehr habe die Beschäftigung der Ermöglichung des Wiedereinstiegs in das Arbeitsleben gedient. Auch sei das Entgelt nicht Äquivalent einer regulären Arbeitsleistung gewesen. Nach Auffassung der Beklagten sei mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Einvernehmen erzielt worden, dass eine Arbeitsgelegenheit nicht generell Versicherungspflicht auslöse. Die Beklagte übersendet den zwischen ihr und dem BMAS erfolgten Schriftverkehr, sowie ihre "Arbeitshilfe (AGH)". Auf Aufforderung des Gerichts legt die Beklagte ferner eine Probeberechnung vor. Danach hätte die Klägerin bei Bewilligung des Arbeitslosengeldes Anspruch für 180 Tage à 18,73 EUR. Eventuell gezahltes Arbeitslosengeld II wäre nach § 102 SGB X zu verrechnen.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlung unter anderem den Landkreis L. angeschrieben. Der Fachdienst Beschäftigung und Arbeit/Rechtsabteilung gab in seiner Stellungnahme vom 31.01.2008 an, die Klägerin sei im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 im Rahmen des Programms "Sofort" zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II tätig gewesen. Vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 sei sie Teilnehmerin einer Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Programms "Perspektive", ebenfalls auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II gewesen. Nach Auffassung des Landkreises handelt es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II um reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Der Landkreis übersendet ferner ein Schreiben des BMAS vom 18.02.2008, wonach Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante einen Anspruch auf Arbeitslosengeld begründen können, wenn es sich nicht um Qualifizierungsmaßnahmen handelt. Das Gericht hat ferner eine Stellungnahme des BMAS (vom 28.04.2008) beigezogen. Danach bestehe zwischen der Beklagten und dem BMAS Einigkeit darüber, dass es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handelt. Dem Gericht liegt ferner der Bescheid des Landkreises L. zum Sonderprogramm "Perspektive" vom 30.03.2007, die Richtlinie des Landkreises zum Sonderprogramm "Perspektive" sowie die Richtlinie für das Sonderprogramm "Sofort" vor. Ferner wurde eine Stellungnahme der Gemeinde B. beigezogen. Diese gab in ihrer Erklärung vom 04.11.2008/20.10.08 an, die Klägerin sei als Kneipp-Gesundheitshelferin tätig gewesen. Sie habe selbstständig gearbeitet. Qualifizierungsmaßnahmen waren nicht vorgesehen und wurden nicht durchgeführt. Die Klägerin sei nicht direkt in den Dienstleistungsprozess integriert gewesen, sondern habe vor allem projektbezogene Tätigkeiten erledigt.
Mit Beschluss vom 07.04.2008 wurden schließlich die zuständige Krankenkasse sowie der Rentenversicherungsträger zum Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Leistungsak-te sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 05.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007, in welchem der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 abgelehnt wird, verletzt die Klägerin rechtswidrig in ihren Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die gesetzliche Dauer ab 01.10.2007.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch - SGB III (i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848), wer arbeitslos ist, sich arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 123 Satz 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die in § 123 Satz 1 SGB III in Bezug genommene Rahmenfrist wiederum beträgt grundsätzlich 2 Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs (§ 124 Abs. 1 SGB III).
Da die Klägerin sich zum 01.10.2007 arbeitslos gemeldet hat, läuft in ihrem Fall die Rahmenfrist vom 01.10.2005 bis 30.09.2007. Innerhalb dieser Rahmenfrist hat die Klägerin zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Nach Auffassung der Kammer hat die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 sowie vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 aufgrund der Tätigkeit als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde B. eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt.
Dabei ist für die Frage, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, nicht entscheidend, dass Beiträge zur Sozialversicherung (darunter auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung) gezahlt wurden. Ebenso ist nicht maßgeblich, dass im Arbeitsvertrag vom 30.03.2007 unter § 5 geregelt wurde, dass die Tätigkeit ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen soll. Die Erfüllung der hier zwischen den Beteiligten streitigen Anwartschaftszeit hängt einzig von der die Anwartschaftszeit begründenden Beschäftigung, nicht dagegen von der Entrichtung von Beiträgen ab. Einen Kausalzusammenhang zwischen Anspruch und gezahlten Beträgen gibt es in der Arbeitslosenversicherung, einer Formalversicherung, nicht (vgl. BSG in SozR 3-4100 § 104 Nr. 8 S 39 f; zuletzt: Urteil vom 29.01.2008, B 7/7a AL 70/06 R in SozR 4-4300 § 25 Nr. 2). Auf die Bezeichnung als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kommt es ebenso wenig an.
Die Klägerin war bei der Gemeinde B. angestellt und als Hilfskraft in der Integrativen Kindertagestätte "B." tätig. Die Tätigkeit der Klägerin bei der Kindertagesstätte "B." unterlag der Versicherungspflicht nach den §§ 24 ff. SGB III.
Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt (Alt. 1) oder zu ihrer Berufsausbildung (Alt. 2) beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung). Nach Überzeugung der Kammer war die Klägerin gegen Arbeitsentgelt beschäftigt im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 (Alt. 1) SGB III.
Die Versicherungspflicht bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt in der ersten Alternative des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III fordert nach dem heranzuziehenden Grundgedanken des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch - SGB IV (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 11 S 52; BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2) eine nichtselbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Eingliederung des Beschäftigten in einen Betrieb äußert sich dabei in der Regel in der faktischen Verfügungsmöglichkeit des Arbeitgebers mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägtem Weisungsrecht des Betriebsinhabers, bezogen auf Zeit, Ort, Dauer, Inhalt und Gestaltung der Tätigkeit (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 11 S. 53, BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2 ). Die wertende Zuordnung zum Typus einer abhängigen Beschäftigung bestimmt sich dabei nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BSG SozR 3-4100 § 101 Nr. 9 S. 31; BSG SozR 3-4100 § 101 Nr. 4 S 7), ausgehend von der vertraglichen Ausgestaltung des Verhältnisses (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 S. 26; BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2).
Die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses liegen nach Auffassung der Kammer unzweifelhaft vor. So war die Klägerin nach den Angaben des Arbeitgebers sowie auch ihren Schilderungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung voll in die Arbeitsorganisation der Kindertagesstätte eingegliedert. Sie musste zur vereinbarten Arbeitszeit am Ar-beitsort erscheinen und die ihr zugewiesenen Tätigkeiten verrichten. Die Klägerin war dem Arbeitgeber gegenüber weisungsunterworfen hinsichtlich des Ortes, der Zeiten und der Art der zu verrichtenden Tätigkeiten. Die Leiterin der Kindertagesstätte hatte der Klägerin jeweils gesagt, welche Tätigkeiten zu verrichten sind. Der Arbeitsablauf war oftmals so, dass zum Beginn der Woche besprochen wurde, was zu tun ist. Die Klägerin hat dann selbstständig gearbeitet. Zu ihrem Aufgabengebiet gehörte die Arbeit als Kneipp-Gesundheitshelferin, die Vorbereitung des wöchentlichen Obsttages der Kinder, die Pflege des Kräutergartens und des Pfads der Sinne, die Begleitung der Kinder bei Spaziergängen und Wanderungen sowie beim Saunabesuch, die Anleitung der Hortkinder beim Backen und Kochen sowie Arbeiten im Bereich der Wäschepflege und Basteln mit Kindern. Nach dem Zeugnis der Gemeinde O. vom 27.09.2007 zeichnete sich die Klägerin dabei durch ein hohes Maß an Selbstständigkeit aus und hat sich als einsatzbereite und kreative Mitarbeiterin erwiesen, die konstruktive Vorschläge unterbreitete, diese erfolgreich einsetzte und entscheidend zu Problemlösungen beitrug.
Im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin waren andere Zielsetzungen (insbesondere Qualifikationsmaßnahmen) nicht vorgegeben. Es handelte sich bei dem Arbeitgeber, der Gemeinde B., auch nicht um einen Maßnahmeträger, dessen alleiniger Betriebszweck die Vermitt-lung von Qualifizierung und Ausbildung darstellt, so dass sich insbesondere unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 29.01.2008 (B 7/7a AL 70/06 R in SozR 4-4300 § 25 Nr. 2) keine Ausnahme vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ergibt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Arbeitsvertrag der Klägerin, worauf die Beklagte abstellt, eine geschuldete Leistung nicht geregelt war. Der Arbeitsvertrag lehnt sich seiner äußeren Form nach den Verträgen im öffentlichen Dienst (nach TVöD) an. Auch dort ist die konkrete zu verrichtende Tätigkeit regelmäßig nicht beschrieben, son-dern ergibt sich erst aus der Tätigkeitsbeschreibung.
Der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Tätigkeit im Rahmen einer geförderten Arbeitsgelegenheit verrichtet hat. Die Klägerin war im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 im Rahmen des Programms "Sofort" und im Zeitraum vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 im Rahmen des Programms "Perspektive" tätig. Die Sonderprogramme waren jeweils durch den Landkreis L. als Optionslandkreis (i.S.v. § 6b Sozialgesetzbuch, Zweites Buch - SGB II) geschaffen worden. Es handelte sich um Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706). In der Literatur ist strittig, ob § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine eigenständige Bedeutung hat oder nur im Zusammenspiel mit anderen Vorschriften eine Förderung der Arbeitslosen zulässt. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur regelt § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine eigenständige Variante der Arbeitsgelegenheiten (vgl. Niewald in: LPK-SGB II, § 16 Rn. 19; Harks in JurisPK-SGB II § 16 Rdnr. 83; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, 17. ErgLf. § 16 Rdn. 390; Schuhmacher in Oestreicher SGB XII/SGB II, ErgLf. 56, § 16 SGB II Rdn. 70 ff.; a.A. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II § 16 Rdn. 201, 209). Nach der Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (in BT-Drs. 15/1749 S. 32) lehnt sich die Vorschrift an § 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG an. Durch die Regelung soll den Arbeitsagenturen bzw. den optierenden Kommunen zusätzlich zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (nach den §§ 260 ff. SGB III) und den Arbeitsgelegenheiten in der sog. Mehraufwandsentschädigungsvariante (§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II, sog. "1-EUR-Job") ermöglicht werden, auch Arbeitsverhältnisse in regulären betrieblichen Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Aus der Gesetzesbegründung und der bisherigen h.M. zur Vorgängerregelung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG) ergibt sich, dass mit § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine eigenständige Eingliederungsvorschrift geschaffen wurde, die keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Art der durchzuführenden Arbeiten unterliegt (Voelzke in Hauck/Nofts a.a.O., Rdnr. 390). Die von der Beklagten vertretene Auffassung, Arbeitsverhältnisse mit einem Dritten als Arbeitgeber könnten nicht über § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II gefördert werden (so z.B. auch Schuhmacher in Östreicher, SGB XII/SGB II, § 16 Rdnr. 79/80) lässt sich weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung der Vorschrift entnehmen.
Auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II können reguläre Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, ohne dass die Arbeitstätigkeit im öffentlichen Interesse liegt oder zusätzlich sein muss (vgl. Voelzke a.a.O.). Die Tatsache, dass vorliegend die Arbeiten als im öffentlichen Interesse deklariert wurden, ist allerdings auch unschädlich. Die Träger der Grundsicherung (hier der Landkreis L.) kann Arbeitsmöglichkeiten bei privaten Arbeitgebern, bei öffentlich-rechtlichen Trägern oder in Eigenregie betreiben (Voelzke a.a.O.). Die Arbeiten können somit bei allen privaten oder öffentlichen Arbeitgebern organisiert werden. Sie können, müssen aber nicht im öffentlichen Interesse liegen. Werden die Arbeitsgelegenheiten wie hier bei einem Dritten, nicht notwendigerweise öffentlichen Träger geschaffen, handelt es sich um vollwertige Arbeitsverhältnisse mit allen Konsequenzen, insbes. der Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, einschließlich der Arbeitslosenversicherung (vgl. Voelzke a.a.O., Rdnr. 394, 398). Es handelt sich bei den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante im Unterschied zu den Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II) um Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des Arbeitsrechts. Dies nimmt offensichtlich auch die Beklagte in ihrer "Arbeitshilfe AGH" (Abschnitt B 7.2 zu § 16) an. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat in seiner Stellungnahme vom 28.04.2008 gegenüber dem Gericht mitgeteilt, dass es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handelt. Umso unverständlicher ist, dass die Beklagte ihrer eigenen Dienstanweisung und den Ausführungen des BMAS nicht folgt.
Die Kriterien für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus § 7 SGB IV i.V.m. der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind vorliegend erfüllt (s.o.). Dabei ist unerheblich, dass die Lohnkosten zu 100 % bezuschusst wurden. Nicht maßgebend ist ferner, in welchem Verhältnis der Träger der Grundsicherung als fördernde Behörde mit dem Maßnahmeträger (Arbeitgeber) steht.
Aus dem Vortrag der Beklagten, dass das streitige Arbeitsverhältnis einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) ähnelt, die nach § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III versicherungsfrei ist, ergibt sich keine Ausnahme von der Versicherungspflicht. § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848) beinhaltet eine Ausnahmeregelung. Mit Wirkung zum 01.01.2004 sind Personen in einer Beschäftigung, die als ABM gefördert wurde, versicherungsfrei. Damit werden diese Beschäftigungen als Beschäftigungen besonderer Art gestellt und von den Beschäftigungen im allgemeinen Arbeitsmarkt abgehoben. Die Vorschrift des § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III ist für die hier streitigen Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht übertragbar. Eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III kommt nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht, da die Begründung von gesetzlich nicht geregelten Versicherungsfreiheiten im Wege der Analogie grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. BSG SozR 4-2500, § 5 Nr. 2). Vielmehr müssen Versicherungspflichten und auch versicherungsfreie Arbeitsverhältnisse durch den Gesetzgeber klar geregelt werden. Als Ausnahmeregelung lässt sich diese Vorschrift zu den ABM somit auf die hier gegebene Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante nicht übertragen.
Der Gesetzgeber hat im Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917 ff.) § 27 Abs. 3 SGB III neu gefasst. Versicherungsfrei sind danach nunmehr auch Beschäftigungen, die als Arbeitsgelegenheit nach § 16d Satz 1 des SGB II gefördert wird. § 16d Satz 1 SGB II (neu) entspricht § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706) und regelt nunmehr die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante. In der Begründung zur Neuregelung führt der Gesetzgeber aus, dass Beschäftigungen, die als ABM gefördert werden, bereits nach dem geltenden Recht versicherungsfrei zur Arbeitslosenversicherung sind (BT-Drs. 16/10810 vom 08.11.2008). Diese Regelung "wird auch für die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante" übernommen in § 27 Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b SGB II. Nach der Begründung des Gesetzgebers sollen durch die Versicherungsfreiheit bei den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante – ebenso wie bei den als ABM geförderten Beschäftigungen – Fehlanreize zum Aufbau neuer Versicherungsansprüche auf Arbeitslosengeld durch öffentlich geförderte Beschäftigungen beseitigt werden. Aus der Formulierung der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass es sich bei den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante um normale, vollwertige Arbeitsverhältnisse gegen Arbeitsentgelt handelt, die zu einer Versicherungspflicht führen. Dies bestätigt auch die Bundestagsdrucksache 15/1749 S. 32 zur ursprünglichen Fassung des § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II wie auch die Stellungnahme des BMAS vom 28.04.2008. Ein besonderer Tatbestand, welcher die Versicherungspflicht ausschließt, ist in § 27 SGB III somit erst für den Zeitraum ab 01.01.2009 geregelt, was sich aus den Regelungen zum In-Kraft-Treten (Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706) ergibt.
Die von der Beklagten selbst aufgestellten Kriterien eines Beschäftigungsverhältnisses (Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers) sind mithin vollständig erfüllt. Nicht nachvollziehbar ist insoweit der Vortrag der Beklagten, das Entgelt sei nicht Äquivalent einer regulären Arbeitsleistung gewesen. Ein monatliches Entgelt von 1.280,00 EUR Brutto für eine Teilzeitbeschäftigung mit 36 Wochenstunden stellt nach Auffassung der Kammer ein echtes Entgelt und nicht etwa lediglich eine Aufwandsentschädigung dar. Die Klägerin erhält nunmehr in der Festanstellung bei der Diakonie ein geringeres Entgelt. Allein dies zeigt, dass die Klägerin im Rahmen der Arbeitsgelegenheit "echtes" Entgelt i.S.v. § 14 SGB IV verdient hat.
Da die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 und vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig war, hat sie die Beiträge zur Sozialversicherung auch zu Recht entrichtet. Rückerstattungen haben somit nicht zu erfolgen. Die Klägerin hat vielmehr Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Sofern der Klägerin für den Zeitraum ab 01.10.2007 Arbeitslosengeld II ausbezahlt wurde, kann die Beklagte grundsätzlich Erstattungsansprüche nach § 102 ff. Sozial-gesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) gegenüber dem zuständigen Träger geltend machen.
Danach war wie festgestellt zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Klage voll umfänglich erfolgreich war.
Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld im Anschluss an eine geförderte Arbeitsgelegenheit streitig.
Die 1952 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige, gehörlos und schwerbehindert mit einem GdB von 100. Seit 2003 ist sie mit D. L. verheiratet. Bis 31.08.2006 bezogen die Klägerin und ihr Ehemann Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II nach dem SGB II) vom Landkreis L ... Vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 war die Klägerin als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde B. angestellt. Sie erzielte dort ein monatliches Gehalt von 1.280,00 EUR. Das Arbeitsverhältnis wurde gefördert durch das Son-derprogramm "Sofort" für Arbeitslosengeld II-Empfänger des Landkreises. Vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 war die Klägerin erneut als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde B. mit einem monatlichen Gehalt von 1.280,00 EUR tätig. Dieses Arbeitsverhältnis wurde gefördert durch das Sonderprogramm "Perspektive" für Arbeitslosengeld II-Empfänger des Landkreises.
Am 26.09.2007 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Sie legte dabei unter anderem den Arbeitsvertrag vom 30.03.2007 über die Tätigkeit ab 01.04.2007 vor. Danach wurde zwischen der Gemeinde B. und der Klägerin vorbehaltlich des Bescheides BAI/AIA/11595 ein Arbeitsvertrag geschlossen. Die Klä-gerin wurde befristet ab 01.04.2007 mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden bis 30.09.2007 eingestellt (§ 1). Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich in Anlehnung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung (§ 2). Als Anlage zum Arbeitsvertrag wurde der Bescheid zur Schaffung von zusätzlichen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zur Aktivierung des Arbeitsmarktes im Rahmen des Sonderprogrammes für Arbeitslosengeld II-Bezieher (§ 16 Abs. 3 SGB II) genannt.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 05.10.2007 ab, da die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 01.10.2007 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2007 Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie habe zwölf Monate (01.09.2006 bis 28.02.2007 und 01.04.2007 bis 30.09.2007) versicherungspflichtig gearbeitet. Für diese Zeiten seien Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt worden. Die Klägerin legte Meldenachweise zur Sozialversiche-rung vor und führte weiter aus, dass in dieser Zeit Einkommen erzielt und kein Hartz IV (ALG II) gezahlt wurde. Für die Klägerin wurde ein Arbeitszeugnis der Integrativen Kindertagesstätte "B." sowie ein Zeugnis der Gemeinde O. vorgelegt.
Die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 25.10.2007). Zur Begründung verwies sie auf die §§ 118 ff. SGB III. Die Rahmenfrist für die Klägerin umfasse die Zeit vom 01.10.2005 bis 30.09.2007. Innerhalb dieser Zeit habe die Klägerin in keinem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des § 24 SGB III bzw. § 26 SGB III gestanden. Die Beschäftigungsverhältnisse bei der Gemeinde B. seien im Rahmen des Sonderprogramms für Arbeitslosengeld II-Empfänger zur Aktivierung des Arbeitsmarktes in Umsetzung des § 16 Abs. 3 SGB II geschaffen worden. Diese Arbeitsge-legenheiten begründeten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts. Die Beklagte verwies ferner auf § 27 Abs. 3 SGB III. Danach könnten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen keine Anwartschaftszeit mehr begründen. Auf die entrichteten Beiträge komme es nicht an. Mit der am 05.11.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Sie bat um Prüfung des Sachverhalts, da es bei der gleichen Maßnahme unterschiedliche Entscheidungen gebe. Der Kindergarten sei mittlerweise von der Diakonie übernommen worden. Seit Februar/März 2008 ist die Klägerin dort, befristet bis 31.12.2012, angestellt. Die Klägerin verweist darauf, dass in den Unterlagen von einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit die Rede ist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zur verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007 Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die vom Landkreis eingerichteten Maßnahmen voll aus Mitteln des Landkreises finanziert und gefördert werden. Die Beklagte stützt ihre Rechtsauffassung auch auf diese Fremdfinanzierung. Dadurch habe die Entlohnung nicht der Versiche-rungspflicht im Sinne von § 25 Abs. 1 SGB III entsprochen, da kein "echtes" Beschäftigungsverhältnis und kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zu zahlen gewesen sei. Die Kriterien einer Beschäftigung (Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers) erscheinen der Beklagten zweifelhaft. Auch sei Gegenstand des "Arbeitsvertrages" keine geschuldete Leistung. Diese erschließe sich nur bei Gesamtbetrachtung des Vertrages mit dem Maßnahmeträger. Auch aus den Richtlinien der Programme ("Sofort"/"Perspektive") ergebe sich keine vertraglich vereinbarte konkrete Arbeitsleistung. Es spreche daher nichts dafür, dass eine konkrete Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert erbracht werden sollte. Die Beklagte bezweifelt, ob die Klägerin den Weisungen des Maßnahmeträgers unterlag und in die Maßnahme organisatorisch eingebunden war. Sie ist weiter der Auffassung, dass kein freier Arbeitsvertrag geschlossen wurde, zumal der Arbeitsvertrag vom erteilten Zuwendungsbescheid abhängig gemacht wurde. Die Klägerin habe sich auch den Arbeitgeber nicht ausgesucht, sondern wurde dem Maßnahmeträger zugewiesen. Bei der Beschäftigung habe nicht der Austausch von Lohn gegen Arbeit im Vordergrund gestanden. Vielmehr habe die Beschäftigung der Ermöglichung des Wiedereinstiegs in das Arbeitsleben gedient. Auch sei das Entgelt nicht Äquivalent einer regulären Arbeitsleistung gewesen. Nach Auffassung der Beklagten sei mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Einvernehmen erzielt worden, dass eine Arbeitsgelegenheit nicht generell Versicherungspflicht auslöse. Die Beklagte übersendet den zwischen ihr und dem BMAS erfolgten Schriftverkehr, sowie ihre "Arbeitshilfe (AGH)". Auf Aufforderung des Gerichts legt die Beklagte ferner eine Probeberechnung vor. Danach hätte die Klägerin bei Bewilligung des Arbeitslosengeldes Anspruch für 180 Tage à 18,73 EUR. Eventuell gezahltes Arbeitslosengeld II wäre nach § 102 SGB X zu verrechnen.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlung unter anderem den Landkreis L. angeschrieben. Der Fachdienst Beschäftigung und Arbeit/Rechtsabteilung gab in seiner Stellungnahme vom 31.01.2008 an, die Klägerin sei im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 im Rahmen des Programms "Sofort" zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II tätig gewesen. Vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 sei sie Teilnehmerin einer Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Programms "Perspektive", ebenfalls auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II gewesen. Nach Auffassung des Landkreises handelt es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II um reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Der Landkreis übersendet ferner ein Schreiben des BMAS vom 18.02.2008, wonach Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante einen Anspruch auf Arbeitslosengeld begründen können, wenn es sich nicht um Qualifizierungsmaßnahmen handelt. Das Gericht hat ferner eine Stellungnahme des BMAS (vom 28.04.2008) beigezogen. Danach bestehe zwischen der Beklagten und dem BMAS Einigkeit darüber, dass es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handelt. Dem Gericht liegt ferner der Bescheid des Landkreises L. zum Sonderprogramm "Perspektive" vom 30.03.2007, die Richtlinie des Landkreises zum Sonderprogramm "Perspektive" sowie die Richtlinie für das Sonderprogramm "Sofort" vor. Ferner wurde eine Stellungnahme der Gemeinde B. beigezogen. Diese gab in ihrer Erklärung vom 04.11.2008/20.10.08 an, die Klägerin sei als Kneipp-Gesundheitshelferin tätig gewesen. Sie habe selbstständig gearbeitet. Qualifizierungsmaßnahmen waren nicht vorgesehen und wurden nicht durchgeführt. Die Klägerin sei nicht direkt in den Dienstleistungsprozess integriert gewesen, sondern habe vor allem projektbezogene Tätigkeiten erledigt.
Mit Beschluss vom 07.04.2008 wurden schließlich die zuständige Krankenkasse sowie der Rentenversicherungsträger zum Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Leistungsak-te sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 05.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007, in welchem der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 abgelehnt wird, verletzt die Klägerin rechtswidrig in ihren Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die gesetzliche Dauer ab 01.10.2007.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch - SGB III (i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848), wer arbeitslos ist, sich arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 123 Satz 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die in § 123 Satz 1 SGB III in Bezug genommene Rahmenfrist wiederum beträgt grundsätzlich 2 Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs (§ 124 Abs. 1 SGB III).
Da die Klägerin sich zum 01.10.2007 arbeitslos gemeldet hat, läuft in ihrem Fall die Rahmenfrist vom 01.10.2005 bis 30.09.2007. Innerhalb dieser Rahmenfrist hat die Klägerin zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Nach Auffassung der Kammer hat die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 sowie vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 aufgrund der Tätigkeit als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde B. eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt.
Dabei ist für die Frage, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, nicht entscheidend, dass Beiträge zur Sozialversicherung (darunter auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung) gezahlt wurden. Ebenso ist nicht maßgeblich, dass im Arbeitsvertrag vom 30.03.2007 unter § 5 geregelt wurde, dass die Tätigkeit ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen soll. Die Erfüllung der hier zwischen den Beteiligten streitigen Anwartschaftszeit hängt einzig von der die Anwartschaftszeit begründenden Beschäftigung, nicht dagegen von der Entrichtung von Beiträgen ab. Einen Kausalzusammenhang zwischen Anspruch und gezahlten Beträgen gibt es in der Arbeitslosenversicherung, einer Formalversicherung, nicht (vgl. BSG in SozR 3-4100 § 104 Nr. 8 S 39 f; zuletzt: Urteil vom 29.01.2008, B 7/7a AL 70/06 R in SozR 4-4300 § 25 Nr. 2). Auf die Bezeichnung als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kommt es ebenso wenig an.
Die Klägerin war bei der Gemeinde B. angestellt und als Hilfskraft in der Integrativen Kindertagestätte "B." tätig. Die Tätigkeit der Klägerin bei der Kindertagesstätte "B." unterlag der Versicherungspflicht nach den §§ 24 ff. SGB III.
Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt (Alt. 1) oder zu ihrer Berufsausbildung (Alt. 2) beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung). Nach Überzeugung der Kammer war die Klägerin gegen Arbeitsentgelt beschäftigt im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 (Alt. 1) SGB III.
Die Versicherungspflicht bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt in der ersten Alternative des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III fordert nach dem heranzuziehenden Grundgedanken des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch - SGB IV (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 11 S 52; BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2) eine nichtselbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Eingliederung des Beschäftigten in einen Betrieb äußert sich dabei in der Regel in der faktischen Verfügungsmöglichkeit des Arbeitgebers mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägtem Weisungsrecht des Betriebsinhabers, bezogen auf Zeit, Ort, Dauer, Inhalt und Gestaltung der Tätigkeit (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 11 S. 53, BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2 ). Die wertende Zuordnung zum Typus einer abhängigen Beschäftigung bestimmt sich dabei nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BSG SozR 3-4100 § 101 Nr. 9 S. 31; BSG SozR 3-4100 § 101 Nr. 4 S 7), ausgehend von der vertraglichen Ausgestaltung des Verhältnisses (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 S. 26; BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2).
Die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses liegen nach Auffassung der Kammer unzweifelhaft vor. So war die Klägerin nach den Angaben des Arbeitgebers sowie auch ihren Schilderungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung voll in die Arbeitsorganisation der Kindertagesstätte eingegliedert. Sie musste zur vereinbarten Arbeitszeit am Ar-beitsort erscheinen und die ihr zugewiesenen Tätigkeiten verrichten. Die Klägerin war dem Arbeitgeber gegenüber weisungsunterworfen hinsichtlich des Ortes, der Zeiten und der Art der zu verrichtenden Tätigkeiten. Die Leiterin der Kindertagesstätte hatte der Klägerin jeweils gesagt, welche Tätigkeiten zu verrichten sind. Der Arbeitsablauf war oftmals so, dass zum Beginn der Woche besprochen wurde, was zu tun ist. Die Klägerin hat dann selbstständig gearbeitet. Zu ihrem Aufgabengebiet gehörte die Arbeit als Kneipp-Gesundheitshelferin, die Vorbereitung des wöchentlichen Obsttages der Kinder, die Pflege des Kräutergartens und des Pfads der Sinne, die Begleitung der Kinder bei Spaziergängen und Wanderungen sowie beim Saunabesuch, die Anleitung der Hortkinder beim Backen und Kochen sowie Arbeiten im Bereich der Wäschepflege und Basteln mit Kindern. Nach dem Zeugnis der Gemeinde O. vom 27.09.2007 zeichnete sich die Klägerin dabei durch ein hohes Maß an Selbstständigkeit aus und hat sich als einsatzbereite und kreative Mitarbeiterin erwiesen, die konstruktive Vorschläge unterbreitete, diese erfolgreich einsetzte und entscheidend zu Problemlösungen beitrug.
Im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin waren andere Zielsetzungen (insbesondere Qualifikationsmaßnahmen) nicht vorgegeben. Es handelte sich bei dem Arbeitgeber, der Gemeinde B., auch nicht um einen Maßnahmeträger, dessen alleiniger Betriebszweck die Vermitt-lung von Qualifizierung und Ausbildung darstellt, so dass sich insbesondere unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 29.01.2008 (B 7/7a AL 70/06 R in SozR 4-4300 § 25 Nr. 2) keine Ausnahme vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ergibt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Arbeitsvertrag der Klägerin, worauf die Beklagte abstellt, eine geschuldete Leistung nicht geregelt war. Der Arbeitsvertrag lehnt sich seiner äußeren Form nach den Verträgen im öffentlichen Dienst (nach TVöD) an. Auch dort ist die konkrete zu verrichtende Tätigkeit regelmäßig nicht beschrieben, son-dern ergibt sich erst aus der Tätigkeitsbeschreibung.
Der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Tätigkeit im Rahmen einer geförderten Arbeitsgelegenheit verrichtet hat. Die Klägerin war im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 im Rahmen des Programms "Sofort" und im Zeitraum vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 im Rahmen des Programms "Perspektive" tätig. Die Sonderprogramme waren jeweils durch den Landkreis L. als Optionslandkreis (i.S.v. § 6b Sozialgesetzbuch, Zweites Buch - SGB II) geschaffen worden. Es handelte sich um Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706). In der Literatur ist strittig, ob § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine eigenständige Bedeutung hat oder nur im Zusammenspiel mit anderen Vorschriften eine Förderung der Arbeitslosen zulässt. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur regelt § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine eigenständige Variante der Arbeitsgelegenheiten (vgl. Niewald in: LPK-SGB II, § 16 Rn. 19; Harks in JurisPK-SGB II § 16 Rdnr. 83; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, 17. ErgLf. § 16 Rdn. 390; Schuhmacher in Oestreicher SGB XII/SGB II, ErgLf. 56, § 16 SGB II Rdn. 70 ff.; a.A. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II § 16 Rdn. 201, 209). Nach der Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (in BT-Drs. 15/1749 S. 32) lehnt sich die Vorschrift an § 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG an. Durch die Regelung soll den Arbeitsagenturen bzw. den optierenden Kommunen zusätzlich zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (nach den §§ 260 ff. SGB III) und den Arbeitsgelegenheiten in der sog. Mehraufwandsentschädigungsvariante (§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II, sog. "1-EUR-Job") ermöglicht werden, auch Arbeitsverhältnisse in regulären betrieblichen Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Aus der Gesetzesbegründung und der bisherigen h.M. zur Vorgängerregelung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG) ergibt sich, dass mit § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine eigenständige Eingliederungsvorschrift geschaffen wurde, die keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Art der durchzuführenden Arbeiten unterliegt (Voelzke in Hauck/Nofts a.a.O., Rdnr. 390). Die von der Beklagten vertretene Auffassung, Arbeitsverhältnisse mit einem Dritten als Arbeitgeber könnten nicht über § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II gefördert werden (so z.B. auch Schuhmacher in Östreicher, SGB XII/SGB II, § 16 Rdnr. 79/80) lässt sich weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung der Vorschrift entnehmen.
Auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II können reguläre Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, ohne dass die Arbeitstätigkeit im öffentlichen Interesse liegt oder zusätzlich sein muss (vgl. Voelzke a.a.O.). Die Tatsache, dass vorliegend die Arbeiten als im öffentlichen Interesse deklariert wurden, ist allerdings auch unschädlich. Die Träger der Grundsicherung (hier der Landkreis L.) kann Arbeitsmöglichkeiten bei privaten Arbeitgebern, bei öffentlich-rechtlichen Trägern oder in Eigenregie betreiben (Voelzke a.a.O.). Die Arbeiten können somit bei allen privaten oder öffentlichen Arbeitgebern organisiert werden. Sie können, müssen aber nicht im öffentlichen Interesse liegen. Werden die Arbeitsgelegenheiten wie hier bei einem Dritten, nicht notwendigerweise öffentlichen Träger geschaffen, handelt es sich um vollwertige Arbeitsverhältnisse mit allen Konsequenzen, insbes. der Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, einschließlich der Arbeitslosenversicherung (vgl. Voelzke a.a.O., Rdnr. 394, 398). Es handelt sich bei den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante im Unterschied zu den Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II) um Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des Arbeitsrechts. Dies nimmt offensichtlich auch die Beklagte in ihrer "Arbeitshilfe AGH" (Abschnitt B 7.2 zu § 16) an. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat in seiner Stellungnahme vom 28.04.2008 gegenüber dem Gericht mitgeteilt, dass es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handelt. Umso unverständlicher ist, dass die Beklagte ihrer eigenen Dienstanweisung und den Ausführungen des BMAS nicht folgt.
Die Kriterien für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus § 7 SGB IV i.V.m. der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind vorliegend erfüllt (s.o.). Dabei ist unerheblich, dass die Lohnkosten zu 100 % bezuschusst wurden. Nicht maßgebend ist ferner, in welchem Verhältnis der Träger der Grundsicherung als fördernde Behörde mit dem Maßnahmeträger (Arbeitgeber) steht.
Aus dem Vortrag der Beklagten, dass das streitige Arbeitsverhältnis einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) ähnelt, die nach § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III versicherungsfrei ist, ergibt sich keine Ausnahme von der Versicherungspflicht. § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848) beinhaltet eine Ausnahmeregelung. Mit Wirkung zum 01.01.2004 sind Personen in einer Beschäftigung, die als ABM gefördert wurde, versicherungsfrei. Damit werden diese Beschäftigungen als Beschäftigungen besonderer Art gestellt und von den Beschäftigungen im allgemeinen Arbeitsmarkt abgehoben. Die Vorschrift des § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III ist für die hier streitigen Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht übertragbar. Eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III kommt nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht, da die Begründung von gesetzlich nicht geregelten Versicherungsfreiheiten im Wege der Analogie grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. BSG SozR 4-2500, § 5 Nr. 2). Vielmehr müssen Versicherungspflichten und auch versicherungsfreie Arbeitsverhältnisse durch den Gesetzgeber klar geregelt werden. Als Ausnahmeregelung lässt sich diese Vorschrift zu den ABM somit auf die hier gegebene Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante nicht übertragen.
Der Gesetzgeber hat im Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917 ff.) § 27 Abs. 3 SGB III neu gefasst. Versicherungsfrei sind danach nunmehr auch Beschäftigungen, die als Arbeitsgelegenheit nach § 16d Satz 1 des SGB II gefördert wird. § 16d Satz 1 SGB II (neu) entspricht § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706) und regelt nunmehr die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante. In der Begründung zur Neuregelung führt der Gesetzgeber aus, dass Beschäftigungen, die als ABM gefördert werden, bereits nach dem geltenden Recht versicherungsfrei zur Arbeitslosenversicherung sind (BT-Drs. 16/10810 vom 08.11.2008). Diese Regelung "wird auch für die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante" übernommen in § 27 Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b SGB II. Nach der Begründung des Gesetzgebers sollen durch die Versicherungsfreiheit bei den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante – ebenso wie bei den als ABM geförderten Beschäftigungen – Fehlanreize zum Aufbau neuer Versicherungsansprüche auf Arbeitslosengeld durch öffentlich geförderte Beschäftigungen beseitigt werden. Aus der Formulierung der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass es sich bei den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante um normale, vollwertige Arbeitsverhältnisse gegen Arbeitsentgelt handelt, die zu einer Versicherungspflicht führen. Dies bestätigt auch die Bundestagsdrucksache 15/1749 S. 32 zur ursprünglichen Fassung des § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II wie auch die Stellungnahme des BMAS vom 28.04.2008. Ein besonderer Tatbestand, welcher die Versicherungspflicht ausschließt, ist in § 27 SGB III somit erst für den Zeitraum ab 01.01.2009 geregelt, was sich aus den Regelungen zum In-Kraft-Treten (Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706) ergibt.
Die von der Beklagten selbst aufgestellten Kriterien eines Beschäftigungsverhältnisses (Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers) sind mithin vollständig erfüllt. Nicht nachvollziehbar ist insoweit der Vortrag der Beklagten, das Entgelt sei nicht Äquivalent einer regulären Arbeitsleistung gewesen. Ein monatliches Entgelt von 1.280,00 EUR Brutto für eine Teilzeitbeschäftigung mit 36 Wochenstunden stellt nach Auffassung der Kammer ein echtes Entgelt und nicht etwa lediglich eine Aufwandsentschädigung dar. Die Klägerin erhält nunmehr in der Festanstellung bei der Diakonie ein geringeres Entgelt. Allein dies zeigt, dass die Klägerin im Rahmen der Arbeitsgelegenheit "echtes" Entgelt i.S.v. § 14 SGB IV verdient hat.
Da die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 und vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig war, hat sie die Beiträge zur Sozialversicherung auch zu Recht entrichtet. Rückerstattungen haben somit nicht zu erfolgen. Die Klägerin hat vielmehr Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Sofern der Klägerin für den Zeitraum ab 01.10.2007 Arbeitslosengeld II ausbezahlt wurde, kann die Beklagte grundsätzlich Erstattungsansprüche nach § 102 ff. Sozial-gesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) gegenüber dem zuständigen Träger geltend machen.
Danach war wie festgestellt zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Klage voll umfänglich erfolgreich war.
Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved