Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 109/08 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 14 Abs. 4 SGB IV; zweitangegangener Rehaträger; stationäre Rehamaßnahme; Erstattungsanspruch; Rente wegen voller Erwerbsminderung
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die vom 10.02.2006 bis 10.03.2006 durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Versicherte H. R. geb ...11.1947, in Höhe von 3.592,55 EUR zu erstatten.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf Euro 3.592,55 festgesetzt.
IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein auf § 14 Abs.4 Satz 1 SGB IX gestützter Erstattungsanspruch.
Die bei der Beklagten krankenversicherte H. R. (in Folgendem: Versicherte) war zuletzt als Reinemachefrau versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2002 bezog sie vom klagenden Rentenversicherungsträger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, die zuletzt bis 31.07.2006 verlängert wurde. Am 24.01.2006 erfolgte bei der Versicherten ein TEP-Wechsel im rechten Hüftgelenk. Am 26.01.2006 wurde über die Klinik bei der beklagten Krankenkasse eine Anschlussheilbehandlung beantragt. Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), der die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers feststellte, gab die Beklagte den Antrag an die Klägerin weiter. Diese lehnte zunächst mit Schreiben vom 02.02.2006 gegenüber dem Klinikum Bayreuth den Antrag ab, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht vorlägen; darüber hinaus bestehe auch aus anderen Gründen kein Rehabilitationsbedarf nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Am 09.02.2006 teilte die Klägerin der Klinik Herzogshöhe, Bayreuth, die Bewilligung einer stationären Anschlussheilbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation für voraussichtlich drei Wochen mit.
Die stationäre Anschlussheilbehandlung wurde vom 10.02.2006 bis 10.03.2006 durchgeführt. Mit Schreiben vom 02.05.2006 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Kostenaufstellung über insgesamt 3.592,55 Euro und machte einen auf § 14 Abs.4 SGB IX gestützten Erstattungsanspruch geltend. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI bei der Versicherten nicht erfüllt seien, da diese bereits bei Antragstellung Erwerbsminderungsrente auf Zeit bezogen habe und darüber hinaus Erwerbsminderung auf Dauer vorliege. Vorausgegangen war eine Neubeurteilung des beruflichen Leistungsvermögens der Versicherten durch den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten. Dieser hatte ursprünglich für eine Verlängerung der Zeitrente bis 31.07.2006 plädiert, nach erneuter Zuleitung des Vorgangs im Rahmen des Reha-Verfahrens änderte Dr.L. die Leistungseinschätzung im Abschluss- und Beurteilungsbogen dahingehend ab, dass die Versicherte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer nur noch unter drei Stunden einsatzfähig sei (Stellungnahme vom 02.02.2006).
Mit Schreiben vom 10.09.2007 lehnte die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsanspruch ab: Die Versicherte habe bis zum Zeitpunkt der Reha-Antragstellung eine befristete Rente wegen voller Minderung der Erwerbsfähigkeit bezogen; gemäß § 11 Abs.1 Nr.2 SGB VI sei versicherungsrechtlich die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers gegeben. In ihrer Rechtsauffassung bestärkt sieht sich die Beklagte ferner durch den Heilverfahren-Entlassungsbericht der Klinik Herzoghöhe. Darin wird mit Ablauf des dritten postoperativen Monats ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, ohne besondere Belastung beider Hüften, ohne gehäufte Zwangshaltungen, ohne gehäuftes Hocken sowie ohne Stossbelastung sowie ohne gehäuftes Steigen auf Leitern und Gerüsten vollschichtig für zumutbar gehalten.
Mit Schreiben vom 08.01.2007 erwiderte hierauf die Klägerin, die im AHB-Entlassungsbericht der Klinik Herzoghöhe getätigte Leistungsbeurteilung für die bereits zeitberentete Versicherte sei "idealisierend". Ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Versicherten habe nach Ansicht des Sozialärztlichen Dienstes weder vor noch nach der Hüftprothesenwechsel-Operation bestanden. Insoweit sei der Entlassungsbericht der Klinik Herzoghöhe aus sozialmedizinischer und chirurgischer Sicht nicht nachvollziehbar.
Nachdem der weitere vorgerichtliche Schriftwechsel keine Annäherung der Standpunkte erbrachte, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 21.04.2008 Klage zum Sozialgericht Landshut und trug vor: Der Erstattungsanspruch gründe sich in § 14 Abs.4 Satz 1 SGB IX. Die Klägerin habe als zweitangegangener Leistungsträger geleistet. Maßgebend für den Leistungsanspruch der Versicherten gegen die Klägerin sei ausschließlich § 10 Abs.1 SGB VI. Dessen Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt, da die bereits vorhandene volle Erwerbsminderung weder wesentlich gebessert noch wieder hergestellt werden könne.
In ihrer Klageerwiderung vom 25.07.2008 wies die Beklagte erneut auf die grundsätzliche Zuständigkeit des Trägers der Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe hin, soweit die persönlichen Voraussetzungen in der Person des Versicherten – wie vorliegend – erfüllt seien. Bei der Prüfung der Zuständigkeit sei auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Hier müsse eine Wahrscheinlichkeitsprognose über die Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung abgegeben werden. Nach gutachterlicher Feststellung durch den MDK sei von einer positiven Prognose auszugehen. Im Übrigen sei die von den Ärzten der Reha-Klinik aufgrund persönlicher Beobachtung über einen Zeitraum von vier Wochen getroffene Einschätzung höher zu bewerten als die nach Aktenlage erfolgte Vorab-Beurteilung durch den Sozialmedizinischen Dienst der Klägerin.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte die Vertreterin der Klägerin den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die vom 10.02.2006 bis 10.03.2006 durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für ihre Versicherte R. H., geboren ...11.1947, in Höhe von insgesamt 3.592,55 Euro zu erstatten.
Der Vertreter der Beklagten stellte den Antrag, die Klage abzuweisen, ferner der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Klägerin sowie der Beklagten sowie auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Gegenstand der Beweisaufnahme war ferner die sozialärztliche Stellungnahme des Dr. L. vom 19.12.2007.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die beklagte Krankenkasse ist verpflichtet, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr anlässlich des stationären Reha-Aufenthalts der Versicherten H. R. in der Zeit vom 10.02.2006 bis 10.03.2006 entstanden sind. Die von der Beklagten hiergegen erhobenen Einwände greifen nach Überzeugung der Kammer nicht durch.
1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 14 Abs.4 SGB IX. Die Klägerin hat als zweitangegangener Rehabilitationsträger geleistet. Zuständig für die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme bei der Versicherten wäre die Beklagte gewesen (§ 27 Abs.1 Satz 2 Ziffer 6 i.V.m. § 40 Abs.1 und 2 SGB V). Da die Beklagte ihrer Leistungspflicht nicht nachgekommen ist, sondern den Rehabilitationsantrag – im Ergebnis zu Unrecht – an die Klägerin weitergeleitet hat, hat sie deren Aufwendungen zu erstatten.
2. Die vier Versicherungsfälle der Reha-Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach den §§ 9 Abs.1 Satz, 10 Abs.1 SGB VI: a) Die erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung, soweit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen abgewendet werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.a SGB VI – Prävention), b) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, soweit diese durch Leistungen wesentlich gebessert (oder wieder hergestellt) werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.b 1. Alt. SGB VI), c) die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung einer bereits eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit, soweit sie durch Leistungen abgewendet werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.b 2. Alt. SGB VI), d) der Eintritt teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit, soweit der (inne gehabte) Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.c SGB VI).
3. Bei der Versicherten lag keiner der oben beschriebenen Versicherungsfälle der Reha-Versicherung vor. Im Anschluss an die Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes der Klägerin ist vielmehr davon auszugehen, dass bei der Versicherten bereits bei Beginn der Maßnahme am 10.02.2006 volle Erwerbsminderung auf Dauer vorlag. Nach Auffassung der Kammer besitzt der Rentenversicherungsträger grundsätzlich eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang ein Versicherter erwerbsgemindert ist und dementsprechend Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besitzt. Prognostische Erwägungen und Vermutungen anderer Versicherungsträger über ein eventuelles Leistungsvermögen eines Versicherten zu einem bestimmten Zeitpunkt müssen dementsprechend zurücktreten. Da die Versicherte ursprünglich nur auf Zeit berentet war, bestand für die Beklagte durchaus Anlass, ihre Zuständigkeit hinsichtlich der in Frage stehenden stationären Reha-Maßnahme sozialmedizinisch überprüfen zu lassen. Andererseits kann dem Rentenversicherungsträger nicht das Recht abgesprochen werden, im Rahmen eines laufenden Reha-Verfahrens den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer festzustellen. Dass eine medizinische Begründung erst durch die sozialärztliche Stellungnahme vom 19.12.2007 "nachgereicht" wurde, ändert nichts an der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung. In seiner Stellungnahme vom 19.12.2007 hat Dr. L. vom sozialärztlichen Dienst des Beklagten für die Kammer überzeugend dargelegt, dass es sich bei der zeitlichen Leistungseinschränkung der Versicherten – angesichts der Schwere, des Verlaufs und der Kombination der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (u.a. Zustand nach Hüft-TEP beidseits mit komplikationsträchtigem postoperativen Verlauf, erhebliche Verschleißveränderungen der gesamten Wirbelsäule, funktionsbeeinträchtigenden Verschleißveränderungen der Schultergelenke) – um einen Dauerzustand handelt. Der Heilverfahrenentlasssungsbericht der Klinik Herzoghöhe vom 13.03.2006, worin der Versicherten nach Ablauf des dritten postoperativen Monats eine vollschichtige Einsatzfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter Beachtung zahlreicher qualitativer Einschränkungen) bescheinigt wird, kann mit der Klägerin nur als "idealisierend" bezeichnet werden. In Anbetracht des Lebensalters der Versicherten und des Umstandes, dass diese bereits seit 2002 durchgehend im Rentenbezug stand, war die prognostizierte Möglichkeit der Wiedereingliederung in eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit wenig realistisch.
4. Nachdem die Klägerin somit nicht der zuständige Leistungsträger für die streitige Reha-Maßnahme war, kann sie von der Beklagten ihre Aufwendungen erstattet verlangen. Über die Höhe der Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 52 Abs.1, § 63 Abs.2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Für eine Zulassung der Berufung bestand keine Veranlassung. Die Entscheidung der Kammer hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch weicht sie, soweit ersichtlich, von einer obergerichtlichen Entscheidung ab (§ 144 Abs.2 SGG).
-
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf Euro 3.592,55 festgesetzt.
IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein auf § 14 Abs.4 Satz 1 SGB IX gestützter Erstattungsanspruch.
Die bei der Beklagten krankenversicherte H. R. (in Folgendem: Versicherte) war zuletzt als Reinemachefrau versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2002 bezog sie vom klagenden Rentenversicherungsträger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, die zuletzt bis 31.07.2006 verlängert wurde. Am 24.01.2006 erfolgte bei der Versicherten ein TEP-Wechsel im rechten Hüftgelenk. Am 26.01.2006 wurde über die Klinik bei der beklagten Krankenkasse eine Anschlussheilbehandlung beantragt. Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), der die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers feststellte, gab die Beklagte den Antrag an die Klägerin weiter. Diese lehnte zunächst mit Schreiben vom 02.02.2006 gegenüber dem Klinikum Bayreuth den Antrag ab, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht vorlägen; darüber hinaus bestehe auch aus anderen Gründen kein Rehabilitationsbedarf nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Am 09.02.2006 teilte die Klägerin der Klinik Herzogshöhe, Bayreuth, die Bewilligung einer stationären Anschlussheilbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation für voraussichtlich drei Wochen mit.
Die stationäre Anschlussheilbehandlung wurde vom 10.02.2006 bis 10.03.2006 durchgeführt. Mit Schreiben vom 02.05.2006 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Kostenaufstellung über insgesamt 3.592,55 Euro und machte einen auf § 14 Abs.4 SGB IX gestützten Erstattungsanspruch geltend. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI bei der Versicherten nicht erfüllt seien, da diese bereits bei Antragstellung Erwerbsminderungsrente auf Zeit bezogen habe und darüber hinaus Erwerbsminderung auf Dauer vorliege. Vorausgegangen war eine Neubeurteilung des beruflichen Leistungsvermögens der Versicherten durch den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten. Dieser hatte ursprünglich für eine Verlängerung der Zeitrente bis 31.07.2006 plädiert, nach erneuter Zuleitung des Vorgangs im Rahmen des Reha-Verfahrens änderte Dr.L. die Leistungseinschätzung im Abschluss- und Beurteilungsbogen dahingehend ab, dass die Versicherte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer nur noch unter drei Stunden einsatzfähig sei (Stellungnahme vom 02.02.2006).
Mit Schreiben vom 10.09.2007 lehnte die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsanspruch ab: Die Versicherte habe bis zum Zeitpunkt der Reha-Antragstellung eine befristete Rente wegen voller Minderung der Erwerbsfähigkeit bezogen; gemäß § 11 Abs.1 Nr.2 SGB VI sei versicherungsrechtlich die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers gegeben. In ihrer Rechtsauffassung bestärkt sieht sich die Beklagte ferner durch den Heilverfahren-Entlassungsbericht der Klinik Herzoghöhe. Darin wird mit Ablauf des dritten postoperativen Monats ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, ohne besondere Belastung beider Hüften, ohne gehäufte Zwangshaltungen, ohne gehäuftes Hocken sowie ohne Stossbelastung sowie ohne gehäuftes Steigen auf Leitern und Gerüsten vollschichtig für zumutbar gehalten.
Mit Schreiben vom 08.01.2007 erwiderte hierauf die Klägerin, die im AHB-Entlassungsbericht der Klinik Herzoghöhe getätigte Leistungsbeurteilung für die bereits zeitberentete Versicherte sei "idealisierend". Ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Versicherten habe nach Ansicht des Sozialärztlichen Dienstes weder vor noch nach der Hüftprothesenwechsel-Operation bestanden. Insoweit sei der Entlassungsbericht der Klinik Herzoghöhe aus sozialmedizinischer und chirurgischer Sicht nicht nachvollziehbar.
Nachdem der weitere vorgerichtliche Schriftwechsel keine Annäherung der Standpunkte erbrachte, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 21.04.2008 Klage zum Sozialgericht Landshut und trug vor: Der Erstattungsanspruch gründe sich in § 14 Abs.4 Satz 1 SGB IX. Die Klägerin habe als zweitangegangener Leistungsträger geleistet. Maßgebend für den Leistungsanspruch der Versicherten gegen die Klägerin sei ausschließlich § 10 Abs.1 SGB VI. Dessen Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt, da die bereits vorhandene volle Erwerbsminderung weder wesentlich gebessert noch wieder hergestellt werden könne.
In ihrer Klageerwiderung vom 25.07.2008 wies die Beklagte erneut auf die grundsätzliche Zuständigkeit des Trägers der Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe hin, soweit die persönlichen Voraussetzungen in der Person des Versicherten – wie vorliegend – erfüllt seien. Bei der Prüfung der Zuständigkeit sei auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Hier müsse eine Wahrscheinlichkeitsprognose über die Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung abgegeben werden. Nach gutachterlicher Feststellung durch den MDK sei von einer positiven Prognose auszugehen. Im Übrigen sei die von den Ärzten der Reha-Klinik aufgrund persönlicher Beobachtung über einen Zeitraum von vier Wochen getroffene Einschätzung höher zu bewerten als die nach Aktenlage erfolgte Vorab-Beurteilung durch den Sozialmedizinischen Dienst der Klägerin.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte die Vertreterin der Klägerin den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die vom 10.02.2006 bis 10.03.2006 durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für ihre Versicherte R. H., geboren ...11.1947, in Höhe von insgesamt 3.592,55 Euro zu erstatten.
Der Vertreter der Beklagten stellte den Antrag, die Klage abzuweisen, ferner der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Klägerin sowie der Beklagten sowie auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Gegenstand der Beweisaufnahme war ferner die sozialärztliche Stellungnahme des Dr. L. vom 19.12.2007.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die beklagte Krankenkasse ist verpflichtet, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr anlässlich des stationären Reha-Aufenthalts der Versicherten H. R. in der Zeit vom 10.02.2006 bis 10.03.2006 entstanden sind. Die von der Beklagten hiergegen erhobenen Einwände greifen nach Überzeugung der Kammer nicht durch.
1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 14 Abs.4 SGB IX. Die Klägerin hat als zweitangegangener Rehabilitationsträger geleistet. Zuständig für die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme bei der Versicherten wäre die Beklagte gewesen (§ 27 Abs.1 Satz 2 Ziffer 6 i.V.m. § 40 Abs.1 und 2 SGB V). Da die Beklagte ihrer Leistungspflicht nicht nachgekommen ist, sondern den Rehabilitationsantrag – im Ergebnis zu Unrecht – an die Klägerin weitergeleitet hat, hat sie deren Aufwendungen zu erstatten.
2. Die vier Versicherungsfälle der Reha-Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach den §§ 9 Abs.1 Satz, 10 Abs.1 SGB VI: a) Die erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung, soweit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen abgewendet werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.a SGB VI – Prävention), b) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, soweit diese durch Leistungen wesentlich gebessert (oder wieder hergestellt) werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.b 1. Alt. SGB VI), c) die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung einer bereits eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit, soweit sie durch Leistungen abgewendet werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.b 2. Alt. SGB VI), d) der Eintritt teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit, soweit der (inne gehabte) Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann (§ 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.c SGB VI).
3. Bei der Versicherten lag keiner der oben beschriebenen Versicherungsfälle der Reha-Versicherung vor. Im Anschluss an die Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes der Klägerin ist vielmehr davon auszugehen, dass bei der Versicherten bereits bei Beginn der Maßnahme am 10.02.2006 volle Erwerbsminderung auf Dauer vorlag. Nach Auffassung der Kammer besitzt der Rentenversicherungsträger grundsätzlich eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang ein Versicherter erwerbsgemindert ist und dementsprechend Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besitzt. Prognostische Erwägungen und Vermutungen anderer Versicherungsträger über ein eventuelles Leistungsvermögen eines Versicherten zu einem bestimmten Zeitpunkt müssen dementsprechend zurücktreten. Da die Versicherte ursprünglich nur auf Zeit berentet war, bestand für die Beklagte durchaus Anlass, ihre Zuständigkeit hinsichtlich der in Frage stehenden stationären Reha-Maßnahme sozialmedizinisch überprüfen zu lassen. Andererseits kann dem Rentenversicherungsträger nicht das Recht abgesprochen werden, im Rahmen eines laufenden Reha-Verfahrens den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer festzustellen. Dass eine medizinische Begründung erst durch die sozialärztliche Stellungnahme vom 19.12.2007 "nachgereicht" wurde, ändert nichts an der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung. In seiner Stellungnahme vom 19.12.2007 hat Dr. L. vom sozialärztlichen Dienst des Beklagten für die Kammer überzeugend dargelegt, dass es sich bei der zeitlichen Leistungseinschränkung der Versicherten – angesichts der Schwere, des Verlaufs und der Kombination der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (u.a. Zustand nach Hüft-TEP beidseits mit komplikationsträchtigem postoperativen Verlauf, erhebliche Verschleißveränderungen der gesamten Wirbelsäule, funktionsbeeinträchtigenden Verschleißveränderungen der Schultergelenke) – um einen Dauerzustand handelt. Der Heilverfahrenentlasssungsbericht der Klinik Herzoghöhe vom 13.03.2006, worin der Versicherten nach Ablauf des dritten postoperativen Monats eine vollschichtige Einsatzfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter Beachtung zahlreicher qualitativer Einschränkungen) bescheinigt wird, kann mit der Klägerin nur als "idealisierend" bezeichnet werden. In Anbetracht des Lebensalters der Versicherten und des Umstandes, dass diese bereits seit 2002 durchgehend im Rentenbezug stand, war die prognostizierte Möglichkeit der Wiedereingliederung in eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit wenig realistisch.
4. Nachdem die Klägerin somit nicht der zuständige Leistungsträger für die streitige Reha-Maßnahme war, kann sie von der Beklagten ihre Aufwendungen erstattet verlangen. Über die Höhe der Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 52 Abs.1, § 63 Abs.2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Für eine Zulassung der Berufung bestand keine Veranlassung. Die Entscheidung der Kammer hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch weicht sie, soweit ersichtlich, von einer obergerichtlichen Entscheidung ab (§ 144 Abs.2 SGG).
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