S 5 AS 2121/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 2121/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Bezieher von Arbeitslosengeld II, der wegen § 5 Abs. 5a SGB V nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, sondern im sog. Basistarif bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, hat gegenüber dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Anspruch auf Übernahme seines gesamten Krankenversicherungsbeitrags, wenn er diesen mangels Einkommens nicht absetzen kann und der Beitrag bereits nach § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG um die Hälfte vermindert ist; sein Anspruch ist dann nicht auf den in § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG genannten Betrag begrenzt.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 9.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2009 verpflichtet, den Bescheid vom 29.1.2009 zu ändern und dem Kläger einen weiteren Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 56,94 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR zu gewähren. 2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe eines Zuschusses zum Beitrag für eine private Krankenversicherung.

Der am xx.xx.1952 geborene Kläger war seit dem 1.3.2008 bei der S. Krankenversicherung a. G. zum sog. Basistarif privat krankenversichert. Sein (wegen Hilfebedürftigkeit verminderter) Beitrag betrug seit dem 1.1.2009 monatlich 284,82 EUR.

Auf Antrag des Klägers vom 20.1.2009 bewilligte ihm die Beklagte mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 29.1.2009 für die Zeit vom 20.1. - 30.6.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie Zuschüsse zu den Beiträgen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung; den Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag setzte sie für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 auf 51,82 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 auf monatlich 129,54 EUR fest.

Am 7.4.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids. Der Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag müsse erhöht werden, so der Kläger. Denn er zahle einen monatlichen Beitrag in Höhe von 284,82 EUR; hiervon habe die Beklagte nur einen Teil übernommen.

Mit Bescheid vom 9.4.2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Zur Begründung gab sie an, ein höherer Zuschuss sei nicht möglich. Der Beitrag nach dem halben Basistarif in der privaten Krankenversicherung übersteige regelmäßig den gesetzlichen Zuschuss. Den Differenzbetrag könne der Hilfebedürftige gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom Einkommen absetzen. Verfüge er über kein Einkommen, könne allerdings eine Deckungslücke entstehen. Für den Ausgleich dieser Lücke durch die Grundsicherungsträger bestehe indes keine rechtliche Grundlage.

Hiergegen legte der Kläger am 21.4.2009 Widerspruch ein. Er machte geltend, zwischen dem von ihm geschuldeten Krankenversicherungsbeitrag und dem Zuschuss der Beklagten bestehe eine Differenz in Höhe von 155,28 EUR. Müsste er diese Unterdeckung durch Rückgriff auf die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 351 EUR ausgleichen, blieben ihm für den Lebensunterhalt nur noch monatlich 195,72 EUR. Die Grundsicherung wäre damit nicht mehr gewährleistet. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Gesetzgeber dieses Ergebnis gewollt habe. Eine Alternative zur privaten Krankenversicherung bestehe für ihn nicht. Denn eine Rückkehr in eine gesetzliche Krankenversicherung sei ihm nicht möglich. Er benötige im Übrigen zwingend Medikamente, die nicht billig seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.5.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II gälten für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, die Regelungen des § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG. Nach dem hier einschlägigen § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG zahle der zuständige Träger nur den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Dies seien gemäß § 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 246 SGB V monatlich 129,54 EUR. Für einen höheren Zuschuss zum Ausgleich der Deckungslücke bestehe keine gesetzliche Grundlage.

Mit der am 12.5.2009 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Er trägt ergänzend vor, mittlerweile habe ihm die S. Krankenversicherung a. G. das Ruhen seines Krankenversicherungsschutzes angedroht, sofern er nicht kurzfristig seinen Beitragsrückstand ausgleiche. Der Beitragsrückstand beruhe letztlich darauf, dass die von der Beklagten bewilligten Leistungen nicht ausreichten, um die Kosten für seinen Lebensunterhalt, seine Versicherungsbeiträge und die von ihm erwarteten Bewerbungen (ca. 30 EUR pro Monat) zu decken. Im Falle des Ruhens seines Krankenversicherungsschutzes trete für ihn eine bedrohliche Situation ein. Denn im Jahr 2008 habe er einen Herzinfarkt erlitten. Er sei daher auf regelmäßige Nachuntersuchungen und Medikamente angewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2009 zu verpflichten, den Bescheid vom 29.1.2009 zu ändern und ihm einen weiteren Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 56,94 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1) Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Änderung des bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 29.1.2009 und Gewährung eines weiteren Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 56,94 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

So verhält es sich hier. Zu Unrecht hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.1.2009 den Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 auf 51,82 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 auf monatlich 129,54 EUR begrenzt; richtigerweise hätte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 einen Zuschuss in Höhe von 113,93 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 284,82 EUR bewilligen müssen.

Der Anspruch des Klägers in dieser Höhe ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II (i. d. F. des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl. I Seite 378 / GKV-WSG). Nach dieser Vorschrift wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag übernommen.

a) Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder versicherungspflichtig noch familienversichert.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V sind Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II beziehen, grundsätzlich in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Hiervon ausgenommen sind allerdings diejenigen, die unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert waren (§ 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V i. d. F. des GKV-WSG); diese Personen sollen ab dem 1.1.2009 dem Kreis der Privatversicherten zugeordnet bleiben (Just in: Becker/Kingreen, SGB V, § 5 Rdnr. 22; Baier in; SozKV, § 5 SGB V Rdnr. 20). Nur bei Personen, die bereits am 31.12.2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig waren, wird aus Gründen des Vertrauensschutzes die Pflichtversicherung für die Dauer der Hilfebedürftigkeit fortgesetzt (vgl. § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V i. d. F. des GKV-WSG).

Gemessen hieran war der Kläger nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig. Denn unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II (der am 20.1.2009 begann, also erst nach dem 31.12.2008) war er bei der S. Krankenversicherung a. G. privat krankenversichert.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V.

b) Der Kläger war zwar - entgegen dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II - im streitigen Zeitraum nicht freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, sondern privat krankenversichert; die Regelung ist hier aber analog anwendbar.

Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke voraus, zum anderen eine gleichartige Interessenlage: Der lückenhaft geregelte Sachverhalt muss dem geregelten so ähnlich sein, dass der Gesetzgeber ihn, hätte er die Regelungslücke erkannt, in gleicher Weise geregelt hätte (BSGE 83, 68, 71; 89, 199, 202 f.; 96, 257 Rdnr. 14).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:

aa) Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor.

Eine solche Lücke besteht in erster Linie, wenn das Gesetz - gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers - unvollständig ist. Sie kann aber auch vorliegen, wenn das Gesetz zwar eine nach ihrem Wortlaut anwendbare Regelung enthält, diese aber nach ihrem Sinn und Zweck nicht passt oder sich in dem System, in dem sie enthalten ist, als Fremdkörper erweist. Solche Systemwidrigkeiten können z. B. nachträglich durch Gesetzesänderungen eintreten. Die dadurch entstehende Regelungslücke ist dann durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand vorgesehenen Rechtsfolge zu schließen (BSGE 82, 68, 71 f.).

Im vorliegenden Fall existiert zwar mit § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des GKV-WSK) eine nach ihrem Wortlaut einschlägige Regelung zur Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung; ihre wortgetreue Anwendung würde aber zu einer systemwidrigen Belastung des Klägers mit einem Teil seiner Beiträge führen:

(1) Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollen Bezieher von Arbeitslosengeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein.

Bis zum 31.12.2008 waren Bezieher von Arbeitslosengeld II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V generell in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Den pflichtversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II stehen die Leistungen nach dem SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen (BSG, SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 Rdnr. 53). Denn gemäß § 251 Abs. 4 SGB V trägt der Bund deren Beiträge. Bei der Übernahme der Beiträge handelt es sich um eine Annexleistung zu den Leistungen nach dem SGB II (Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 26 Rdnr. 5).

Von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen waren bis zum 31.12.2008 lediglich diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II, die auf ihren Antrag hin, also mit ihrem ausdrücklichen Willen, von der Versicherungspflicht befreit waren (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I Seite 2954). Diese Personen erhielten gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II (i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818) vom zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Zuschuss zu den Beiträgen, die sie für eine private Krankenversicherung zahlten. Zwar war dieser Zuschuss auf die Höhe des Beitrags begrenzt, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen gewesen wäre (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818); er deckte also nicht zwingend den gesamten Beitrag für die private Krankenversicherung ab. Dies war aber im Ergebnis unproblematisch. Denn eine etwaige Differenz zwischen dem Zuschuss und dem Beitrag basierte stets auf der eigenen willentlichen Entscheidung des Hilfebedürftigen, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien zu lassen. Praktisch dürften von der Möglichkeit einer Befreiung nur diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II Gebrauch gemacht haben, deren Beitrag für die private Krankenversicherung unter oder jedenfalls nur geringfügig über der Grenze des § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II lag.

Seit dem 1.1.2009 sind nun gemäß § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V bestimmte Bezieher von Arbeitslosengeld II von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob dies ihrem Willen entspricht. Betroffen ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 und 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Nach der Begründung des Gesetzgebers handelt es sich bei dieser Regelung um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen: da die privaten Krankenversicherungen künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert sind oder sein können, erscheine es nicht länger erforderlich, diese Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen (BT-Drucks. 16/3100 Seite 94 f. - zu § 5 SGB V). Der Gesetzesbegründung ist indes kein Hinweis darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe - abweichend von der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II nun gegen ihren Willen mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert werden (BT-Drucks. 16/3100 Seite 207- zu § 12 VAG). Dies erschien dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der "Bezahlbarkeit des Basistarifs" (BT-Drucks., a. a. O.,) gewährleistet. Der in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II neu geregelten Verweisung auf § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG maß der Gesetzgeber anscheinend keine materiell-begrenzende, sondern nur eine formal-technische Bedeutung bei. Denn er rechtfertigt sie allein mit "Gründen der Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit" (BT-Drucks. 16/4247 Seite 60 - zu § 26 SGB II).

Vor diesem Hintergrund entspricht es weiterhin der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, für Bezieher von Arbeitslosegeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, ohne sie gegen ihren Willen mit Beiträgen zu belasten.

(2) Bei wortgetreue Anwendung der seit dem 1.1.2009 geltenden gesetzlichen Regelungen würde die vom Gesetzgeber intendierte Rechtsfolge im vorliegenden Fall verfehlt. Denn ohne dass der Kläger dies will, müsste er den überwiegenden Teil seines Krankenversicherungsbeitrags in Höhe von monatlich 284,82 EUR selbst tragen:

(a) Ausgehend vom Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des GKV-WSG) hätte die Beklagte nur einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 129,54 EUR zu leisten.

Nach dieser Vorschrift gilt für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die - wie der Kläger - in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG. Gemäß dem hier maßgeblichen § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG zahlt der zuständigen Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung gelten als beitragpflichtige Einnahmen bei Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen, der 30. Teil des 0,345-fachen der monatlichen Bezugsgröße (§ 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V), im streitigen Zeitraum mithin monatlich 869,40 EUR. Der maßgebliche Beitragssatzes betrug 14,9 % (§ 246 i. V. m. § 243 SGB V und § 2 GKV-BSV vom 29.10.2008).

Hieraus ergäbe sich ein Zuschuss in Höhe von (nur) 129,54 EUR, also in der von der Beklagten festgesetzten Höhe.

(b) Gegenüber dem beigeladenen Sozialhilfeträger hat der Kläger keinen Anspruch darauf, die Differenz zwischen der Höhe seines Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses seitens der Beklagten auszugleichen.

(aa) § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII scheidet als Anspruchsgrundlage aus.

Zwar übernimmt der Sozialhilfeträger nach dieser Vorschrift die Aufwendungen für eine Krankenversicherung bei einem (privaten) Versicherungsunternehmen, soweit sie angemessen und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 SGB XII (Hilfebedürftigkeit) erfüllt sind; "angemessen" sind gegebenenfalls auch Aufwendungen, die über die in § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG normierte Grenze hinausgehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.6.2009, L 2 SO 2529/09 ER-B; Beschluss vom 8.7.2009, L 7 SO 2453/09 ER-B).

Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II schließt aber ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII aus. Das Dritte Kapitel des SGB XII umfasst die §§ 27 - 40, also u. a. den § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII.

Der Kläger bezog im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Angesichts dessen kann er sich nicht auf § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB II berufen.

(bb) Ein Anspruch des Klägers gegenüber dem beigeladenen Sozialhilfeträger ergibt sich auch nicht aus § 73 Satz 1 SGB XII. Zwar ist diese Vorschrift hier grundsätzlich anwendbar (dazu (aaa)); ihre Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt (dazu (bbb)).

(aaa) § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II steht der Anwendung des § 73 Satz 1 SGB XII (anders als der Anwendung des § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII) nicht entgegen. Denn § 73 Satz 1 SGB II findet sich nicht im Dritten, sondern im Neunten Kapitel des SGB XII. Auch Bezieher von Arbeitslosengeld II können daher prinzipiell Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 Satz 1 SGB XII beanspruchen (vgl. BSGE 97, 242 Rdnr. 21).

(bbb) Gemäß § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen (vom Sozialhilfeträger) auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Als "sonstige Lebenslagen" komme indes nur atypische Bedarfslagen in Betracht, die nicht bereits durch andere Vorschriften des SGB XII erfasst sind (BSG, SozR 4-3500 § 21 Nr. 1 Rdnr. 24). Wie unter (aa) ausgeführt, regelt § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII die Übernahme der Aufwendungen für eine private Krankenversicherung. Angesichts dessen lässt sich die hier streitige Problematik nicht als atypische "sonstige Lebenslage" werten.

(c) Der Kläger hatte auch keine zumutbare Möglichkeit, die Lücke zwischen der Höhe seines Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses seitens der Beklagten selbst zu schließen:

(aa) eine (weitere) Reduzierung seines Krankenversicherungsbeitrags war ausgeschlossen.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei der S. Krankenversicherung a. G. im sog. Basistarif versichert, dessen Vertragsleistungen gem. § 12 Abs. 1a Satz 1 VAG in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V vergleichbar sind. Angesichts der Beschränkung der Vertragsleistungen auf das Notwendigste bestand für den Kläger keine Möglichkeit, den Beitrag durch Kündigung etwaiger Tarife für entbehrliche Zusatzleistungen zu senken.

Wie generell in der privaten Krankenversicherung, so orientiert sich auch beim sog. Basistarif die Höhe der Prämien nicht am Erwerbseinkommen des Versicherungsnehmers, sondern am individuellen Versicherungsrisiko, das sich insbesondere aus Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen ergibt (BVerfG, NJW 2009, 2033 Rdnr. 156). Auf diese Faktoren hat der Kläger naturgemäß keinen Einfluss. Sie sind indes der Grund dafür, warum der (ältere und herzkranke) Kläger trotz beengter finanzieller Verhältnisse einen recht hohen Beitrag zahlen musste.

Von der durch § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 1 i. V. m. Satz 4 VAG eröffneten Möglichkeit, den Krankenversicherungsbeitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II um die Hälfte zu vermindern, hatte der Kläger bereits aus eigener Initiative Gebrauch gemacht. Sein monatlicher Beitrag reduzierte sich dadurch von 582,80 EUR auf 284,82 EUR. Den Antrag des Klägers auf eine weitere Reduzierung hatte die S. Krankenversicherung a. G. mit Schreiben vom 31.3.2009 ausdrücklich abgelehnt.

(bb) Dem Kläger war es auch nicht möglich, den ungedeckten Teil seines Beitrags zur privaten Krankenversicherung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom Einkommen abzusetzen. Denn im streitigen Zeitraum verfügte er über kein Einkommen.

(cc) Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Differenz zwischen der Höhe seines Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses seitens der Beklagten aus der ihm bewilligten Regelleistung zu begleichen.

Gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie (ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile), Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Auch Aufwendungen für die Gesundheitspflege muss der Hilfebedürftigen mit der Regelleistung bestreiten, allerdings nur in begrenztem Umfang: Der Regelleistung zugerechnet werden im wesentlichen diejenigen Aufwendungen, die ein Versicherter nach dem SGB V selbst tragen muss, also z. B. Kosten für Praxisgebühr, Zuzahlungen und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (vgl. die Abteilung 06 der sog. Einkommens- und Verbrauchstichprobe, an der sich der Gesetzgeber bei Festlegung der Höhe der Regelleistung orientiert hat, BT-Drucks. 15/1516 Seite 56; dazu auch Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 20 Rdnr. 29; Däubler, NZS 2005, 225, 229). Nicht von der Regelleistung umfasst sind hingegen die Aufwendungen für die Krankenversicherungsbeiträge (vgl. den tabellarischen Überblick des Gesetzgebers über den zu sichernden Bedarf, BT-Drucks. 15/1516 Seite 55: "Pauschale Regelleistungen jeweils zuzüglich ... die zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung"). Für die Übernahme dieser Aufwendungen hat der Gesetzgeber mit § 26 Abs. 2 SGB II und § 251 Abs. 4 SGB V eigenständige Rechtsgrundlagen vorgesehen.

(dd) Ein Verzicht des Klägers auf seinen Krankenversicherungsschutz kommt nicht in Betracht. Denn zum einen ist eine ausreichende medizinische Versorgung Teil des von Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG geschützten Existenzminimums (BSG, SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 Rdnr. 31). Zum anderen ist der Kläger gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG verpflichtet, eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten.

bb) Hätte der Gesetzgeber die Regelungslücke - die hier zu einer systemwidrigen Belastung des Klägers mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge führt - erkannt, hätte er die Übernahme der Beiträge von Beziehern von Arbeitslosengeld II, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, mutmaßlich ähnlich geregelt wie bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind; denn die Interessenlage ist bei beiden Personengruppen gleich. Dies rechtfertigt eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II.

Nach dieser Vorschrift wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs "der Beitrag übernommen". Anders als § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG sieht § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II also keine betragsmäßige Begrenzung der Beitragübernahme vor. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist indes nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Interessenlage von privat krankenversicherten und freiwillig gesetzlich krankenversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II identisch: Beide Personengruppen müssen mangels Versicherungspflicht oder Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung selbst für den Fall der Krankheit vorsorgen. Angesichts dessen erscheint es möglich und geboten, die - nach ihrem Wortlaut auf freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zugeschnittene - Vorschrift des § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II hier entsprechend anzuwenden und auf diese Weise der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (Krankenversicherungsschutz der Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Beitragstragung) gerecht zu werden.

c) Der monatliche Krankenversicherungsbeitrag des Klägers betrug im streitigen Zeitraum 284,82 EUR. Ausgehend von der Verpflichtung der Beklagten, diesen Beitrag in vollem Umfang zu übernehmen, konnte der Kläger somit (neben seiner Regelleistung) für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 monatlich 284,82 EUR beanspruchen; für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 betrug sein Anspruch 113,93 EUR (= 12/30 von 284,82 EUR; vgl. zu dieser Berechnungsweise Conradis in: LPK-SGB II, 2. Aufl., § 41 Rdnr. 5; Eicher in: Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 41 Rdnr. 10).

Bewilligt hat die Beklagte demgegenüber (neben der Regelleistung) für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 nur monatlich 129,54 EUR und für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 nur 51,82 EUR.

Hieraus folgt ein restlicher Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR und für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 62,11 EUR. Da der Kläger indes für Januar 2009 lediglich einen weiteren Zuschuss in Höhe von 56,94 EUR beantragt hatte, konnte die Kammer nicht mehr zusprechen als beantragt war (vgl. Keller in; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 123 Rdnr. 4).

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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