Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 5979/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 4104 (Lungenkrebs)
Hier: arbeitstechnische Bedingungen
Hier: arbeitstechnische Bedingungen
Tenor: Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren als Sonderrechtsnachfolger ihres verstorbenen und bei der Beklagten versicherten Vaters - künftig: Versicherter - eine Berufskrankheit - BK - nach Listennummer 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - festzustellen.
Der am ... in Bühlertal geborene und im Februar 2009 in Freiburg im Breisgau verstorbene Versicherte absolvierte den Hauptschulabschluss und erfolgreiche Ausbildung zum Zimmermann in der Zeit zwischen 1975 und 1978 wie folgt versicherungspflichtig beschäftigt:
August 1978 bis September 1979 Fa. S ..., ... als Zimmermann Oktober 1979 bis Dezember 1979 Fa. F ..., ... als Zimmermann Januar 1980 bis März 1983 Fa. H ..., ..., Messebau April 1983 bis Februar 1985 Fa. S ..., ... als Zimmermann Mai 1985 bis Mai 1988 Fa. B ..., ... als Kraft- und Fernfahrer Juni 1988 bis März 1989 Fa. H ..., ..., als Kraft- und Fernfahrer April 1989 bis Dezember 2007 Fa. B ..., ..., als Transporteur und Produktionsarbeiter.
Im März 2006 wurde dem Versicherten computertomographisch eine Raumforderung von 7,5 cm Durchmesser im rechten Lungenoberlappen nachgewiesen (Befundbericht des Radiologen Dr. W ..., ..., vom ...). Darauf, ..., unterzog sich der Versicherte in den St. Vincentius-Kliniken in Karlsruhe einer Bronchoskopie. Im Diagnosen- und Befundbericht des Pneumologen Dr. S ..., vom 24. März 2006 wurde mitgeteilt, dass der Kläger biologisch nachgewiesenermaßen an einem Bronchialkarzinom im rechten Lungenoberlappen leide. In der Vorgeschichte hieß es, der Versicherte habe 1979 ein Polytrauma mit Wirbelsäulentrauma und BWS/LWS-Übergang erlitten. Daneben habe beim Versicherten seit dem 15. Lebensjahr ein Nikotinkonsum von bis zu 60 Zigaretten pro Tag bestanden. Der Nikotinkonsum sei vor einer Woche eingestellt worden. In seinem Beruf als Zimmermann habe der Kläger während der 70er Jahre für die Dauer von etwa 5 Jahren aber auch Asbestfeinstaub inhaliert. Allerdings bestehe angesichts der Nikotinanamnese und der Röntgenmorphologie der dringende Verdacht auf ein Bronchialkarzinom.
In der Zeit zwischen dem 9. und dem 22. April 2006 wurde der Versicherte in einer Chirurgischen Klinik stationär behandelt. Im vorläufigen schriftlichen Entlassungsbericht, den Dr. G ... verfasst hatte, lauteten die Diagnosen:
Großzelliges Bronchialkarzinom rechter Lungenoberlappen (pT4pN3cMoG3RO), chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Zustand nach Nikotinabusus.
Am 10. April 2006 sei beim Versicherten eine posterolaterale Thoraktomie rechts, eine obere Bilosektomie mit mediastinaler Lymphknotendissektion geführt worden. Der Verlauf sei regelrecht gewesen. Die Wundheilung primär gut. Eine Chemotherapie sei geplant.
Unter dem 4. Mai 2006 zeigte die B ... BKK die Erkrankung des Versicherten mit der Bitte um Prüfung, ob es sich um eine Berufserkrankung handle, an. Mit dem von der Beklagten an den Versicherten übersandten Fragebogen machte der Versicherte unter dem 29. Mai 2006 folgende Angaben: Auflistung einer bisherigen Arbeitgeberliste (vgl. oben) und Angaben zum Rauchverhalten. Zu Letzterem gab der Versicherte an, 1975/76 mit dem Rauchen begonnen zu haben. Zunächst habe er nur zehn Zigaretten täglich geraucht. In seiner Zeit als Fernfahrer und Lkw-Fahrer 1985 und 1989 habe er dann allerdings wesentlich mehr geraucht. Damals seien es zwei bis drei Schachteln täglich gewesen.
Im Behandlungsbericht der V ...-Kliniken ... vom 21. Juni 2006 bestätigte Chefarzt Dr. O ... die beim Versicherten gestellten Diagnosen eines großzelliges Bronchialkarzinoms im rechten Lungenoberlappen bei chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung in Folge Zustands nach chronischem Nikotinabusus. Eine bereits ambulant erfolgte CT-Schädeluntersuchung sowie die Sonographie des Abdomens habe keinen Anhalt für eine Fernmetastasierung ergeben.
Am 1. August 2006 führte Dipl.-Ing. K ... von der Abteilung Prävention der Beklagten, mit dem Versicherten ein Gespräch über seine berufliche Vergangenheit. Dabei gab der Versicherte an, dass er Auszubildender für den Zimmermannsberuf und späterer Zimmerergeselle war und ein Drittel seiner Arbeitszeit mit der Fassadenverkleidung und Dacheindeckung mit Asbestzementplatten verbracht zu haben. Damals sei er u.a. beinahe zwei Jahre lang ausschließlich im Krankenhaus Baden-Baden tätig gewesen. Hinzugekommen seien Dacheindeckungen für verschiedene Hallen und Wohngebäude sowie das Feuerwehrhaus Bühlertal. Im Jahr 1978 und 1979 habe etwa 50 % seiner Arbeitszeit mit Dacheindeckungen mit Asbestzementplatten verbracht. Die Fassadenplatten seien mit der Schlagschere bearbeitet und die Wellasbestzementplatten mit der Flex zugeschnitten worden. In der Zeit zwischen 1980 und 1981 habe er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr abgeleistet. Hier sei er durch Asbestfaserstaub nicht belastet gewesen. Allerdings habe er während dieser Zeit etwa ein halbes Jahr an Samstagen in der Firma F ... bei Kaminverkleidungen mit Asbestzementplatten ausgeholfen. In der Zeit zwischen 1983 und 1985 habe er zwar wieder Zimmerer und Bauarbeiten verrichtet. Dabei habe er aber keinen Umgang mit Asbest oder Asbestzementprodukten gehabt. Während seiner LKW-Fahrertätigkeit bei der Fa. B ... in der Zeit zwischen 1985 und 1988 habe er aber Asbestkontakt gehabt. Denn er habe asbesthaltige Bremsbeläge der LKWs wechseln müssen. Die Trommeln seien per Druckluft ausgeblasen worden. Bei diesen Arbeiten sei er durch Asbestfaserstaub belastet worden.
In seiner Stellungnahme vom 04. August 2006 bewertete Dipl.-Ing. K ... vom Präventionsdienst der Beklagten die Asbestfaserstaubbelastung, die der Kläger während seiner Berufstätigkeit als Zimmermann und LKW-Fahrer erlitten habe im Ergebnis mit 6,2 Faserjahren. Damit seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK Nr. 4104 zu verneinen.
Mit Stellungnahme vom 01. September 2006 bestimmte die BG für Fahrzeughaltungen die Exponierung des Klägers während seiner Beschäftigung als LKW-Fernfahrer bei der Fa. B ... in den Jahren 1985 bis 1988 im Sinne der BK Ziff. 4104 der BKV als geringfügig mit 0,2 Faserjahren. Dabei berücksichtigte der präventionsärztliche Dienst der BG für Fahrzeughaltungen, dass die Bremsbeläge nur bis ca. 1985 üblicherweise asbesthaltig gewesen seien. Im Jahre 1986 sei flächendeckend eine Umstellung auf asbestfreie Bremsbeläge erfolgt.
Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 05. Dezember 2006 empfahl Beratungsarzt Dr. F ... der Beklagten einstweilen von einer kumulativen Asbestfaserdosis des Versicherten von 6,4 Faserjahren beim Umgang mit Asbestmaterialien als Zimmerer und LKW-Fahrer auszugehen. Die Röntgenfilme des Thorax in zwei Ebenen vom 19. April 2006 ließen keine Veränderungen im Sinn einer Lungen- oder Pleuraasbestose erkennen. Entsprechendes gelte für die CT-Aufnahmen vom 14. März 2006. Allerdings liege der Histologiebefund nicht im Original vor. Hier sei noch der Originalbefund beizuziehen. Zudem sei, sollte noch Lungengewebe asserviert sein, dieses dem Mesotheliomregister zugeführt werden und eine Minimalasbestose (Zahl der Asbestkörperchen im Lungengewebe) abgefragt werden.
Daraufhin zog die Beklagte zunächst den Pathologiebefund bei, der auf den 13. April 2006 datierte und vom Pathologen Prof. Dr. S ... verfasst wurde. Darüber hinaus veranlasste die Beklagte ein fachpathologisches Zusatzgutachten zur Frage der Berufskrankheit nach BK Ziff. 4104, das Prof. Dr. T ... unter dem 23. Februar 2007 vorlegte. Darin teilte Prof. Dr. T ... mit, sie habe von Prof. Dr. S ... vier Parafinblöcke, datiert auf den 12. Juli 2006, erhalten und davon eigene Schnittpräparate angefertigt und diese zunächst histomorphologisch untersucht. In keiner der vier Proben hätten sich Asbestkörper nachweisen lassen. Aus den zur Verfügung gestellten Gewebsproben ergebe sich vielmehr, dass der Versicherte voraussichtlich an einem pulmonalen Adenokarzinom erkrankt sei. Das tumorfreie Lungengewebe zeige einen fokal etwas ausgeprägteres Emphysem mit Fibrosierung der Alveolarsepten. Im Übrigen liege keine nennenswerte Fibrosierung vor. Eine Minimalasbestose sei definitiv nicht nachzuweisen. Auch die staubanalytischen Untersuchungen hätten keine vergleichsweise vermehrte pulmonale Asbestbelastung gezeigt. Das staubanalytisch untersuchte Gewebe sei auch als repräsentativ anzusehen. Der Plaquestatus sei schwer zu bestimmen, da Angaben darüber, ob das charakteristische Bild hyaliner Pleuraplaques vorgelegen habe nicht gemacht worden seien. Eine Berufskrankheit der Ziff. 4104 sei aufgrund des vorliegenden Kenntnisstandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der versicherungsmedizinisch geforderten Wahrscheinlichkeit nicht abzuleiten.
Daraufhin nahm erneut Beratungsarzt Dr. F ... unter dem 13. März 2007 zum Fall des Versicherten Stellung. Darin hieß es, nach radiomorphologischen Kriterien fänden sich keine Belege einer Lungen- oder Pleuraasbestose. Die histologisch beschriebene fibröse Pleuritis befinde sich im Kontext des Lungentumors und der Lymphangiosis carcinomatosa. Auch die feingeweblichen Befunde ließen keine Asbestose der Lunge erkennen, nicht einmal eine Minimalasbestfibrose. Die Zahl der nachgewiesenen Asbestkörperchen sei nicht mehr als durchschnittlich. Auch die kumulative Asbestfaserdosis von 6,4 Faserjahren erfülle nicht die versicherungsrechtliche Vorgabe von mindestens 25 Faserjahren. Zusammenfassend sei daher zu empfehlen, eine BK 4104 nicht anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 08. Mai 2007 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK nach Nr. 4104 zur BKV zu Gunsten des Versicherten ab. Präventionsdienstliche Ermittlungen hätten zwar eine Gesamtschadstoffdosis von ca. 6,4 Faserjahren im Hinblick auf die Person des Versicherten ergeben. Damit sei eine Asbestexposition des Versicherten zwar bestätigt. Die Auswertung des vorliegenden medizinischen Befunde sowie der Röntgenaufnahmen habe aber keine Hinweise auf die Krankheitsbilder einer Asbestose oder einer asbestbedingten Pleuraveränderung ergeben. Im Übrigen reichten die vom Versicherten als Kraftfahrer und Zimmermann erlittenen Asbestfaserstaubbelastungen allein nicht aus, weil die geforderte kumulative Schadstoffdosis 25 Faserjahre betrage, der Versicherte aber nur 6,4 Faserjahre nachweisen könne. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Listennummer 4104 nicht vor.
Den dagegen am 16. Mai 2007 erhobenen Widerspruch begründete der Versicherte wie folgt: Er beanstande, dass der Präventionsdienst nur eine 40-Stunden-Woche der Arbeitszeit zugrunde gelegt habe. Ende der 1970er und 1980er Jahre habe er aber zwischen 45 und 50 Wochenstunden gearbeitet. Auch die Höhe der Berechnung der Asbestbelastung während seiner letzten beiden Arbeitsjahren bei der Fa. S ... sei nicht korrekt wiedergegeben. Damals habe er noch ausschließlich mit Eternit gearbeitet. Dabei gehe er für diesen Beschäftigungszeitraum von einer 80 %igen Belastung aus. Dies könnten Zeugen belegen.
Daraufhin führte Dipl.-Ing. K ... vom präventionsärztlichen Dienst der Beklagten am 21. August 2007 ein weiteres Gespräch mit dem Versicherten über dessen berufliche Vergangenheit. Dabei bestätigte der Versicherte, dass seine Arbeitszeit bei der Fa. S ..., bei der er zwischen 1975 und 1979 als Zimmermann beschäftigt gewesen sei, durchschnittlich 47 Wochenstunden betragen habe. Dies veranlasste Dipl.-Ing. K ... zu einer neuen Faserjahrberechnung aufgrund der geänderten Angaben des Versicherten als Worst-case-Betrachtung. Gehe man von den veränderten Angaben des Versicherten aus, ergebe sich nunmehr eine Belastung mit insgesamt 12,5 Faserjahren, gegenüber 6,2 Faserjahren nach der Faserjahrberechnung vom 09. August 2006. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Annahme einer BK 4104 seien damit weiterhin bei Weitem nicht erfüllt.
In der Folge wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten gegen den Bescheid vom 08. Mai 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es, nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen einschließlich der Röntgen- und CT-Aufnahmen sowie des Befundes über die histologische Untersuchung von entnommenem Lungengewebe liege beim Versicherten weder eine Asbeststaublungenerkrankung noch eine Pleuraasbestose und damit kein Brückenbefund entsprechend dem Wortlaut der Listennummer 4104 der Anlage 1 zur BKV vor. Eine Anerkennung als BK nach der genannten Listennummer wäre danach nur noch möglich, wenn die berufliche Asbeststaubdosis des Versicherten mindestens 25 Faserjahre betrage. Auch diese müssen vom Versicherten nach den Beweisregeln der gesetzlichen Unfallversicherung voll nachgewiesen werden; die bloße Möglichkeit einer Asbestexposition in diesem Umfang reiche nicht aus. Der Begriff Faserjahr bezeichnet das Maß für die Asbeststaubmenge in der Atemluft. Unter 25 Faserjahren verstehe man demnach eine arbeitstägliche, achtstündige Einwirkung von 1 Million Asbestfasern kritischer Abmessung pro Kubikmeter Atemluft über 25 Jahre. Bei mehr als 1 Million Fasern pro Kubikmeter Atemluft werde die erforderliche Dosis von 25 Jahren entsprechend früher erreicht. Unter Zugrundelegung sämtlicher vom Versicherten zuletzt angegebener Asbestbelastungen ergebe sich nach den Berechnungen des präventionsärztlichen Dienstes aber nur ein Gesamtwert von 12,7 Faserjahren, mit denen der Kläger beruflich belastet gewesen sei. Selbst wenn man diesen - nach diesseitiger Einschätzung viel zu hohen und nicht realistischen Wert - zugrundelege, werde die zur Anerkennung nach der Listennummer 4104 erforderliche kumulative Asbestfaserstaubdosis von 25 Faserjahren deutlich unterschritten. Daher könne die Lungenerkrankung des Versicherten nicht als Berufskrankheit nach der Nr. 4104 anerkannt werden.
Am 13. Dezember 2007 hat der Versicherte Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erheben lassen.
Der Versicherte hat zur Begründung vortragen lassen, zwischenzeitlich habe ermittelt werden können, dass er auch während seiner langen Beschäftigungszeit bei der Fa. B ... zwischen 1989 und März 2007 einer erheblichen Asbestbelastung ausgesetzt gewesen sei. In der Halle, in der er tätig gewesen sei, sei über Jahre hinweg eine Hallensanierung vorgenommen worden. Dabei seien sowohl der Boden als auch die Außenfassaden und die Lüftung total renoviert worden. Während dieser Renovierungsarbeiten sei die laufende Arbeit in den Hallen fortgesetzt worden. Dabei sei es zu einer erheblichen Belastung der in den Hallen Beschäftigten mit Asbest gekommen. Die Renovierungsarbeiten hätten sich über Jahre hingezogen.
Nach dem Tod des Versicherten ... haben dessen Kinder als Rechtsnachfolger das Klageverfahren fortgesetzt.
Die Klägerinnen beantragen zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Lungenkrebserkrankung ihres Vaters, des am ... Februar 2009 verstorbenen Versicherten, als Berufskrankheit nach Listennummer 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide weiter für rechtmäßig.
Das Gericht hat die für die Fa. B ... zuständige BG Elektro/Textil/Feinmechanik um präventionsdienstliche Äußerung gebeten. In einer ersten unter dem 14. Januar 2009 verfassten Äußerung teilte das Präventionszentrum Stuttgart der BG Elektro Textil Feinmechanik mit, der verstorbene Versicherte sei bei seiner Beschäftigung bei der Fa. B ... nie in Kontakt mit Asbest gekommen. Asbesthaltige Produkte seien bereits vor dem Beschäftigungsbeginn des Klägers im Jahre 1989 aus der Produktion genommen worden.
Daraufhin bat das Gericht die Fa. B ..., ..., um Mitteilung, ob der Versicherte während seiner Beschäftigungszeit in einer Werkhalle gearbeitet habe, während seiner Arbeitszeit asbestsaniert worden sei. Ferner wurde gebeten die Baupläne und Baugenehmigung für die Halle vorzulegen, in der der Kläger gearbeitet habe. Unter dem 19. März 2009 legte die Fa. B ...Baupläne der Werkhalle Gebäude 101/B in Bühl vor. Darin hieß es, dort habe der Versicherte in der Zeit zwischen dem 17. April 1989 und dem 31. Dezember 2007 gearbeitet. In dieser Werkhalle seien erstmals 2002 Renovierungsarbeiten durchgeführt worden. Damals sei ein leitfähiger Boden gebaut worden. Dazu hätten Fräsarbeiten durchgeführt werden müssen. Alle weiteren Sanierungsmaßnahmen und Fräsarbeiten seien an die Fa. Steib vergeben worden. Das Institut für Arbeits- und Sozialhygiene habe dabei Asbestfaserkonzentration in der Raumluft stets gemessen.
Im von der Firma B ... vorgelegten Bericht über die Messung der Asbestfaserkonzentration in der Raumluft der Werkhalle 101/A vom 21. Februar 2001 führte das Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Karlsruhe (IAS) aus, auch während der Fräsarbeiten am 22. und 23. Dezember 2000 und danach habe das Messergebnis der Asbestfasermessung eine Asbestfaserkonzentration F/m³ 0 betragen. In keinem der Probeentnahmefilter seien Asbestfasern nachgewiesen worden. In der Werkhalle 101/B, in der der Versicherte beschäftigt gewesen war, führte das IAS am 23., 24. und 28. November 2001 Messungen durch. In den Berichten des IAS vom 29. Januar 2002 hieß es dazu: Vor - am 23. November 2001 - sowie während der Fräsarbeiten am Hallenboden am 24. November 2001 (Abfräsung einer 2 x 0,25 cm breiten und 30 m langen Bodenfläche um ca. 2 x 2 mm tief) seien auf dem Probeentnahmefilter BKr 241101/2 keine Asbestfasern gefunden worden. Auch sonstige Messwerte seien allesamt unterschritten worden. Bei der Messung nach den Fräsarbeiten am 28. November 2001 habe der Filter BKr 281101/3 aufgrund zu hoher Belegung nicht ausgewertet werden können. Parallel zur Probeentnahme sei in die abgefräste Fläche trockener Estrich mit entsprechender Staubentwicklung eingebracht worden.
Mit abschließender Stellungnahme vom 29. Juni 2009 hat sich Dipl.-Ing. H ..., Präventionsabteilung der BG Energie Textil Elektro Asbestexposition des Versicherten während seiner Beschäftigung bei der Fa. B ... wie folgt: Ein direkter Umgang mit asbesthaltigen Materialien sei bereits durch die präventionsärztliche Stellungnahme vom 14. Januar 2009 ausgeschlossen worden. Jetzt sei zu prüfen, ob eine Einwirkung von Asbest durch den Fußboden in der Halle 101/B, in der der Versicherte tätig gewesen war, bestanden habe. Der Asbestgehalt von vergleichbaren Hallenböden (Estrich) habe erfahrungsgemäß in einer Größenordnung von 10 v. H. gelegen. Dabei habe es sich um gebundenen Asbest gehandelt, d. h. die Asbestfasern seien an das Bindemittel fest gebunden, sodass ohne äußere Einwirkung keine Asbestfasern freigesetzt werden könnten. Entsprechend weise die Raumluft einer solchen Halle im Allgemeinen keine erhöhte Asbestfaserkonzentration auf. Der Aufenthalt in einer solchen Halle stelle dementsprechend auch keine Gefährdung dar. Grund für die durchgeführte Hallensanierung sei dementsprechend auch keine erhöhte Faserkonzentration gewesen. Änderungen in der Produktion hätten einen anderen Hallenboden erforderlich gemacht, sodass der Estrich habe abgefräst werden müssen. Da bei solchen Fräsarbeiten am Boden die Möglichkeit einer Freisetzung von Fasern durch die extreme mechanische Belastung bestehe, würden solche Arbeiten regelmäßig nach TRGS 519 ausgeführt und messtechnisch begleitet (IAS-Messprotokolle). Es seien Messungen vor den Arbeiten, nach den Arbeiten und während der Arbeiten inner- und außerhalb der Einhausung durchgeführt worden. Diese Messungen belegten, dass vor und unmittelbar nach den Fräsarbeiten keine Grundbelastung durch Asbest vorgelegen habe. Auch während des Abfräsens seien keine Asbestfasern innerhalb der Einhausung gefunden worden. Die gebrochenen Schutzmaßnahmen (Absaugen und Einsprühen mit Wasser und Bindemittel) verhinderten offenbar wirksam die Freisetzung von Fasern. Durch die vorliegenden Messungen belegt, dass die Asbestfaserkonzentration in der Halle 101/B zu keiner Zeit höher gewesen sei als die ubiquitär vorhandene Konzentration. Eine Gefährdung durch die Einwirkung von Asbestfasern für den Versicherten könne dementsprechend ausgeschlossen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und den Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte und den Inhalt der Prozessakte (S 4 U 5979/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Die Klägerinnen sind gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I als die Kinder des Berechtigten Sonderrechtsnachfolger des verstorbenen Versicherten. Nach dieser Vorschrift stehen fällige Ansprüche auf laufende Leistungen beim Tod des Berechtigten seinen Kindern zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit des Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind.
Die zulässige Klage kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen können von der Beklagten nicht verlangen, die Lungenkrebserkrankung des Vaters, des am ... Februar 2009 verstorbenen Versicherten, als Berufskrankheit nach BK Nr. 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs) anzuerkennen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeiten erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (Satz 2).
Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch bei einer Berufskrankheit die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u.a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSG 45, 285).
Nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV sind Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) - Var. 1 -, in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura - Var. 2 - oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]) - Var. 3 - als Berufskrankheiten anzuerkennen.
Der asbestverursachte Lungenkrebs weist klinisch und diagnostisch keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale gegenüber einem Lungenkrebs anderer Ätiologie auf. Die Frühsymptome sind uncharakteristisch. Beispielhaft zu nennen sind therapieresistenter Reizhusten, blutiger Auswurf, Atelektasen und bronchopneumonische Prozesse mit verzögerter Heilungstendenz. Bildgebende Verfahren, bronchoskopische und Sputumuntersuchungen auf tumorverdächtige Zellen stützen die Verdachtsdiagnose. Bei Asbestfaserstaub-Einwirkung in der Arbeitsanamnese müssen alle verdächtigen. z. B. röntgenologischen Veränderungen und jeder Bildwandel dringend abgeklärt werden.
Im Ursachenspektrum des Lungenkrebses werden zunehmend äußere Einflüsse erkannt. An erster Stelle ist das Zigarettenrauchen zu nennen. Unter den Risikofaktoren des Arbeitsplatzes besitzt Asbestfaserstaub Priorität. Die Asbestfaserstaub-Einwirkung am Arbeitsplatz und die Zigarettenrauchinhalation wirken offensichtlich multiplikativ zusammen. Eine längerfristige, intensive Einwirkung von Asbestfaserstaub am Arbeitsplatz erhöht das Grundrisiko, an Lungenkrebs zu erkranken, sowohl bei Nichtrauchern als auch bei Zigarettenrauchern um ein Mehrfaches.
Die individuellen Besonderheiten einer Asbestfaserstaub-Einwirkung können in der Regel nur durch eine gründliche, sachverständige und lückenlose Arbeitsplatz- und Berufsanamnese in Erfahrung gebracht werden. Hierbei ist stets die jahrzehntelange Latenzzeit seit Beginn der Asbestfaserstaub-Einwirkung zu berücksichtigen. Das Risiko besteht auch nach Ende der Asbestfaserstaub-Einwirkung fort. Die Anamnese hat stets auch die Rauchgewohnheiten möglichst detailliert zu erfassen.
Beim Vorliegen einer Lungenasbestose, einschließlich Minimalasbestose (s. Merkblatt zu Nr. 4103), ist das Lungenkrebsrisiko erhöht. Der Nachweis einer Minimalasbestose setzt eine gezielte lichtmikroskopisch-feingewebliche Untersuchung voraus.
An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, sind zunächst die Varianten 1 und 2 nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV auszuschließen. Beim verstorbenen Versicherten hat weder eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) noch eine Erkrankung der Pleura durch Asbeststaub nachgewiesen werden können. Im Gegenteil, solche Erkrankungen des Versicherten sind durch das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren zu Recht veranlasste fachpathologische Gutachten von Prof. Dr. T ... vom 23. Februar 2007 eindeutig auszuschließen. In histologisch untersuchtem Lungengewebe des verstorbenen Versicherten haben sich keine Nachweise für Asbestkörper, nicht einmal im Sinne einer Minimalasbestose, nachweisen lassen. Auch die staubanalytischen Untersuchungen haben keine vermehrte pulmonale Asbestbelastung des verstorbenen Versicherten ergeben. Das Gutachten verwertet das Gericht im Wege des Urkundenbeweises.
Ebenso wenig hat die Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz von 25 Faserjahren zu Lasten des verstorbenen Versicherten weder im behördlichen noch im gerichtlichen Beweisverfahren nachgewiesen werden können. Während seiner Beschäftigungszeit als Zimmermann in den Jahren zwischen 1975 und 1979 ist der Versicherte, legt man die Höchstwerte seiner Angaben gegenüber der Beklagten im Widerspruchsverfahren vom 01. September 2007 zugrunde, maximal einer Asbestfaserstaubdosis von 12,5 Faserjahren (worst-case-Betrachtung) ausgesetzt gewesen. Hinzu kommen weitere 0,2 Faserjahre Asbestfaserstaubbelastung, denen der Versicherte während seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer bei den Firmen B ... in ... und H ... in ... zwischen 1985 und 1989 ausgesetzt gewesen ist. Dass der präventionsärztliche Dienst hier nur eine so geringe Gesamtasbestbelastung des Versicherten ermittelt hat, erscheint dem Gericht vor dem Hintergrund, dass ab 1986 für LKWs nur noch asbestfreie Bremsbeläge verwendet worden sind und es deshalb bei Bremsbelägen, jedenfalls für die Zeit ab Mitte 1986 zu kaum noch einer Asbestbelastung des Versicherten gekommen sein kann, für nachvollziehbar und folgerichtig. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass das Wechseln von Bremsbelägen nicht zum alltäglich wiederkehrenden und langdauernden Beschäftigungsprofil des Versicherten gehört hat.
Wieder anders stellt sich die Situation während der darauf folgenden langen Beschäftigungszeit des Versicherten als Transporteur und Produktionsarbeiter der Fa. B ... in ... im Zeitraum zwischen 1989 und 2007 dar. Während dieser Beschäftigungszeit ist es nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme zu keiner Asbestbelastung des verstorbenen Versicherten gekommen. Einen direkten Umgang mit asbesthaltigen Materialien hat der verstorbene Versicherte nicht geltend gemacht. Auch die von ihm ins Feld geführte Asbesteinwirkung in Folge der Sanierung der Werkhalle, in der er tätig gewesen sei, hat nicht belegt werden können. Der Versicherte hat während seiner gesamten Beschäftigungszeit bei der B ...GmbH in der Werkhalle 101/B in Bühl gearbeitet. Diese Werkhalle ist ab dem Jahr 2001 saniert worden. Bei dieser Sanierung ist u. a. auch der asbesthaltige Fußboden aufgefräst und durch einen neuen leitfähiger Estrichbelag ersetzt worden. Diese eine potenzielle Asbestbelastung auslösende Sanierungsmaßnahme ist aber entsprechend den Sicherheitsvorschriften durch fortlaufende Messungen der Asbestfaserkonzentration durch das unabhängige Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Karlsruhe (IAS) begleitet worden. Aus den dem Gericht und den Beteiligten vorliegenden Protokollen über die Messungen ergibt sich, dass die Asbestkonzentration in der Werkhalle vor und während der Sanierung jeweils bei 0 gelegen hat. Die Messungen belegen damit, dass die Asbestfaserkonzentration in der Werkhalle 101/B weder vor noch während der Messzeiten des IAS höher gewesen ist als die ubiquitär vorhandene Asbestfaserkonzentration. Die Tatsache, dass für die Werkhalle 101/B für die Zeit nach den Fräsarbeiten aufgrund zu hoher Filterbelegung eine Messergebnisauswertung gescheitert ist, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Insoweit ist auf das bei annähernd gleichen Temperatur-, Luftfeuchte- und Luftdruckbedingungen und mit gleichen Instrumenten erarbeitete Messergebnis der IAS in der baugleichen Werkhalle 101/A der B ... GmbH in Bühl Bezug zu nehmen. Dementsprechend hat eine Gefährdung durch die Einwirkung von Asbestfasern in Folge von Hallensanierungsmaßnahmen über den in der Halle Beschäftigten, also auch gegenüber dem verstorbenen Versicherten, nicht vorgelegen.
Abgerundet wird das Gesamtbild durch folgende weitere Tatsachen: Andere an den Berufskrankheiten nach Listennummern 4103 und 4104 der Anlage 1 zur BKV erkrankte Mitarbeiter der Firma B ..., sind von den Klägerinnen nicht benannt und auch sonst im gerichtlichen Verfahren nicht bekannt geworden. Hinzu kommt der über Jahre hinweg hohe Zigarettenkonsum, den der verstorbene Versicherte wiederholt bestätigt hat und den der Pneumologe Dr. S ... V ...-Kliniken ..., im Befundbericht vom 24. März 2006 als wahrscheinliche Ursache für seine Verdachtsdiagnose Bronchialkarzinom ausdrücklich benannt hat ("Allerdings besteht angesichts der Nikotinanamnese und der Röntgenmorphologie der dringende Verdacht auf ein Bronchialkarzinom.").
Danach ist eine beruflich bedingte Asbestexposition des Versicherten auszuschließen. Das hat zur Folge, dass es an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit 4104 nach Anlage 1 zur BKV fehlt.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2007 Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Kläger begehren als Sonderrechtsnachfolger ihres verstorbenen und bei der Beklagten versicherten Vaters - künftig: Versicherter - eine Berufskrankheit - BK - nach Listennummer 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - festzustellen.
Der am ... in Bühlertal geborene und im Februar 2009 in Freiburg im Breisgau verstorbene Versicherte absolvierte den Hauptschulabschluss und erfolgreiche Ausbildung zum Zimmermann in der Zeit zwischen 1975 und 1978 wie folgt versicherungspflichtig beschäftigt:
August 1978 bis September 1979 Fa. S ..., ... als Zimmermann Oktober 1979 bis Dezember 1979 Fa. F ..., ... als Zimmermann Januar 1980 bis März 1983 Fa. H ..., ..., Messebau April 1983 bis Februar 1985 Fa. S ..., ... als Zimmermann Mai 1985 bis Mai 1988 Fa. B ..., ... als Kraft- und Fernfahrer Juni 1988 bis März 1989 Fa. H ..., ..., als Kraft- und Fernfahrer April 1989 bis Dezember 2007 Fa. B ..., ..., als Transporteur und Produktionsarbeiter.
Im März 2006 wurde dem Versicherten computertomographisch eine Raumforderung von 7,5 cm Durchmesser im rechten Lungenoberlappen nachgewiesen (Befundbericht des Radiologen Dr. W ..., ..., vom ...). Darauf, ..., unterzog sich der Versicherte in den St. Vincentius-Kliniken in Karlsruhe einer Bronchoskopie. Im Diagnosen- und Befundbericht des Pneumologen Dr. S ..., vom 24. März 2006 wurde mitgeteilt, dass der Kläger biologisch nachgewiesenermaßen an einem Bronchialkarzinom im rechten Lungenoberlappen leide. In der Vorgeschichte hieß es, der Versicherte habe 1979 ein Polytrauma mit Wirbelsäulentrauma und BWS/LWS-Übergang erlitten. Daneben habe beim Versicherten seit dem 15. Lebensjahr ein Nikotinkonsum von bis zu 60 Zigaretten pro Tag bestanden. Der Nikotinkonsum sei vor einer Woche eingestellt worden. In seinem Beruf als Zimmermann habe der Kläger während der 70er Jahre für die Dauer von etwa 5 Jahren aber auch Asbestfeinstaub inhaliert. Allerdings bestehe angesichts der Nikotinanamnese und der Röntgenmorphologie der dringende Verdacht auf ein Bronchialkarzinom.
In der Zeit zwischen dem 9. und dem 22. April 2006 wurde der Versicherte in einer Chirurgischen Klinik stationär behandelt. Im vorläufigen schriftlichen Entlassungsbericht, den Dr. G ... verfasst hatte, lauteten die Diagnosen:
Großzelliges Bronchialkarzinom rechter Lungenoberlappen (pT4pN3cMoG3RO), chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Zustand nach Nikotinabusus.
Am 10. April 2006 sei beim Versicherten eine posterolaterale Thoraktomie rechts, eine obere Bilosektomie mit mediastinaler Lymphknotendissektion geführt worden. Der Verlauf sei regelrecht gewesen. Die Wundheilung primär gut. Eine Chemotherapie sei geplant.
Unter dem 4. Mai 2006 zeigte die B ... BKK die Erkrankung des Versicherten mit der Bitte um Prüfung, ob es sich um eine Berufserkrankung handle, an. Mit dem von der Beklagten an den Versicherten übersandten Fragebogen machte der Versicherte unter dem 29. Mai 2006 folgende Angaben: Auflistung einer bisherigen Arbeitgeberliste (vgl. oben) und Angaben zum Rauchverhalten. Zu Letzterem gab der Versicherte an, 1975/76 mit dem Rauchen begonnen zu haben. Zunächst habe er nur zehn Zigaretten täglich geraucht. In seiner Zeit als Fernfahrer und Lkw-Fahrer 1985 und 1989 habe er dann allerdings wesentlich mehr geraucht. Damals seien es zwei bis drei Schachteln täglich gewesen.
Im Behandlungsbericht der V ...-Kliniken ... vom 21. Juni 2006 bestätigte Chefarzt Dr. O ... die beim Versicherten gestellten Diagnosen eines großzelliges Bronchialkarzinoms im rechten Lungenoberlappen bei chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung in Folge Zustands nach chronischem Nikotinabusus. Eine bereits ambulant erfolgte CT-Schädeluntersuchung sowie die Sonographie des Abdomens habe keinen Anhalt für eine Fernmetastasierung ergeben.
Am 1. August 2006 führte Dipl.-Ing. K ... von der Abteilung Prävention der Beklagten, mit dem Versicherten ein Gespräch über seine berufliche Vergangenheit. Dabei gab der Versicherte an, dass er Auszubildender für den Zimmermannsberuf und späterer Zimmerergeselle war und ein Drittel seiner Arbeitszeit mit der Fassadenverkleidung und Dacheindeckung mit Asbestzementplatten verbracht zu haben. Damals sei er u.a. beinahe zwei Jahre lang ausschließlich im Krankenhaus Baden-Baden tätig gewesen. Hinzugekommen seien Dacheindeckungen für verschiedene Hallen und Wohngebäude sowie das Feuerwehrhaus Bühlertal. Im Jahr 1978 und 1979 habe etwa 50 % seiner Arbeitszeit mit Dacheindeckungen mit Asbestzementplatten verbracht. Die Fassadenplatten seien mit der Schlagschere bearbeitet und die Wellasbestzementplatten mit der Flex zugeschnitten worden. In der Zeit zwischen 1980 und 1981 habe er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr abgeleistet. Hier sei er durch Asbestfaserstaub nicht belastet gewesen. Allerdings habe er während dieser Zeit etwa ein halbes Jahr an Samstagen in der Firma F ... bei Kaminverkleidungen mit Asbestzementplatten ausgeholfen. In der Zeit zwischen 1983 und 1985 habe er zwar wieder Zimmerer und Bauarbeiten verrichtet. Dabei habe er aber keinen Umgang mit Asbest oder Asbestzementprodukten gehabt. Während seiner LKW-Fahrertätigkeit bei der Fa. B ... in der Zeit zwischen 1985 und 1988 habe er aber Asbestkontakt gehabt. Denn er habe asbesthaltige Bremsbeläge der LKWs wechseln müssen. Die Trommeln seien per Druckluft ausgeblasen worden. Bei diesen Arbeiten sei er durch Asbestfaserstaub belastet worden.
In seiner Stellungnahme vom 04. August 2006 bewertete Dipl.-Ing. K ... vom Präventionsdienst der Beklagten die Asbestfaserstaubbelastung, die der Kläger während seiner Berufstätigkeit als Zimmermann und LKW-Fahrer erlitten habe im Ergebnis mit 6,2 Faserjahren. Damit seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK Nr. 4104 zu verneinen.
Mit Stellungnahme vom 01. September 2006 bestimmte die BG für Fahrzeughaltungen die Exponierung des Klägers während seiner Beschäftigung als LKW-Fernfahrer bei der Fa. B ... in den Jahren 1985 bis 1988 im Sinne der BK Ziff. 4104 der BKV als geringfügig mit 0,2 Faserjahren. Dabei berücksichtigte der präventionsärztliche Dienst der BG für Fahrzeughaltungen, dass die Bremsbeläge nur bis ca. 1985 üblicherweise asbesthaltig gewesen seien. Im Jahre 1986 sei flächendeckend eine Umstellung auf asbestfreie Bremsbeläge erfolgt.
Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 05. Dezember 2006 empfahl Beratungsarzt Dr. F ... der Beklagten einstweilen von einer kumulativen Asbestfaserdosis des Versicherten von 6,4 Faserjahren beim Umgang mit Asbestmaterialien als Zimmerer und LKW-Fahrer auszugehen. Die Röntgenfilme des Thorax in zwei Ebenen vom 19. April 2006 ließen keine Veränderungen im Sinn einer Lungen- oder Pleuraasbestose erkennen. Entsprechendes gelte für die CT-Aufnahmen vom 14. März 2006. Allerdings liege der Histologiebefund nicht im Original vor. Hier sei noch der Originalbefund beizuziehen. Zudem sei, sollte noch Lungengewebe asserviert sein, dieses dem Mesotheliomregister zugeführt werden und eine Minimalasbestose (Zahl der Asbestkörperchen im Lungengewebe) abgefragt werden.
Daraufhin zog die Beklagte zunächst den Pathologiebefund bei, der auf den 13. April 2006 datierte und vom Pathologen Prof. Dr. S ... verfasst wurde. Darüber hinaus veranlasste die Beklagte ein fachpathologisches Zusatzgutachten zur Frage der Berufskrankheit nach BK Ziff. 4104, das Prof. Dr. T ... unter dem 23. Februar 2007 vorlegte. Darin teilte Prof. Dr. T ... mit, sie habe von Prof. Dr. S ... vier Parafinblöcke, datiert auf den 12. Juli 2006, erhalten und davon eigene Schnittpräparate angefertigt und diese zunächst histomorphologisch untersucht. In keiner der vier Proben hätten sich Asbestkörper nachweisen lassen. Aus den zur Verfügung gestellten Gewebsproben ergebe sich vielmehr, dass der Versicherte voraussichtlich an einem pulmonalen Adenokarzinom erkrankt sei. Das tumorfreie Lungengewebe zeige einen fokal etwas ausgeprägteres Emphysem mit Fibrosierung der Alveolarsepten. Im Übrigen liege keine nennenswerte Fibrosierung vor. Eine Minimalasbestose sei definitiv nicht nachzuweisen. Auch die staubanalytischen Untersuchungen hätten keine vergleichsweise vermehrte pulmonale Asbestbelastung gezeigt. Das staubanalytisch untersuchte Gewebe sei auch als repräsentativ anzusehen. Der Plaquestatus sei schwer zu bestimmen, da Angaben darüber, ob das charakteristische Bild hyaliner Pleuraplaques vorgelegen habe nicht gemacht worden seien. Eine Berufskrankheit der Ziff. 4104 sei aufgrund des vorliegenden Kenntnisstandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der versicherungsmedizinisch geforderten Wahrscheinlichkeit nicht abzuleiten.
Daraufhin nahm erneut Beratungsarzt Dr. F ... unter dem 13. März 2007 zum Fall des Versicherten Stellung. Darin hieß es, nach radiomorphologischen Kriterien fänden sich keine Belege einer Lungen- oder Pleuraasbestose. Die histologisch beschriebene fibröse Pleuritis befinde sich im Kontext des Lungentumors und der Lymphangiosis carcinomatosa. Auch die feingeweblichen Befunde ließen keine Asbestose der Lunge erkennen, nicht einmal eine Minimalasbestfibrose. Die Zahl der nachgewiesenen Asbestkörperchen sei nicht mehr als durchschnittlich. Auch die kumulative Asbestfaserdosis von 6,4 Faserjahren erfülle nicht die versicherungsrechtliche Vorgabe von mindestens 25 Faserjahren. Zusammenfassend sei daher zu empfehlen, eine BK 4104 nicht anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 08. Mai 2007 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK nach Nr. 4104 zur BKV zu Gunsten des Versicherten ab. Präventionsdienstliche Ermittlungen hätten zwar eine Gesamtschadstoffdosis von ca. 6,4 Faserjahren im Hinblick auf die Person des Versicherten ergeben. Damit sei eine Asbestexposition des Versicherten zwar bestätigt. Die Auswertung des vorliegenden medizinischen Befunde sowie der Röntgenaufnahmen habe aber keine Hinweise auf die Krankheitsbilder einer Asbestose oder einer asbestbedingten Pleuraveränderung ergeben. Im Übrigen reichten die vom Versicherten als Kraftfahrer und Zimmermann erlittenen Asbestfaserstaubbelastungen allein nicht aus, weil die geforderte kumulative Schadstoffdosis 25 Faserjahre betrage, der Versicherte aber nur 6,4 Faserjahre nachweisen könne. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Listennummer 4104 nicht vor.
Den dagegen am 16. Mai 2007 erhobenen Widerspruch begründete der Versicherte wie folgt: Er beanstande, dass der Präventionsdienst nur eine 40-Stunden-Woche der Arbeitszeit zugrunde gelegt habe. Ende der 1970er und 1980er Jahre habe er aber zwischen 45 und 50 Wochenstunden gearbeitet. Auch die Höhe der Berechnung der Asbestbelastung während seiner letzten beiden Arbeitsjahren bei der Fa. S ... sei nicht korrekt wiedergegeben. Damals habe er noch ausschließlich mit Eternit gearbeitet. Dabei gehe er für diesen Beschäftigungszeitraum von einer 80 %igen Belastung aus. Dies könnten Zeugen belegen.
Daraufhin führte Dipl.-Ing. K ... vom präventionsärztlichen Dienst der Beklagten am 21. August 2007 ein weiteres Gespräch mit dem Versicherten über dessen berufliche Vergangenheit. Dabei bestätigte der Versicherte, dass seine Arbeitszeit bei der Fa. S ..., bei der er zwischen 1975 und 1979 als Zimmermann beschäftigt gewesen sei, durchschnittlich 47 Wochenstunden betragen habe. Dies veranlasste Dipl.-Ing. K ... zu einer neuen Faserjahrberechnung aufgrund der geänderten Angaben des Versicherten als Worst-case-Betrachtung. Gehe man von den veränderten Angaben des Versicherten aus, ergebe sich nunmehr eine Belastung mit insgesamt 12,5 Faserjahren, gegenüber 6,2 Faserjahren nach der Faserjahrberechnung vom 09. August 2006. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Annahme einer BK 4104 seien damit weiterhin bei Weitem nicht erfüllt.
In der Folge wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten gegen den Bescheid vom 08. Mai 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es, nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen einschließlich der Röntgen- und CT-Aufnahmen sowie des Befundes über die histologische Untersuchung von entnommenem Lungengewebe liege beim Versicherten weder eine Asbeststaublungenerkrankung noch eine Pleuraasbestose und damit kein Brückenbefund entsprechend dem Wortlaut der Listennummer 4104 der Anlage 1 zur BKV vor. Eine Anerkennung als BK nach der genannten Listennummer wäre danach nur noch möglich, wenn die berufliche Asbeststaubdosis des Versicherten mindestens 25 Faserjahre betrage. Auch diese müssen vom Versicherten nach den Beweisregeln der gesetzlichen Unfallversicherung voll nachgewiesen werden; die bloße Möglichkeit einer Asbestexposition in diesem Umfang reiche nicht aus. Der Begriff Faserjahr bezeichnet das Maß für die Asbeststaubmenge in der Atemluft. Unter 25 Faserjahren verstehe man demnach eine arbeitstägliche, achtstündige Einwirkung von 1 Million Asbestfasern kritischer Abmessung pro Kubikmeter Atemluft über 25 Jahre. Bei mehr als 1 Million Fasern pro Kubikmeter Atemluft werde die erforderliche Dosis von 25 Jahren entsprechend früher erreicht. Unter Zugrundelegung sämtlicher vom Versicherten zuletzt angegebener Asbestbelastungen ergebe sich nach den Berechnungen des präventionsärztlichen Dienstes aber nur ein Gesamtwert von 12,7 Faserjahren, mit denen der Kläger beruflich belastet gewesen sei. Selbst wenn man diesen - nach diesseitiger Einschätzung viel zu hohen und nicht realistischen Wert - zugrundelege, werde die zur Anerkennung nach der Listennummer 4104 erforderliche kumulative Asbestfaserstaubdosis von 25 Faserjahren deutlich unterschritten. Daher könne die Lungenerkrankung des Versicherten nicht als Berufskrankheit nach der Nr. 4104 anerkannt werden.
Am 13. Dezember 2007 hat der Versicherte Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erheben lassen.
Der Versicherte hat zur Begründung vortragen lassen, zwischenzeitlich habe ermittelt werden können, dass er auch während seiner langen Beschäftigungszeit bei der Fa. B ... zwischen 1989 und März 2007 einer erheblichen Asbestbelastung ausgesetzt gewesen sei. In der Halle, in der er tätig gewesen sei, sei über Jahre hinweg eine Hallensanierung vorgenommen worden. Dabei seien sowohl der Boden als auch die Außenfassaden und die Lüftung total renoviert worden. Während dieser Renovierungsarbeiten sei die laufende Arbeit in den Hallen fortgesetzt worden. Dabei sei es zu einer erheblichen Belastung der in den Hallen Beschäftigten mit Asbest gekommen. Die Renovierungsarbeiten hätten sich über Jahre hingezogen.
Nach dem Tod des Versicherten ... haben dessen Kinder als Rechtsnachfolger das Klageverfahren fortgesetzt.
Die Klägerinnen beantragen zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Lungenkrebserkrankung ihres Vaters, des am ... Februar 2009 verstorbenen Versicherten, als Berufskrankheit nach Listennummer 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide weiter für rechtmäßig.
Das Gericht hat die für die Fa. B ... zuständige BG Elektro/Textil/Feinmechanik um präventionsdienstliche Äußerung gebeten. In einer ersten unter dem 14. Januar 2009 verfassten Äußerung teilte das Präventionszentrum Stuttgart der BG Elektro Textil Feinmechanik mit, der verstorbene Versicherte sei bei seiner Beschäftigung bei der Fa. B ... nie in Kontakt mit Asbest gekommen. Asbesthaltige Produkte seien bereits vor dem Beschäftigungsbeginn des Klägers im Jahre 1989 aus der Produktion genommen worden.
Daraufhin bat das Gericht die Fa. B ..., ..., um Mitteilung, ob der Versicherte während seiner Beschäftigungszeit in einer Werkhalle gearbeitet habe, während seiner Arbeitszeit asbestsaniert worden sei. Ferner wurde gebeten die Baupläne und Baugenehmigung für die Halle vorzulegen, in der der Kläger gearbeitet habe. Unter dem 19. März 2009 legte die Fa. B ...Baupläne der Werkhalle Gebäude 101/B in Bühl vor. Darin hieß es, dort habe der Versicherte in der Zeit zwischen dem 17. April 1989 und dem 31. Dezember 2007 gearbeitet. In dieser Werkhalle seien erstmals 2002 Renovierungsarbeiten durchgeführt worden. Damals sei ein leitfähiger Boden gebaut worden. Dazu hätten Fräsarbeiten durchgeführt werden müssen. Alle weiteren Sanierungsmaßnahmen und Fräsarbeiten seien an die Fa. Steib vergeben worden. Das Institut für Arbeits- und Sozialhygiene habe dabei Asbestfaserkonzentration in der Raumluft stets gemessen.
Im von der Firma B ... vorgelegten Bericht über die Messung der Asbestfaserkonzentration in der Raumluft der Werkhalle 101/A vom 21. Februar 2001 führte das Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Karlsruhe (IAS) aus, auch während der Fräsarbeiten am 22. und 23. Dezember 2000 und danach habe das Messergebnis der Asbestfasermessung eine Asbestfaserkonzentration F/m³ 0 betragen. In keinem der Probeentnahmefilter seien Asbestfasern nachgewiesen worden. In der Werkhalle 101/B, in der der Versicherte beschäftigt gewesen war, führte das IAS am 23., 24. und 28. November 2001 Messungen durch. In den Berichten des IAS vom 29. Januar 2002 hieß es dazu: Vor - am 23. November 2001 - sowie während der Fräsarbeiten am Hallenboden am 24. November 2001 (Abfräsung einer 2 x 0,25 cm breiten und 30 m langen Bodenfläche um ca. 2 x 2 mm tief) seien auf dem Probeentnahmefilter BKr 241101/2 keine Asbestfasern gefunden worden. Auch sonstige Messwerte seien allesamt unterschritten worden. Bei der Messung nach den Fräsarbeiten am 28. November 2001 habe der Filter BKr 281101/3 aufgrund zu hoher Belegung nicht ausgewertet werden können. Parallel zur Probeentnahme sei in die abgefräste Fläche trockener Estrich mit entsprechender Staubentwicklung eingebracht worden.
Mit abschließender Stellungnahme vom 29. Juni 2009 hat sich Dipl.-Ing. H ..., Präventionsabteilung der BG Energie Textil Elektro Asbestexposition des Versicherten während seiner Beschäftigung bei der Fa. B ... wie folgt: Ein direkter Umgang mit asbesthaltigen Materialien sei bereits durch die präventionsärztliche Stellungnahme vom 14. Januar 2009 ausgeschlossen worden. Jetzt sei zu prüfen, ob eine Einwirkung von Asbest durch den Fußboden in der Halle 101/B, in der der Versicherte tätig gewesen war, bestanden habe. Der Asbestgehalt von vergleichbaren Hallenböden (Estrich) habe erfahrungsgemäß in einer Größenordnung von 10 v. H. gelegen. Dabei habe es sich um gebundenen Asbest gehandelt, d. h. die Asbestfasern seien an das Bindemittel fest gebunden, sodass ohne äußere Einwirkung keine Asbestfasern freigesetzt werden könnten. Entsprechend weise die Raumluft einer solchen Halle im Allgemeinen keine erhöhte Asbestfaserkonzentration auf. Der Aufenthalt in einer solchen Halle stelle dementsprechend auch keine Gefährdung dar. Grund für die durchgeführte Hallensanierung sei dementsprechend auch keine erhöhte Faserkonzentration gewesen. Änderungen in der Produktion hätten einen anderen Hallenboden erforderlich gemacht, sodass der Estrich habe abgefräst werden müssen. Da bei solchen Fräsarbeiten am Boden die Möglichkeit einer Freisetzung von Fasern durch die extreme mechanische Belastung bestehe, würden solche Arbeiten regelmäßig nach TRGS 519 ausgeführt und messtechnisch begleitet (IAS-Messprotokolle). Es seien Messungen vor den Arbeiten, nach den Arbeiten und während der Arbeiten inner- und außerhalb der Einhausung durchgeführt worden. Diese Messungen belegten, dass vor und unmittelbar nach den Fräsarbeiten keine Grundbelastung durch Asbest vorgelegen habe. Auch während des Abfräsens seien keine Asbestfasern innerhalb der Einhausung gefunden worden. Die gebrochenen Schutzmaßnahmen (Absaugen und Einsprühen mit Wasser und Bindemittel) verhinderten offenbar wirksam die Freisetzung von Fasern. Durch die vorliegenden Messungen belegt, dass die Asbestfaserkonzentration in der Halle 101/B zu keiner Zeit höher gewesen sei als die ubiquitär vorhandene Konzentration. Eine Gefährdung durch die Einwirkung von Asbestfasern für den Versicherten könne dementsprechend ausgeschlossen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und den Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte und den Inhalt der Prozessakte (S 4 U 5979/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Die Klägerinnen sind gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I als die Kinder des Berechtigten Sonderrechtsnachfolger des verstorbenen Versicherten. Nach dieser Vorschrift stehen fällige Ansprüche auf laufende Leistungen beim Tod des Berechtigten seinen Kindern zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit des Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind.
Die zulässige Klage kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen können von der Beklagten nicht verlangen, die Lungenkrebserkrankung des Vaters, des am ... Februar 2009 verstorbenen Versicherten, als Berufskrankheit nach BK Nr. 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs) anzuerkennen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeiten erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (Satz 2).
Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch bei einer Berufskrankheit die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u.a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSG 45, 285).
Nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV sind Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) - Var. 1 -, in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura - Var. 2 - oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]) - Var. 3 - als Berufskrankheiten anzuerkennen.
Der asbestverursachte Lungenkrebs weist klinisch und diagnostisch keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale gegenüber einem Lungenkrebs anderer Ätiologie auf. Die Frühsymptome sind uncharakteristisch. Beispielhaft zu nennen sind therapieresistenter Reizhusten, blutiger Auswurf, Atelektasen und bronchopneumonische Prozesse mit verzögerter Heilungstendenz. Bildgebende Verfahren, bronchoskopische und Sputumuntersuchungen auf tumorverdächtige Zellen stützen die Verdachtsdiagnose. Bei Asbestfaserstaub-Einwirkung in der Arbeitsanamnese müssen alle verdächtigen. z. B. röntgenologischen Veränderungen und jeder Bildwandel dringend abgeklärt werden.
Im Ursachenspektrum des Lungenkrebses werden zunehmend äußere Einflüsse erkannt. An erster Stelle ist das Zigarettenrauchen zu nennen. Unter den Risikofaktoren des Arbeitsplatzes besitzt Asbestfaserstaub Priorität. Die Asbestfaserstaub-Einwirkung am Arbeitsplatz und die Zigarettenrauchinhalation wirken offensichtlich multiplikativ zusammen. Eine längerfristige, intensive Einwirkung von Asbestfaserstaub am Arbeitsplatz erhöht das Grundrisiko, an Lungenkrebs zu erkranken, sowohl bei Nichtrauchern als auch bei Zigarettenrauchern um ein Mehrfaches.
Die individuellen Besonderheiten einer Asbestfaserstaub-Einwirkung können in der Regel nur durch eine gründliche, sachverständige und lückenlose Arbeitsplatz- und Berufsanamnese in Erfahrung gebracht werden. Hierbei ist stets die jahrzehntelange Latenzzeit seit Beginn der Asbestfaserstaub-Einwirkung zu berücksichtigen. Das Risiko besteht auch nach Ende der Asbestfaserstaub-Einwirkung fort. Die Anamnese hat stets auch die Rauchgewohnheiten möglichst detailliert zu erfassen.
Beim Vorliegen einer Lungenasbestose, einschließlich Minimalasbestose (s. Merkblatt zu Nr. 4103), ist das Lungenkrebsrisiko erhöht. Der Nachweis einer Minimalasbestose setzt eine gezielte lichtmikroskopisch-feingewebliche Untersuchung voraus.
An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, sind zunächst die Varianten 1 und 2 nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV auszuschließen. Beim verstorbenen Versicherten hat weder eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) noch eine Erkrankung der Pleura durch Asbeststaub nachgewiesen werden können. Im Gegenteil, solche Erkrankungen des Versicherten sind durch das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren zu Recht veranlasste fachpathologische Gutachten von Prof. Dr. T ... vom 23. Februar 2007 eindeutig auszuschließen. In histologisch untersuchtem Lungengewebe des verstorbenen Versicherten haben sich keine Nachweise für Asbestkörper, nicht einmal im Sinne einer Minimalasbestose, nachweisen lassen. Auch die staubanalytischen Untersuchungen haben keine vermehrte pulmonale Asbestbelastung des verstorbenen Versicherten ergeben. Das Gutachten verwertet das Gericht im Wege des Urkundenbeweises.
Ebenso wenig hat die Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz von 25 Faserjahren zu Lasten des verstorbenen Versicherten weder im behördlichen noch im gerichtlichen Beweisverfahren nachgewiesen werden können. Während seiner Beschäftigungszeit als Zimmermann in den Jahren zwischen 1975 und 1979 ist der Versicherte, legt man die Höchstwerte seiner Angaben gegenüber der Beklagten im Widerspruchsverfahren vom 01. September 2007 zugrunde, maximal einer Asbestfaserstaubdosis von 12,5 Faserjahren (worst-case-Betrachtung) ausgesetzt gewesen. Hinzu kommen weitere 0,2 Faserjahre Asbestfaserstaubbelastung, denen der Versicherte während seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer bei den Firmen B ... in ... und H ... in ... zwischen 1985 und 1989 ausgesetzt gewesen ist. Dass der präventionsärztliche Dienst hier nur eine so geringe Gesamtasbestbelastung des Versicherten ermittelt hat, erscheint dem Gericht vor dem Hintergrund, dass ab 1986 für LKWs nur noch asbestfreie Bremsbeläge verwendet worden sind und es deshalb bei Bremsbelägen, jedenfalls für die Zeit ab Mitte 1986 zu kaum noch einer Asbestbelastung des Versicherten gekommen sein kann, für nachvollziehbar und folgerichtig. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass das Wechseln von Bremsbelägen nicht zum alltäglich wiederkehrenden und langdauernden Beschäftigungsprofil des Versicherten gehört hat.
Wieder anders stellt sich die Situation während der darauf folgenden langen Beschäftigungszeit des Versicherten als Transporteur und Produktionsarbeiter der Fa. B ... in ... im Zeitraum zwischen 1989 und 2007 dar. Während dieser Beschäftigungszeit ist es nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme zu keiner Asbestbelastung des verstorbenen Versicherten gekommen. Einen direkten Umgang mit asbesthaltigen Materialien hat der verstorbene Versicherte nicht geltend gemacht. Auch die von ihm ins Feld geführte Asbesteinwirkung in Folge der Sanierung der Werkhalle, in der er tätig gewesen sei, hat nicht belegt werden können. Der Versicherte hat während seiner gesamten Beschäftigungszeit bei der B ...GmbH in der Werkhalle 101/B in Bühl gearbeitet. Diese Werkhalle ist ab dem Jahr 2001 saniert worden. Bei dieser Sanierung ist u. a. auch der asbesthaltige Fußboden aufgefräst und durch einen neuen leitfähiger Estrichbelag ersetzt worden. Diese eine potenzielle Asbestbelastung auslösende Sanierungsmaßnahme ist aber entsprechend den Sicherheitsvorschriften durch fortlaufende Messungen der Asbestfaserkonzentration durch das unabhängige Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Karlsruhe (IAS) begleitet worden. Aus den dem Gericht und den Beteiligten vorliegenden Protokollen über die Messungen ergibt sich, dass die Asbestkonzentration in der Werkhalle vor und während der Sanierung jeweils bei 0 gelegen hat. Die Messungen belegen damit, dass die Asbestfaserkonzentration in der Werkhalle 101/B weder vor noch während der Messzeiten des IAS höher gewesen ist als die ubiquitär vorhandene Asbestfaserkonzentration. Die Tatsache, dass für die Werkhalle 101/B für die Zeit nach den Fräsarbeiten aufgrund zu hoher Filterbelegung eine Messergebnisauswertung gescheitert ist, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Insoweit ist auf das bei annähernd gleichen Temperatur-, Luftfeuchte- und Luftdruckbedingungen und mit gleichen Instrumenten erarbeitete Messergebnis der IAS in der baugleichen Werkhalle 101/A der B ... GmbH in Bühl Bezug zu nehmen. Dementsprechend hat eine Gefährdung durch die Einwirkung von Asbestfasern in Folge von Hallensanierungsmaßnahmen über den in der Halle Beschäftigten, also auch gegenüber dem verstorbenen Versicherten, nicht vorgelegen.
Abgerundet wird das Gesamtbild durch folgende weitere Tatsachen: Andere an den Berufskrankheiten nach Listennummern 4103 und 4104 der Anlage 1 zur BKV erkrankte Mitarbeiter der Firma B ..., sind von den Klägerinnen nicht benannt und auch sonst im gerichtlichen Verfahren nicht bekannt geworden. Hinzu kommt der über Jahre hinweg hohe Zigarettenkonsum, den der verstorbene Versicherte wiederholt bestätigt hat und den der Pneumologe Dr. S ... V ...-Kliniken ..., im Befundbericht vom 24. März 2006 als wahrscheinliche Ursache für seine Verdachtsdiagnose Bronchialkarzinom ausdrücklich benannt hat ("Allerdings besteht angesichts der Nikotinanamnese und der Röntgenmorphologie der dringende Verdacht auf ein Bronchialkarzinom.").
Danach ist eine beruflich bedingte Asbestexposition des Versicherten auszuschließen. Das hat zur Folge, dass es an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit 4104 nach Anlage 1 zur BKV fehlt.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2007 Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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