Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AL 177/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 64/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kein Gründungszuschuss für Berater in SGB II-Angelegenheiten
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Fortzahlung eines Gründungszuschusses nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III).
Der 1962 geborene Antragsteller ist Ingenieur für Triebwerk u. Flugzeugteile sowie staatl. anerkannter Betriebswirt. Die Antragsgegnerin bewilligte ihm zunächst bis zum 30. Januar 2009 Arbeitslosengeld in Höhe von zuletzt 46,36 EUR täglich. Am 24. Juni 2008 beantragte er einen Gründungszuschuss bei der Antragsgegnerin zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Berater in Alg II-Angelegenheiten ab dem 20.10.2008. Er fügte eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung bei. Die Industrie- und Handelskammer M. hielt das Vorhaben zum Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt für realisierbar. Das Dienstleistungsangebot sollte in der kostenlosen Kontrolle der Bescheide auf Mängel in der Rechtsanwendung, der kostenpflichtigen Formulierung eines Überprüfungsantrages, eines Widerspruchs oder einer Klageschrift bestehen. Zudem sollte ein Erfolgshonorar von 10 % auf die ggf. nachzuzahlende Leistung gefordert werden. Daneben sollte eine Beistandsschaft nach § 13 SGB X vereinbart werden. Der Antragsteller führte detailliert auf, weshalb er der Ansicht sei, dass diese Dienstleistungen nicht gegen das neue Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßen würden. Die bloße Prüfung von Alg II-Bescheiden und Bescheiden der Sozialhilfe auf bloße richtige Anwendung von Rechtsnormen falle nicht unter das neue Rechtsdienstleistungsgesetz. Die Geschäftsidee basiere darauf, dass Rechtsnormen mit Beginn der Hartz IV-Reformen in Bescheiden vielfach nicht richtig angewandt seien bzw. eine Rechtssicherheit durch Urteile des Bundessozialgerichts erst spät einsetze. Nur bei entsprechendem Fachwissen sei es möglich, Fehler zu finden und zu prüfen, ob alle Rechtsnormen auch und wenn, dann richtig angewendet worden seien. Der Antragsteller hat hervorgehoben, es gehe nur um Mängel, die in der bloßen Anwendung von Rechtsnormen lägen. In ergänzenden Ausführungen zur Auslegung des RDG hob der Antragsteller hervor, dass es sich seiner Auffassung nach nicht um eine Rechtsdienstleistung handele, wenn die Subsumierung eines Sachverhalts unter die jeweilige Rechtsnorm keinem Gestaltungsspielraum unterliege, also unstreitig sei.
Der Antragsteller nahm seine selbständige Tätigkeit am 20. Oktober 2008 auf und die Antragsgegnerin hob die Bewilligung von Alg auf. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 20. Oktober 2008 bis 19. Juli 2009 in Höhe von monatlich 1.690,80 EUR als Zuschuss.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2009 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller dazu an, dass die Tätigkeit des Antragstellers nach dem RDG nicht erlaubt sein dürfte und sie beabsichtige, die Bewilligung des Gründungszuschusses ggf. zurückzunehmen.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17. März 2009 nahm die Antragsgegnerin die Bewilligung des Gründungszuschusses zurück. Bei der Tätigkeit des Antragstellers handele es sich um eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Es fehle eine ihm vorzuwerfende grobe Fahrlässigkeit als Voraussetzung für eine Rücknahme der Bewilligung. Die "Prozedur" vor Erhalt des Gründungszuschusses schließe seines Erachtens den Vorwurf grober Fahrlässigkeit aus. Da die außergerichtliche Rechtsberatung durch das RDG neu gestaltet worden sei, hafte dem eine gewisse Rechtsunsicherheit an. Bis das Berufsbild gerichtlich geklärt sei, sollte bei Abwägung der Rechtsgüter der Aufbau der Existenz schutzwürdig sein. Mit einem weiteren Anhörungsschreiben vom 3. April 2009 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Widerspruchsverfahren die Gelegenheit, zu äußern und mitzuteilen, ob er beachtliche Vermögensdispositionen getroffen habe.
In seiner Antwort verwies der Antragsteller darauf, dass er seine Tätigkeit auf die Anwendung gebundener Rechtsnormen und von höchstrichterlichen Entscheidungen beschränke. Er sei der Auffassung: Es solle dem Markt überlassen bleiben, welche Dienstleistungen akzeptiert würden und welche nicht. So sei kein Konkurrent wettbewerbsrechtlich gegen ihn vorgegangen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass weit über 50 Alg II-Empfänger seine Hilfeleistung – teils wiederholt – in Anspruch genommen hätten. Insofern habe der Markt seine Dienstleistung akzeptiert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 gab die Antragsgegnerin dem Widerspruch teilweise statt und beschränkte die Rücknahme auf die Zeit ab dem 20. März 2009. Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit sei das Vertrauen des Antragstellers nicht mehr schutzwürdig. Es seien auch keine Vermögensdispositionen erkennbar, die er nicht oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne.
Am 6. Mai 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das Klageverfahren wird unter dem Aktenzeichen S 4 AL 174/09 geführt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Sein Vertrauen sollte solange als schutzwürdig gewertet werden, wie die Tätigkeit hinsichtlich des neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes einer gerichtlichen Klärung unterliege und es keine "Mitwettbewerber" gäbe, die sich auf den Schutzzweck des RDG berufen würden. Die Einordnung seiner Tätigkeit als erlaubnispflichtig oder nicht werde am Verwaltungsgericht Magdeburg (3 B 146/09 MD) geklärt. Die Antragsgegnerin könne sich nur auf den Schutzzweck berufen, wenn sie in ihren Belangen, die ihr aus der Rechtsordnung erwüchsen, beeinträchtigt werde. Solche Umstände gäbe es nicht, weshalb die Rücknahmeentscheidung ermessensfehlerhaft sei.
Mit Beschluss vom 3. Juni 2009 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sei nicht begründet. Das Aufschubinteresse des Antragsstellers überwiege nicht das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheides, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Aufhebungsbescheid sei rechtmäßig, da der Gründungszuschuss rechtswidrig bewilligt wurde. Die Förderung von durch Gesetz verbotenen Tätigkeiten sei nicht zulässig. Der Antragsteller führe Rechtsdienstleistungen aus, zu denen er nach dem RDG derzeit nicht befugt sei. Die Aufhebungsvoraussetzungen seien für die Zukunft erfüllt.
Gegen den ihm am 14. Juni 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 22. Juni 2009 Beschwerde erhoben. Entgegen den Ausführungen des SG sei eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen. Denn die Entscheidung in der Hauptsache hänge von der Beantwortung schwieriger, bislang ungeklärter Rechtsfragen ab. Die Rücknahme des Bescheides über den Gründungszuschuss nach dem SGB III sowie die Einschränkungen der Berufsausübung erschienen ihm vor diesem Kontext rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg (S 4 AL 64/09 B ER) gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege der Vollzugsaufhebung zur vorläufigen Zahlung des ab März 2009 einbehaltenen Gründungszuschusses auf der Grundlage des Bescheides vom 28. Oktober 2008 zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Beschluss des SG. Insbesondere sei eine nichtrechtliche Prüfung der Einzelfälle - so beispielsweise unter rein oder überwiegend wirtschaftlichen Gesichtspunkten - nach den Ausführungen des Antragstellers nicht anzunehmen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners und die Gerichtsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.
Der Antrag ist zulässig. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist statthaft, es richtet sich nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 SGG. Danach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (Satz 1). Ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (Satz 2).
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 Klage vor dem SG erhoben (Az. 4 AL 174/09). Diese Klage entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage bei Entscheidungen u. a. in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Durch den betreffenden Verwaltungsakt hat die Antragsgegnerin die Bewilligung des Gründungszuschusses mit Wirkung ab dem 20. März 2009 zurückgenommen, die Leistung also entzogen. Bei dem Gründungszuschuss handelte es sich auch um eine monatlich gezahlte wiederkehrende Leistung.
Das statthafte Rechtsschutzbegehren ist nicht begründet.
Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgesetzbuch Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b, Rz. 12 f.). Durch die Regelung in § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG ist ein Regelausnahmeverhältnis zugunsten des Vollzugsinteresses geschaffen worden. Das Gesetz unterstellt den Sofortvollzug jedoch keineswegs als stets, sondern nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag des Antragstellers hin in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. September 2001, 4 VR 19/01, NZV 2002, 51, 52 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994, 4 VR 1.94, BVerwGE 96, 239 ff, jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs.2 Nr. 4 SGG ist). Daraus folgt zugleich, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers umso geringer sind, je höher die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., Rz. 12e).
Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Antragstellers am Nichtvollzug gegenüber dem Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung nicht, denn der Bescheid vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Rechtsgrundlage des Aufhebungsbescheides sind die § 45 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn die Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X).
Die Bewilligung des Gründungszuschusse durch den begünstigenden Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2008 für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 20. Oktober 2008 bis 19. Juli 2009 war von Anfang an rechtswidrig. Ein Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit darf nur für erlaubte selbständige Tätigkeiten erteilt werden. Die vom Antragsteller angebotene Dienstleistung dürfte jedoch nach § 3 RDG verboten sein. Danach ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Die Tätigkeit des Antragstellers ist als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren und Erlaubnistatbestände nach §§ 5-15 RDG liegen nicht vor. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Bei der vom Antragsteller angebotenen Leistung handelt es sich um eine außergerichtliche Rechtsdienstleistung. Eine solche ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert. Der Antragsteller wird in fremden Angelegenheiten tätig. Entgegen seiner Auffassung nimmt er dabei auch eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles vor. Denn nach seinem eigenen Vortrag prüft er Bescheide von Kunden darauf, ob sie mit dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts übereinstimmen. Zutreffend verweist der Antragsteller darauf, dass der Gesetzgeber mit dem RDG den Rahmen für zulässige Dienstleistungen ohne Rechtsprüfung erweitern wollte. Das Auffinden von juristischen Normen, die Wiedergabe in Form allgemeiner Hinweise oder die Geltendmachung unstreitiger Ansprüche fällt nicht unter eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung. Auch die Erstellung von Schriftsätzen, Klageschrift, Widerspruch dürfte dann nicht darunter fallen, wenn – ohne Rechtsprüfung – lediglich das Begehren des Kunden in eine bestimmte Form gebracht wird. Eine solche Dienstleistung erbringt z. B. die Rechtsantragsstelle bei den Gerichten. Die angebotene Dienstleistung des Antragstellers erfordert demgegenüber jedoch eine rechtliche Prüfung. Wann die angebotene Dienstleistung eine rechtliche Prüfung beinhaltet und wann nicht, ist auch nach der Verkehrsanschauung und der Erwartung des Rechtsuchenden zu beurteilen (vgl. Kleine-Cosack, RDG, 2. Aufl., § 2 Rn. 8). Dies war ausdrücklich auch Inhalt der Formulierung des Gesetzesentwurfes ("sobald sie nach der Verkehrsanschauung oder der erkennbaren Erwartung des Rechtssuchenden eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert"), der vom Rechtsausschuss gestrafft wurde, ohne dass dadurch eine inhaltliche Änderung erreicht werden sollte (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 10. Oktober 2007 – BT-Drs. 16/6634, S. 111). Nach dem Erwartungshorizont des Kunden muss eine rechtliche Prüfung vorgenommen werden. Denn der Antragsteller soll nicht (gegenüber der Behörde) unstreitige Ansprüche geltend machen, sondern bei vorhandenen Bewilligungen prüfen, ob diese fehlerhaft sind. Dies meint auch der Antragsteller selbst, der eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und eine Prüfung der Einhaltung der Rechtsprechung des BSG nicht für eine rechtliche Prüfung hält. Für die Auslegung des Erlaubnisvorbehaltes ist des weiteren auf den Schutzzweck des RDG abzustellen. Das Gesetz dient dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG). Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Bescheiden und die Beurteilung der Notwendigkeit diese anzugreifen, bedarf es qualifizierter Rechtskenntnisse. Die freie Beratung, die der Antragsteller für zulässig hält, hingegen kann von jedem durchgeführt werden, der meint über rechtliche Kenntnisse zu verfügen. Wenn eine solche Beratung ohne ausgewiesene Rechtskenntnisse durchführt wird, werden die Interessen des Betroffenen gefährdet. So kann beispielsweise übersehen werden, dass ein rechtswidriger Bescheid angegriffen werden müsste. Der Kunde, der zu einem solchen "Beratungsservice Alg II" geht, wird dies anstelle einer qualifizierten Beratung in einer Beratungsstelle oder beim Rechtsanwalt tun. Der Antragsteller erbringt auch nicht primär eine andere Dienstleistung, in deren Zusammenhang noch Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen erbracht werden sollen (§ 5 RDG), sondern die Rechtsdienstleistung stellt seine Hauptleistung dar. Durch diese will er erst die "Fehler" entdecken, die dann weitere Dienstleistungen (Widerspruch schreiben, Überprüfungsantrag schreiben) nötig machen.
Der Antragsteller verfügt über keine Erlaubnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Es greift auch nicht die Erlaubnisnorm des § 6 RDG. Danach ist es erlaubt, unentgeltlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen. Hierfür muss jedoch bei einer Rechtsdienstleistung außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlicher persönlicher Beziehungen, zumindest eine Anleitung durch einer Person mit der Befähigung zum Richteramt erfolgen. Ein solcher Anleiter fehlt hier. Im Übrigen steht die unentgeltliche Prüfung der Bescheide in Zusammenhang mit entgeltlichen Tätigkeiten. Denn der Antragsteller verlangt ein Erfolgshonorar von 10 % sowie weitere Entgelte, wenn seine Prüfung die Notwendigkeit für weiteres Tätigwerden ergibt. Der Antragsteller erbringt die Dienstleistungen nicht aus bürgerschaftlichem Engagement, sondern weil er seinen Lebensunterhalt damit finanzieren will.
Die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 2, Abs. 3 SGB X liegen vor. Der Antragsteller konnte für die Zukunft auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht vertrauen. Er war durch das Schreiben der Antragsgegnerin über die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes informiert. Auf Nachfrage hat der Antragsteller keine bereits getroffenen Vermögensdispositionen für die Zukunft benannt; solche sind aus der Akte auch nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat bei der Aufhebung der Bewilligung des Gründungszuschusses ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Eine ausreichende Ermessensausübung ist bereits anerkannt worden, wenn der Verwaltungsakt nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit zurückgenommen wurde (vgl. BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 11). Sind geeignete Tatsachen, die bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden müssen, nicht bekannt, muss insoweit auch kein Ermessen ausgeübt werden (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45 Rn. 89). Es sind keine weiteren Umstände, die bei der Ermessenausübung hätten beachtet werden müssen, bekannt. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Widerspruchsentscheidung ausgeführt, dass es für eine rückwirkende Rücknahme der Bewilligung entgegenstehende Vertrauensschutzgesichtspunkte gibt, nicht aber für die Zukunft. Der Antragsteller argumentiert mit der seiner Meinung nach offenen Rechtsfrage, nicht jedoch mit Umständen, die bei der Abwägung der Aufhebung für die Zukunft zu berücksichtigen wären. Die Frist für eine Rücknahme von zwei Jahren nach Bekanntwerden nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist eingehalten.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Fortzahlung eines Gründungszuschusses nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III).
Der 1962 geborene Antragsteller ist Ingenieur für Triebwerk u. Flugzeugteile sowie staatl. anerkannter Betriebswirt. Die Antragsgegnerin bewilligte ihm zunächst bis zum 30. Januar 2009 Arbeitslosengeld in Höhe von zuletzt 46,36 EUR täglich. Am 24. Juni 2008 beantragte er einen Gründungszuschuss bei der Antragsgegnerin zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Berater in Alg II-Angelegenheiten ab dem 20.10.2008. Er fügte eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung bei. Die Industrie- und Handelskammer M. hielt das Vorhaben zum Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt für realisierbar. Das Dienstleistungsangebot sollte in der kostenlosen Kontrolle der Bescheide auf Mängel in der Rechtsanwendung, der kostenpflichtigen Formulierung eines Überprüfungsantrages, eines Widerspruchs oder einer Klageschrift bestehen. Zudem sollte ein Erfolgshonorar von 10 % auf die ggf. nachzuzahlende Leistung gefordert werden. Daneben sollte eine Beistandsschaft nach § 13 SGB X vereinbart werden. Der Antragsteller führte detailliert auf, weshalb er der Ansicht sei, dass diese Dienstleistungen nicht gegen das neue Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßen würden. Die bloße Prüfung von Alg II-Bescheiden und Bescheiden der Sozialhilfe auf bloße richtige Anwendung von Rechtsnormen falle nicht unter das neue Rechtsdienstleistungsgesetz. Die Geschäftsidee basiere darauf, dass Rechtsnormen mit Beginn der Hartz IV-Reformen in Bescheiden vielfach nicht richtig angewandt seien bzw. eine Rechtssicherheit durch Urteile des Bundessozialgerichts erst spät einsetze. Nur bei entsprechendem Fachwissen sei es möglich, Fehler zu finden und zu prüfen, ob alle Rechtsnormen auch und wenn, dann richtig angewendet worden seien. Der Antragsteller hat hervorgehoben, es gehe nur um Mängel, die in der bloßen Anwendung von Rechtsnormen lägen. In ergänzenden Ausführungen zur Auslegung des RDG hob der Antragsteller hervor, dass es sich seiner Auffassung nach nicht um eine Rechtsdienstleistung handele, wenn die Subsumierung eines Sachverhalts unter die jeweilige Rechtsnorm keinem Gestaltungsspielraum unterliege, also unstreitig sei.
Der Antragsteller nahm seine selbständige Tätigkeit am 20. Oktober 2008 auf und die Antragsgegnerin hob die Bewilligung von Alg auf. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 20. Oktober 2008 bis 19. Juli 2009 in Höhe von monatlich 1.690,80 EUR als Zuschuss.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2009 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller dazu an, dass die Tätigkeit des Antragstellers nach dem RDG nicht erlaubt sein dürfte und sie beabsichtige, die Bewilligung des Gründungszuschusses ggf. zurückzunehmen.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17. März 2009 nahm die Antragsgegnerin die Bewilligung des Gründungszuschusses zurück. Bei der Tätigkeit des Antragstellers handele es sich um eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Es fehle eine ihm vorzuwerfende grobe Fahrlässigkeit als Voraussetzung für eine Rücknahme der Bewilligung. Die "Prozedur" vor Erhalt des Gründungszuschusses schließe seines Erachtens den Vorwurf grober Fahrlässigkeit aus. Da die außergerichtliche Rechtsberatung durch das RDG neu gestaltet worden sei, hafte dem eine gewisse Rechtsunsicherheit an. Bis das Berufsbild gerichtlich geklärt sei, sollte bei Abwägung der Rechtsgüter der Aufbau der Existenz schutzwürdig sein. Mit einem weiteren Anhörungsschreiben vom 3. April 2009 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Widerspruchsverfahren die Gelegenheit, zu äußern und mitzuteilen, ob er beachtliche Vermögensdispositionen getroffen habe.
In seiner Antwort verwies der Antragsteller darauf, dass er seine Tätigkeit auf die Anwendung gebundener Rechtsnormen und von höchstrichterlichen Entscheidungen beschränke. Er sei der Auffassung: Es solle dem Markt überlassen bleiben, welche Dienstleistungen akzeptiert würden und welche nicht. So sei kein Konkurrent wettbewerbsrechtlich gegen ihn vorgegangen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass weit über 50 Alg II-Empfänger seine Hilfeleistung – teils wiederholt – in Anspruch genommen hätten. Insofern habe der Markt seine Dienstleistung akzeptiert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 gab die Antragsgegnerin dem Widerspruch teilweise statt und beschränkte die Rücknahme auf die Zeit ab dem 20. März 2009. Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit sei das Vertrauen des Antragstellers nicht mehr schutzwürdig. Es seien auch keine Vermögensdispositionen erkennbar, die er nicht oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne.
Am 6. Mai 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das Klageverfahren wird unter dem Aktenzeichen S 4 AL 174/09 geführt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Sein Vertrauen sollte solange als schutzwürdig gewertet werden, wie die Tätigkeit hinsichtlich des neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes einer gerichtlichen Klärung unterliege und es keine "Mitwettbewerber" gäbe, die sich auf den Schutzzweck des RDG berufen würden. Die Einordnung seiner Tätigkeit als erlaubnispflichtig oder nicht werde am Verwaltungsgericht Magdeburg (3 B 146/09 MD) geklärt. Die Antragsgegnerin könne sich nur auf den Schutzzweck berufen, wenn sie in ihren Belangen, die ihr aus der Rechtsordnung erwüchsen, beeinträchtigt werde. Solche Umstände gäbe es nicht, weshalb die Rücknahmeentscheidung ermessensfehlerhaft sei.
Mit Beschluss vom 3. Juni 2009 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sei nicht begründet. Das Aufschubinteresse des Antragsstellers überwiege nicht das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheides, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Aufhebungsbescheid sei rechtmäßig, da der Gründungszuschuss rechtswidrig bewilligt wurde. Die Förderung von durch Gesetz verbotenen Tätigkeiten sei nicht zulässig. Der Antragsteller führe Rechtsdienstleistungen aus, zu denen er nach dem RDG derzeit nicht befugt sei. Die Aufhebungsvoraussetzungen seien für die Zukunft erfüllt.
Gegen den ihm am 14. Juni 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 22. Juni 2009 Beschwerde erhoben. Entgegen den Ausführungen des SG sei eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen. Denn die Entscheidung in der Hauptsache hänge von der Beantwortung schwieriger, bislang ungeklärter Rechtsfragen ab. Die Rücknahme des Bescheides über den Gründungszuschuss nach dem SGB III sowie die Einschränkungen der Berufsausübung erschienen ihm vor diesem Kontext rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg (S 4 AL 64/09 B ER) gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege der Vollzugsaufhebung zur vorläufigen Zahlung des ab März 2009 einbehaltenen Gründungszuschusses auf der Grundlage des Bescheides vom 28. Oktober 2008 zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Beschluss des SG. Insbesondere sei eine nichtrechtliche Prüfung der Einzelfälle - so beispielsweise unter rein oder überwiegend wirtschaftlichen Gesichtspunkten - nach den Ausführungen des Antragstellers nicht anzunehmen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners und die Gerichtsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.
Der Antrag ist zulässig. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist statthaft, es richtet sich nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 SGG. Danach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (Satz 1). Ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (Satz 2).
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 Klage vor dem SG erhoben (Az. 4 AL 174/09). Diese Klage entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage bei Entscheidungen u. a. in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Durch den betreffenden Verwaltungsakt hat die Antragsgegnerin die Bewilligung des Gründungszuschusses mit Wirkung ab dem 20. März 2009 zurückgenommen, die Leistung also entzogen. Bei dem Gründungszuschuss handelte es sich auch um eine monatlich gezahlte wiederkehrende Leistung.
Das statthafte Rechtsschutzbegehren ist nicht begründet.
Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgesetzbuch Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b, Rz. 12 f.). Durch die Regelung in § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG ist ein Regelausnahmeverhältnis zugunsten des Vollzugsinteresses geschaffen worden. Das Gesetz unterstellt den Sofortvollzug jedoch keineswegs als stets, sondern nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag des Antragstellers hin in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. September 2001, 4 VR 19/01, NZV 2002, 51, 52 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994, 4 VR 1.94, BVerwGE 96, 239 ff, jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs.2 Nr. 4 SGG ist). Daraus folgt zugleich, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers umso geringer sind, je höher die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., Rz. 12e).
Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Antragstellers am Nichtvollzug gegenüber dem Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung nicht, denn der Bescheid vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Rechtsgrundlage des Aufhebungsbescheides sind die § 45 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn die Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X).
Die Bewilligung des Gründungszuschusse durch den begünstigenden Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2008 für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 20. Oktober 2008 bis 19. Juli 2009 war von Anfang an rechtswidrig. Ein Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit darf nur für erlaubte selbständige Tätigkeiten erteilt werden. Die vom Antragsteller angebotene Dienstleistung dürfte jedoch nach § 3 RDG verboten sein. Danach ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Die Tätigkeit des Antragstellers ist als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren und Erlaubnistatbestände nach §§ 5-15 RDG liegen nicht vor. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Bei der vom Antragsteller angebotenen Leistung handelt es sich um eine außergerichtliche Rechtsdienstleistung. Eine solche ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert. Der Antragsteller wird in fremden Angelegenheiten tätig. Entgegen seiner Auffassung nimmt er dabei auch eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles vor. Denn nach seinem eigenen Vortrag prüft er Bescheide von Kunden darauf, ob sie mit dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts übereinstimmen. Zutreffend verweist der Antragsteller darauf, dass der Gesetzgeber mit dem RDG den Rahmen für zulässige Dienstleistungen ohne Rechtsprüfung erweitern wollte. Das Auffinden von juristischen Normen, die Wiedergabe in Form allgemeiner Hinweise oder die Geltendmachung unstreitiger Ansprüche fällt nicht unter eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung. Auch die Erstellung von Schriftsätzen, Klageschrift, Widerspruch dürfte dann nicht darunter fallen, wenn – ohne Rechtsprüfung – lediglich das Begehren des Kunden in eine bestimmte Form gebracht wird. Eine solche Dienstleistung erbringt z. B. die Rechtsantragsstelle bei den Gerichten. Die angebotene Dienstleistung des Antragstellers erfordert demgegenüber jedoch eine rechtliche Prüfung. Wann die angebotene Dienstleistung eine rechtliche Prüfung beinhaltet und wann nicht, ist auch nach der Verkehrsanschauung und der Erwartung des Rechtsuchenden zu beurteilen (vgl. Kleine-Cosack, RDG, 2. Aufl., § 2 Rn. 8). Dies war ausdrücklich auch Inhalt der Formulierung des Gesetzesentwurfes ("sobald sie nach der Verkehrsanschauung oder der erkennbaren Erwartung des Rechtssuchenden eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert"), der vom Rechtsausschuss gestrafft wurde, ohne dass dadurch eine inhaltliche Änderung erreicht werden sollte (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 10. Oktober 2007 – BT-Drs. 16/6634, S. 111). Nach dem Erwartungshorizont des Kunden muss eine rechtliche Prüfung vorgenommen werden. Denn der Antragsteller soll nicht (gegenüber der Behörde) unstreitige Ansprüche geltend machen, sondern bei vorhandenen Bewilligungen prüfen, ob diese fehlerhaft sind. Dies meint auch der Antragsteller selbst, der eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und eine Prüfung der Einhaltung der Rechtsprechung des BSG nicht für eine rechtliche Prüfung hält. Für die Auslegung des Erlaubnisvorbehaltes ist des weiteren auf den Schutzzweck des RDG abzustellen. Das Gesetz dient dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG). Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Bescheiden und die Beurteilung der Notwendigkeit diese anzugreifen, bedarf es qualifizierter Rechtskenntnisse. Die freie Beratung, die der Antragsteller für zulässig hält, hingegen kann von jedem durchgeführt werden, der meint über rechtliche Kenntnisse zu verfügen. Wenn eine solche Beratung ohne ausgewiesene Rechtskenntnisse durchführt wird, werden die Interessen des Betroffenen gefährdet. So kann beispielsweise übersehen werden, dass ein rechtswidriger Bescheid angegriffen werden müsste. Der Kunde, der zu einem solchen "Beratungsservice Alg II" geht, wird dies anstelle einer qualifizierten Beratung in einer Beratungsstelle oder beim Rechtsanwalt tun. Der Antragsteller erbringt auch nicht primär eine andere Dienstleistung, in deren Zusammenhang noch Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen erbracht werden sollen (§ 5 RDG), sondern die Rechtsdienstleistung stellt seine Hauptleistung dar. Durch diese will er erst die "Fehler" entdecken, die dann weitere Dienstleistungen (Widerspruch schreiben, Überprüfungsantrag schreiben) nötig machen.
Der Antragsteller verfügt über keine Erlaubnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Es greift auch nicht die Erlaubnisnorm des § 6 RDG. Danach ist es erlaubt, unentgeltlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen. Hierfür muss jedoch bei einer Rechtsdienstleistung außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlicher persönlicher Beziehungen, zumindest eine Anleitung durch einer Person mit der Befähigung zum Richteramt erfolgen. Ein solcher Anleiter fehlt hier. Im Übrigen steht die unentgeltliche Prüfung der Bescheide in Zusammenhang mit entgeltlichen Tätigkeiten. Denn der Antragsteller verlangt ein Erfolgshonorar von 10 % sowie weitere Entgelte, wenn seine Prüfung die Notwendigkeit für weiteres Tätigwerden ergibt. Der Antragsteller erbringt die Dienstleistungen nicht aus bürgerschaftlichem Engagement, sondern weil er seinen Lebensunterhalt damit finanzieren will.
Die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 2, Abs. 3 SGB X liegen vor. Der Antragsteller konnte für die Zukunft auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht vertrauen. Er war durch das Schreiben der Antragsgegnerin über die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes informiert. Auf Nachfrage hat der Antragsteller keine bereits getroffenen Vermögensdispositionen für die Zukunft benannt; solche sind aus der Akte auch nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat bei der Aufhebung der Bewilligung des Gründungszuschusses ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Eine ausreichende Ermessensausübung ist bereits anerkannt worden, wenn der Verwaltungsakt nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit zurückgenommen wurde (vgl. BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 11). Sind geeignete Tatsachen, die bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden müssen, nicht bekannt, muss insoweit auch kein Ermessen ausgeübt werden (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45 Rn. 89). Es sind keine weiteren Umstände, die bei der Ermessenausübung hätten beachtet werden müssen, bekannt. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Widerspruchsentscheidung ausgeführt, dass es für eine rückwirkende Rücknahme der Bewilligung entgegenstehende Vertrauensschutzgesichtspunkte gibt, nicht aber für die Zukunft. Der Antragsteller argumentiert mit der seiner Meinung nach offenen Rechtsfrage, nicht jedoch mit Umständen, die bei der Abwägung der Aufhebung für die Zukunft zu berücksichtigen wären. Die Frist für eine Rücknahme von zwei Jahren nach Bekanntwerden nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist eingehalten.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
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