S 26 R 506/06

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 26 R 506/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. Das AAÜG ist nur dann anwendbar ,wenn die in § 1 Abs. 1 AAÜG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. ( Entgegen BSG vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/ 01 R = SozR 3 - 8570 § 1 Nr. 2 )

2. Die vom früheren 4. Senat des Bundessozialgerichtes vorgenommene verf
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten haben die Parteien einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, für die Zeit vom ...1971 bis 30.06.1990 festzustellen, dass das AAÜG (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsge-setz) auf den Kläger Anwendung findet, da der Kläger der zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz für volkseigene Betriebe der ehemaligen DDR angehört hat und die Beklagte verpflichtet ist, für diese Zeit das nachgewiesene Bruttoarbeitsentgelt gemäß §§ 8, 5 AAÜG festzustellen.

Der 1947 geborene Kläger absolvierte an der Technischen ein Studium in der Sektion Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen. Mit Urkunde vom 1971 wurde dem Kläger der akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen.

Laut Sozialversicherungsausweis war der Kläger ab 01.10.1970 bis 31.12.1980 im VEB als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. In der Zeit vom 01.01.1981 bis 31.01.1984 war der Kläger als Themenverantwortlicher im selben VEB beschäftigt. Ab 01.01.1985 bis 30.06.1990 war der Kläger laut den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis als Leiter Forschung und Entwicklung des VEB beschäftigt. Ab 01.07.1990 ist als Tätigkeit Vertriebsleiter in der GmbH eingetragen. Der Kläger legte bei der Beklagten einen "Än-derungsvertrag" vom 30.05.1990 vor. Insoweit wird auf Blatt 15 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Hier heißt es unter anderem wörtlich:

"Der zwischen VEB und bestehende Arbeitsvertrag vom 01.02.1984 wird mit Wirkung vom 01.06.1990 wie folgt geändert: übernimmt folgende Arbeitsaufgabe: Vertriebsleitung im GmbH "

Unterschrieben ist der Änderungsvertrag von Herrn , Geschäftsführer, und vom Kläger.

Laut dem Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft der ehemaligen DDR wurde der VEB mit Wirkung vom 10. Juli 1990 gelöscht. Insoweit wird auf Blatt 194 der Gerichtsakte Bezug genommen. Betriebsdirektor des VEB war Herr ...

Laut Eintragungen in das Handelsregister Blatt wurde die mit beschränkter Haftung am 10. Juli 1990 in das Handelsregister eingetragen. Insoweit wird auf Blatt 17 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Den Antrag des Klägers auf Feststellungen nach dem AAÜG wies die Beklagte mit Bescheid vom 27.12.2005 als unbegründet zurück. Der Kläger erfülle die sogenannte "sachliche Voraussetzung" für eine fiktive Einbeziehung in die Altersversorgung der Technischen Intelligenz in volkseigenen Betrieben am 30.06.1990 nicht. Der Kläger sei zwar berechtigt, den Titel eines Ingenieurs zu führen, jedoch sei der Kläger nicht als Ingenieur im Sinne der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der Technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 beschäftigt gewesen. Der Kläger sei am 30.06.1990 als Vertriebsleiter nicht in den unmittelbaren Produktionsprozess eingegliedert gewesen bzw. habe trotz seiner "technischen" Qualifikation nicht aktiv den Produktionsprozess – so wie es die Versorgungsordnung vorgesehen habe – beeinflussen können. Da die sachlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, sei § 1 AAÜG nicht erfüllt und deshalb seien auch keine Zeiten der Zugehörigkeit im Sinne einer gleichgestellten Pflichtbeitragszeit in einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG festzustellen.

Mit Widerspruch vom 12.01.2006, eingegangen 16.01.2006, machte der Kläger geltend, die im Bescheid zur Ablehnung geführte Begründung zur Nichterfüllung der sachlichen Voraussetzung "entsprechende Tätigkeit" erscheine nicht hinreichend geprüft. Die Tätigkeit eines Vertriebsingenieurs in einem Werkzeug- und Formenbau der Kunststoffverarbeitung greife durchaus aktiv in den Produktionsprozess ein. Dies begründet sich darin, dass Werkzeuge und Formen in der Kunststoffbranche grundsätzlich Produkte der Einzelfertigung seien, das heiße jedes Werkzeug, jede Form stelle ein Unikat dar. Jedes Formwerkzeug werde erst anhand des mit ihm zu formenden vom Kunden gewünschten Kunststoffteiles entwickelt bzw. konstruiert. Alle für die Konstruktion und Herstellung (Fertigung) des Formwerkzeuges erforderlichen Aspekte und Abwägungen würden im ständigen, direkten Kontakt der Vertriebsabteilung mit dem Kunden getroffen. Die ingenieurtechnische Abwägung und Beratung mit dem Kunden beeinflusse insoweit entscheidend den späteren Produktionsprozess. Bereits in dem durch den Vertriebsleiter erfolgenden Anbahnungs- bzw. im fortführenden technischen Beratungsgespräch werde über Konstruktion entschieden und damit über die Fertigung des Formwerkzeuges. Dabei handele es sich um eine Entscheidung darüber, wie im Produktionsprozess gefräst, gebohrt, gedreht, gehobelt, erodiert, wärmebehandelt oder oberflächenbeschichtet werden würde. Es finde also im besonderen Maße eine hohe, direkte und insoweit also durchaus aktive Einflussnahme auf die spätere Fertigungstechnologie zur Herstellung des Werkzeuges, der Form statt. Gerade diese aktive Einflussnahme unterscheide die Tätigkeit eines Vertriebsingenieurs im Werk-zeug- und Formenbau von der Tätigkeit eines Vertriebsingenieurs in einem Produktionsbetrieb, wo fertig entwickelte Produkte tatsächlich nur noch vertrieben werden würden. Natürlich sei die kaufmännische Tätigkeitskomponente auch im Werkzeug- und Formenbau Bestandteil der Tätigkeit eines Vertriebsingenieurs. Dominierend sei hier jedoch immer die ingenieurtechnische Betrachtung (am Kunststoffteil ausgerichtete ingenieurtechnische Entwicklung, Beratung des Kunden und hieraus resultierende Einflussnahme auf den Produktionsprozess). Der Kläger erfülle daher auch die sachliche Voraussetzung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe am 30.06.1990 nicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten nach den Regeln des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 angehört. Für den Anspruch auf eine Versorgungszusage nach den Regelungen des Bundesrechtes komme es darauf an, dass der Betreffende die erforderliche Qualifikation erworben habe, im Wesentlichen entsprechend dieser Qualifikation beschäftigt gewesen sei und die Beschäftigung für einen von der Versorgungsordnung erfassten Arbeitgeber verrichtet habe. Der Kläger habe am 30.06.1990 keine ingenieurtechnische Beschäftigung im Sinne der Versorgungsordnung, sondern eine Beschäftigung als Vertriebsleiter ausgeübt. Der Kläger sei somit nicht in den unmittelbaren Produktionsprozess eingegliedert gewesen.

Mit der am 30.03.2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung trägt er unter anderem vor: Die Tätigkeit eines Vertriebsingenieurs in einem Werkzeug- und Formenbau der Kunststoffverarbeitung habe den Produktionsprozess indirekt beeinflusst. Dies begründet sich darin, dass Werkzeuge und Formen in der Kunststoffbranche grundsätzlich Produkte der Einzelfertigung seien, das hieße, jedes Werkzeug, jede Form stelle ein Unikat dar. Die Betriebe des Werkzeug- und Formenbaus der Kunststoffverarbeitung seien zunächst Betriebe des Maschinenbaus. Das Besondere hierbei sei, dass deren Produkte (also Produkte der Betriebe des Werkzeug- und Formen-baus der Kunststoffverarbeitung) Werkzeuge zur Formgebung von Kunststoffteilen seien, wobei jedes Formwerkzeug aufgrund der vielfältigen Verschiedenheit des Endproduktes "Kunststoffformteil" einerseits einer intensiven technisch-fachlich qualifizierten Beratung des Kunden bedürfe und andererseits, und hierauf komme es an, einer technischen Umsetzung des Kundenwunsches bedürfe. Es sei also ein besonderes Merkmal der Branche "Werkzeug- und Formenbau der Kunststoffverarbeitung", dass bereits bei der Auftragsanbahnung im Vertrieb eine umfängliche technische Beratung des Kunden zwingend erforderlich sei, die unstrittig hohes spezifisches Fachwissen voraussetze, damit die Produktion mit den dann vertraglich vereinbarten Vorgaben des Kunden auch umgesetzt werden könne ... Der in dieser Branche tätige Vertriebsingenieur nehme mit seiner technischen Beratung in den Auftragsanbahnungsgesprächen also durchaus und bereits maßgeblich Einfluss auf die spätere Fertigung bei der Herstellung der Formwerkzeuge und damit also auf den Produktionsprozess im Betrieb. Darüber hinaus – und das sei eine weitere Besonderheit – nehme der Vertriebsingenieur mit seiner Beratung und den Entscheidungen zur konstruktiven Auslegung des Formwerkzeuges zwangsläufig auch immer den entscheidenden Einfluss auf den späteren Herstellungsprozess des mit dem Formwerkzeug zu formenden Kunststoffteiles (Produktionsprozess der Kunststoffverarbeitung: Spritzgießen, Spritzgieß-Blasen, Tiefziehen, Formpressen usw.). Insgesamt werde also im vorliegenden Fall als "Vertriebsleiter im Werkzeug- und Formenbau der Kunststoffverarbeitung" ein geradezu expliziter Einfluss auf den nachfolgenden Produktionsprozess genommen.

Bezüglich des diesbezüglichen weiteren Sachvortrages wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 17.07.2006 samt Anlagen auf Blatt 24 bis 29 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Weiter trägt der Kläger vor, dass in dem Änderungsvertrag vom 30.05.1990 bezüglich des Beginnes der Tätigkeit des Klägers in der GmbH ein Schreibfehler unterlaufen sei. Richtig müsse es heißen 01.07.1990 statt 01.06.1990. Dies ergäbe sich auch aus dem Sozialversicherungsausweis, in dem erst ab 01.07.1990 eine Tätigkeit in der GmbH als Vertriebsleiter eingetragen sei. Als weiterer Nachweis lege der Kläger Verdienstbescheinigungen vor, nämlich die vom September 1990. Aus der Kumulation der Arbeitsverdienste werde er-kennbar, dass die Vergütung erst ab dem 01.07.1990 als Abteilungsleiter Vertrieb erfolgt sei und sich von der im SV-Buch vor dem 30.06.1990 eingetragenen Vergütung unterscheide. Insoweit wird auf Blatt 50 bis 52 der Gerichtsakte sowie auf Blatt 58 bis 59 der Gerichtsakte Bezug genommen. Ein weiterer Nachweis dafür, dass das Arbeitsverhältnis mit der GmbH erst ab 01.07.1990 zustande gekommen sei, ergäbe sich aus dem Schreiben vom 24.04.1990 des VEB , das sich auf Blatt 16 der Verwaltungsakte befindet. Hieraus ergäbe sich, dass dem Kläger dort mitgeteilt worden sei, dass aufgrund seiner Bewerbung er als Vertriebsleiter im künftigen Unternehmen GmbH eingestellt werden solle. Der Vertrag solle auf anderthalb Jahre befristet sein. Da in dem Änderungsvertrag eine Befristung bis 31.12.1991 enthalten sei, könne es sich bei dem Änderungsbeginn ab 01.06.1990 nur um einen Schreibfehler handeln. Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der GmbH sei der 01.07.1990 gewesen. Der Kläger sei bis 30.06.1990 Leiter Forschung und Entwicklung in dem VEB gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2006 dazu verurteilt festzustellen, dass § 1 Abs. 1 AAÜG auf den Kläger für die Zeit vom 19.03.1971 bis 30.06.1990 anzuwenden ist, da der Kläger der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 angehörte und die Beklagte wird verpflichtet, für diesen Zeitraum die nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie ergänzend zu den angefochtenen Bescheiden vor: Die Tätigkeit des Klägers als Vertriebsingenieur sei gemäß der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens dem Bereich 50 "Beschaffung und Absatz (Material- und Lagerwirtschaft, Absatz, Kundendienst, Werbung)" zuzuordnen. Dem Vertriebsingenieur habe die komplexe Verkaufstätigkeit und Marktbearbeitung mit dem Ziel des effektiven Verkaufes der Erzeugnisse gemäß Marktorientierung oblegen. Er habe technisch-ökonomische Kundenberatung durchgeführt und eine gezielte Angebotstätigkeit bei Einhaltung international üblicher Angebotsfristen zur Gewährleistung einer hohen Absatzsicherheit erbracht. Er habe die Marktbedingungen sondiert. Es habe selbstverständlich eine enge Verflechtung mit den anderen Bereichen des Produktionsbetriebes bestanden. Die Tätigkeiten hätten somit Einfluss auf den Produkti-onsprozess. Ein mittelbarer Einfluss reiche jedoch für die fiktive Anerkennung einer Zusatzversorgung nicht aus, denn mittelbar habe jeder Betriebsangehörige in irgendeiner Weise Einfluss auf den Produktionsprozess gehabt. Die Beschäftigten im Bereich Beschaffung und Absatz (50) seien keine Beschäftigten gewesen, die in den produzierenden Einheiten des Betriebes (Produktionsprozess) für die Durchführung des technologischen Prozesses tatsächlich eingesetzt gewesen seien. Die Rahmenrichtlinie definiere ingenieurtechnisches Personal als Beschäftigte, die in den produzierenden Einheiten des Betriebes für die Durchführung des technologischen Prozesses eingesetzt gewesen seien und produktionsvorbereitendes Personal als Beschäftigte, deren Tätigkeit unmittelbar und zum überwiegenden Teil ihres Arbeitszeitfonds die wissenschaftlichtechnische und technologische Vorbereitung der Produktion zum Gegenstand gehabt hätten.

Daraus könne festgestellt werden, dass im Sinne der Zusatzversorgung der Technischen Intelligenz vom 17.08.1950 grundsätzlich nur die Technische Intelligenz im produktionsdurchführenden, Produktionshilfs- bzw. produktionsvorbreitenden Bereich (10, 20, 30) innerhalb der Organisationsstruktur eines Industriebetriebes gemeint gewesen sei. Nur in diesen Bereichen könne eine unmittelbare technische Mitwirkung bei der industriellen Fertigung von Produkten (Produktionsprozess), die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und die Entwicklung der Technik (Produktionsvorbereitung) möglich gewesen sein. Daher erfülle der Kläger die sachlichen Voraussetzung nicht.

Im Übrigen erfülle der Kläger auch die sogenannte betriebliche Voraussetzung nicht, da der VEB vor dem 30.06.1990 mit notarieller Umwandlungserklärung vom 22.05.1990 in eine GmbH umgewandelt worden sei. Der VEB habe daher am 30.06.1990 nur noch als "leere Hülle" existiert und habe mangels zur Verfügung stehenden Fonds nicht mehr am Rechtsverkehr teilnehmen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen in der Gerichtsakte und in der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Das Gericht hat die Akte des Amtsgerichtes Dresden, Registergericht, bezüglich der GmbH sowie bezüglich des VEB beigezogen und hieraus Kopien zu den Gerichtsakten genommen. Insoweit wird auf Blatt 68 bis 92 der Gerichtsakte Bezug genommen. Bei diesen Unterlagen befindet sich unter anderem die notarielle Umwandlungserklärung vom 22.05.1990, mit der mit Stichtag vom 01.04.1990 das Vermögen aus der bisherigen Vorinhaberschaft des VEB auf die GmbH aufgrund der Bilanz zum 31.03.1990 übertragen wurde. Zum vorläufigen Geschäftsführer der Gesellschaft wurde laut notarieller Umwand-lungserklärung Herr bestellt. Der Umwandlungserklärung war beigefügt die Abschlussbilanz des VEB zum 31.03.1990. Weiter befinden sich bei diesen Unterlagen der Gesellschaftsvertrag vom 22.05.1990 sowie der Gründungsbericht bezüglich der GmbH ebenfalls vom 22.05.1990.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass Feststellungen gemäß dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) getroffen werden, da das AAÜG auf ihn keine Anwendung findet.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen der ehemaligen DDR erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG.

Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG noch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG.

Der Kläger war beim Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 nicht Inhaber einer erworbenen Versorgungsberechtigung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Einen Anspruch auf Versorgung besaß er zu diesem Zeitpunkt nicht, weil noch kein Versorgungsfall eingetreten war.

Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer bestehenden Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Dies hätte vorausgesetzt, dass der Kläger in das Versorgungssystem einbezogen worden wäre. Eine solche Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der hier streitigen AVItech (Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 und 2. Durchführungsbestimmung zu der o.g. Verordnung vom 24.05.1951), konnte durch eine Versorgungszusage in Form eines nach Artikel 19 Satz 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31.08.1990 (BGBl. II, S. 889, 1239) bindend gebliebenen Verwaltungsaktes, durch eine Rehabilitierungsentscheidung auf der Grundlage von Artikel 17 des Einigungsvertrages oder durch eine Einzelentscheidung zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages (vgl. § 1 Abs. 3 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24.05.1951 (GBl. I Nr. 62, S. 487, im Folgenden 2. DB) erfolgen. Keine dieser Voraussetzungen ist im Falle des Klägers erfüllt.

Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist im Falle des Klägers nicht erfüllt. Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt vor dem 30.06.1990 in ein Versorgungssystem der ehemaligen DDR einbezogen und vor Eintritt des Leistungsfalles wieder ausgeschieden.

Eine weitere durch den Gesetzgeber geschaffene Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers existiert nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht.

Nach Auffassung der erkennenden Kammer kann der Kläger sein Begehren auch nicht auf die Rechtsprechung des 4. Senates des BSG in dessen Zuständigkeit bis zum 31.12.2007 bezüglich eines "fiktiven Anspruchs auf nachträgliche Einbeziehung in ein Versorgungssystem der ehemaligen DDR" stützen (vgl. u.a. Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 31/01 R; Urteil vom 23.08.2007, B 4 RS 2/07 R; Urteil vom 18.10.2007, B 4 RS 17/07 R). Nach Auffassung der erkennenden Kammer handelt es sich bei der eben zitierten Rechtsprechung weder um ein formelles Gesetz noch um Recht, an das die erkennende Kammer gemäß Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gebunden ist. Eine "verfassungskonforme" Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 des AAÜG, wie sie in der zitierten Rechtsprechung des 4. Senates des BSG in seiner Zuständigkeit bis zum 31.12.2007 vorgenommen worden ist, hält die erkennende Kammer aufgrund des eindeutigen und klaren Wortlautes der geltenden Gesetze und des geltenden Rechtes – Rentenangleichungsgesetz (RAG), Einigungsvertrag, AAÜG – nicht für zulässig.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG knüpft an die Neueinbeziehungsverbote in dem zu Bundesrecht gewordenen Rentenangleichungsgesetz der DDR (RAG) vom 28.06.1990 (GBl. I, S. 495) sowie im Einigungsvertrag an. § 22 Abs. 1 RAG untersagte eine Neueinbeziehung ab 01.07.1990, sodass in der Folgezeit nur die Personen weiterhin Vorteile aus einem Versorgungssystem in Anspruch nehmen konnten, die zu diesem Zeitpunkt bereits in das System einbezogen waren (z.B. durch staatlichen Akt oder durch Einzelvertrag). Hieran hat der Einigungsvertrag durch die zeitlich befristete und modifizierte Anordnung der Weitergeltung des RAG als Bundesrecht (vgl. Anlage II, Kapitel VIII, Sachgebiet F, Abschnitt III Nr. 8 Einigungsvertrag) sowie den weiteren besonderen Maßgaben für die Versorgungssysteme mit einem Neueinbeziehungsverbot auch – ab 03.10.1990 (Anlage II, Kapitel XIV, Sachgebiet H, Abschnitt III Nr. 9 a Satz 1 Halbsatz 2) – festgehalten.

Die oben zitierte Rechtsprechung des 4. Senates des BSG bezüglich eines "fiktiven Anspruches auf Einbeziehung in die AVItech" widerspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck des RAG, des Einigungsvertrages sowie des AAÜG nach Auffassung der erkennenden Kammer (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.03.2009, Az.: L 1 R 91/06, http:// www.sozialgerichtsbarkeit.de)

Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AÜG ist klar. Die Kammer sieht sich gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG an ihn gebunden (Rechtsstaatsprinzip). Der Wortlaut des Gesetzes gibt den Willen des Gesetzgebers wieder (Demokratieprinzip).

Die zitierte Rechtsprechung des 4. Senates des BSG widerspricht nach Rechtsauffassung der erkennenden Kammer beiden genannten Prinzipien. Mit dieser Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG nach Rechtsmeinung der erkennenden Kammer den Rahmen einer zuläs-sigen Rechtsfortbildung überschritten. Die vom 4. Senat des BSG gesehene Grundrechtsverletzung liegt nicht vor (vgl. LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.).

Nach alldem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz und der Tatsache, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Rechtskraft
Aus
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