Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2066/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 658/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Merkzeichen G zusteht.
Bei dem 1960 geborenen Kläger, dessen heroinsüchtige Mutter nach seinen Angaben in den Achtziger Jahren an einem Goldenen Schuss verstarb, stellte der Beklagte bereits mit Bescheid vom 08.06.1978 ab 03.04.1978 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. fest. Dabei ging der Ärztliche Dienst des Beklagten von folgenden Behinderungen aus:
Geistige Behinderung MdE 60 Spondylisthesis (Wirbelgleiten) MdE 20 Strabismus konvergens (einseitiges Schielen) MdE 10.
Auf Antrag des Klägers vom April 1992 stellte der Beklagte einen GdB von 90 mit Bescheid vom 07.07.1992 ab 21.04.1992 fest. Dabei ging der Ärztliche Dienst, abgesehen von den bereits oben genannten Behinderungen nunmehr zusätzlich von einem chronischen Geschwürsleiden des Zwölffingerdarmes, Vagotomie und Narbenbruch nach Operation aus, den er mit einem Teil-GdB von 40 bewertete.
Neufeststellungsanträge des Klägers sowie Anträge auf Feststellung der Merkzeichen G, B und RF lehnte der Beklagte unter Hinweis darauf, dass die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien, ab. Im Rahmen des Neufeststellungsantrages vom August 2003 zog der Beklagte ein Gutachten der Ärztlichen Untersuchungsstelle der LVA Baden-Württemberg vom 24.02.2004 bei. Bei der dortigen Begutachtung am 30.01.2004 durch Dr. S., Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, bestand freie Beweglichkeit der oberen und unteren Gelenke. Das Gangbild war unauffällig. In der Psyche war der Kläger allseits orientiert und bewusstseinsklar. Es bestand kein Anhalt für inhaltliche und formale Denkstörungen. Die Stimmungslage war ausgeglichen, der Antrieb und die affektive Schwingungsfähigkeit waren normal. Bei der Begutachtung gab der Kläger an, gelegentlich vergesslich zu sein und im Hinblick auf die öffentlichen Nahverkehrsmittel gelegentlich die Orientierung zu verlieren. Wenn er sich aus der Hocke erhebe, werde ihm manchmal schwarz vor Augen. Er könne nicht sagen, ob er epileptische Anfälle gehabt habe.
Am 29.03.2005 beantragte der Kläger erneut die Neufeststellung des GdB mit der Begründung, seine Schulterschmerzen und seine Psyche hätten sich verschlimmert. Gleichzeitig beantragte er erneut die Feststellung des Merkzeichens G.
Der Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. P. vom 18.05.2005 bei. Dieser teilte mit, dass beim Kläger eine mittelgradige Depression bei selbstunsicherer Persönlichkeit vorliege. Er könne nicht beurteilen, ob die depressiven Phasen in Häufigkeit und Dauer zugenommen hätten, da der Kläger ihn selten in der Sprechstunde aufsuche. Eine medikamentöse oder gesprächstherapeutische Behandlung sei in den letzten Jahren jedenfalls nicht erfolgt. Beim Kläger bestehe nach wie vor eine Schlafmittelabhängigkeit von Tetrazepam. Die letzte psychiatrische Konsultation sei im September 2003 erfolgt. Eine insoweit empfohlene Therapie unter stationären Bedingungen habe der Kläger bisher abgelehnt. Davon abgesehen komme der Kläger in der gewohnten Umgebung offenbar gut zurecht. Im Dezember 2000 habe der Kläger einen Bizepssehnenabriss rechts erlitten. Eine unfallchirurgische oder orthopädische Betreuung habe zuletzt im Juni 2001 stattgefunden. Ihm sei auch nicht bekannt, ob sich die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des Schultergürtels verschlechtert hätten, da objektivierende Untersuchungen ebenso wie medikamentöse oder physikalische Therapiemaßnahmen nicht stattgefunden hätten.
Mit Bescheid vom 19.12.2005 lehnte der Beklagte den Neufestellungsantrag mit der Begründung, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei, ab. Es besehe nach wie vor ein GdB von 90. Auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien nicht erfüllt.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass ihm ein GdB von 100 zustehe, da er unter einer Verengung der Bronchien leide und deshalb in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt sei. Dr. W. habe insoweit bei ihm einen Nikotinabusus und COPD festgestellt.
Der Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht von Dr. W., Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, vom 28.12.2005 bei. Dr. W. teilte mit, dass er den Kläger einmal im Jahr 2004 und einmal am 22.12.2005 gesehen habe. Der Kläger leide unter einer chronischen obstruktiven Bronchitis infolge Nikotinabusus. Beim Kläger bestehe keine Ruhedyspnoe, die Lungen seien seitengleich belüftet und die Sauerstoffsättigung sei mit 96% noch im normalen Bereich. Eine längerfristige Besserung sei nur zu erwarten, wenn der Kläger den Nikotinkonsum reduziere bzw. abstelle.
Dr. Gauß vom Medizinischen Dienst des Beklagten erachtete infolge des Befundberichtes für die chronische Bronchitis einen GdB von 10 für angemessen. Der Gesamt-GdB von 90 werde dadurch jedoch nicht erhöht.
Der Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2006, zur Post gegeben am 30.05.2006, den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 07.06.2006 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung erhoben, dass ihm nach seiner Auffassung ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen G und B zustünden. Der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass sich sein Augenlicht in letzter Zeit sehr verschlechtert habe.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen von Dr. W. vom 22.07.2006 und Dr. P. vom 31.07.2006.
Die beiden behandelnden Ärzte haben in ihren Arztauskünften im Wesentlichen die gleichen Angaben wie bereits im Rahmen ihrer Befundberichte im Verwaltungsverfahren gemacht. Dr. W. hat zusätzlich ausgeführt, dass er für die leichte obstruktive Ventilationsstörung einen GdB von 10 für ausreichend erachte. Dr. P. hat insoweit ausgeführt, dass er mit der Bewertung des GdB im Einzelnen nicht vertraut sei, diesen GdB aber nach grober Schätzung für schlüssig und korrekt halte. Beide Mediziner haben den Kläger für fähig erachtet, 2 km zu Fuß in einer halben Stunde zurückzulegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.01.2007 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides abgewiesen. Soweit der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens B begehre, sei die Klage bereits unzulässig. Auch aus den eingeholten Arztauskünften ergebe sich kein höherer GdB des Klägers. Entsprechendes gelte für das begehrte Merkzeichen G.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.01.2007 Berufung eingelegt, die er zunächst damit begründet hat, dass sich sein Augenlicht verschlechtert habe. Insbesondere sei ihm wegen seiner geistigen Behinderung ein GdB von 100 zuzubilligen. Auch seien die manchmal auftretenden epileptischen Anfälle nicht berücksichtigt worden. Deswegen begehre er weiterhin den GdB von 100 und das Merkzeichen G. Im Hinblick auf das Merkzeichen B werde er bei dem Beklagten einen neuen Antrag stellen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage von Dr. Kreutzer, Augenärztin, vom 09.04.2007. Diese hat mitgeteilt, dass sie der Kläger zuletzt am 10.07.1996 aufgesucht habe. Beim Kläger liege ein manifestes Einwärtsschielen des rechten Auges von ca. 10 Grad vor. Die Sehschärfe betrage rechts und links je 0,6. Gläser würden insoweit keine Verbesserung erzielen. Der GdB hierfür betrage 10.
Eine psychiatrische Begutachtung von Amts wegen durch Dr. K., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ist wegen Verweigerung des Klägers nicht zustande gekommen. Der Kläger ist zweimal unentschuldigt zu den Untersuchungsterminen nicht erschienen und hat in der Folge schriftlich erklärt, dass er keine Begutachtung wünsche.
Nachdem der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger mitgeteilt hat, dass er unter epileptischen Anfällen mit Bewusstseinsverlust leide und insoweit einen Termin bei der Neurologin Dr. B. erhalten habe, hat der Senat weiteren Beweis erhoben durch Einholung deren schriftlicher Zeugenaussage. Mit Schreiben vom 15.01.2009 hat Dr. B. mitgeteilt, dass sie der Kläger am 06.03.2007 und 04.12.208 aufgesucht habe. Er habe angegeben, schon seit Kindheit unter Anfällen von Bewusstlosigkeit mit Harnabgang zu leiden. Im EEG hätten sich keine Herzbefunde und keine Epilepsiepotentiale finden lassen. Sie habe keine Zeichen erhöhter cerebraler Erregbarkeit feststellen können. Neurologische Ursachen für die vom Kläger anamnetisch geschilderten Anfälle seien nicht gesichert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Januar 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm ab 29. März 2005 einen GdB von 100 und das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte erachtet den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend. Beim Kläger liege, wie festgestellt, nur ein GdB von 90 vor. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien nicht erfüllt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen haben dem Senat vorgelegen. Auf den Inhalt dieser Akten und den Inhalt der Niederschrift des Erörterungstermins vom 17.12.2008 wird zur näheren Darstellung des Sachverhalts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist indessen nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden, die angegriffenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines GdB von 100. Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens G liegen nicht vor. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 SGB X ist nicht eingetreten, da beim Kläger noch immer ein GdB von 90, wie von dem Beklagten zuletzt festgestellt, vorliegt.
Rechtsgrundlage für die Bestimmung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX), welches zum 01.07.2001 in Kraft getreten ist.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX).
Nach § 2 Abs. 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Darstellung einer Behinderung sowie die Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörung ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB X werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt.
Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so ist gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB entsprechend den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festzustellen.
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) heranzuziehen. Seit dem 01.01.2009 gilt gemäß§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nunmehr die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 und die dazugehörige Anlage "Versorgungsmediznische Grundsätze" (VMG).
Die schwerwiegendste Erkrankung des Klägers besteht auf psychiatrischem Gebiet. Die Voraussetzung für eine Erhöhung des hier von dem Beklagten festgesetzten Teil-GdB von 60 sind angesichts der beigezogenen medizinischen Unterlagen im Verwaltungs- und SG-Verfahren nicht nachgewiesen. Auch aus der im Berufungsverfahren vom Senat eingeholten Arztauskunft der Neurologin Dr. B. ergibt sich keine Erhöhung dieses Teil-GdB.
Nach Nr. 26.3 (S. 41) der AHP und Teil B Nr. 3.1.2. (S. 21) der VMG sind mittelgradige Hirnschäden, die sich im Alltag deutlich auswirken, mit einem GdB von 50 bis 60 zu bewerten. Unter dem Aspekt, dass der Kläger Schwierigkeiten mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen hat und sich nie in den Arbeitsmarkt hat integrieren lassen, ist die von dem Beklagten vorgenommene Einstufung mit 60 nach Überzeugung des Senates angemessen.
Für das Vorliegen einer mittelgradigen Depression, wie Dr. P. gegenüber dem Beklagten und dem SG angegeben hat, bestehen nach der Überzeugung des Senates keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat zuletzt im Jahr 2003 einen Nervenfacharzt aufgesucht, wobei es ihm zum damaligen Zeitpunkt im Wesentlichen um die Frage der Schlafmittelabhängigkeit gegangen ist. Bei der Begutachtung durch Dr. S. im Januar 2004 hat er jedenfalls keinerlei Zeichen einer Depression gezeigt.
Auch eine Epilepsie besteht nach der Überzeugung des Senates nicht. Diese Überzeugung des Senates stützt sich maßgeblich auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. B ... Diese hat angegeben, dass im EEG keinerlei Hinweise auf neurologisch bedingte Bewusstlosigkeitsanfälle oder Epilepsie bestehen. Dies deckt sich im Übrigen auch mit den Angaben des Klägers selbst. Noch bei der Begutachtung im Januar 2004 hat er gegenüber der Gutachterin angegeben, dass er vergesslich und im Hinblick auf den öffentlichen Nahverkehr manchmal orientierungslos sei. Ihm werde beim Aufrichten manchmal schwarz vor Augen. Von Bewusstseinsverlusten (von Kindheit an ) war zum damaligen Zeitpunkt nicht die Rede.
Nach der Überzeugung des Senats liegt beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet eine Abhängigkeit von Nikotin und Schlafmitteln vor.
Nach Nr. 26.4 (S. 41 der AHP und Teil B Nr. 3.8 (S. 27) der VMG sind jedoch nur Alkohol- und Drogenabhängigkeit mit einem GdB zu bewerten. Die Abhängigkeit von den oben genannten Substanzen ist demnach nur bei entsprechenden Organschäden bzw. Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB zu bewerten. Da die Schlafmittelabhängigkeit des Klägers bislang nicht zu Funktionseinschränkungen oder Organschäden geführt hat, ist demnach auch kein GdB anzusetzen.
Im Hinblick auf die Folgen der Nikotinabhängigkeit besteht beim Kläger nach der Überzeugung des Senats eine chronische Bronchitis. Der Senat stützt seine Überzeugung insoweit auf die beiden Arztauskünfte von Dr. W ... Dieser hat angegeben, dass der Kläger unter einer chronischen Bronchitis leide, die keine Einschränkung der Lungenfunktion nach sich ziehe. Nach Nr. 26.8 (S. 67) der AHP und Teil B Nr. 8.2 (S. 42) der VMG ist die chronische Bronchitis ohne Einschränkung de Lungenfunktion mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Demnach ist beim Kläger hier ein GdB von 10 angemessen und ausreichend.
Eine weitere Ermittlung des Sachverhaltes auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet war dem Senat im Übrigen verwehrt, da der Kläger eine Begutachtung ausdrücklich abgelehnt hat.
Der Teil-GdB von 40 für die Magenerkrankung des Klägers war ebenfalls nicht zu erhöhen. Der behandelnde Arzt Dr. P. hat im Rahmen seiner Arztauskünfte im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem SG angegeben, dass der Kläger bei seinen sporadischen Besuchen nach wie vor über Magenbeschwerden und Völlegefühl geklagt hat. Magenmedikamente seien jedoch von ihm nicht verordnet und vom Kläger auch nicht eingenommen worden. Es verbleibt daher bei dem ohnehin großzügig bemessenen GdB von 40.
Im Hinblick auf die orthopädischen Beschwerden des Klägers ist ebenfalls eine Erhöhung des Teil-GdB von 20, den der Beklagte festgesetzt hat, nicht nachgewiesen. Bei der Begutachtung des Klägers durch die Rentenversicherung waren keine Bewegungseinschränkungen der Gelenke der Wirbelsäule vorhanden. Der Kläger war zuletzt im Jahre 2001 in orthopädischer bzw. unfallchirurgischer Behandlung. Es verbleibt daher bei dem festgesetzten Teil-GdB von 20.
Auch der GdB für die Sehminderung des Klägers von 10 ist nicht zu erhöhen. Angesichts der im Berufungsverfahren eingeholten Arztauskunft von Dr. Kreutzer besteht beim Kläger eine Sehminderung auf jedem Auge von 0,6. Nach der Tabelle auf S. 52 der AHP bzw. S. 30 der VMG ist diese Sehminderung mit einem GdB von 10, wie von dem Beklagten vorgenommen, einzustufen.
Insgesamt ist der von dem Beklagten gebildete Gesamt-GdB nicht zu beanstanden, sondern als durchaus großzügig bemessen anzusehen.
Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G liegen nicht vor. Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Der Kläger ist weder auf orthopädischem noch internistischem Gebiet in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt. Dies ergibt sich nachvollziehbar und überzeugend aus den Angaben der behandelnden Ärzte Dr. P. und Dr. W ... Auch ergibt sich dies aus dem Gutachten von Dr. S. für die Rentenversicherung, welches dem Kläger ein unauffälliges Gangbild bescheinigt.
Auch auf neurologischem Gebiet liegen keine Beeinträchtigungen der Gehfähigkeit vor, denn wie oben bereits ausgeführt, liegt beim Kläger keine Epilepsie vor. Im Übrigen erscheint der Vortrag des Klägers, bereits seit Kindheit an Anfällen mit Bewusstlosigkeit zu leiden, als wenig glaubhaft, da der Kläger dieses erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Merkzeichen G zusteht.
Bei dem 1960 geborenen Kläger, dessen heroinsüchtige Mutter nach seinen Angaben in den Achtziger Jahren an einem Goldenen Schuss verstarb, stellte der Beklagte bereits mit Bescheid vom 08.06.1978 ab 03.04.1978 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. fest. Dabei ging der Ärztliche Dienst des Beklagten von folgenden Behinderungen aus:
Geistige Behinderung MdE 60 Spondylisthesis (Wirbelgleiten) MdE 20 Strabismus konvergens (einseitiges Schielen) MdE 10.
Auf Antrag des Klägers vom April 1992 stellte der Beklagte einen GdB von 90 mit Bescheid vom 07.07.1992 ab 21.04.1992 fest. Dabei ging der Ärztliche Dienst, abgesehen von den bereits oben genannten Behinderungen nunmehr zusätzlich von einem chronischen Geschwürsleiden des Zwölffingerdarmes, Vagotomie und Narbenbruch nach Operation aus, den er mit einem Teil-GdB von 40 bewertete.
Neufeststellungsanträge des Klägers sowie Anträge auf Feststellung der Merkzeichen G, B und RF lehnte der Beklagte unter Hinweis darauf, dass die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien, ab. Im Rahmen des Neufeststellungsantrages vom August 2003 zog der Beklagte ein Gutachten der Ärztlichen Untersuchungsstelle der LVA Baden-Württemberg vom 24.02.2004 bei. Bei der dortigen Begutachtung am 30.01.2004 durch Dr. S., Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, bestand freie Beweglichkeit der oberen und unteren Gelenke. Das Gangbild war unauffällig. In der Psyche war der Kläger allseits orientiert und bewusstseinsklar. Es bestand kein Anhalt für inhaltliche und formale Denkstörungen. Die Stimmungslage war ausgeglichen, der Antrieb und die affektive Schwingungsfähigkeit waren normal. Bei der Begutachtung gab der Kläger an, gelegentlich vergesslich zu sein und im Hinblick auf die öffentlichen Nahverkehrsmittel gelegentlich die Orientierung zu verlieren. Wenn er sich aus der Hocke erhebe, werde ihm manchmal schwarz vor Augen. Er könne nicht sagen, ob er epileptische Anfälle gehabt habe.
Am 29.03.2005 beantragte der Kläger erneut die Neufeststellung des GdB mit der Begründung, seine Schulterschmerzen und seine Psyche hätten sich verschlimmert. Gleichzeitig beantragte er erneut die Feststellung des Merkzeichens G.
Der Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. P. vom 18.05.2005 bei. Dieser teilte mit, dass beim Kläger eine mittelgradige Depression bei selbstunsicherer Persönlichkeit vorliege. Er könne nicht beurteilen, ob die depressiven Phasen in Häufigkeit und Dauer zugenommen hätten, da der Kläger ihn selten in der Sprechstunde aufsuche. Eine medikamentöse oder gesprächstherapeutische Behandlung sei in den letzten Jahren jedenfalls nicht erfolgt. Beim Kläger bestehe nach wie vor eine Schlafmittelabhängigkeit von Tetrazepam. Die letzte psychiatrische Konsultation sei im September 2003 erfolgt. Eine insoweit empfohlene Therapie unter stationären Bedingungen habe der Kläger bisher abgelehnt. Davon abgesehen komme der Kläger in der gewohnten Umgebung offenbar gut zurecht. Im Dezember 2000 habe der Kläger einen Bizepssehnenabriss rechts erlitten. Eine unfallchirurgische oder orthopädische Betreuung habe zuletzt im Juni 2001 stattgefunden. Ihm sei auch nicht bekannt, ob sich die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des Schultergürtels verschlechtert hätten, da objektivierende Untersuchungen ebenso wie medikamentöse oder physikalische Therapiemaßnahmen nicht stattgefunden hätten.
Mit Bescheid vom 19.12.2005 lehnte der Beklagte den Neufestellungsantrag mit der Begründung, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei, ab. Es besehe nach wie vor ein GdB von 90. Auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien nicht erfüllt.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass ihm ein GdB von 100 zustehe, da er unter einer Verengung der Bronchien leide und deshalb in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt sei. Dr. W. habe insoweit bei ihm einen Nikotinabusus und COPD festgestellt.
Der Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht von Dr. W., Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, vom 28.12.2005 bei. Dr. W. teilte mit, dass er den Kläger einmal im Jahr 2004 und einmal am 22.12.2005 gesehen habe. Der Kläger leide unter einer chronischen obstruktiven Bronchitis infolge Nikotinabusus. Beim Kläger bestehe keine Ruhedyspnoe, die Lungen seien seitengleich belüftet und die Sauerstoffsättigung sei mit 96% noch im normalen Bereich. Eine längerfristige Besserung sei nur zu erwarten, wenn der Kläger den Nikotinkonsum reduziere bzw. abstelle.
Dr. Gauß vom Medizinischen Dienst des Beklagten erachtete infolge des Befundberichtes für die chronische Bronchitis einen GdB von 10 für angemessen. Der Gesamt-GdB von 90 werde dadurch jedoch nicht erhöht.
Der Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2006, zur Post gegeben am 30.05.2006, den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 07.06.2006 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung erhoben, dass ihm nach seiner Auffassung ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen G und B zustünden. Der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass sich sein Augenlicht in letzter Zeit sehr verschlechtert habe.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen von Dr. W. vom 22.07.2006 und Dr. P. vom 31.07.2006.
Die beiden behandelnden Ärzte haben in ihren Arztauskünften im Wesentlichen die gleichen Angaben wie bereits im Rahmen ihrer Befundberichte im Verwaltungsverfahren gemacht. Dr. W. hat zusätzlich ausgeführt, dass er für die leichte obstruktive Ventilationsstörung einen GdB von 10 für ausreichend erachte. Dr. P. hat insoweit ausgeführt, dass er mit der Bewertung des GdB im Einzelnen nicht vertraut sei, diesen GdB aber nach grober Schätzung für schlüssig und korrekt halte. Beide Mediziner haben den Kläger für fähig erachtet, 2 km zu Fuß in einer halben Stunde zurückzulegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.01.2007 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides abgewiesen. Soweit der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens B begehre, sei die Klage bereits unzulässig. Auch aus den eingeholten Arztauskünften ergebe sich kein höherer GdB des Klägers. Entsprechendes gelte für das begehrte Merkzeichen G.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.01.2007 Berufung eingelegt, die er zunächst damit begründet hat, dass sich sein Augenlicht verschlechtert habe. Insbesondere sei ihm wegen seiner geistigen Behinderung ein GdB von 100 zuzubilligen. Auch seien die manchmal auftretenden epileptischen Anfälle nicht berücksichtigt worden. Deswegen begehre er weiterhin den GdB von 100 und das Merkzeichen G. Im Hinblick auf das Merkzeichen B werde er bei dem Beklagten einen neuen Antrag stellen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage von Dr. Kreutzer, Augenärztin, vom 09.04.2007. Diese hat mitgeteilt, dass sie der Kläger zuletzt am 10.07.1996 aufgesucht habe. Beim Kläger liege ein manifestes Einwärtsschielen des rechten Auges von ca. 10 Grad vor. Die Sehschärfe betrage rechts und links je 0,6. Gläser würden insoweit keine Verbesserung erzielen. Der GdB hierfür betrage 10.
Eine psychiatrische Begutachtung von Amts wegen durch Dr. K., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ist wegen Verweigerung des Klägers nicht zustande gekommen. Der Kläger ist zweimal unentschuldigt zu den Untersuchungsterminen nicht erschienen und hat in der Folge schriftlich erklärt, dass er keine Begutachtung wünsche.
Nachdem der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger mitgeteilt hat, dass er unter epileptischen Anfällen mit Bewusstseinsverlust leide und insoweit einen Termin bei der Neurologin Dr. B. erhalten habe, hat der Senat weiteren Beweis erhoben durch Einholung deren schriftlicher Zeugenaussage. Mit Schreiben vom 15.01.2009 hat Dr. B. mitgeteilt, dass sie der Kläger am 06.03.2007 und 04.12.208 aufgesucht habe. Er habe angegeben, schon seit Kindheit unter Anfällen von Bewusstlosigkeit mit Harnabgang zu leiden. Im EEG hätten sich keine Herzbefunde und keine Epilepsiepotentiale finden lassen. Sie habe keine Zeichen erhöhter cerebraler Erregbarkeit feststellen können. Neurologische Ursachen für die vom Kläger anamnetisch geschilderten Anfälle seien nicht gesichert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Januar 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm ab 29. März 2005 einen GdB von 100 und das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte erachtet den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend. Beim Kläger liege, wie festgestellt, nur ein GdB von 90 vor. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien nicht erfüllt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen haben dem Senat vorgelegen. Auf den Inhalt dieser Akten und den Inhalt der Niederschrift des Erörterungstermins vom 17.12.2008 wird zur näheren Darstellung des Sachverhalts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist indessen nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden, die angegriffenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines GdB von 100. Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens G liegen nicht vor. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 SGB X ist nicht eingetreten, da beim Kläger noch immer ein GdB von 90, wie von dem Beklagten zuletzt festgestellt, vorliegt.
Rechtsgrundlage für die Bestimmung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX), welches zum 01.07.2001 in Kraft getreten ist.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX).
Nach § 2 Abs. 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Darstellung einer Behinderung sowie die Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörung ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB X werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt.
Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so ist gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB entsprechend den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festzustellen.
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) heranzuziehen. Seit dem 01.01.2009 gilt gemäß§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nunmehr die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 und die dazugehörige Anlage "Versorgungsmediznische Grundsätze" (VMG).
Die schwerwiegendste Erkrankung des Klägers besteht auf psychiatrischem Gebiet. Die Voraussetzung für eine Erhöhung des hier von dem Beklagten festgesetzten Teil-GdB von 60 sind angesichts der beigezogenen medizinischen Unterlagen im Verwaltungs- und SG-Verfahren nicht nachgewiesen. Auch aus der im Berufungsverfahren vom Senat eingeholten Arztauskunft der Neurologin Dr. B. ergibt sich keine Erhöhung dieses Teil-GdB.
Nach Nr. 26.3 (S. 41) der AHP und Teil B Nr. 3.1.2. (S. 21) der VMG sind mittelgradige Hirnschäden, die sich im Alltag deutlich auswirken, mit einem GdB von 50 bis 60 zu bewerten. Unter dem Aspekt, dass der Kläger Schwierigkeiten mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen hat und sich nie in den Arbeitsmarkt hat integrieren lassen, ist die von dem Beklagten vorgenommene Einstufung mit 60 nach Überzeugung des Senates angemessen.
Für das Vorliegen einer mittelgradigen Depression, wie Dr. P. gegenüber dem Beklagten und dem SG angegeben hat, bestehen nach der Überzeugung des Senates keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat zuletzt im Jahr 2003 einen Nervenfacharzt aufgesucht, wobei es ihm zum damaligen Zeitpunkt im Wesentlichen um die Frage der Schlafmittelabhängigkeit gegangen ist. Bei der Begutachtung durch Dr. S. im Januar 2004 hat er jedenfalls keinerlei Zeichen einer Depression gezeigt.
Auch eine Epilepsie besteht nach der Überzeugung des Senates nicht. Diese Überzeugung des Senates stützt sich maßgeblich auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. B ... Diese hat angegeben, dass im EEG keinerlei Hinweise auf neurologisch bedingte Bewusstlosigkeitsanfälle oder Epilepsie bestehen. Dies deckt sich im Übrigen auch mit den Angaben des Klägers selbst. Noch bei der Begutachtung im Januar 2004 hat er gegenüber der Gutachterin angegeben, dass er vergesslich und im Hinblick auf den öffentlichen Nahverkehr manchmal orientierungslos sei. Ihm werde beim Aufrichten manchmal schwarz vor Augen. Von Bewusstseinsverlusten (von Kindheit an ) war zum damaligen Zeitpunkt nicht die Rede.
Nach der Überzeugung des Senats liegt beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet eine Abhängigkeit von Nikotin und Schlafmitteln vor.
Nach Nr. 26.4 (S. 41 der AHP und Teil B Nr. 3.8 (S. 27) der VMG sind jedoch nur Alkohol- und Drogenabhängigkeit mit einem GdB zu bewerten. Die Abhängigkeit von den oben genannten Substanzen ist demnach nur bei entsprechenden Organschäden bzw. Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB zu bewerten. Da die Schlafmittelabhängigkeit des Klägers bislang nicht zu Funktionseinschränkungen oder Organschäden geführt hat, ist demnach auch kein GdB anzusetzen.
Im Hinblick auf die Folgen der Nikotinabhängigkeit besteht beim Kläger nach der Überzeugung des Senats eine chronische Bronchitis. Der Senat stützt seine Überzeugung insoweit auf die beiden Arztauskünfte von Dr. W ... Dieser hat angegeben, dass der Kläger unter einer chronischen Bronchitis leide, die keine Einschränkung der Lungenfunktion nach sich ziehe. Nach Nr. 26.8 (S. 67) der AHP und Teil B Nr. 8.2 (S. 42) der VMG ist die chronische Bronchitis ohne Einschränkung de Lungenfunktion mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Demnach ist beim Kläger hier ein GdB von 10 angemessen und ausreichend.
Eine weitere Ermittlung des Sachverhaltes auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet war dem Senat im Übrigen verwehrt, da der Kläger eine Begutachtung ausdrücklich abgelehnt hat.
Der Teil-GdB von 40 für die Magenerkrankung des Klägers war ebenfalls nicht zu erhöhen. Der behandelnde Arzt Dr. P. hat im Rahmen seiner Arztauskünfte im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem SG angegeben, dass der Kläger bei seinen sporadischen Besuchen nach wie vor über Magenbeschwerden und Völlegefühl geklagt hat. Magenmedikamente seien jedoch von ihm nicht verordnet und vom Kläger auch nicht eingenommen worden. Es verbleibt daher bei dem ohnehin großzügig bemessenen GdB von 40.
Im Hinblick auf die orthopädischen Beschwerden des Klägers ist ebenfalls eine Erhöhung des Teil-GdB von 20, den der Beklagte festgesetzt hat, nicht nachgewiesen. Bei der Begutachtung des Klägers durch die Rentenversicherung waren keine Bewegungseinschränkungen der Gelenke der Wirbelsäule vorhanden. Der Kläger war zuletzt im Jahre 2001 in orthopädischer bzw. unfallchirurgischer Behandlung. Es verbleibt daher bei dem festgesetzten Teil-GdB von 20.
Auch der GdB für die Sehminderung des Klägers von 10 ist nicht zu erhöhen. Angesichts der im Berufungsverfahren eingeholten Arztauskunft von Dr. Kreutzer besteht beim Kläger eine Sehminderung auf jedem Auge von 0,6. Nach der Tabelle auf S. 52 der AHP bzw. S. 30 der VMG ist diese Sehminderung mit einem GdB von 10, wie von dem Beklagten vorgenommen, einzustufen.
Insgesamt ist der von dem Beklagten gebildete Gesamt-GdB nicht zu beanstanden, sondern als durchaus großzügig bemessen anzusehen.
Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G liegen nicht vor. Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Der Kläger ist weder auf orthopädischem noch internistischem Gebiet in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt. Dies ergibt sich nachvollziehbar und überzeugend aus den Angaben der behandelnden Ärzte Dr. P. und Dr. W ... Auch ergibt sich dies aus dem Gutachten von Dr. S. für die Rentenversicherung, welches dem Kläger ein unauffälliges Gangbild bescheinigt.
Auch auf neurologischem Gebiet liegen keine Beeinträchtigungen der Gehfähigkeit vor, denn wie oben bereits ausgeführt, liegt beim Kläger keine Epilepsie vor. Im Übrigen erscheint der Vortrag des Klägers, bereits seit Kindheit an Anfällen mit Bewusstlosigkeit zu leiden, als wenig glaubhaft, da der Kläger dieses erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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