L 4 KR 5113/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3056/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5113/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob das Klageverfahren S 9 KR 1554/08 durch Klagerücknahme erledigt ist.

Die am 1949 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Aufgrund eines von der Beklagten genehmigten Heil- und Kostenplans (HKP) des Zahnarztes N. von 20. Oktober 2003 wurde bei der Klägerin (Eingliederung am 15. April 2004) eine prothetische Versorgung im Oberkiefer durchgeführt. Die dabei verwendete Metallkeramikbrücke wurde infolge eines Schlags, verursacht durch einen schadhaften Kochtopf, den die Klägerin gekauft hatte, am 18. April 2004 beschädigt und deshalb von dem Zahnarzt N. neu angefertigt, von der Klägerin dann für etwa drei Wochen zur Probe getragen und schließlich am 22. Dezember 2004 fest eingesetzt. Die Kosten für die Neuanfertigung wurden von der Haftpflichtversicherung des Geschäfts, bei dem der Kochtopf gekauft worden war, übernommen. In der Folgezeit kam es zu Nachkontrollen und Einschleifungen durch den Zahnarzt N. aufgrund von Beschwerden, die die Klägerin vorbrachte. Die Klägerin hatte insbesondere immer wieder geltend gemacht, dass der Biss nicht stimme. Mit Schreiben vom 26. Juli 2006 wies die Klägerin die Beklagte erstmals auf diese Mängel hin und verlangte von der Beklagten eine Begutachtung der bei ihr vorgenommenen prothetischen Versorgung. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 25. August 2006 zunächst unter Hinweis auf die zweijährige Gewährleistung und darauf ab, dass die Klägerin einen neuen HKP zur Prüfung und Bezuschussung vorlegen könne. Im Übrigen wurde die Klägerin wegen der Ausbesserung des Zahnersatzes an die Haftpflichtversicherung verwiesen, die die Neuanfertigung der Prothese bezahlt habe und dementsprechend auch für Nachbesserungen zuständig wäre (Schreiben vom 15. September 2006). Zur Begutachtung der durch den Zahnarzt N. ausgeführten prothetischen Leistung veranlasste die Klägerin selbst nun die Erstattung des Privatgutachtens des Zahnarztes Dr. A. vom 04. Oktober 2006, worin eine mangelhafte Leistung durch den Zahnarzt N. verneint wurde. Dieses Gutachten, gegen das die Klägerin selbst Einwendungen erhob, reichte sie bei der Beklagten ein. Diese verwies die Klägerin zunächst erneut wegen Mängelansprüchen an den Zahnarzt N. (Schreiben vom 08. und 16. November 2008), wies aber ferner darauf hin, dass nach dem Gutachten des Dr. A. der vom Zahnarzt N. angefertigte Zahnersatz technisch in Ordnung sei. Die Beklagte war dann aber dennoch bereit, eine erneute Begutachtung des Zahnersatzes zu veranlassen (Schreiben vom 21. November 2006), und erhob das MDK-Gutachten des Dr. Dr. U. vom 28. November 2006, der sich der Beurteilung des Dr. A. anschloss. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 mit, dass bestätigt worden sei, dass die Bisslage korrekt eingestellt sei. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 und 03. Januar 2007 lehnte dann die Beklagte, nachdem die Klägerin Einwendungen gegen die vorliegenden Gutachten erhoben hatte, die Erhebung eines Obergutachtens ab. Die Klägerin reichte bei der Beklagten ein weiteres von ihr erhobenes Gutachten des Zahnarztes Dr. T. vom 22. Januar 2007 ein, der zum Ergebnis gelangt war, dass die Brücke im Oberkiefer bezüglich der Okklusion nicht frei von Mängeln sei; eine Neuanfertigung sei jedoch nicht notwendig; durch geeignete Einschleifmaßnahmen könne Abhilfe geschaffen werden. Die Beklagte bemühte sich danach um die Erhebung eines weiteren Gutachtens, nachdem die Klägerin auch Gesundheitsstörungen auf anderen Fachgebieten geltend machte, die sie auf die mangelhafte prothetische Versorgung zurückführte. Zahnarzt Dr. Ad. hielt es in seiner Stellungnahme vom 08. März 2007 danach aufgrund der komplexen Symptomatik für sinnvoll, die Klägerin in einem Universitätsklinikum untersuchen zu lassen, um gegebenenfalls konsiliarisch zusätzlich benötigte Fachrichtungen hinzuziehen zu können. Es sei notwendig, eine exakte Bestimmung der Unterkieferlage vorzunehmen, eine vorausgehende Entspannung des Körpers und der Kaumuskulatur durchzuführen und den Grad der Entspannung über ein Elektromyogramm der Kau-, Kopf- und Halsmuskulatur zu kontrollieren. Am 13. August 2007 ging dann bei der Beklagten ein HKP des Arztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. B. vom 31. Juli 2007 über eine prothetische Versorgung bei der Klägerin im Unterkiefer ein (Gesamtkosten EUR 4.175,30; Festzuschüsse EUR 1.152,40). Dazu erhob die Beklagte über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg das Gutachten des Zahnarztes Dr. St. vom 11. Oktober 2007, der zu dem Ergebnis gelangte, der HKP werde nur mit Einschränkung befürwortet. Die Überkronung der Zähne 46, 47, 35 und 37 werde mit Hinweis auf die klinische Beschreibung befürwortet. Die Überkronung der Frontzähne werde nicht befürwortet. Eine Stabilisierung werde so nicht optimiert. Die Zähne seien kariesfrei. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 teilte die Beklagte daraufhin der Klägerin mit, ihr behandelnder Zahnarzt Dr. Dr. B. sei von ihr am 23. Oktober 2007 über die teilweise Genehmigung des HKP informiert und um Korrektur des Planes gebeten worden. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007, bei der Beklagten am 19. Dezember 2007 eingegangen, übersandte die Klägerin einen Kostenvoranschlag des Dr. Dr. B. vom 02. August 2007 über eine prothetische Versorgung mit voraussichtlichen Gesamtkosten von EUR 7.784,52. Sie bat um kurzfristige Unterrichtung, in welcher Höhe sich die Beklagte daran beteiligen werde. Zu dem privaten HKP teilte die Beklagte der Klägerin dann mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 mit, bei einem privaten HKP sei grundsätzlich keine Kostenbeteiligung möglich. Der im HKP angegebene Befund für den Oberkiefer kennzeichne alle drei integrierten Brücken und Kronen als voll funktionsfähig. Der Austausch einer funktionsfähigen Versorgung auf Verlangen könne nicht bezuschusst werden. Wenn am Oberkiefer tatsächlich Schädigungen vorliegen würden, die eine neue zahnmedizinische Versorgung erforderten, sei ein HKP für gesetzlich Versicherte unter Nennung der tatsächlichen Befunde zu erstellen.

Die Klägerin hatte auch gegen Zahnarzt N. beim Landgericht Karlsruhe Klage wegen Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz erhoben (10 O 311/07). Das Landgericht erhob das Sachverständigengutachten des Zahnarztes Dr. Ha. vom 10. März 2008 und hörte diesen in der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2008 an. Mit Urteil vom 29. September 2008 wies das Landgericht die Klage ab. Es ging u.a. davon aus, dass der Zustand des Gebisses der Klägerin nach der Behandlung durch Zahnarzt N. nicht mehr feststellbar sei, dass aber auch kein Behandlungsfehler selbst im Falle einer unbefriedigenden Okklusion nach der Behandlung vorliege. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Am 01. April 2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG, S 9 KR 1554/08) gegen die Beklagte, mit der sie von dieser die Übernahme von Kosten in Höhe von ungefähr EUR 10.000,00 sowie die Nennung eines Ansprechpartners begehrte; sie sei nicht in der Lage, ihre Zähne auf eigene Rechnung in Ordnung bringen zu lassen. Dies sei ein menschenunwürdiger Zustand. Insbesondere Dr. A. habe absichtlich ein falsches Gutachten mit für sie fatalen Folgen erstellt. Die Beklagte habe durch ihre Haltung ihren Gesundheitszustand verursacht. Die Beklagte müsse zunächst die Kosten für die Sanierung ihrer Zähne übernehmen. Die Klägerin reichte insoweit zahlreiche Unterlagen ein. Die Beklagte wies darauf hin, das Klagebegehren der Klägerin sei nicht erkennbar. Die Klägerin solle den Verwaltungsakt benennen, gegen den sie ihre Klage richte. Nur so sei es möglich, zu prüfen, ob eventuell das Vorverfahren nachgeholt werden müsse. Das SG führte am 10. Juni 2008 einen Erörterungstermin durch. Dort gab die Klägerin an, das konkrete Ziel der Klage sei, eine Behandlung im Bereich ihres Oberkiefers zu erreichen. Nach der Niederschrift vom 10. Juni 2008 wurde auf Folgendes hingewiesen:

"Der Vorsitzende weist darauf hin, dass es (für eine Behandlung im Bereich des Oberkiefers) bislang an einem von einem Vertragsarzt auf dem Kassenvordruck der Beklagten ausgefüllten Heil- und Kostenplan fehlt. Dieser müsste von dem Vertragsarzt bei der Beklagten eingereicht werden. Die Beklagte wird darüber ggf. nach Einholung weiterer Gutachten entscheiden. Eine ablehnende Entscheidung würde ggf. in einem Bescheid erteilt werden. Dieser Bescheid ist rechtsmittelfähig, d.h. die Klägerin kann dagegen Widerspruch erheben. Über einen solchen Widerspruch würde der Widerspruchsausschuss der Beklagten in einem seinerseits rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid entscheiden. Gegen diesen Widerspruchsbescheid könne die Klägerin ggf. Klage erheben".

Daraufhin erklärte die Klägerin, ihre Klage zurückzunehmen. Diese Erklärung wurde laut diktiert, vorgespielt und genehmigt.

Am 11. Juni 2008 reichte die Klägerin bei der Beklagten einen HKP über eine Oberkieferversorgung, betreffend die Zähne 16 bis 26, des Dr. Dr. B. ein. Daraufhin zahlte die Beklagte der Klägerin einen Kassenanteil (Festzuschuss) von EUR 2.259,78. Ferner reichte die Klägerin bei der Beklagten einen weiteren HKP des Dr. Dr. B. vom 08. September 2008 bezüglich einer prothetischen Versorgung des Unterkiefers ein. Dazu erteilte die Beklagte an den Zahnarzt Dr. St. einen Auftrag zur Begutachtung. Nachdem der Zahnersatz bereits vor Durchführung der Begutachtung und Genehmigung durch die Beklagte angefertigt und provisorisch eingesetzt worden war, nahm die Beklagte den Begutachtungsauftrag zurück und wies die Klägerin mit Schreiben vom 04. November 2008 darauf hin, dass mit der geplanten Behandlung erst begonnen werden dürfe, wenn der HKP bewilligt worden sei. Da der Zahnersatz bereits vor Genehmigung provisorisch angefertigt und eingesetzt worden sei, trage der Behandler das gesamte Honorarrisiko für den Festzuschuss der Regelversorgung. Eine Erstattung der Kosten durch die Krankenkasse sei nicht möglich. Der Festzuschuss dürfe der Klägerin nicht in Rechnung gestellt werden.

Mit Schreiben vom 24. Juni und 01. Juli 2008, beim SG am 24. Juni und 02. Juli 2008 eingegangen, erhob die Klägerin Einwendungen gegen die Niederschrift vom 10. Juni 2008. Sie habe ihr Klagebegehren mit der Aufstellung ihrer Beschwerden deutlich gemacht. Am 10. Juni 2008 habe sie die Klage nur unter der Voraussetzung einer umgehenden Behandlung ihres Oberkiefers und einer vorläufigen Kostenübernahme durch die Beklagte zurückgenommen. Die "Vereinbarungen" in der Niederschrift seien nicht mit dem identisch, was aufs Band gesprochen worden sei. Sie begehre Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Fortführung des Klageverfahrens. Die für die Klagerücknahme aufgestellte Bedingung sei nicht erfüllt. Aus der Niederschrift gehe auch hervor, dass sie Widerspruch einlegen könne. Über die Folgen der Rücknahmeerklärung sei sie nicht aufgeklärt worden. Die Klägerin wiederholte ihre Vorwürfe gegen die Beklagte, u.a. dass diese sich wissentlich auf ein falsches Gutachten gestützt habe. Die Klägerin reichte erneut zahlreiche Unterlagen ein. Die Klage wurde unter dem Aktenzeichen S 9 KR 3056/08 fortgeführt.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2008 stellte das SG fest, dass der Rechtsstreit S 9 KR 1554/08 durch Klagerücknahme vom 10. Juni 2008 erledigt sei. Die im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 10. Juni 2008 von der Klägerin erklärte Klagerücknahme sei dazu geeignet gewesen, die Erledigung des Rechtsstreits S 9 KR 1554/08 herbeizuführen. Denn sie sei insbesondere weder unter einer Bedingung erklärt worden noch sei sie wirksam angefochten worden. Die von der Klägerin geltend gemachte Einschränkung ergebe sich aus dem nach wie vor bei Gericht befindlichen Tonträger nicht. Es habe insoweit bei der Übertragung des Diktats vom Tonträger keine Unrichtigkeit vorgelegen. Auch die Erklärungen der Klägerin, Widerspruch einzulegen bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, seien nicht geeignet, der Klagerücknahme nachträglich die Wirksamkeit zu nehmen. Denn die Rücknahme der Klage sei eine Prozesshandlung, die weder widerrufen noch wegen Irrtums angefochten werden könne. Es ergäben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin am 10. Juni 2008 eine nicht nur vorübergehende Störung der Geistestätigkeit oder gar Prozessunfähigkeit vorgelegen habe, die ihre freie Willensbestimmung und ihre Einsichtsfähigkeit ausgeschlossen hätten. Es lägen auch die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 179, 180 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ersichtlich nicht vor. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 24. Oktober 2008 zugestellt.

Am 05. November 2008 hat die Klägerin dagegen schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie wiederholt ihr Vorbringen, die Klage nur unter der Bedingung einer sofortigen, vorläufigen Kostenübernahme durch die Beklagte zurückgenommen zu haben. Schwere körperliche Schäden bis zur Verstrahlung, die durch eine falsche Zahnversorgung verursacht worden seien, hätten die Klage notwendig gemacht. Es sei absehbar gewesen, dass die Streitsache vor dem Landgericht Karlsruhe nicht kurzfristig zu klären gewesen sei. Sie erhebt zahlreiche Vorwürfe gegen die Beklagte. Diese habe sie schwer geschädigt. An den Kosten für die prothetischen Behandlungen im Oberkiefer von EUR 5.868,08 und EUR 2.933,66 beteilige sich die Beklagte nur mit 20 v.H. Hinsichtlich der durchgeführten Versorgung im Unterkiefer verweigere die Beklagte, wie sich aus deren vorgelegtem Schreiben vom 04. November 2008 ergebe, eine Kostenbeteiligung überhaupt. Die Klägerin hat erneut zahlreiche Unterlagen vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Fortführung des Klageverfahrens S 9 KR 1554/08 zu verurteilen, die Kosten für die prothetische Versorgung im Oberkiefer und im Unterkiefer vorläufig vollständig zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend habe das SG festgestellt, dass der Rechtsstreit S 9 KR 1554/08 durch Rücknahme der Klage erledigt sei. Im Übrigen sei sie auch im Hinblick auf die Erörterungen im Erörterungstermin vom 10. Juni 2008 ihrer Leistungspflicht in vollem Umfang nachgekommen. Denn für die Versorgung im Oberkiefer habe sie der Klägerin im Hinblick auf den HKP vom 11. Juni 2008 den Kassenanteil (Festzuschuss) von EUR 2.259,78 überwiesen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der Akte des SG S 9 KR 1454/08 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft. Soweit die Klägerin mit der Berufung die Fortführung des Klageverfahrens wegen der Übernahme (Erstattung) der vollen Kosten für die prothetische Versorgung im Ober- und Unterkiefer durch Dr. Dr. B. begehrt, ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung von mehr als EUR 750,00 erreicht. Die Berufung ist auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Denn zu Recht hat das SG festgestellt, dass das Klageverfahren S 9 KR 1554/08 (Klageeinreichung am 01. April 2008) infolge der am 10. Juni 2008 im Erörterungstermin vor dem SG erklärten Klagerücknahme erledigt ist. Die Erklärung der Klägerin: "Ich nehme die Klage zurück" wurde nach der Niederschrift laut diktiert, ihr vorgespielt und von ihr genehmigt. Zu Recht hat es das SG danach abgelehnt, das Klageverfahren fortzusetzen und nun das Klagebegehren in der Sache zu prüfen, wobei die Klägerin im Termin vom 10. Juni 2008 angegeben hatte, ihr konkretes Ziel sei es, eine Behandlung im Bereich ihres Oberkiefers zu erreichen. Nachdem die prothetische Behandlung im Ober- und Unterkiefer ersichtlich zwischenzeitlich durchgeführt worden ist, erstrebt die Klägerin mit der Fortführung des früheren Klageverfahrens jetzt, die Beklagte zur Zahlung der vollen Kosten für diese Behandlungen zu verurteilen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist jedoch (zunächst) nur die Erledigung der Klage.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Klagerücknahme ist eine Prozesshandlung. Sie darf nicht unter einer Bedingung erklärt werden. Wird die Klagerücknahme in mündlicher Verhandlung oder in einem Termin zur Erörterung nach § 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG , wie hier geschehen, erklärt, ist sie in die Niederschrift aufzunehmen (vgl. § 122 SGG i. V. mit § 160 Abs. 3 Nr. 3 der Zivilprozessordnung - ZPO). Dies ist hier geschehen. Auch sind die Förmlichkeiten des § 162 Abs. 1 ZPO (Verlesen und Genehmigung) beachtet worden. Die Klagerücknahme als Prozesshandlung ist grundsätzlich auch nicht widerrufbar und kann auch nicht angefochten werden. Ein Widerruf kommt nur unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme nach den §§ 179, 180 SGG (i. V. mit §§ 579, 580 ZPO) in Betracht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, 2008, § 102 RdNr. 7c, 12 m.w.N.).

Auch der Senat bejaht eine wirksame Klagerücknahme. Zunächst ist nicht feststellbar, dass die Klägerin bei der Erklärung der Klagerücknahme am 10. Juni 2008 prozessunfähig nach § 71 Abs. 1 SGG gewesen ist, mithin nicht in der Lage gewesen wäre, sich durch Verträge verpflichten zu können. Entgegen des Vorbringens der Klägerin ergibt sich auch nicht, dass die Prozesshandlung der Klagerücknahmeerklärung von der Bedingung, dass die Beklagte vorläufig doch die Kosten für die prothetische Versorgung des Oberkiefers gemäß dem privaten Kostenvoranschlag des Dr. Dr. B. vom 02. August 2007 übernehmen sollte, abhängig gemacht war. Ersichtlich war im Erörterungstermin, wie die Niederschrift belegt, das weitere gesetzlich geregelte Vorgehen für die Inanspruchnahme von prothetischen Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung besprochen worden. Der in der Niederschrift aufgenommene Hinweis ließe auch nicht den Schluss zu, dass die Klägerin über die Wirkung der erklärten Klagerücknahme und das weitere Vorgehen, um prothetische Leistungen der Beklagten zu erlangen, im Unklaren gewesen sein könnte. Der Senat vermag auch nicht anzunehmen, dass sich die Klägerin ein Widerspruchsrecht im Hinblick auf die von ihr erklärte Klagerücknahme vorbehalten wollte. Soweit in der Niederschrift der Hinweis auf eine Widerspruchsmöglichkeit aufgenommen wurde, bezieht sich dies nur auf die Widerspruchsmöglichkeit (Widerspruchsverfahren) hinsichtlich eines ablehnenden Verwaltungsakts, der nach Einreichung eines auf einem Kassenvordruck ausgefüllten HKP erlassen werden würde. Damit war die Klägerin auch nicht berechtigt, die Klagerücknahme zu widerrufen oder anzufechten, nachdem die Beklagte danach hinsichtlich der prothetischen Versorgung des Oberkiefers (nur) den Kassenanteil (Festzuschuss) gewährt hat, im Übrigen hinsichtlich der von der Klägerin durchgeführten prothetischen Versorgung des Unterkiefers jegliche Kostenübernahme abgelehnt hat. Es liegen auch die Voraussetzungen der Wiederaufnahme nach den §§ 179, 180 SGG i. V. mit §§ 579, 580 ZPO, die einen Widerruf rechtfertigen würden, nicht vor. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im Termin vom 10. Juni 2008 seitens des Gerichts Drohung, Druck, Täuschung oder Irreführung vorgelegen haben könnten, um die Klägerin zur Erklärung der Klagerücknahme zu bewegen.

Danach war es auch dem Senat aufgrund der festzustellenden Erledigung des Klageverfahrens durch wirksame Klagerücknahme verwehrt, im Berufungsverfahren nun das jetzt gestellte sachliche Begehren der Klägerin, das auf Erstattung der vollen Kosten der prothetischen Versorgung im Ober- und Unterkiefer gerichtet sein mag, zu prüfen. Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 04. November 2008, das sich auf die prothetische Versorgung im Unterkiefer bezog, ist kein Raum, selbst wenn man es als ablehnenden Bescheid ansehen würde.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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