Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 2927/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5284/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) streitig.
Die 1953 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie ist im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Am 10.11.2005 stellte sie beim Landratsamt R.-M.-Kreis (VA) einen Erstantrag nach dem SGB IX. Das VA zog medizinische Unterlagen (Berichte Dr. F. vom 27.05.2005, Dr. W. vom 06.05.2005, Dr. K. vom 13.04.2005 und 31.01.2005, M.hospital S. vom 04.04.2005, Dr. B. vom 14.04.2004 und 14.01.2004, Dr. Sch. vom 06.02.2004 und 05.02.2002, MDK vom 05.02.2004 und 08.08.2003, Dr. Bö. vom 15.01.2004, Dr. O. vom 04.02.2003, Dr. S. vom 14.01.2002, Dr. W. vom 08.02.2001, Dr. M. vom 17.02.2000, Dr. F. vom 18.03.1998 sowie Reha-Entlassungsbericht Klinik am Kurpark B. K. vom 06.05.2002) bei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der beigezogenen Unterlagen (Stellungnahme Dr. K. vom 22.01.2006) stellte das VA mit Bescheid vom 25.01.2006 bei der Klägerin wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und des rechten Schultergelenks (Teil-GdB 10), einer depressiven Verstimmung, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 20) sowie Ohrgeräuschen rechts/Tinnitus (Teil-GdB 10) den GdB mit 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 10.11.2005 fest.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 09.02.2006 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, es sollte berücksichtigt werden, dass sie Analphabetin sei. Sie bitte im Hinblick auf das hartnäckige Verstimmungssyndrom, das chronische Schmerzsyndrom, eine erhebliche Antriebsminderung, eine Zuckererkrankung, positiv getesteter Rheumafaktoren, der schmerzhaft verminderten Beweglichkeit der Schulter, den Bandscheibenveränderungen im Bereich der LWS sowie den Nervenproblemen zu prüfen, ob ein GdB von 50 erreicht sei. Der depressive Zustand habe sich deutlich verschlechtert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 wurde der Widerspruch der Klägerin vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gesundheitszustand der Klägerin begründe nicht die Annahme der Schwerbehinderteneigenschaft.
Hiergegen erhob die Klägerin am 24.04.2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie berief sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen, an dem sie festhielt.
Das SG hörte die Klägerin behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Orthopäde Dr. F. teilte in seiner Stellungnahme vom 10.07.2006 unter Vorlage von Befundberichten die Diagnosen mit und gab an, er teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Eine Schultererkrankung sei nicht bekannt. Dr. von M., Zentrum für Psychiatrie W., teilte in seiner Stellungnahme vom 12.07.2006 die Befunde und geklagten Beschwerden mit. Dr. Sc. teilte in seiner Stellungnahme vom 17.07.2006 unter Vorlage von Befundberichten die Diagnosen mit und gab an, nach seiner Meinung sei die Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit um mehr als 50 % eingeschränkt. Eine Behandlung wegen Schulterbeschwerden sei nicht erfolgt. Eine Höhrstörung sei psychosomatisch bedingt. Das SG zog außerdem den Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie W. vom 30.06.2006 sowie aus dem Rentenrechtsstreit der Klägerin L 13 R 3586/06 das nervenärztliches Gutachten des Dr. H., Klinikum am W. W., vom 26.01.2007 (Blätter 71/95 der SG-Akte) und das nach § 109 SGG eingeholte psychiatrische Gutachten des Dr. V., Klinikum H., vom 04.09.2007 (Blätter 112/132 der SG-Akte) bei.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. vom 05.10.2006, 26.01.2007 und 29.05.2008, der wegen einer seelischen Störung, chronischem Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und des rechten Schultergelenkes (Teil-GdB 10) sowie Ohrgeräuschen rechts/Tinnitus (Teil-GdB 10) den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 vorschlug, entgegen.
Das SG hörte anschließend Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen an. Der Nervenarzt Dr. F. teilte in seiner Stellungnahme vom 11.07.2008 unter Vorlage von Befundberichten die Diagnosen und Befunde mit und gab an, der GdB sei, wie auf seinem Fachgebiet erfolgt, zutreffend. Eine Verschlimmerung oder neue Gesundheitsstörungen seien nicht eingetreten.
Die Klägerin nahm ergänzend Stellung. Die psychiatrischen Diagnosen rechtfertigten mindestens einen Teil-GdB von 40. Sie legte den Entlassungsbericht der M.-B.-K. K. vom 06.03.2008 vor. Der Beklagte hielt unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 07.08.2008 und 10.09.2008 an seiner Ansicht fest.
Mit Urteil vom 09.10.2008 wies das SG die Klage der Klägerin ab. Es führte zur Begründung aus, der Beklagte habe die vorliegenden Gesundheitsstörungen zutreffend mit einem Gesamt-GdB von 40 bewertet. Die psychischen Störungen seien zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 bewertet worden. Dem Analphabetismus der Klägerin sei dabei keine besondere Berücksichtigung einzuräumen. Für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei ein Teil-GdB von 20 zutreffend. Das Vorliegen einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenkes sei zu hinterfragen, führe unabhängig davon nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Anhaltspunkte, die die vorgenommene Festsetzung des Teil-GdB von 10 für die Ohrgeräusche rechts/Tinnitus hinfällig erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Der Bluthochdruck und der Diabetes mellitus Typ II seien allenfalls mit einem Teil-GdB von jeweils maximal 10 zu erfassen. Unter Berücksichtigung aller Funktionseinschränkungen könne kein höherer GdB als 40 gebildet werden. Die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft habe auch mit Blick auf den maßgeblichen Vergleichsmaßstab zu unterbleiben.
Gegen das der Klägerin am 12.11.2008 zugestellte Urteil hat sie am 14.11.2008 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die Einschätzung des SG zum Teil-GdB auf psychiatrischem Gebiet stehe im Widerspruch zu den Feststellungen von Dr. V., die einen Teil-GdB vom 50 bis 70 rechtfertigten. Das SG berücksichtige bei seiner Wertung nicht, dass der ärztliche Direktor Dr. V. ein sehr erfahrener Gutachter sei, der über weitergehende wissenschaftliche Untersuchungs- und Erkenntnismöglichkeiten und Forschungsmittel verfügen dürfte, als dies bei Dr. H. und dem niedergelassenen Arzt Dr. F. der Fall sein dürfte. Dem Gutachten von Dr. V. könne keineswegs entnommen werden, dass die dort gestellte Diagnose einer schweren depressiven Episode nur von sehr kurzer Dauer sei. Die auch vorliegende somatoforme Schmerzstörung sei neben der depressiven Störung gesondert mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung habe das SG bei seiner Bewertung kein ausreichendes Gewicht beigemessen. Eine zusammenfassende Bewertung des psychischen Teil-GdB von 30 lasse die somatoforme Schmerzstörung völlig außer Acht. Es ergebe sich ein GdB von 50. Das kurzfristige Absetzen der Medikamente beziehe sich allein auf den Untersuchungstag bei Dr. V ... Es sei davon auszugehen, dass Dr. V. keine punktuelle Diagnose lediglich auf den Untersuchungstag habe stellen wollen. Es habe nahegelegen, das Gutachten des Dr. V. bei der Einschätzung des Teil-GdB im nervenärztlichen Bereich stärker zu gewichten. Auch die Einschätzung des SG, dass ihr Analphabetismus sich nicht GdB erhöhend auswirke, sei zu hinterfragen. Sie habe dadurch weniger Möglichkeiten, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Es bestehe das Risiko einer geistigen Verarmung. Vorsorglich werde die Einholung eines weiteren Fachgutachtens beantragt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2006 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 10. November 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Berufungsbegründung sei nicht geeignet, das umfassend und ausführlich begründete Urteil des SG zu widerlegen.
Mit richterlicher Verfügung vom 12.05.2009 ist die Prüfung der Berufungsrücknahme angeregt und die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Gelegenheit zur Stellungnahme hingewiesen worden.
Auf den erstmals am 02.07.2009 gestellten Antrag der Klägerin, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, hat der Senat die Klägerin mit begründeter richterlicher Verfügung vom 02.07.2009 darauf hingewiesen, dass das beantragte Gutachten nicht eingeholt werde und der Antrag abzulehnen sei.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten 25.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.04.2006 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung des GdB von über 40 für die Zeit vom 10.11.2005 zu.
Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das SG hat die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze im angefochtenen Urteil vollständig und zutreffend dargestellt. Es hat weiter mit einer sehr ausführlichen und eingehenden Begründung die Klage der Klägerin abgewiesen. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung ebenfalls zu der Überzeugung, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen mit einem GdB von 40 angemessen und zutreffend bewertet sind und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen voll umfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).
Hinsichtlich des Berufungsverfahrens bleibt noch auszuführen:
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch aber nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Der Senat ist mit dem SG und dem Berufungsvorbringen des Beklagten ebenfalls der Überzeugung, dass die bei der Begutachtung der Klägerin durch Dr. V. am 30.07.2007 erhobenen Befunde der Bewertung des GdB nicht zugrunde gelegt werden können. Die Klägerin hatte zum Untersuchungszeitpunkt nach den im Gutachten wiedergegebenen, nicht bestrittenen Angaben ihrer Tochter die ihr verordneten Medikamente nicht eingenommen, die ihr, nachdem sie einige Zeit vor dem Untersuchungszeitpunkt diese wahllos eingenommen hatte, weggenommen wurden. Damit ist eine dauerhafte wesentliche Verschlimmerung der depressiven Entwicklung im Vergleich zu den bei der Untersuchung des Sachverständigen Dr. H. im Dezember 2006 erhobenen Befunden, nicht belegt. Hierauf weist Dr. K. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.05.2008, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet, überzeugend hin. Die Ansicht von Dr. K. wird auch durch die vom SG nach der Begutachtung durch Dr. V. eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. F. vom 11.07.2008 bestätigt. Dr. F. hat für den Behandlungszeitraum vom 26.04.2005 bis 09.04.2008 bei der Klägerin eine Verschlimmerung oder neue Gesundheitsstörungen verneint und sich der Bewertung des GdB durch den Beklagten unter Berücksichtigung der Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode auf nervenärztlichem Gebiet ausdrücklich angeschlossen. Die Klägerin kann deshalb nicht mit Erfolg einwenden, dem Gutachten von Dr. V. könne nicht entnommen werden, dass die dort gestellte Diagnose einer schweren depressiven Episode nur von sehr kurzer Dauer sei. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Klägerin, das SG berücksichtige bei seiner Wertung nicht, dass der ärztliche Direktor Dr. V. ein sehr erfahrener Gutachter sei, der über weitergehende wissenschaftliche Untersuchungs- und Erkenntnismöglichkeiten und Forschungsmittel verfügen dürfte, als dies bei Dr. H. und dem niedergelassenen Arzt Dr. F. der Fall sein dürfte. Maßgeblich bleibt vielmehr, dass die Untersuchung der Klägerin durch Dr. V. wegen der Nichteinnahme verordneter Medikament beeinträchtigt war, ohne dass bei der Klägerin von einer dauerhaften Befundlage zum Untersuchungszeitpunkt ausgegangen werden kann.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewertung des psychischen Teil-GdB von 30 lasse die somatoforme Schmerzstörung völlig außer Acht. Nach den VG (Teil B Nr. 18.4) sind die Fibromyalgie und ähnliche Somatisierungssyndrome (z.B. CFS/MCS) jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Dabei hält es der Senat - seiner bisherigen Rechtsprechung folgend (Senatsurteile vom 23.11.2007 - L 8 SB 4995/04, 29.08.2008 - L 8 SB 5525/06 und 19.12.2008 - L 8 SB 3720/07) - für sachgerecht, die Auswirkungen eines Fibromyalgiesyndroms entsprechend den Maßstäben für psychovegetative oder psychische Störungen zu bewerten. Diese Rechtsprechung ist auf die bei der Klägerin bestehende somatoforme Schmerzstörung übertragbar. Für eine isolierte Bewertung der somatoformen Schmerzstörung zusätzlich zur depressiven Verstimmung bleibt damit kein Raum.
Schließlich rechtfertigt auch das Vorbringen der Klägerin, die Einschätzung des SG, dass ihr Analphabetismus sich nicht GdB erhöhend auswirke, sei zu hinterfragen, keine andere Bewertung. Die von der Klägerin geltend gemachten geringeren Möglichkeiten, mit ihrer Erkrankung umzugehen und das Risiko einer geistigen Verarmung, rechtfertigen nicht die Höherbewertung des GdB. Maßgeblich sind die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen in ihrem tatsächlichen Ausmaß. Gesundheitsstörungen die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind nach den VG bei der Bildung des GdB nicht zu berücksichtigen (vgl. VG Teil A Nr. 2h). Es kann daher dahin stehen, ob Analphabetismus bei der Bildung des GdB überhaupt berücksichtigt werden kann.
Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen besteht nicht. Der Senat hält den maßgeblichen Sachverhalt aufgrund der zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen und den vom SG aus dem Rentenrechtsstreit der Klägerin beigezogenen Gutachten für geklärt und sieht sich zu weiteren Ermittlungen nicht gedrängt.
Der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Gutachtens ist nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Der Antrag ist nicht innerhalb angemessener Frist gestellt worden sein, was die Erledigung des Rechtstreits bei Antragsstattgabe verzögert, denn eine mögliche Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG, wie bereits angekündigt, könnte nicht ergehen. Es entspricht keiner ordnungsgemäßen Prozessführung, wenn ein Beteiligter erkennen muss, dass vom Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt werden, er gleichwohl nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen, was in der Regel als angemessene Überlegungsfrist anzusehen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 RdNr. 11), einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 109 SGG stellt. Mit richterlicher Verfügung vom 12.05.2009 ist die Prüfung der Berufungsrücknahme angeregt und für den Fall der Berufungsfortführung auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs.4 SGG hingewiesen worden. Damit ist zu erkennen gegeben worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgen werden und der Rechtsstreits als entscheidungsreif beurteilt wird. Bei dieser Ausgangslage hätte sich der Klägerseite aufdrängen müssen, dass ein Antrag nach § 109 SGG in angemessener Frist erfolgen muss. Dagegen wurde - nach Ablauf der bis 20.06.2009 gesetzten Äußerungsfrist - am 26.06.2009 unter Wiederholung des bereits in der Berufungsschrift gestellten Antrages, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen, das bisherige Vorbringen vertieft und der Antrag nach § 109 SGG erst am 02.07.2009, somit verspätet, gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) streitig.
Die 1953 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie ist im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Am 10.11.2005 stellte sie beim Landratsamt R.-M.-Kreis (VA) einen Erstantrag nach dem SGB IX. Das VA zog medizinische Unterlagen (Berichte Dr. F. vom 27.05.2005, Dr. W. vom 06.05.2005, Dr. K. vom 13.04.2005 und 31.01.2005, M.hospital S. vom 04.04.2005, Dr. B. vom 14.04.2004 und 14.01.2004, Dr. Sch. vom 06.02.2004 und 05.02.2002, MDK vom 05.02.2004 und 08.08.2003, Dr. Bö. vom 15.01.2004, Dr. O. vom 04.02.2003, Dr. S. vom 14.01.2002, Dr. W. vom 08.02.2001, Dr. M. vom 17.02.2000, Dr. F. vom 18.03.1998 sowie Reha-Entlassungsbericht Klinik am Kurpark B. K. vom 06.05.2002) bei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der beigezogenen Unterlagen (Stellungnahme Dr. K. vom 22.01.2006) stellte das VA mit Bescheid vom 25.01.2006 bei der Klägerin wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und des rechten Schultergelenks (Teil-GdB 10), einer depressiven Verstimmung, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 20) sowie Ohrgeräuschen rechts/Tinnitus (Teil-GdB 10) den GdB mit 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 10.11.2005 fest.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 09.02.2006 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, es sollte berücksichtigt werden, dass sie Analphabetin sei. Sie bitte im Hinblick auf das hartnäckige Verstimmungssyndrom, das chronische Schmerzsyndrom, eine erhebliche Antriebsminderung, eine Zuckererkrankung, positiv getesteter Rheumafaktoren, der schmerzhaft verminderten Beweglichkeit der Schulter, den Bandscheibenveränderungen im Bereich der LWS sowie den Nervenproblemen zu prüfen, ob ein GdB von 50 erreicht sei. Der depressive Zustand habe sich deutlich verschlechtert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 wurde der Widerspruch der Klägerin vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gesundheitszustand der Klägerin begründe nicht die Annahme der Schwerbehinderteneigenschaft.
Hiergegen erhob die Klägerin am 24.04.2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie berief sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen, an dem sie festhielt.
Das SG hörte die Klägerin behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Orthopäde Dr. F. teilte in seiner Stellungnahme vom 10.07.2006 unter Vorlage von Befundberichten die Diagnosen mit und gab an, er teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Eine Schultererkrankung sei nicht bekannt. Dr. von M., Zentrum für Psychiatrie W., teilte in seiner Stellungnahme vom 12.07.2006 die Befunde und geklagten Beschwerden mit. Dr. Sc. teilte in seiner Stellungnahme vom 17.07.2006 unter Vorlage von Befundberichten die Diagnosen mit und gab an, nach seiner Meinung sei die Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit um mehr als 50 % eingeschränkt. Eine Behandlung wegen Schulterbeschwerden sei nicht erfolgt. Eine Höhrstörung sei psychosomatisch bedingt. Das SG zog außerdem den Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie W. vom 30.06.2006 sowie aus dem Rentenrechtsstreit der Klägerin L 13 R 3586/06 das nervenärztliches Gutachten des Dr. H., Klinikum am W. W., vom 26.01.2007 (Blätter 71/95 der SG-Akte) und das nach § 109 SGG eingeholte psychiatrische Gutachten des Dr. V., Klinikum H., vom 04.09.2007 (Blätter 112/132 der SG-Akte) bei.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. vom 05.10.2006, 26.01.2007 und 29.05.2008, der wegen einer seelischen Störung, chronischem Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und des rechten Schultergelenkes (Teil-GdB 10) sowie Ohrgeräuschen rechts/Tinnitus (Teil-GdB 10) den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 vorschlug, entgegen.
Das SG hörte anschließend Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen an. Der Nervenarzt Dr. F. teilte in seiner Stellungnahme vom 11.07.2008 unter Vorlage von Befundberichten die Diagnosen und Befunde mit und gab an, der GdB sei, wie auf seinem Fachgebiet erfolgt, zutreffend. Eine Verschlimmerung oder neue Gesundheitsstörungen seien nicht eingetreten.
Die Klägerin nahm ergänzend Stellung. Die psychiatrischen Diagnosen rechtfertigten mindestens einen Teil-GdB von 40. Sie legte den Entlassungsbericht der M.-B.-K. K. vom 06.03.2008 vor. Der Beklagte hielt unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 07.08.2008 und 10.09.2008 an seiner Ansicht fest.
Mit Urteil vom 09.10.2008 wies das SG die Klage der Klägerin ab. Es führte zur Begründung aus, der Beklagte habe die vorliegenden Gesundheitsstörungen zutreffend mit einem Gesamt-GdB von 40 bewertet. Die psychischen Störungen seien zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 bewertet worden. Dem Analphabetismus der Klägerin sei dabei keine besondere Berücksichtigung einzuräumen. Für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei ein Teil-GdB von 20 zutreffend. Das Vorliegen einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenkes sei zu hinterfragen, führe unabhängig davon nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Anhaltspunkte, die die vorgenommene Festsetzung des Teil-GdB von 10 für die Ohrgeräusche rechts/Tinnitus hinfällig erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Der Bluthochdruck und der Diabetes mellitus Typ II seien allenfalls mit einem Teil-GdB von jeweils maximal 10 zu erfassen. Unter Berücksichtigung aller Funktionseinschränkungen könne kein höherer GdB als 40 gebildet werden. Die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft habe auch mit Blick auf den maßgeblichen Vergleichsmaßstab zu unterbleiben.
Gegen das der Klägerin am 12.11.2008 zugestellte Urteil hat sie am 14.11.2008 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die Einschätzung des SG zum Teil-GdB auf psychiatrischem Gebiet stehe im Widerspruch zu den Feststellungen von Dr. V., die einen Teil-GdB vom 50 bis 70 rechtfertigten. Das SG berücksichtige bei seiner Wertung nicht, dass der ärztliche Direktor Dr. V. ein sehr erfahrener Gutachter sei, der über weitergehende wissenschaftliche Untersuchungs- und Erkenntnismöglichkeiten und Forschungsmittel verfügen dürfte, als dies bei Dr. H. und dem niedergelassenen Arzt Dr. F. der Fall sein dürfte. Dem Gutachten von Dr. V. könne keineswegs entnommen werden, dass die dort gestellte Diagnose einer schweren depressiven Episode nur von sehr kurzer Dauer sei. Die auch vorliegende somatoforme Schmerzstörung sei neben der depressiven Störung gesondert mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung habe das SG bei seiner Bewertung kein ausreichendes Gewicht beigemessen. Eine zusammenfassende Bewertung des psychischen Teil-GdB von 30 lasse die somatoforme Schmerzstörung völlig außer Acht. Es ergebe sich ein GdB von 50. Das kurzfristige Absetzen der Medikamente beziehe sich allein auf den Untersuchungstag bei Dr. V ... Es sei davon auszugehen, dass Dr. V. keine punktuelle Diagnose lediglich auf den Untersuchungstag habe stellen wollen. Es habe nahegelegen, das Gutachten des Dr. V. bei der Einschätzung des Teil-GdB im nervenärztlichen Bereich stärker zu gewichten. Auch die Einschätzung des SG, dass ihr Analphabetismus sich nicht GdB erhöhend auswirke, sei zu hinterfragen. Sie habe dadurch weniger Möglichkeiten, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Es bestehe das Risiko einer geistigen Verarmung. Vorsorglich werde die Einholung eines weiteren Fachgutachtens beantragt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2006 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 10. November 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Berufungsbegründung sei nicht geeignet, das umfassend und ausführlich begründete Urteil des SG zu widerlegen.
Mit richterlicher Verfügung vom 12.05.2009 ist die Prüfung der Berufungsrücknahme angeregt und die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Gelegenheit zur Stellungnahme hingewiesen worden.
Auf den erstmals am 02.07.2009 gestellten Antrag der Klägerin, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, hat der Senat die Klägerin mit begründeter richterlicher Verfügung vom 02.07.2009 darauf hingewiesen, dass das beantragte Gutachten nicht eingeholt werde und der Antrag abzulehnen sei.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten 25.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.04.2006 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung des GdB von über 40 für die Zeit vom 10.11.2005 zu.
Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das SG hat die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze im angefochtenen Urteil vollständig und zutreffend dargestellt. Es hat weiter mit einer sehr ausführlichen und eingehenden Begründung die Klage der Klägerin abgewiesen. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung ebenfalls zu der Überzeugung, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen mit einem GdB von 40 angemessen und zutreffend bewertet sind und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen voll umfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).
Hinsichtlich des Berufungsverfahrens bleibt noch auszuführen:
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch aber nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Der Senat ist mit dem SG und dem Berufungsvorbringen des Beklagten ebenfalls der Überzeugung, dass die bei der Begutachtung der Klägerin durch Dr. V. am 30.07.2007 erhobenen Befunde der Bewertung des GdB nicht zugrunde gelegt werden können. Die Klägerin hatte zum Untersuchungszeitpunkt nach den im Gutachten wiedergegebenen, nicht bestrittenen Angaben ihrer Tochter die ihr verordneten Medikamente nicht eingenommen, die ihr, nachdem sie einige Zeit vor dem Untersuchungszeitpunkt diese wahllos eingenommen hatte, weggenommen wurden. Damit ist eine dauerhafte wesentliche Verschlimmerung der depressiven Entwicklung im Vergleich zu den bei der Untersuchung des Sachverständigen Dr. H. im Dezember 2006 erhobenen Befunden, nicht belegt. Hierauf weist Dr. K. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.05.2008, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet, überzeugend hin. Die Ansicht von Dr. K. wird auch durch die vom SG nach der Begutachtung durch Dr. V. eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. F. vom 11.07.2008 bestätigt. Dr. F. hat für den Behandlungszeitraum vom 26.04.2005 bis 09.04.2008 bei der Klägerin eine Verschlimmerung oder neue Gesundheitsstörungen verneint und sich der Bewertung des GdB durch den Beklagten unter Berücksichtigung der Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode auf nervenärztlichem Gebiet ausdrücklich angeschlossen. Die Klägerin kann deshalb nicht mit Erfolg einwenden, dem Gutachten von Dr. V. könne nicht entnommen werden, dass die dort gestellte Diagnose einer schweren depressiven Episode nur von sehr kurzer Dauer sei. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Klägerin, das SG berücksichtige bei seiner Wertung nicht, dass der ärztliche Direktor Dr. V. ein sehr erfahrener Gutachter sei, der über weitergehende wissenschaftliche Untersuchungs- und Erkenntnismöglichkeiten und Forschungsmittel verfügen dürfte, als dies bei Dr. H. und dem niedergelassenen Arzt Dr. F. der Fall sein dürfte. Maßgeblich bleibt vielmehr, dass die Untersuchung der Klägerin durch Dr. V. wegen der Nichteinnahme verordneter Medikament beeinträchtigt war, ohne dass bei der Klägerin von einer dauerhaften Befundlage zum Untersuchungszeitpunkt ausgegangen werden kann.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewertung des psychischen Teil-GdB von 30 lasse die somatoforme Schmerzstörung völlig außer Acht. Nach den VG (Teil B Nr. 18.4) sind die Fibromyalgie und ähnliche Somatisierungssyndrome (z.B. CFS/MCS) jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Dabei hält es der Senat - seiner bisherigen Rechtsprechung folgend (Senatsurteile vom 23.11.2007 - L 8 SB 4995/04, 29.08.2008 - L 8 SB 5525/06 und 19.12.2008 - L 8 SB 3720/07) - für sachgerecht, die Auswirkungen eines Fibromyalgiesyndroms entsprechend den Maßstäben für psychovegetative oder psychische Störungen zu bewerten. Diese Rechtsprechung ist auf die bei der Klägerin bestehende somatoforme Schmerzstörung übertragbar. Für eine isolierte Bewertung der somatoformen Schmerzstörung zusätzlich zur depressiven Verstimmung bleibt damit kein Raum.
Schließlich rechtfertigt auch das Vorbringen der Klägerin, die Einschätzung des SG, dass ihr Analphabetismus sich nicht GdB erhöhend auswirke, sei zu hinterfragen, keine andere Bewertung. Die von der Klägerin geltend gemachten geringeren Möglichkeiten, mit ihrer Erkrankung umzugehen und das Risiko einer geistigen Verarmung, rechtfertigen nicht die Höherbewertung des GdB. Maßgeblich sind die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen in ihrem tatsächlichen Ausmaß. Gesundheitsstörungen die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind nach den VG bei der Bildung des GdB nicht zu berücksichtigen (vgl. VG Teil A Nr. 2h). Es kann daher dahin stehen, ob Analphabetismus bei der Bildung des GdB überhaupt berücksichtigt werden kann.
Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen besteht nicht. Der Senat hält den maßgeblichen Sachverhalt aufgrund der zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen und den vom SG aus dem Rentenrechtsstreit der Klägerin beigezogenen Gutachten für geklärt und sieht sich zu weiteren Ermittlungen nicht gedrängt.
Der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Gutachtens ist nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Der Antrag ist nicht innerhalb angemessener Frist gestellt worden sein, was die Erledigung des Rechtstreits bei Antragsstattgabe verzögert, denn eine mögliche Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG, wie bereits angekündigt, könnte nicht ergehen. Es entspricht keiner ordnungsgemäßen Prozessführung, wenn ein Beteiligter erkennen muss, dass vom Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt werden, er gleichwohl nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen, was in der Regel als angemessene Überlegungsfrist anzusehen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 RdNr. 11), einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 109 SGG stellt. Mit richterlicher Verfügung vom 12.05.2009 ist die Prüfung der Berufungsrücknahme angeregt und für den Fall der Berufungsfortführung auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs.4 SGG hingewiesen worden. Damit ist zu erkennen gegeben worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgen werden und der Rechtsstreits als entscheidungsreif beurteilt wird. Bei dieser Ausgangslage hätte sich der Klägerseite aufdrängen müssen, dass ein Antrag nach § 109 SGG in angemessener Frist erfolgen muss. Dagegen wurde - nach Ablauf der bis 20.06.2009 gesetzten Äußerungsfrist - am 26.06.2009 unter Wiederholung des bereits in der Berufungsschrift gestellten Antrages, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen, das bisherige Vorbringen vertieft und der Antrag nach § 109 SGG erst am 02.07.2009, somit verspätet, gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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