Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3743/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 6117/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes hat.
Die am 6. 08. 1932 geborene Klägerin schloss am 21. 04. 1961 die Ehe mit dem 30. 06. 1932 geborenen R. Rei ... Aus der Ehe sind die Kinder A. I., geboren am 06. 06. 1961, M. R., geboren am 28. 08. 1962, Klaus R., geboren am 01. 04. 1964 sowie Frank Dieter, geboren am 26. 07. 1966 hervorgegangen. Noch während der Ehezeit wurde der Ehemann wegen Verletzung seiner Unterhaltspflichten mehrfach strafrechtlich verurteilt. Zwischen 1966 und 1973 befand er sich deswegen mehrmals in Strafhaft. Seit dem Winter 1966/67 lebten die Eheleute getrennt.
1973 leitete der frühere Ehemann der Klägerin die Scheidung durch Klagerhebung bei dem Landgericht (LG) Tübingen (Az. 2 R 156/73) ein. Im Verhandlungstermin am 8. 05. 1974 schlossen die Parteien für den Fall der Scheidung die Vereinbarung, dass beide Parteien gegenseitig auf Unterhalt verzichten, auch für den Fall der Not. Der Klägervertreter nahm daraufhin die Klage zurück, trat der Widerklage der Ehefrau nicht entgegen und räumte den Scheidungsgrund (er sei seiner Frau und den beiden Töchtern auf der Straße begegnet, ohne sie zu grüßen) ein. Ausdrücklich ist in dem Protokoll festgehalten, dass der geschiedene Ehemann darauf hingewiesen wurde, dass der Unterhaltsverzicht seiner Ehefrau sich nicht auf die Unterhaltsansprüche der Kinder erstrecke. Durch Urteil des LG vom 8. 05 1974 wurde die Ehe daraufhin geschieden und erkannt, dass der Kläger (also der frühere Ehemann) schuld an der Scheidung ist.
Im Scheidungsverfahren wurde der Beruf des früheren Ehemannes der Klägerin mit Maurer angegeben, im Antrag auf Versichertenrente aus dem Jahr 1997 wird die Berufsbezeichnung Arbeiter/Maschinenführer verwendet. Wie aus dem Versicherungsverlauf des früheren Ehemannes der Klägerin hervorgeht (vgl. dazu Bl. 21 SG-Akte) war dieser während der Ehezeit nur mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 28. 10. 1966 bis 19. 01. 1977 fehlt jeder Nachweis, offensichtlich war der geschiedene Ehemann der Klägerin während dieses Zeitraums überwiegend inhaftiert. Vom 19. 1. 1977 bis 30. 6. 1997 ist dem gegenüber eine ununterbrochene Zeit versicherungspflichtiger Beschäftigung verzeichnet. Die Beklagte gewährte dem geschiedenen Ehemann der Klägerin Altersrente in Höhe von zuletzt 790,28 EUR zzgl. eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung. Die Klägerin nahm ihrerseits 1978 eine Beschäftigung im kommunalen Dienst auf, sie bezieht seit 01.07.1994 Rente von der Beklagten, zum 1. 7. 2005 betrug die Höhe ihrer Rente brutto 867,06 EUR bzw. (nach Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung) netto 787,73 EUR; außerdem erhält sie noch eine kommunale Betriebsrente in Höhe von 110,30 EUR. Nachdem der geschiedene Ehemann der Klägerin am 17.1. 2006 verstorben war, beantragte die Klägerin am 25. 1. 2006 die Gewährung von Witwenrente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. 4. 2006 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Leistung, weil sie in den letzten Jahren vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten keinen Unterhalt erhalten habe und im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod auch keinen Anspruch auf Unterhalt gehabt habe. Sie habe zudem auf Unterhaltsansprüche verzichtet. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und brachte vor, sie habe den Unterhaltsverzicht wegen der Armut ihres damaligen Ehemannes ausgesprochen. Er habe Unterhaltsverpflichtungen gegenüber sieben Kindern gehabt, drei Kinder aus erster Ehe und vier Kinder aus gemeinsamer Ehe. Seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kinder aus der gemeinsamen Ehe sei er eher sporadisch als regelmäßig nachgekommen. Sie habe jedoch auf Unterhalt nur für die Lebenszeit ihres damaligen Ehemannes verzichtet, nicht aber auf ihren Anspruch auf Witwenrente. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. 9. 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Witwenrente lägen nicht vor. Weder habe der geschiedene frühere Ehemann tatsächlich Unterhalt geleistet, noch habe die Klägerin einen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschieden Ehemann gehabt. Dies folge daraus, dass sie auf Unterhalt rechtswirksam verzichtet habe. Die Klägerin erhob hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) am 11. 10. 2006. Ihrem Unterhaltsverzicht habe das Verhalten ihres geschiedenen Ehemannes zu Grunde gelegen, der während der gesamten Ehezeit immer wieder nur sporadisch gearbeitet und unregelmäßig und niedrige Einkünfte gehabt habe, was sein Versicherungsverlauf auch zeige. Der geschiedene Ehemann sei 1974 aus der Strafhaft entlassen worden, habe zuvor wenig oder gar nicht gearbeitet, auch nicht in den Folgejahren. Aus ihrer Kenntnis des früheren Ehemannes und der Prognose des weiteren Verlaufs seiner Erwerbstätigkeit sei sie davon ausgegangen, dass er zu keinem Zeitpunkt mehr in der Lage sein werde, Unterhaltsansprüche zu bezahlen. Dies zeige auch ein Aktenvermerk des Sozialamts Reutlingen vom 30. 10. 1968, aus dem hervorgehe, dass der geschiedene Ehemann sich seiner Unterhaltsverpflichtung ständig entzogen habe und die Klägerin darauf angewiesen gewesen sei, vom Sozialamt Leistungen zu erhalten. Sie habe mit ihren Unterhaltsverzicht aber keinesfalls auf bestehende Ansprüche verzichtet. Sie habe aus abgelaufenen Zeiträumen eine Prognose für die künftige Entwicklung stellen müssen. Angesichts des Umstandes, dass sich ihr früherer Ehemann auch durch eine strafrechtliche Verurteilung und anschließende Haft nicht habe beeindrucken lassen und er keinen Unterhalt für seine Kinder gezahlt habe, stelle der Unterhaltsverzicht eine ausschließlich leere Hülse dar; er sei lediglich deklaratorischer Natur. Dass der frühere Ehemann sich später gefangen und tatsächlich regelmäßig Einkommen bezogen habe, sei auf Grund ihrer Kenntnisse aus der Ehezeit unter keinen Umständen zu erwarten gewesen. Aber auch bezogen auf den Todeszeitpunkt sei der frühere Ehemann trotz bestehender Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin nicht leistungsfähig gewesen, was sich aus der Höhe seiner monatlichen Rente ergebe. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie gehe davon aus, dass für den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten kein Unterhaltsanspruch für die Klägerin bestanden habe, da ihr Einkommen höher gewesen sei als das des Verstorbenen. Der von ihr erklärte Unterhaltsverzicht sei nicht unbeachtlich gewesen. Ob ein Unterhaltsverzicht materiell-rechtliche Bedeutung erlangt habe, folge nicht isoliert aus dem Zeitpunkt der Unterhaltsverzichtserklärung oder aus dem Zeitpunkt des Todes, sondern daraus, ob im Zeitraum zwischen der Verzichtserklärung und dem Tod des ggf. Unterhaltsverpflichteten Sachverhalte eingetreten seien, die zu einer Unterhaltspflicht geführt hätten. Dies sei hier zu bejahen. Der verstorbene geschiedene Ehegatte habe zwischen dem 19. 1. 1977 und dem 1. 7. 1997 durchgehend regelmäßiges Erwerbseinkommen erzielt, das ihn zu Unterhaltszahlungen befähigt hätte. Dem gegenüber habe die Klägerin erst seit März 1978 wieder über eigenes Erwerbseinkommen verfügt und sei ab Rentenbeginn am 1. 7. 1994 erneut unterhaltsbedürftig geworden. Mit Urteil vom 27. 11. 2007 wies das SG die Klage ab. Es vertrat zur Begründung die Auffassung, ein Anspruch auf Witwenrente bestehe nicht, weil die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tod ihres verstorbenen früheren Ehemannes weder Unterhalt von diesem erhalten habe noch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf gehabt habe. Dass Unterhaltszahlungen im letzten Jahr vor dem Tod ihres früheren Ehemannes nicht erfolgt sind, sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Ein gleichwohl bestehender Anspruch auf solche Zahlungen scheide aus, weil die Klägerin am 8. Mai 1974 wirksam auf Unterhaltszahlung einschließlich des Notbedarfes verzichtet habe. Ein solcher Unterhaltsverzicht schließe einen Anspruch gem. § 243 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 SGB VI in jedem Fall aus. Allerdings mache das BSG von diesem Grundsatz Ausnahmen um zu erreichen, dass der überlebende Ehegatte, der einen Unterhaltsverzicht erklärt habe, nicht gegenüber demjenigen überlebenden Ehegatten benachteiligt werde, der aus rein tatsächlichen - aber unbeachtlichen - Gründen keinen Unterhaltsanspruch habe. In den Fällen, in denen der Verzicht keine Veränderung der objektiven unterhaltsrechtlichen Situation der Hinterbliebenen bewirkt habe, solle diesem auch keinen Einfluss auf den Rentenanspruch eingeräumt werden. Eine Voraussetzung für die Unbeachtlichkeit des Unterhaltsverzichtes sei, dass ohne den Verzicht ein Unterhaltsanspruch ohnehin nicht bestanden hätte, bzw. dass sich der Unterhaltsverzicht im Hinblick auf die in § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI genannten wirtschaftlichen Voraussetzungen als "leere Hülse" erweise. Dabei sei auf den Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts und auch den Zeitpunkt des Todes des Versicherten abzustellen. Hinzukommen müsse, dass auch nach den bei Abschluss der Vereinbarung über den Unterhaltsverzicht gegebenen objektiven Umständen vernünftiger Weise für die Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau habe gerechnet werden können. Entscheidend sei, ob ein wirtschaftlicher Dauerzustand vorgelegen habe, der im Zeitpunkt der Scheidung vernünftigerweise objektiv die Folgerung rechtfertige, dass die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs auch in Zukunft ausgeschlossen sei. Subjektive Überlegungen eines früheren Ehepartners sowie seine weiteren Motive für die Erklärung des Unterhaltsverzichts seien in diesem Zusammenhang unerheblich. Konkret sei im Falle der Klägerin zu beachten, dass bei einem endgültigen und umfassenden Unterhaltsverzicht typischer weise nicht davon ausgegangen werden könne, dass er ohne rechtliche und wirtschaftliche Substanz und Auswirkung bleibe. Entscheidend sei, dass bei objektiver Betrachtung bei Abschluss des Verzichtsvertrages vernünftigerweise in Zukunft das Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau nicht habe ausgeschlossen werden können. In der Person des im Jahre 1932 geborenen Versicherten habe im Jahr 1974 kein Grund bestanden, der es tatsächlich (zum Beispiel wegen Alters- oder Krankheit) ausgeschlossen hätte, der Klägerin in Zukunft Unterhalt zu gewähren (wie beispielsweise bei einem wegen unheilbarer Krankheit voraussichtlich auf Lebenszeit erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen). Auch wenn es auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehemanns der Klägerin eine Verpflichtung zunächst nicht gegeben habe, so sei doch bei objektiver Betrachtung eine diesbezügliche Unsicherheit vorhanden gewesen und außerdem sei für die Lebenszeit der geschiedenen Eheleute eine Änderung der Verhältnisse in Betracht zu ziehen gewesen. Die Klägerin sei ebenso wie ihr früherer Ehemann zum Zeitpunkt der Ehescheidung erst 41 Jahre alt gewesen. Die spätere Entwicklung, in der der geschiedene Ehemann der Klägerin tatsächlich Arbeitseinkommen in beachtlicher Höhe erzielt habe, sei nicht so unwahrscheinlich gewesen, dass im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts vernünftigerweise das Entstehen eines Unterhaltsanspruch für den nachfolgenden Zeitraum habe als ausgeschlossen betrachtet werden können. Vielmehr sei die weitere Entwicklung bei objektiver Betrachtung weder in die eine noch in die andere Richtung verlässlich prognostizierbar gewesen. Die Verhältnisse vor der Scheidung und vor dem Unterhaltsverzicht änderten daran nichts. Wenn der frühere Ehemann wegen Unterhaltspflichtverletzungen strafrechtlich verurteilt worden sei, bedeute dies im Umkehrschluss, dass zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls vorübergehend Unterhaltsverpflichtungen (und damit Leistungsfähigkeit) des früheren Ehemannes gegenüber den gemeinsamen Kindern vorhanden gewesen sein mussten. Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 6. 12. 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. 12. 2007 Berufung eingelegt. Das SG verlange widersprüchliches, wenn es darauf abhebe, dass die weitere Entwicklung bei objektiver Betrachtung verlässlich prognostizierbar sein müsse. Dieser Ansatz sei schon ein Widerspruch in sich selbst, weil einer Prognose begrifflich eine Unsicherheit inne wohne. Entscheidend könne deshalb nur sein, wie sich der Sachverhalt für die Klägerin im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts dargestellt habe. Ein Verzicht sei entsprechend der Rechtsprechung des BSG als leere Hülse anzusehen, wenn nach den bei Abschluss des Unterhaltsverzichts gegebenen objektiven Umständen vernünftiger weise in Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Frau habe gerechnet werden können. So habe das BSG (Urt. v. 8. 9. 1993 - 5 RJ 8/ 93) es ausreichen lassen, dass der Ehemann vor der Scheidung straffällig geworden sei und wegen Inhaftierung zum Zeitpunkt der Scheidung keinen Unterhalt habe leisten können. Verschärfend komme vorliegend hinzu, dass der verstorbene Versicherte sich in der Vergangenheit seinen Unterhaltsverpflichtungen entzogen habe und sich auch von strafrechtlichen Maßnahmen nicht habe beeindrucken lassen. Die Prognose der Klägerin sei also auch aus Sicht eines objektiven Dritten nachvollziehbar. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. November 2007 sowie den Bescheid vom 4. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenrente an den geschiedenen Ehegatten in gesetzlicher Höhe ab dem 1. Februar 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend. Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich einverstanden erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes zu gewähren; sie hat hierauf keinen Anspruch. Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 243 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist und weshalb ihr danach Witwenrente aus der Versicherung des geschiedenen Ehemannes nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und sieht von einer Wiederholung der zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen ab. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren noch auszuführen: Hätte die Klägerin nicht auf Unterhalt verzichtet, stünde ihr große Witwenrente gemäß § 243 Abs. 3 SGB VI zu. Entscheidend ist, ob der erklärte Unterhaltsverzicht beachtlich ist oder ob er unbeachtet bleiben kann. Letzteres wäre der Fall, wenn der am 8. 5. 1974 erklärte Unterhaltsverzicht rein deklaratorischer Natur ist, mithin eine leere Hülse ohne rechtliche Gestaltung zukünftiger Verhältnisse darstellt oder anders gesagt, der Unterhaltsverzicht sich nicht nur von Anfang an sondern auch im Blick auf den in unbekannter Zukunft liegenden Versicherungsfall des Todes des Versicherten als Verfügungsvertrag ohne rechtliche und wirtschaftliche Substanz und Auswirkung darstellt. Typischer Weise liegt ein "leeres" Verfügungsgeschäft bereits dann nicht vor, wenn der Unterhaltsverzicht Vertragsteil einer Scheidungsvereinbarung gewesen und nach den zur Zeit der Scheidung objektiv gegebenen Umständen eine "Gegenleistung" für ein prozessuales Entgegenkommen des Versicherten zur Erleichterung des gerichtlichen Ausspruches über die Schuldfrage darstellt (sog. Konventionalscheidung). Hier lässt der Verzicht den Anspruch unberührt, wenn das abgestimmte Parteiverhalten der Ehegatten nicht zu einer Änderung der Entscheidung über die Schuldfrage geführt hat. Umgekehrt ist ein leeres Verfügungsgeschäft gerade nicht gegeben, wenn die Vertragsparteien im Blick hatten, infolge des abgesprochenen prozessualen Verhaltens des Versicherten (hier des früheren Ehemannes der Klägerin) werde es zu einem Schuldausspruch zu seinen Lasten kommen, der den Rechtsgrund für eine - u.U. später sich ergebende - Unterhaltsverpflichtung schaffen würde, die aber gerade durch den Unterhaltsverzicht von vornherein und endgültig abbedungen werden soll (BSG Urt. v. 15.12.1988 - 4/11a RA 42/86). Der Unterhaltsverzicht war im Scheidungsverfahren der Klägerin und ihres früheren Ehemannes von entscheidender Bedeutung. Wie aus den Prozessunterlagen, insbesondere dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 8. 5. 1974 hervorgeht, war der Unterhaltsverzicht Teil einer Absprache, mit deren Hilfe die Anwälte der Klägerin und ihres früheren Ehemannes den Ablauf des Scheidungsverfahrens erheblich vereinfacht haben. Der Unterhaltsverzicht bildete die Basis für die auch in ihrem Fall durchgeführte sog. Konventionalscheidung; ohne den ausgesprochenen Unterhaltsverzicht hätte das LG über den Scheidungsantrag des früheren Ehemannes der Klägerin und deren Widerklage streitig entscheiden müssen. Zudem war es genau der Unterhaltsverzicht, der dem Schuldausspruch des Scheidungsurteils (der Kläger ist schuld an der Scheidung) die von § 58 EheG vorgesehene Wirkung, wonach der allein oder überwiegend schuldig geschiedene Ehegatte dem anderen Ehegatten Unterhalt zu gewähren hat, genommen hat. Bereits aus diesen Gründen kommt dem Unterhaltsverzicht substantielle Bedeutung zu. Aber auch sonst kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin im Unterhaltsverzicht vom 08.05.1974 auf etwas verzichtet hat, worauf sie ohnedies keine Anspruch gehabt hätte. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der am 8. 5. 1974 ausgesprochene Unterhaltsverzicht nicht bloß eine leere rechtliche Hülse ohne Substanz und Auswirkung war. Das BSG hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 15. 12. 1988 - 4/11a RA 42/86 - darauf hingewiesen, dass die Vertragsparteien, wenn sie einen Unterhaltsverzicht auch für "die Zukunft einschließlich des Notbedarfs" abschließen, dabei nicht nur die bei Vertragsschluss vorliegenden aktuellen Gegebenheiten vor Augen haben, sondern darüber hinaus auch die von Wechselfällen des Lebens abhängigen künftigen Veränderungen in ihrem Unterhaltsrechtsverhältnis. Für diese Wechselfälle schließen sie privatautonom eine rechtsgeschäftliche Regelung in der Form der "Vernichtung des Unterhaltsverhältnisses bereits dem Grunde nach". Ein typischer Fall, bei dem ein Unterhaltsverzicht als "leere Hülse" anzusehen ist, war vorliegend nicht gegeben. Eine Situation, in der die Klägerin über hohes Vermögen verfügt hätte, sodass auf alle Zeit damit zu rechnen gewesen wäre, dass sie wegen eigenen Einkommens oder Vermögens keinen Anspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann gehabt hätte, lag nicht vor. Auch das Beispiel der gesicherten Beamtin auf Lebenszeit, die auf Grund ihres Beamtenverhältnisses auf Unterhaltsansprüche gegen den früheren Ehemann nicht angewiesen ist, betrifft den vorliegenden Sachverhalt nicht. Die Beispielfälle des BSG, wo der Unterhaltspflichtige so schwer erkrankt ist, dass nicht mit einer nennenswerten Unterhaltsleistung für die Zukunft gerechnet werden kann, beschreiben ebenfalls völlig andere Sachverhalte. Auf der anderen Seite bestehen hier aber keinerlei Zweifel an einer grundsätzlich bestehenden Leistungsfähigkeit des gesunden und arbeitsfähigen früheren Ehemannes. Aber auch aus den übrigen aktenkundigen Gegebenheiten lässt sich nicht entnehmen, dass der Unterhaltsverzicht lediglich eine leere Hülse war. So wurde noch im Protokoll über die mündliche Verhandlung im Scheidungstermin am 8. 5. 1974 der frühere Ehemann der Klägerin vom Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Unterhaltsverzicht nur gegenüber der Klägerin von Bedeutung ist, dass aber Unterhaltsansprüche der Kinder noch weiter bestehen. Auch der Umstand, dass offensichtlich seitens des Sozialamts mehrfach gegen den früheren Ehemann des Klägers Strafanzeige wegen Unterhaltspflichtverletzung gestellt wurde, zeigt, dass sowohl das Sozialamt als auch das verurteilende Strafgericht davon ausgegangen sind, dass der frühere Ehemann der Klägerin ausreichend leistungsfähig war, um Unterhaltsleistungen für seine Kinder zu erbringen. Auch die eigene Widerspruchsbegründung der Klägerin legt dies nahe, wenn sie sagt, ihr früherer Ehemann habe gegenüber den Kindern nur sporadisch Unterhalt gezahlt. Es kann also insgesamt nicht angenommen werden, dass von vornherein objektiv davon auszugehen war, dass der geschiedene Ehemann der Klägerin auch zukünftig, insbesondere nach dem Wegfall der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern, stets Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht nachkommen werde. Auch der Umstand, dass sich der frühere Ehemann mehrmals im Strafvollzug befand, lässt für sich im vorliegenden Fall nicht den Rückschluss zu, dass der Versicherte zukünftig nicht mehr leistungsfähig sein werde und Unterhaltsansprüche der Klägerin auch zukünftig nicht erfolgreich geltend gemacht werden können. Hierfür gibt der Vortrag der Klägerin keine über die bloße Tatsache von Inhaftierungen hinausgehenden Hinweise. Soweit das BSG in dem Urteil vom 08.09.1993 - B 5 RJ 8/93 allein den Umstand einer zeitweiligen Inhaftierung des Versicherten bereits für ausreichend angesehen hat, um einen Unterhaltsverzicht als leere Hülse zu qualifizieren, hat es später (Urt. v. 30.9.1996 - 8 RKn 17/95) einschränkend klargestellt, dass es grundsätzlich nur darauf ankommt, ob vernünftigerweise mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen gerechnet werden konnte. Dies ist, wie oben ausgeführt, hier zu bejahen. Die Einwände und Erklärungen der Klägerin zum Verhalten ihres früheren Ehemannes während der gemeinsamen Ehezeit und die ihre daraus abgeleitete Prognose betreffen weniger dessen Leistungsfähigkeit als vielmehr seine Leistungswilligkeit, der indes grundsätzlich mit Hilfe von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nachgeholfen werden kann. Aus diesen Gründen kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes hat.
Die am 6. 08. 1932 geborene Klägerin schloss am 21. 04. 1961 die Ehe mit dem 30. 06. 1932 geborenen R. Rei ... Aus der Ehe sind die Kinder A. I., geboren am 06. 06. 1961, M. R., geboren am 28. 08. 1962, Klaus R., geboren am 01. 04. 1964 sowie Frank Dieter, geboren am 26. 07. 1966 hervorgegangen. Noch während der Ehezeit wurde der Ehemann wegen Verletzung seiner Unterhaltspflichten mehrfach strafrechtlich verurteilt. Zwischen 1966 und 1973 befand er sich deswegen mehrmals in Strafhaft. Seit dem Winter 1966/67 lebten die Eheleute getrennt.
1973 leitete der frühere Ehemann der Klägerin die Scheidung durch Klagerhebung bei dem Landgericht (LG) Tübingen (Az. 2 R 156/73) ein. Im Verhandlungstermin am 8. 05. 1974 schlossen die Parteien für den Fall der Scheidung die Vereinbarung, dass beide Parteien gegenseitig auf Unterhalt verzichten, auch für den Fall der Not. Der Klägervertreter nahm daraufhin die Klage zurück, trat der Widerklage der Ehefrau nicht entgegen und räumte den Scheidungsgrund (er sei seiner Frau und den beiden Töchtern auf der Straße begegnet, ohne sie zu grüßen) ein. Ausdrücklich ist in dem Protokoll festgehalten, dass der geschiedene Ehemann darauf hingewiesen wurde, dass der Unterhaltsverzicht seiner Ehefrau sich nicht auf die Unterhaltsansprüche der Kinder erstrecke. Durch Urteil des LG vom 8. 05 1974 wurde die Ehe daraufhin geschieden und erkannt, dass der Kläger (also der frühere Ehemann) schuld an der Scheidung ist.
Im Scheidungsverfahren wurde der Beruf des früheren Ehemannes der Klägerin mit Maurer angegeben, im Antrag auf Versichertenrente aus dem Jahr 1997 wird die Berufsbezeichnung Arbeiter/Maschinenführer verwendet. Wie aus dem Versicherungsverlauf des früheren Ehemannes der Klägerin hervorgeht (vgl. dazu Bl. 21 SG-Akte) war dieser während der Ehezeit nur mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 28. 10. 1966 bis 19. 01. 1977 fehlt jeder Nachweis, offensichtlich war der geschiedene Ehemann der Klägerin während dieses Zeitraums überwiegend inhaftiert. Vom 19. 1. 1977 bis 30. 6. 1997 ist dem gegenüber eine ununterbrochene Zeit versicherungspflichtiger Beschäftigung verzeichnet. Die Beklagte gewährte dem geschiedenen Ehemann der Klägerin Altersrente in Höhe von zuletzt 790,28 EUR zzgl. eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung. Die Klägerin nahm ihrerseits 1978 eine Beschäftigung im kommunalen Dienst auf, sie bezieht seit 01.07.1994 Rente von der Beklagten, zum 1. 7. 2005 betrug die Höhe ihrer Rente brutto 867,06 EUR bzw. (nach Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung) netto 787,73 EUR; außerdem erhält sie noch eine kommunale Betriebsrente in Höhe von 110,30 EUR. Nachdem der geschiedene Ehemann der Klägerin am 17.1. 2006 verstorben war, beantragte die Klägerin am 25. 1. 2006 die Gewährung von Witwenrente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. 4. 2006 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Leistung, weil sie in den letzten Jahren vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten keinen Unterhalt erhalten habe und im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod auch keinen Anspruch auf Unterhalt gehabt habe. Sie habe zudem auf Unterhaltsansprüche verzichtet. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und brachte vor, sie habe den Unterhaltsverzicht wegen der Armut ihres damaligen Ehemannes ausgesprochen. Er habe Unterhaltsverpflichtungen gegenüber sieben Kindern gehabt, drei Kinder aus erster Ehe und vier Kinder aus gemeinsamer Ehe. Seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kinder aus der gemeinsamen Ehe sei er eher sporadisch als regelmäßig nachgekommen. Sie habe jedoch auf Unterhalt nur für die Lebenszeit ihres damaligen Ehemannes verzichtet, nicht aber auf ihren Anspruch auf Witwenrente. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. 9. 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Witwenrente lägen nicht vor. Weder habe der geschiedene frühere Ehemann tatsächlich Unterhalt geleistet, noch habe die Klägerin einen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschieden Ehemann gehabt. Dies folge daraus, dass sie auf Unterhalt rechtswirksam verzichtet habe. Die Klägerin erhob hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) am 11. 10. 2006. Ihrem Unterhaltsverzicht habe das Verhalten ihres geschiedenen Ehemannes zu Grunde gelegen, der während der gesamten Ehezeit immer wieder nur sporadisch gearbeitet und unregelmäßig und niedrige Einkünfte gehabt habe, was sein Versicherungsverlauf auch zeige. Der geschiedene Ehemann sei 1974 aus der Strafhaft entlassen worden, habe zuvor wenig oder gar nicht gearbeitet, auch nicht in den Folgejahren. Aus ihrer Kenntnis des früheren Ehemannes und der Prognose des weiteren Verlaufs seiner Erwerbstätigkeit sei sie davon ausgegangen, dass er zu keinem Zeitpunkt mehr in der Lage sein werde, Unterhaltsansprüche zu bezahlen. Dies zeige auch ein Aktenvermerk des Sozialamts Reutlingen vom 30. 10. 1968, aus dem hervorgehe, dass der geschiedene Ehemann sich seiner Unterhaltsverpflichtung ständig entzogen habe und die Klägerin darauf angewiesen gewesen sei, vom Sozialamt Leistungen zu erhalten. Sie habe mit ihren Unterhaltsverzicht aber keinesfalls auf bestehende Ansprüche verzichtet. Sie habe aus abgelaufenen Zeiträumen eine Prognose für die künftige Entwicklung stellen müssen. Angesichts des Umstandes, dass sich ihr früherer Ehemann auch durch eine strafrechtliche Verurteilung und anschließende Haft nicht habe beeindrucken lassen und er keinen Unterhalt für seine Kinder gezahlt habe, stelle der Unterhaltsverzicht eine ausschließlich leere Hülse dar; er sei lediglich deklaratorischer Natur. Dass der frühere Ehemann sich später gefangen und tatsächlich regelmäßig Einkommen bezogen habe, sei auf Grund ihrer Kenntnisse aus der Ehezeit unter keinen Umständen zu erwarten gewesen. Aber auch bezogen auf den Todeszeitpunkt sei der frühere Ehemann trotz bestehender Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin nicht leistungsfähig gewesen, was sich aus der Höhe seiner monatlichen Rente ergebe. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie gehe davon aus, dass für den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten kein Unterhaltsanspruch für die Klägerin bestanden habe, da ihr Einkommen höher gewesen sei als das des Verstorbenen. Der von ihr erklärte Unterhaltsverzicht sei nicht unbeachtlich gewesen. Ob ein Unterhaltsverzicht materiell-rechtliche Bedeutung erlangt habe, folge nicht isoliert aus dem Zeitpunkt der Unterhaltsverzichtserklärung oder aus dem Zeitpunkt des Todes, sondern daraus, ob im Zeitraum zwischen der Verzichtserklärung und dem Tod des ggf. Unterhaltsverpflichteten Sachverhalte eingetreten seien, die zu einer Unterhaltspflicht geführt hätten. Dies sei hier zu bejahen. Der verstorbene geschiedene Ehegatte habe zwischen dem 19. 1. 1977 und dem 1. 7. 1997 durchgehend regelmäßiges Erwerbseinkommen erzielt, das ihn zu Unterhaltszahlungen befähigt hätte. Dem gegenüber habe die Klägerin erst seit März 1978 wieder über eigenes Erwerbseinkommen verfügt und sei ab Rentenbeginn am 1. 7. 1994 erneut unterhaltsbedürftig geworden. Mit Urteil vom 27. 11. 2007 wies das SG die Klage ab. Es vertrat zur Begründung die Auffassung, ein Anspruch auf Witwenrente bestehe nicht, weil die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tod ihres verstorbenen früheren Ehemannes weder Unterhalt von diesem erhalten habe noch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf gehabt habe. Dass Unterhaltszahlungen im letzten Jahr vor dem Tod ihres früheren Ehemannes nicht erfolgt sind, sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Ein gleichwohl bestehender Anspruch auf solche Zahlungen scheide aus, weil die Klägerin am 8. Mai 1974 wirksam auf Unterhaltszahlung einschließlich des Notbedarfes verzichtet habe. Ein solcher Unterhaltsverzicht schließe einen Anspruch gem. § 243 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 SGB VI in jedem Fall aus. Allerdings mache das BSG von diesem Grundsatz Ausnahmen um zu erreichen, dass der überlebende Ehegatte, der einen Unterhaltsverzicht erklärt habe, nicht gegenüber demjenigen überlebenden Ehegatten benachteiligt werde, der aus rein tatsächlichen - aber unbeachtlichen - Gründen keinen Unterhaltsanspruch habe. In den Fällen, in denen der Verzicht keine Veränderung der objektiven unterhaltsrechtlichen Situation der Hinterbliebenen bewirkt habe, solle diesem auch keinen Einfluss auf den Rentenanspruch eingeräumt werden. Eine Voraussetzung für die Unbeachtlichkeit des Unterhaltsverzichtes sei, dass ohne den Verzicht ein Unterhaltsanspruch ohnehin nicht bestanden hätte, bzw. dass sich der Unterhaltsverzicht im Hinblick auf die in § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI genannten wirtschaftlichen Voraussetzungen als "leere Hülse" erweise. Dabei sei auf den Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts und auch den Zeitpunkt des Todes des Versicherten abzustellen. Hinzukommen müsse, dass auch nach den bei Abschluss der Vereinbarung über den Unterhaltsverzicht gegebenen objektiven Umständen vernünftiger Weise für die Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau habe gerechnet werden können. Entscheidend sei, ob ein wirtschaftlicher Dauerzustand vorgelegen habe, der im Zeitpunkt der Scheidung vernünftigerweise objektiv die Folgerung rechtfertige, dass die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs auch in Zukunft ausgeschlossen sei. Subjektive Überlegungen eines früheren Ehepartners sowie seine weiteren Motive für die Erklärung des Unterhaltsverzichts seien in diesem Zusammenhang unerheblich. Konkret sei im Falle der Klägerin zu beachten, dass bei einem endgültigen und umfassenden Unterhaltsverzicht typischer weise nicht davon ausgegangen werden könne, dass er ohne rechtliche und wirtschaftliche Substanz und Auswirkung bleibe. Entscheidend sei, dass bei objektiver Betrachtung bei Abschluss des Verzichtsvertrages vernünftigerweise in Zukunft das Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau nicht habe ausgeschlossen werden können. In der Person des im Jahre 1932 geborenen Versicherten habe im Jahr 1974 kein Grund bestanden, der es tatsächlich (zum Beispiel wegen Alters- oder Krankheit) ausgeschlossen hätte, der Klägerin in Zukunft Unterhalt zu gewähren (wie beispielsweise bei einem wegen unheilbarer Krankheit voraussichtlich auf Lebenszeit erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen). Auch wenn es auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehemanns der Klägerin eine Verpflichtung zunächst nicht gegeben habe, so sei doch bei objektiver Betrachtung eine diesbezügliche Unsicherheit vorhanden gewesen und außerdem sei für die Lebenszeit der geschiedenen Eheleute eine Änderung der Verhältnisse in Betracht zu ziehen gewesen. Die Klägerin sei ebenso wie ihr früherer Ehemann zum Zeitpunkt der Ehescheidung erst 41 Jahre alt gewesen. Die spätere Entwicklung, in der der geschiedene Ehemann der Klägerin tatsächlich Arbeitseinkommen in beachtlicher Höhe erzielt habe, sei nicht so unwahrscheinlich gewesen, dass im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts vernünftigerweise das Entstehen eines Unterhaltsanspruch für den nachfolgenden Zeitraum habe als ausgeschlossen betrachtet werden können. Vielmehr sei die weitere Entwicklung bei objektiver Betrachtung weder in die eine noch in die andere Richtung verlässlich prognostizierbar gewesen. Die Verhältnisse vor der Scheidung und vor dem Unterhaltsverzicht änderten daran nichts. Wenn der frühere Ehemann wegen Unterhaltspflichtverletzungen strafrechtlich verurteilt worden sei, bedeute dies im Umkehrschluss, dass zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls vorübergehend Unterhaltsverpflichtungen (und damit Leistungsfähigkeit) des früheren Ehemannes gegenüber den gemeinsamen Kindern vorhanden gewesen sein mussten. Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 6. 12. 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. 12. 2007 Berufung eingelegt. Das SG verlange widersprüchliches, wenn es darauf abhebe, dass die weitere Entwicklung bei objektiver Betrachtung verlässlich prognostizierbar sein müsse. Dieser Ansatz sei schon ein Widerspruch in sich selbst, weil einer Prognose begrifflich eine Unsicherheit inne wohne. Entscheidend könne deshalb nur sein, wie sich der Sachverhalt für die Klägerin im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts dargestellt habe. Ein Verzicht sei entsprechend der Rechtsprechung des BSG als leere Hülse anzusehen, wenn nach den bei Abschluss des Unterhaltsverzichts gegebenen objektiven Umständen vernünftiger weise in Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Frau habe gerechnet werden können. So habe das BSG (Urt. v. 8. 9. 1993 - 5 RJ 8/ 93) es ausreichen lassen, dass der Ehemann vor der Scheidung straffällig geworden sei und wegen Inhaftierung zum Zeitpunkt der Scheidung keinen Unterhalt habe leisten können. Verschärfend komme vorliegend hinzu, dass der verstorbene Versicherte sich in der Vergangenheit seinen Unterhaltsverpflichtungen entzogen habe und sich auch von strafrechtlichen Maßnahmen nicht habe beeindrucken lassen. Die Prognose der Klägerin sei also auch aus Sicht eines objektiven Dritten nachvollziehbar. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. November 2007 sowie den Bescheid vom 4. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenrente an den geschiedenen Ehegatten in gesetzlicher Höhe ab dem 1. Februar 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend. Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich einverstanden erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes zu gewähren; sie hat hierauf keinen Anspruch. Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 243 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist und weshalb ihr danach Witwenrente aus der Versicherung des geschiedenen Ehemannes nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und sieht von einer Wiederholung der zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen ab. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren noch auszuführen: Hätte die Klägerin nicht auf Unterhalt verzichtet, stünde ihr große Witwenrente gemäß § 243 Abs. 3 SGB VI zu. Entscheidend ist, ob der erklärte Unterhaltsverzicht beachtlich ist oder ob er unbeachtet bleiben kann. Letzteres wäre der Fall, wenn der am 8. 5. 1974 erklärte Unterhaltsverzicht rein deklaratorischer Natur ist, mithin eine leere Hülse ohne rechtliche Gestaltung zukünftiger Verhältnisse darstellt oder anders gesagt, der Unterhaltsverzicht sich nicht nur von Anfang an sondern auch im Blick auf den in unbekannter Zukunft liegenden Versicherungsfall des Todes des Versicherten als Verfügungsvertrag ohne rechtliche und wirtschaftliche Substanz und Auswirkung darstellt. Typischer Weise liegt ein "leeres" Verfügungsgeschäft bereits dann nicht vor, wenn der Unterhaltsverzicht Vertragsteil einer Scheidungsvereinbarung gewesen und nach den zur Zeit der Scheidung objektiv gegebenen Umständen eine "Gegenleistung" für ein prozessuales Entgegenkommen des Versicherten zur Erleichterung des gerichtlichen Ausspruches über die Schuldfrage darstellt (sog. Konventionalscheidung). Hier lässt der Verzicht den Anspruch unberührt, wenn das abgestimmte Parteiverhalten der Ehegatten nicht zu einer Änderung der Entscheidung über die Schuldfrage geführt hat. Umgekehrt ist ein leeres Verfügungsgeschäft gerade nicht gegeben, wenn die Vertragsparteien im Blick hatten, infolge des abgesprochenen prozessualen Verhaltens des Versicherten (hier des früheren Ehemannes der Klägerin) werde es zu einem Schuldausspruch zu seinen Lasten kommen, der den Rechtsgrund für eine - u.U. später sich ergebende - Unterhaltsverpflichtung schaffen würde, die aber gerade durch den Unterhaltsverzicht von vornherein und endgültig abbedungen werden soll (BSG Urt. v. 15.12.1988 - 4/11a RA 42/86). Der Unterhaltsverzicht war im Scheidungsverfahren der Klägerin und ihres früheren Ehemannes von entscheidender Bedeutung. Wie aus den Prozessunterlagen, insbesondere dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 8. 5. 1974 hervorgeht, war der Unterhaltsverzicht Teil einer Absprache, mit deren Hilfe die Anwälte der Klägerin und ihres früheren Ehemannes den Ablauf des Scheidungsverfahrens erheblich vereinfacht haben. Der Unterhaltsverzicht bildete die Basis für die auch in ihrem Fall durchgeführte sog. Konventionalscheidung; ohne den ausgesprochenen Unterhaltsverzicht hätte das LG über den Scheidungsantrag des früheren Ehemannes der Klägerin und deren Widerklage streitig entscheiden müssen. Zudem war es genau der Unterhaltsverzicht, der dem Schuldausspruch des Scheidungsurteils (der Kläger ist schuld an der Scheidung) die von § 58 EheG vorgesehene Wirkung, wonach der allein oder überwiegend schuldig geschiedene Ehegatte dem anderen Ehegatten Unterhalt zu gewähren hat, genommen hat. Bereits aus diesen Gründen kommt dem Unterhaltsverzicht substantielle Bedeutung zu. Aber auch sonst kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin im Unterhaltsverzicht vom 08.05.1974 auf etwas verzichtet hat, worauf sie ohnedies keine Anspruch gehabt hätte. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der am 8. 5. 1974 ausgesprochene Unterhaltsverzicht nicht bloß eine leere rechtliche Hülse ohne Substanz und Auswirkung war. Das BSG hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 15. 12. 1988 - 4/11a RA 42/86 - darauf hingewiesen, dass die Vertragsparteien, wenn sie einen Unterhaltsverzicht auch für "die Zukunft einschließlich des Notbedarfs" abschließen, dabei nicht nur die bei Vertragsschluss vorliegenden aktuellen Gegebenheiten vor Augen haben, sondern darüber hinaus auch die von Wechselfällen des Lebens abhängigen künftigen Veränderungen in ihrem Unterhaltsrechtsverhältnis. Für diese Wechselfälle schließen sie privatautonom eine rechtsgeschäftliche Regelung in der Form der "Vernichtung des Unterhaltsverhältnisses bereits dem Grunde nach". Ein typischer Fall, bei dem ein Unterhaltsverzicht als "leere Hülse" anzusehen ist, war vorliegend nicht gegeben. Eine Situation, in der die Klägerin über hohes Vermögen verfügt hätte, sodass auf alle Zeit damit zu rechnen gewesen wäre, dass sie wegen eigenen Einkommens oder Vermögens keinen Anspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann gehabt hätte, lag nicht vor. Auch das Beispiel der gesicherten Beamtin auf Lebenszeit, die auf Grund ihres Beamtenverhältnisses auf Unterhaltsansprüche gegen den früheren Ehemann nicht angewiesen ist, betrifft den vorliegenden Sachverhalt nicht. Die Beispielfälle des BSG, wo der Unterhaltspflichtige so schwer erkrankt ist, dass nicht mit einer nennenswerten Unterhaltsleistung für die Zukunft gerechnet werden kann, beschreiben ebenfalls völlig andere Sachverhalte. Auf der anderen Seite bestehen hier aber keinerlei Zweifel an einer grundsätzlich bestehenden Leistungsfähigkeit des gesunden und arbeitsfähigen früheren Ehemannes. Aber auch aus den übrigen aktenkundigen Gegebenheiten lässt sich nicht entnehmen, dass der Unterhaltsverzicht lediglich eine leere Hülse war. So wurde noch im Protokoll über die mündliche Verhandlung im Scheidungstermin am 8. 5. 1974 der frühere Ehemann der Klägerin vom Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Unterhaltsverzicht nur gegenüber der Klägerin von Bedeutung ist, dass aber Unterhaltsansprüche der Kinder noch weiter bestehen. Auch der Umstand, dass offensichtlich seitens des Sozialamts mehrfach gegen den früheren Ehemann des Klägers Strafanzeige wegen Unterhaltspflichtverletzung gestellt wurde, zeigt, dass sowohl das Sozialamt als auch das verurteilende Strafgericht davon ausgegangen sind, dass der frühere Ehemann der Klägerin ausreichend leistungsfähig war, um Unterhaltsleistungen für seine Kinder zu erbringen. Auch die eigene Widerspruchsbegründung der Klägerin legt dies nahe, wenn sie sagt, ihr früherer Ehemann habe gegenüber den Kindern nur sporadisch Unterhalt gezahlt. Es kann also insgesamt nicht angenommen werden, dass von vornherein objektiv davon auszugehen war, dass der geschiedene Ehemann der Klägerin auch zukünftig, insbesondere nach dem Wegfall der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern, stets Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht nachkommen werde. Auch der Umstand, dass sich der frühere Ehemann mehrmals im Strafvollzug befand, lässt für sich im vorliegenden Fall nicht den Rückschluss zu, dass der Versicherte zukünftig nicht mehr leistungsfähig sein werde und Unterhaltsansprüche der Klägerin auch zukünftig nicht erfolgreich geltend gemacht werden können. Hierfür gibt der Vortrag der Klägerin keine über die bloße Tatsache von Inhaftierungen hinausgehenden Hinweise. Soweit das BSG in dem Urteil vom 08.09.1993 - B 5 RJ 8/93 allein den Umstand einer zeitweiligen Inhaftierung des Versicherten bereits für ausreichend angesehen hat, um einen Unterhaltsverzicht als leere Hülse zu qualifizieren, hat es später (Urt. v. 30.9.1996 - 8 RKn 17/95) einschränkend klargestellt, dass es grundsätzlich nur darauf ankommt, ob vernünftigerweise mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen gerechnet werden konnte. Dies ist, wie oben ausgeführt, hier zu bejahen. Die Einwände und Erklärungen der Klägerin zum Verhalten ihres früheren Ehemannes während der gemeinsamen Ehezeit und die ihre daraus abgeleitete Prognose betreffen weniger dessen Leistungsfähigkeit als vielmehr seine Leistungswilligkeit, der indes grundsätzlich mit Hilfe von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nachgeholfen werden kann. Aus diesen Gründen kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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