S 104 AS 172/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
104
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 104 AS 172/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten streitig.

Der am ... 1952 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grund-sicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Der Kläger war zu Beginn des Leistungsbezugs in der L Allee in B wohnhaft (monatliche Bruttowarmmiete: 456,10 Euro).

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2005 (Eingang bei der Beklagten am 9. November 2005) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme von Kosten für einen Umzug in die R Straße ... in B im Bezirk F-K (monatliche Bruttowarmmiete: 444,00 Euro). Ihm sei durch den gemeinnützigen Träger "J i K e.V." (J.) im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) eine Stelle als Projektleiter des berufsfindenden und ausbildungsbegleitenden multi-ethnischen Jugendprojekts "P 05" für die Zeit ab 1. Januar 2006 angeboten worden. Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, einem Umzug könne nur zugestimmt werden, wenn dieser notwendig sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die neue Wohnung die Angemessenheitskriterien nicht überschreite. Die neue Wohnung sei nach den vorgegebenen Richtlinien nicht angemessen. Eine Notwendigkeit für einen Wohnungswechsel sei nicht erkennbar. In dem hiergegen am 5. Dezember 2005 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Wohnung habe mit dem Antrag nichts zu tun, da nicht die Übernahme der Wohnkosten zur Fortführung der Arbeitslosigkeit Antragsgegenstand sei. Daher würden Angemessenheitskriterien nicht zur Anwendung kommen. Die Notwendigkeit des Wohnungswechsels bestehe darin, dass er nur bei einem Wohnsitz in dem Bezirk F-K die angebotene Stelle bekomme. Der Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2005 zurückgewiesen. Die Beklagte führte hierbei aus, nach § 22 Abs. 3 SGB II könnten Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Der kommunale Träger sei nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich sei und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Beide Kriterien seien vorliegend nicht erfüllt. Gemäß den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (Rundschreiben der Senatsverwaltung I 14/2005) würden für einen Ein-Personen-Haushalt 360,00 Euro brutto Warmmiete als angemessene Kosten der Unterkunft ausgewiesen werden. Die Wohnung in der R Straße ... in B sei danach mit einer Gesamtmiete von 444,00 Euro für den allein stehenden Kläger nicht angemessen. Der Umzug sei auch nicht notwendig. Im vorliegenden Fall gehe es nicht um eine konkret in Aussicht stehende Arbeitsaufnahme in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern um eine noch nicht entschiedene Zuweisung des JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg in einer ABM. ABM seien durch Zuschüsse geförderte Beschäftigungen, die seit dem 1. Januar 2004 gerade nicht mehr der Versicherungspflicht unterliegen würden (§ 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III). Darüber hinaus sei die von dem Kläger begehrte ABM nach § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit §§ 260 ff. Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) als Ermessensentscheidung ausgestaltet. Ein Anspruch auf eine derartige Leistung bestehe also - selbst bei Vorliegen aller Voraussetzungen - nicht. Die Entscheidung über die Ablehnung der Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten ließe Ermessensfehler nicht erkennen.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Januar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Der Kläger trägt vor: Bei der Wertung des § 22 SGB II auf die konkret vorliegende und von den Mitarbeitern der Beklagten erfasste Situation finde keinerlei Berücksichtigung, dass sich aus dem Umzug im konkreten Fall ein längerfristiger Ausstieg aus der Arbeitslosigkeit ergebe. Der Umzug sei aber zwingende Voraussetzung für die Zuweisung einer in Aussicht gestellten ABM mit notwendigem Wohnsitz in F-K. Von ihm und dem Projektträger werde es als ausgesprochen unwahrscheinlich eingeschätzt, dass das JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg die ABM-Stelle nicht bestätige, da das Projekt ja im Sinne dieses vom Migrationsumfeld besonders geforderten JobCenters intensiv darauf hinarbeite, unerwartet viele chancenlose Migranten-Jugendliche langfristig aus der Arbeitslosigkeit zu holen. Die Gegenfinanzierung sei sogar bereits genehmigt, so dass das JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg bei seiner zu erwartenden Entscheidung schon jetzt auf der sicheren Seite sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die Zusicherung zur Übernahme von Umzugskosten in Höhe von 300,00 Euro für den Umzug in die R Straße in B zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Leistungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2005 ist rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten für den Umzug von der L Allee in die R Straße. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 und 3 SGB II liegen nicht vor.

Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II besteht nur dann ein Anspruch auf Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft, wozu auch die Umzugskosten zu rechnen sind, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Im vorliegenden Fall liegt jedenfalls die zweite Voraussetzung nicht vor. Nach Nr. 4 Abs. 2 des Rundschreibens der I. Nr. 14/2005 der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 17. Juni 2005 (AV-Wohnen) gilt als Richtwert für einen Ein-Personen-Haushalt eine Bruttowarmmiete von 360,00 Euro als angemessen. Nach Nr. 4 Abs. 5 f der AV-Wohnen können diese Richtwerte um bis zu 10 % überschritten werden, wenn u.a. Personen in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben. Selbst für den Fall, dass unterstellt würde, dass diese Voraussetzung bei dem Kläger vorliegt, wäre damit der Wohnraum in der R Straße ... immer noch unangemessen, denn der tatsächlichen Bruttowarmmiete in Höhe von monatlich 444,00 Euro würde eine nach der AV-Wohnen angemessene Miete in Höhe von 396,00 Euro gegenüberstehen. Nach Nr. 4 Abs. 10 der AV-Wohnen sind die genannten Richtwerte grundsätzlich auch bei der Neuanmietung von Wohnraum einzuhalten.

Nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II ergibt sich ebenfalls kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erteilung der begehrten Zusicherung. Hiernach soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Hier ist der Tatbestand bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Umzug weder durch die Beklagte veranlasst worden noch aus anderen Gründen notwendig gewesen ist. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Umzug zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten (zum Zeitpunkt der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei einer Verpflichtungsklage in Bezug auf Ermessens-Verwaltungsakte: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 54, Rdnr. 34) notwendig gewesen ist. Die Beklagte räumt nämlich insoweit zu Recht ein, dass die Existenz der ABM-Stelle bei dem J. zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids noch gar nicht feststand. Die Gewährung von Zuschüssen an den J. gemäß § 260 SGB III ist nämlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erfolgt. Dieser Umstand wird auch von dem Kläger selbst in der Klagebegründung eingeräumt. Des Weiteren hätte die ABM-Stelle ausgeschrieben und ein Bewerberauswahlverfahren durchgeführt werden müssen. Auch unter diesem Gesichtspunkt stand somit nicht fest, ob der Kläger überhaupt für die von ihm begehrte Arbeitsstelle in Betracht kam. Die Klage konnte daher in der Sache keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG; die Beteiligten streiten um Umzugskosten in Höhe von 300,00 Euro, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von 500,00 Euro deutlich unterschritten ist.
Rechtskraft
Aus
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