L 4 KR 2068/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4564/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2068/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Februar 2008 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Versorgung mit Gleitsichtgläsern für seine Brille.

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, am 1946 geborene Kläger beantragte am 25. April 2007 unter Vorlage einer Privatverordnung vom 23. April 2007 des Augenarztes Dr. A. die genannte Versorgung. Die Praxis des Dr. A. teilte der Beklagten telefonisch mit, der Visus betrage mit Brille korrigiert beidseits 0,8. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 26. April 2007 ab. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, seien Sehhilfen seit dem 01. Januar 2004 nur noch verordnungsfähig, wenn der Visus auf jedem Auge bei bestmöglicher Korrektur maximal 0,3 betrage. Der Kläger erhob Widerspruch. Er trug vor, er leide an einem "Grauen Star". Er sei Anfang 2007 operiert worden. Danach habe eine Verbesserung von mehr als 0,5 Dioptrien vorgelegen. Er benötige aber nach wie vor eine Brille. Die Beklagte holte das Gutachten des Dr. S., Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK), vom 23. Mai 2007 ein, das die Voraussetzungen der begehrten Versorgung verneinte, da bei optimaler Versorgung ein Sehvermögen bis zu 1,0 oder - wie hier - 0,8 vorliegen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2007 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger erhob am 18. Oktober 2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. November 2007 an das Sozialgericht Reutlingen (SG) verwies. Der Kläger legte unter anderem Kostenvoranschläge eines Optikers vom 19. Oktober 2005 (zwei verschiedene Paar Gleitsichtgläser zu zusammen EUR 150,00 bzw. EUR 346,00) und vom 23. April 2007 (je ein Paar mineralischer Zwei- bzw. Einstärkengläser zu zusammen EUR 82,78 bzw. EUR 15,74) vor. Er trug vor, er könne ohne Brille nur bis in eine Entfernung von 60 cm lesen. Er lebe von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II).

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG vernahm Dr. A. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Er teilte unter dem 02. Januar 2008 mit, der Kläger leide an Kurzsichtigkeit und Hornhautverkrümmung, der Visus habe vor der Katarakt-Operation beidseits 0,4 betragen. Durch die Operation sei die Kurzsichtigkeit deutlich reduziert worden. Aufgrund der Operation habe eine neue Brille verordnet werden müssen.

Mit Urteil vom 27. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahrs hätten Anspruch auf Versorgung mit einer Sehhilfe nur noch, wenn sie auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung der Stufe I der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbehinderung auf beiden Augen hätten oder wenn die Sehhilfe der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen diene. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimme in Richtlinien, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet würden. Der Anspruch umfasse nicht die Kosten des Brillengestells. Der Kläger leide nicht unter einer schweren Sehbeeinträchtigung. Diese sei gegeben, wenn der Visus bei bestmöglicher Korrektur auf dem besseren Auge maximal 0,3 betrage. Die Sehschwäche des Klägers sei durch die beidseitige Staroperation wesentlich gebessert worden. Der Visus mit Korrektur betrage jetzt beidseits 0,8 laut der telefonischen Auskunft des Dr. A. gegenüber der Beklagten. Anspruch auf eine therapeutische Sehhilfe bestehe nicht. Die Operation nach beidseitigem Grauen Star sei nicht als Indikation in den Richtlinien erfasst. Das SG fügte seinem Urteil eine Rechtsmittelbelehrung hinzu, nach der die Berufung gegeben sei.

Gegen das ihm am 08. April 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. April 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er trägt vor, seine 80-%ige Sehschärfe reiche nur bis 60 cm weit. Bei einer Entfernung darüber verschwömmen die Buchstaben. Ohne Sehhilfe könne er auch kein Fahrzeug fahren. Bei ihm sei kein Visus von 0,8 gemessen worden, Dr. A. habe in seiner Aussage vom 02. Januar 2008 beidseits 0,4 angegeben.

Unter dem 17. Juli 2008 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG nur bei Vorliegen von Zulassungsgründen statthaft sei, nachdem die neue Sehhilfe sicher nicht über EUR 750,00 koste. Der Kläger hat daraufhin am 14. August 2008 Nichtzulassungsbeschwerde (L 4 KR 4407/08 NZB) eingelegt. Mit Beschluss vom 27. Juli 2009 hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, weil Gründe für eine Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Der Kläger hält an seiner Berufung fest und beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2007 zu verurteilen, ihn mit Gleitsichtgläsern zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Der Berichterstatter des Senats hat die Beteiligten mit Verfügung vom 28. Juli 2009 auf die Unstatthaftigkeit der Berufung sowie auf die Möglichkeit der Verwerfung durch Beschluss nach § 158 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung, wenn sie nicht statthaft ist, als unzulässig zu verwerfen. Nach Satz 2 der Vorschrift kann dies durch Beschluss ergehen. Im Rahmen des insoweit eingeräumten Ermessens hat der Senat durch Beschluss entschieden, nachdem die Beteiligten auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die Berufung des Klägers ist unstatthaft.

Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung der Zulassung entweder durch das SG selbst oder auf Beschwerde hin durch das LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt.

Der Kläger ist aus dem Urteil des SG nicht um mehr als EUR 750,00 beschwert. Er begehrt die Versorgung mit einer Sachleistung, nämlich mit Gleitsichtgläsern für seine Brille. Nach den vorliegenden Kostenvoranschlägen liegen die Kosten dieser Gläser höchstens bei EUR 346,00 (Gleitsicht Marke Gl ET, EUR 166,00 und EUR 180,00). Damit wäre im Übrigen auch der bis 31. März 2008 geltende Beschwerdewert von EUR 500,00 nicht überschritten.

Die Berufung ist nicht zugelassen worden. Das SG hat in dem angegriffenen Urteil keine Zulassung ausgesprochen. Eine Zulassung muss jedoch ausdrücklich erfolgen. Das SG ist vielmehr irrtümlicherweise - davon ausgegangen, die Berufung sei zulassungsfrei und hat deshalb seinem Urteil eine Rechtsmittelbelehrung mit Hinweis auf die Berufung beigefügt. Dies allein genügt nicht als Zulassung der Berufung (Bundessozialgericht (BSG), ständige Rechtsprechung, vgl. SozR 3 1500 § 158 Nr. 3, Beschluss vom 02. Juni 2004, B 7 AL 10/04 B, veröffentlicht in juris). Auch der Senat hat die Berufung nicht zugelassen, er hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers in dem - rechtskräftigen - Beschluss vom 27. Juli 2009 zurückgewiesen.

Danach war eine Sachprüfung des geltend gemachten Anspruchs ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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