L 4 R 3832/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 5037/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3832/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin auch vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.

Die am 1947 in Kroatien geborene Klägerin hat ihren Angaben zufolge einen Beruf nicht erlernt. Bis zu ihrer Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland Anfang 1969 arbeitete sie in Kroatien und Slowenien in der Landwirtschaft sowie als angelernte Schneiderin. Seit 01. Januar 1969 war sie hier versicherungspflichtig beschäftigt; sie arbeitete bei verschiedenen Firmen, u.a. als Aushilfe in der Gastwirtschaft sowie in der Wurst- und Fleischwarenbranche. Seit 22. April 1990 arbeitete sie dann als Lageristin bei der Firma K. bis zum 31. Mai 2003. Danach bezog sie vom 08. Juli 2003 bis 27. Juli 2004 Übergangsgeld (während einer stationären Heilbehandlung in der R.-klinik - Klinik für physikalische und rehabilitative Medizin - in B. R., Entlassungsbericht des Chefarztes Dr. J. vom 04. August 2003) und anschließend Leistungen von der Arbeitsverwaltung, und zwar bis zum 30. April 2007.

Am 12. März 2003 hatte sie erstmals bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, der mit Bescheid vom 10. Juli 2003 und Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2003 abgelehnt wurde. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG, S 5 RJ 5928/03) befragte das SG die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen (Augenarzt Dr. A. vom 05. Januar 2004, HNO-Ärztin Dr. S. vom 12. Januar 2004, Arzt für Orthopädie Dr. P. vom 15. Januar 2004, Praktischer Arzt Dr. W. vom 26. Januar 2004, Ärztin für Neurologie und Psychiatrie He. vom 26. Januar 2004) und erhob nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Ab. vom 07. Juni 2004, der zu dem Ergebnis gelangt war, dass der Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen mehr als sechs Stunden täglich zumutbar seien. Daraufhin wies das SG die Klage mit Urteil vom 29. September 2004 ab. Dieses Urteil war rechtskräftig geworden.

Nachdem die Klägerin vom 13. bis 15. Dezember 2004 stationär im Zentrum für Innere Medizin I des M.-hospitals in S. wegen einer koronaren Herzkrankheit (erfolgreiche PTCA und Stent RCT) behandelt worden war (vgl. Arztbrief des Ärztlichen Direktors Dr. Si. vom 22. Dezember 2004), beantragte sie am 20. Januar 2005 erneut Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten Dr. Sil. vom 14. März 2005, der folgende Diagnosen stellte: Koronare Ein-Gefäß-Erkrankung mit erfolgreicher PTCA und Stentimplantation der RCX im Dezember 2004 mit normaler linksventrikulärer Funktion, therapiebedürftiger Bluthochdruck, chronisches Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit Funktionseinschränkung des Achsenorgans ohne belangvolle Symptomatik. Er hielt die Klägerin für leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig. Ferner erstattete Nervenarzt Dr. Sc. das Gutachten vom 11. April 2005, in dem er einen subdepressiven Verstimmungszustand sowie Somatisierungen mit zahlreichen teilweise funktionell akzentuierten Beschwerden für sein Fachgebiet erhob. Er hielt die Klägerin ebenfalls noch für leichte Tätigkeiten vollschichtig einsatzfähig. Mit Bescheid vom 09. Mai 2009 lehnte daraufhin die Beklagte den Rentenantrag ab. Im dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, wegen ihrer Krankheiten sei sie nicht in der Lage, einer Beschäftigung mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Sie habe starke Schmerzen in beiden Beinen und im Rücken. Sie könne nicht mehr lange stehen. Wegen Gelenk- und Rückenbeschwerden sowie Bluthockdrucks müsse sie ständig Tabletten einnehmen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsstelle vom 20. Juli 2005 zurückgewiesen. Die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Deswegen erhob die Klägerin am 09. August 2005 mit Fernkopie Klage beim SG.

Im Verlaufe des Klageverfahrens bewilligte die Beklagte der Klägerin zunächst ab 01. Mai 2007 bei Anerkennung eines Grads der Behinderung (GdB) von 50 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Rentenbescheid vom 22. Februar 2007).

Die Klägerin benannte im Klageverfahren die sie behandelnden Ärzte und machte geltend, ihr stehe Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bereits seit 01. Januar 2005 zu. Der Schwerpunkt ihrer Erkrankung liege auf psychosomatisch-psychiatrischem Gebiet, wobei auch innerfamiliäre Fehlentwicklungen ihr schwer zu schaffen machten. Sie habe sich in fachärztlicher Behandlung bei der Psychiaterin Dr. Kü. und der Psychiaterin He. befunden. Auch die sonst sie behandelnden Ärzte nähmen ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen an. Insofern bestätige auch das auf ihren Antrag nach § 109 SGG eingeholte Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Lan., der sie an zwei Tagen untersucht habe, dass es bei ihr zu einer suksessive eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustands schon vor der Rentenantragstellung im Januar 2005 gekommen sei.

Die Beklagte trat der Klage zunächst mit der Vorlage von beratungsärztlichen Stellungnahmen (Nervenärztin Dr. Ke. vom 12. Januar 2006, des Internisten - Betriebsmedizin, Sozialmedizin, Notfallmedizin Dr. R.-W. vom 24. April 2006 und des Chirurgen, Internisten und Nephrologen - Notfallmedizin Dr. Sch. vom 13. Juli 2006) entgegen.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen (Facharzt für Kardiologie und Innere Krankheiten Ha. vom 08. Februar 2006, Dr. W. vom 20. Februar 2006, Dr. P. vom 07. März 2006 und Ärztin He., Eingang am 10. März 2006). Ferner erhob das SG von Amts wegen das Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. We. vom 08. Juni 2006. Dieser stellte auf orthopädischem Fachgebiet folgende Funktionsbehinderungen fest: Mäßige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne Nervenwurzelreizungen, leichte Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne Nervenwurzelreizung, mäßige Funktionseinschränkung der Schultergelenke, insbesondere bei Über-Kopf-Arbeiten und mäßige Varicosis beider Beine mit leichten Ödemen. Die Klägerin sei aufgrund der orthopädischen Befinde noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig auszuüben; zu vermeiden seien häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten über fünf bis zehn kg, häufiges Arbeiten in kniender oder hockender Position, häufige Überkopfarbeiten sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Schließlich erhob das SG nach § 109 SGG auf Antrag der Klägerin das Sachverständigengutachten des Dr. Lan. vom 14. Mai 2007 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 14. Februar 2008 und dem Schreiben vom 30. April 2008. Der Sachverständige hatte die Klägerin am 06. und 23. Februar 2007 untersucht. Er stellte folgende Diagnosen: Chronische Depression im Sinne einer Dysthymie, Fibromyalgiesyndrom, lumbales Wurzelkompressionssyndrom L5/S1 beidseits, Migräne mit einer rezidivierend auftretenden Halbseitensymptomatik, arterielles Hochdruckleiden, koronare Herzerkrankung. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin seien global gesehen so ausgeprägt, dass auch eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr geleistet werden könne. Dabei spiele eine besonders wichtige Rolle die typische depressive Ausbremsung in Form schwerer Antriebsstörungen, einer allgemeinen motorischen Verlangsamung und erheblicher neurophysiologischer Defizite in Form von Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen sowie einer erschwerten Auffassungs- und Umstellungsfähigkeit. Die Arbeitstätigkeit sei an guten Tagen auf eineinhalb bis zwei Stunden begrenzt. Verantwortlich hierfür seien die Depression und die Fibromyalgie. In den Jahren 2003 und 2004 seien die psychopathologischen Befunde noch fluktuierend gewesen. Es habe Wochen mit einer Tendenz zur Besserung gegeben; dann habe die Klägerin jedoch wieder dekompensiert. Diese Fluktuationen hätten aufgehört. Die Klägerin sei jetzt anhaltend depressiv, was er (der Sachverständige) als eine Verschlechterung des Zustands ansehe. Im Hinblick auf die vorgelegten Stellungnahmen zu dem Sachverständigengutachten der Dr. Ke. vom 27. Juni 2007 und 14. März 2008 erklärte sich die Beklagte dann mit Schriftsatz vom 29. Mai 2008 bereit, anzuerkennen, dass die Klägerin ab 06. Februar 2007 (Untersuchung durch Dr. Lan.) voll erwerbsgemindert sei, weshalb der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. März bis 30. April 2007 zustehe. Dieses Angebot nahm die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2008 als Teilanerkenntnis an.

Mit Urteil vom 10. Juli 2008 wies das SG die Klage, mit der die Klägerin noch Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung auch vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2007 beantragt hatte, ab. Bis zum 28. Februar 2007 habe der Klägerin ein Rentenanspruch nicht zugestanden, da sie noch mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig gewesen sei. Insoweit stützte das SG seine Überzeugung auf die Gutachten des Dr. Silberberg und des Dr. Sc. sowie auf das gerichtliche Sachverständigengutachten des Dr. We ... Dem Sachverständigengutachten des Dr. Lan. vermöge die Kammer nicht zu folgen, soweit Dr. Lan. eine Erwerbsminderung bereits seit Antragstellung annehme, weil er die Diskrepanzen zu den von ihm erhobenen Befunden und den Vorberichten durch eine Beschwerdezunahme erkläre. Die behandelnde Nervenärztin He. habe in ihrer Auskunft vom 16. März 2006 die Klägerin noch für vollschichtig leistungsfähig angesehen. Insofern könne die Annahme einer Leistungsminderung lediglich mit dem Vorliegen einer Verschlechterung begründet werden, weshalb die Festsetzung des Leistungsfalls auf den 06. Februar 2007 nicht zu beanstanden sei. Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 07. August 2008 zugestellt.

Am 11. August 2008 hat die Klägerin gegen das Urteil des SG schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Ihr stehe Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits seit Januar 2005 zu. Zwar habe Dr. Lan. keine Hinweise auf biographische Besonderheiten gegeben. Sie (die Klägerin) selbst habe jedoch bereits in der Klagebegründung dargelegt, dass sie sich wegen gravierender Probleme bei einem ihrer Söhne große Sorgen gemacht habe. Im Übrigen sei der Grund für die erneute Rentenantragstellung ein im Dezember 2004 aufgetretener Herzschaden mit anschließender Stentimplantation gewesen. Hierdurch bedingt habe die Sorge um den Lebenswandel des Sohnes einerseits und ihre eigene Zukunft andererseits im Zentrum ihrer Gedanken und Nöte gestanden. Es hätten also objektiv gegebene Gründe für psychiatrisch relevante Erkrankungen und hieraus resultierende Beschwerden vorgelegen. Die von Dr. Lan. genannte und bereits seit Mitte der Neunziger Jahre bestehende depressive Entwicklung sei auch durch die behandelnde Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen Dr. Kü. in ihrem Arztbrief vom 27. Juli 2004 bestätigt worden. Auch der von der Beklagten hinzugezogene Nervenarzt Dr. Sc. habe bei ihr bestehende Verstimmungszustände erkannt. Der anhaltende depressive Zustand seit Mitte der Neunziger Jahre sei auch durch die Feststellungen im Entlassungsbericht der Rosentrittklinik vom 04. August 2003 bestätigt worden. Die Einschätzung der Nervenärztin He. vom 26. Januar 2004 habe sich ausschließlich auf die neurologische Beurteilung, nicht jedoch auf den psychiatrischen Bereich bezogen. Die sehr einfühlsame, jedoch auch überzeugende gutachterliche Würdigung durch den Sachverständigen Dr. Lan. sei zutreffend. Die chronische Depression im Zusammenspiel mit den schwerwiegenden Schmerzen aufgrund des lumbalen Wurzelkompressionssyndroms und der bestehenden Beschwerden aufgrund des Fibromyalgiesyndroms ließen die Einschätzung einer deutlich unter sechsstündigen Belastbarkeit bei ihr als absolut richtig und nachvollziehbar erscheinen. Die insbesondere in zeitlicher Hinsicht bestehende erhebliche Reduzierung der Leistungsfähigkeit werde aufgrund der geschilderten schweren Antriebsstörungen, der allgemeinen motorischen Verlangsamung und erheblicher neurophysiologischer Defizite in Form von Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, aber auch einer erschwerten Auffassung- und Umstellungsfähigkeit von Dr. Lan. plausibel begründet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 09. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20 Juli 2005 zu verurteilen, ihr auch vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat den Versicherungsverlauf der Klägerin vom 15. September 2008 vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der weiteren Akte des SG S 5 RJ 5928/03 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft, denn streitig ist ein Rentenanspruch vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2007, also für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2005 ist, soweit die Rente im Hinblick auf das angenommene Teilanerkenntnis noch im streitbefangenen Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2007 abgelehnt worden ist, nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht für die genannte Zeit Rente wegen voller Erwerbsminderung, die sie mit dem in der Berufungsschrift vom 08. August 2008 gestellten Antrag im Berufungsverfahren nur noch begehrt, nicht zu, weder ab 01. Januar 2005 noch ab einem späteren, vor dem 01. März 2007 liegenden Zeitpunkt.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Kriterien war die Klägerin in dem streitigen Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2007 nicht voll erwerbsgemindert. Sie war vielmehr in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts, auf den sie verweisbar war, für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Die Klägerin litt in der streitbefangenen Zeit unter Gesundheitsstörungen auf verschiedenen Fachgebieten, nämlich auf internistischem, orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, wie der Senat den urkundenbeweislich verwertbaren Gutachten des Dr. Silb. (Internist) und Dr. Sc. (Nervenarzt) sowie dem sachverständigen Gutachten des Dr. We. (Orthopäde) und den Auskünften der behandelnden Ärzte entnimmt. Diese Erkrankungen bedingten in der streitigen Zeit jedoch keine auf unter sechs Stunden abgesunkene zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts, wie auch das SG zutreffend entschieden hat. Die Klägerin hat im Klageverfahren als Schwerpunkt ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf solche auf psychosomatisch-psychiatrischem Fachgebiet angegeben. Sie beruft sich auf das Sachverständigengutachten des Dr. Lan ... Dieser Arzt, der die Klägerin im Februar 2007 erstmals gutachterlich untersucht hat, hat bei ihr auf seinem Fachgebiet eine chronische Depression im Sinne einer Dysthymie festgestellt. Ferner hat er insoweit die Diagnose einer Fibromyalgie genannt, bezüglich der nach den Akten zuvor lediglich von einer Verdachtsdiagnose die Rede war. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. Lan. in seinem Gutachten, dass die Klägerin global gesehen bereits seit 1993 nur noch in der Lage gewesen sei, an guten Tagen eineinhalb bis zwei Stunden täglich wegen der Depression und der Fibromyalgie erwerbstätig sein zu können, überzeugt den Senat nicht. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass schon im Dezember 2004 bzw. danach vor Februar 2007 eine zeitliche Leistungseinschränkung bei der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter sechs Stunden vorgelegen hat. Der Senat berücksichtigt insoweit, dass der Sachverständige Dr. Lan. in der ergänzenden Stellungnahme vom 14. Februar 2008 beispielsweise die psychopathologischen Befunde bei der Klägerin in den Jahren 2003 und 2004 als fluktuierend bezeichnet hat; es habe Wochen mit einer Tendenz zur Besserung und dann wieder Zeiten der Dekompensation gegeben. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass dieses Fluktuieren aufgehört habe, so dass die Klägerin im Sinne einer Verschlechterung "jetzt anhaltend depressiv" sei. Insoweit bezieht der Senat die vom Sachverständigen abgegebene Leistungseinschätzung im Sinne einer Verschlechterung des Leistungsvermögens erst auf die bei der Untersuchung im Februar 2007 erhobenen Befunde. Zwar war im Entlassungsbericht des Dr. J. vom 04. August 2003 eine deutliche depressive Grundstimmung mit Somatisierung genannt und eine psychiatrische Mitbehandlung empfohlen worden. Auch die behandelnde Fachärztin Dr. Kü., die die Klägerin neurologisch-psychiatrisch am 05. Mai, 25. Mai und 26. Juni 2004 behandelt hatte, hatte in ihrem Arztbrief vom 27. Juli 2004 eine längerdauernde depressive Entwicklung mit Anteilen einer Somatisierungsstörung (chronische Spannungskopfschmerzen) genannt, weshalb ihr eine Wiedereingliederung der Klägerin ins Arbeitsleben schlecht möglich erschien. Dass jedoch bis September 2004 Erwerbsminderung bei der Klägerin nicht eingetreten war, steht aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils des SG vom 29. September 2004 fest. Ferner berücksichtigt der Senat auch, dass intensive, engmaschige fachärztliche Behandlungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, die insoweit ein schweres Krankheitsbild belegen würden, bis Februar 2007 nicht nachgewiesen sind. Solche ergeben sich auch nicht aus den Auskünften der die Klägerin ebenfalls behandelnden Ärztin für Neurologie und Psychiatrie He., die insbesondere in der beim SG am 10. März 2006 eingegangenen Auskunft angegeben hat, dass der Klägerin leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden am Tag aufgrund des jetzigen psychiatrischen und neurologischen Befunds möglich seien. Soweit die behandelnden Ärzte (Dr. W., praktischer Arzt, bzw. Dr. P., Orthopäde) vor allem auf orthopädischem Fachgebiet bereits für die Zeit vor Februar 2007 die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf sechs bis unter sechs Stunden bzw. auf drei bis sechs Stunden begrenzen wollen, ist diese Einschätzung durch das orthopädische Sachverständigengutachten des Dr. We. vom 08. Juni 2006 nicht bestätigt worden. Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens für die Zeit vor Februar 2007 war danach nicht geboten.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass bei der Berechnung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Rentenbescheid vom 22. Februar 2007) für den im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2007 die von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Leistungen als Pflichtbeitragszeit berücksichtigt sind. Bei Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung für diesen Zeitraum könnten diese bei der Berechnung der Altersrente nicht mehr berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei es im Hinblick auf das Teilanerkenntnis der Beklagten, das diese im SG-Verfahren abgegeben hatte, nicht geboten erscheint, eine Quotelung der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens vorzunehmen.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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