Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
104
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 104 AS 171/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) und eine entsprechende Rückforderung in Höhe von 691,56 Euro.
Der am ... 1962 geborene Kläger bezog von der Beklagten durch Bescheid vom 23. Dezember 2004 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19. April 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 Alg II. Für die Monate Februar bis März 2005 betrug das Alg II 942,00 Euro, wobei ausweislich der Anlage zu dem Bescheid vom 19. April 2005 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,00 Euro (Bruttowarmmiete für die Wohnung des Klägers in der W straße abzüglich einer Warmwasserpauschale von 9,00 Euro) zugrunde gelegt wurden. Durch weiteren Bescheid vom 19. April 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger Alg II für den Monat April 2005 in Höhe von 928,00 Euro und für die Monate Mai bis September 2005 in Höhe von 872,00 Euro. Ausweislich der diesen Bescheid beigefügten Anlage wurde bei der Berechnung des Alg II wiederum ein Betrag von 336,00 Euro für die Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Bereits am 1. Februar 2005 zog der Kläger in seine neue Wohnung in der E straße in B. Die von dem Kläger dort zu entrichtende Bruttowarmmiete betrug 163,11 Euro.
Nach einer Anhörung des Klägers (Schreiben der Beklagten vom 25. April 2005) nahm die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2005 die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2005 teilweise in Höhe von monatlich 172,89 Euro mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und forderte von dem Kläger die Erstattung von 691,56 Euro. Unter Bezugnahme auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) führte die Beklagte zur Begründung aus, der Kläger habe gewusst bzw. hätte wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch ganz oder teilweise weggefallen sei. Wenn er dies nicht gewusst habe, weil er das ihm ausgehändigte Merkblatt Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II - Sozialgeld) nicht gelesen bzw. beachtet habe, so sei dies als grob fahrlässig anzusehen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. November 2005 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Januar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er trägt vor: Nach seinem Umzug habe er sich am 10. Februar 2004 beim Einwohnermeldeamt umgemeldet und sei anschließend mit dem geänderten Personalausweis sowohl zur Arbeitsagentur Berlin Nord, Filiale Charlottenburg in der Storkower Straße als auch in die Reha-Abteilung in der Königin-Elisabeth-Straße gegangen. Bei beiden Stellen habe er seine neue Anschrift angegeben und diese sei dann von den jeweiligen Mitarbeiterinnen auch im PC aufgenommen worden. Mit Bescheid vom 19. April 2005 habe die Beklagte dem Kläger Leistungen ab April 2005 bewilligt, hierbei seien jedoch entgegen den Angaben des Klägers im Antragsformular die alten Wohnkosten zugrunde gelegt worden, was jedoch in keiner Weise in seinem Verantwortungsbereich liege. Er habe davon ausgehen können, dass bei dem Leistungsbescheid vom 19. April 2005 die von ihm am 15. April 2005 persönlich eingereichten Änderungen bezüglich der Mietzinshöhe mit berücksichtigt worden seien. Hier sei nicht nachvollziehbar, warum in diesem Bescheid noch von der vorherigen Mietzinshöhe ausgegangen worden sei. Auch sei es nicht als grob fahrlässig zu bewerten, wenn ihm in dem Bescheid vom 19. April 2005 nicht aufgefallen sei, dass ihm zu hohe Wohnkosten bewilligt worden seien. In der Regel sei ein Laie, der sich ganz intensiv mit der Gestaltung der Alg II-Bescheide beschäftige, überfordert, die Bedeutung der einzelnen Beträge zu überblicken und z.B. zu unterscheiden, welche von den zahlreichen Beträgen sich konkret auf seine eigene Situation beziehen und welche lediglich Pauschalen darstellen würden und woran schließlich maßgebende Änderungen erkennbar seien. Er habe daher bei den insgesamt bezogenen Sozialleistungen darauf vertraut, dass ihm diese zustehen würden und nicht damit gerechnet, erstattungspflichtig zu sein. Da die Beklagte hier aufgrund der Kenntnis einer mit Nachteilen für ihn verbundenen Änderung eine Schadensbegrenzungspflicht habe, erfordere die Aufhebung des Leistungsbescheids weiterhin Ermessen. Ein solches sei hier nicht ausgeübt worden, so dass der Bescheid auch aus diesem Grunde aufzuheben sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, die Ausführungen des Klägers seien nicht geeignet, das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X in Zweifel zu ziehen. Die Ausführungen, wonach dieser nicht gewusst habe, welche Auswirkungen die tatsächlichen Wohnkosten auf den Umfang der ihm zustehenden Leistungen haben würden, stellten sich als reine Schutzbehauptung dar. Der Kläger habe bei der Erstantragstellung die Kosten seiner Unterkunft und Heizung anzugeben und nachzuweisen gehabt. In sämtlichen den Bewilligungsbescheiden beigefügten Berechnungsbögen seien die Kosten der Unterkunft und Heizung explizit ausgewiesen gewesen. Eben dies sei bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (Alhi) gerade nicht der Fall gewesen. Dem Kläger habe sich demnach aufdrängen müssen, dass die veränderten Kosten der Unterkunft und Heizung Einfluss auf dessen Leistungsanspruch hätten haben müssen.
Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte war gemäß § 45 Abs. 1 SGB X berechtigt, die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2005 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit dem Kläger objektiv rechtswidrig ein um monatlich 172,89 Euro höheres Alg II bewilligt worden war. Der für diesen Zeitraum überzahlte Betrag in Höhe von 691,56 Euro ist von dem Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er u.a. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, Satz 3 Nr. 3 SGB X). Im letztgenannten Fall wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) ist der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers entbindet diese Vorschrift die Beklagte bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X von der Verpflichtung, bei der Rücknahme ihr Ermessen auszuüben. Eine Ermessensausübung ist danach nur erforderlich, wenn ein Verwaltungsakt unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB X für die Zukunft zurückgenommen wird.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alg II-Bewilligung mit Wirkung vom 1. Februar 2005 sind vorliegend erfüllt. Denn es ist davon auszugehen, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit der Alg II-Bewilligung in dem in Rede stehenden Umfang zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb dasjenige nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen des Begünstigten sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen.
Dem Kläger ist zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von der teilweisen Rechtswidrigkeit der Alg II-Bewilligung anzulasten, soweit diese auf der Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung für die ehemalige Wohnung des Klägers in der W straße und nicht der ab 1. Februar 2005 nach § 22 Abs. 1 Satz 1 tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung des Klägers in der E straße beruhte. Die Kammer hat insoweit ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass es für den Kläger ohne Mühe erkennbar war, dass die Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Miete u.a. für die Höhe des zu gewährenden Alg II maßgeblich war. Dieses ergibt sich nicht nur aus dem Antragsformular, in dessen Zusatzblatt 1 speziell nach den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gefragt wird sowie dem in dem Antragsformular enthaltenen Hinweis, dass Änderungen u.a. in den Vermögensverhältnissen unverzüglich mitzuteilen sind, sondern vor allem aus den jeweiligen Anlagen zu den Bewilligungsbescheiden selbst. Hier findet sich unter der Überschrift "Höhe der monatlich zustehenden Leistungen" die Rubrik "Kosten für Unterkunft und Heizung". Der Anlage kann unschwer entnommen werden, dass der insoweit eingesetzte Betrag Teil der für die Ermittlung des Gesamtbedarfs (und damit für den letztlich auszuzahlenden Gesamtbetrag) maßgeblichen Summe aus Regelleistung, Mehrbedarf und eben den Kosten für Unterkunft und Heizung ist. Damit vermag der Hinweis auf die andere Berechnungsweise der von dem Kläger vor dem 1. Januar 2005 bezogenen Alhi sowie darauf, dass nicht erkennbar sei, ob es sich bei dem Posten "Kosten für Unterkunft und Heizung" möglicherweise um einen Pauschalbetrag handele, nicht zu überzeugen. Dies muss umso mehr gelten, als der Kläger im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren ausdrücklich betont hat, seine Pflicht zu unverzüglichen Mitteilung einer Änderung der Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung gekannt und ihr auch uneingeschränkt entsprochen zu haben. Dem akademisch vorgebildeten Kläger hätten sich damit die Grundsätze für die Berechnung des Alg II und die Bedeutung der Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Kosten für Unterkunft und Heizung für diese Berechnung ohne weiteres erschließen müssen. Soweit der Kläger aber in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass er sich die Bescheide gar nicht durchgesehen habe, weil er davon ausgegangen sei, dass es schon stimmen werde, wird der Umstand der grob fahrlässigen Verkennung der Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 19. April 2005 noch unterstrichen. Demgegenüber vermochte der Einwand des Klägers, er habe sich aufgrund einer depressiven Erkrankung nicht mit den Bescheiden vom 19. April 2005 auseinandersetzen können, nicht zu überzeugen. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er in der Vergangenheit wegen einer leichten depressiven Reaktion durch seinen Hausarzt behandelt worden sei. Dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 19. April 2005 aber eine schwerwiegende psychische Erkrankung vorgelegen hat, die eine Einschränkung des Konzentrations- und Einsichtsvermögens des Klägers plausibel hätte machen können, ist jedoch nicht erkennbar, zumal auch eine fachärztliche Behandlung in neurologisch-psychiatrischer Hinsicht nicht in Anspruch genommen wurde. Infolgedessen hat der Kläger aber seine Sorgfaltspflicht in besonders hohem Maße verletzt, wenn er außer Acht gelassen hat, dass die Verringerung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in den Monaten Februar bis Mai 2005 gegenüber dem Monat Januar 2005 auch zu einer Verringerung des Alg II-Anspruchs führen musste. Soweit demgegenüber in den Anlagen der Bescheide vom 19. April 2005 die Kosten für Unterkunft und Heizung für die Monate Februar bis Mai 2005 in identischer Höhe wie für den Monat Januar 2005 ausgewiesen wurden, hätte es sich dem Kläger in Bezug auf die offensichtliche Unrichtigkeit der ausgewiesenen Kosten für Unterkunft und Heizung aufdrängen müssen, dass die Beklagte irrtümlich bei der Berechnung des Alg II-Anspruchs für die Monate Februar bis Mai 2005 noch von den im Monat Januar 2005 tatsächlich entrichteten Kosten für Unterkunft und Heizung ausgegangen ist.
Auch für den Fall, dass die Beklagte entsprechend dem Vorbringen des Klägers den zur Überzahlung führenden Fehler zu vertreten hätte, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn ist die Beklagte - wie hier nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II - verpflichtet, rechtswidrige Bewilligungen zurückzunehmen, darf sie auch dann nicht davon absehen, wenn der Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes allein auf Fehler der Verwaltung zurückzuführen ist, die der Begünstigte - wie hier der Kläger - ohne weiteres hätte erkennen müssen (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 253/99 B -). Die Rücknahmefristen des § 45 Abs. 3 und 4 SGB X sind gewahrt.
Dass die Beklagte die streitbefangenen Bescheide auf § 48 SGB X gestützt hat, ist nicht klagebegründend. Denn das so genannte "Nachschieben von Gründen" (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt bzw. erschwert wird. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlage grundsätzlich zulässig. Auch vorliegend ist das Auswechseln der Rechtsgrundlage unbedenklich, weil dieselbe Rechtsfolge eintritt. Das Interesse des Klägers daran, dass ein belastender Verwaltungsakt nicht nachträglich auf eine andere ihn tragende Rechtsgrundlage gestützt wird, ist rechtlich nicht per se geschützt. Dies gilt im Hinblick auf § 330 Abs. 2 SGB III auch bei der Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7 a AL 18/05 R).
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden auch die aufgelaufene Überzahlung in Höhe von 691,56 Euro (Differenz zwischen den veranschlagten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,00 Euro und den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 163,11 Euro in Höhe von 172,89 Euro; dieser Betrag multipliziert mit 4 Monaten = 691,56 Euro), zu deren Erstattung der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet ist, gemäß § 50 Abs. 3 SGB X beanstandungsfrei geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) und eine entsprechende Rückforderung in Höhe von 691,56 Euro.
Der am ... 1962 geborene Kläger bezog von der Beklagten durch Bescheid vom 23. Dezember 2004 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19. April 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 Alg II. Für die Monate Februar bis März 2005 betrug das Alg II 942,00 Euro, wobei ausweislich der Anlage zu dem Bescheid vom 19. April 2005 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,00 Euro (Bruttowarmmiete für die Wohnung des Klägers in der W straße abzüglich einer Warmwasserpauschale von 9,00 Euro) zugrunde gelegt wurden. Durch weiteren Bescheid vom 19. April 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger Alg II für den Monat April 2005 in Höhe von 928,00 Euro und für die Monate Mai bis September 2005 in Höhe von 872,00 Euro. Ausweislich der diesen Bescheid beigefügten Anlage wurde bei der Berechnung des Alg II wiederum ein Betrag von 336,00 Euro für die Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Bereits am 1. Februar 2005 zog der Kläger in seine neue Wohnung in der E straße in B. Die von dem Kläger dort zu entrichtende Bruttowarmmiete betrug 163,11 Euro.
Nach einer Anhörung des Klägers (Schreiben der Beklagten vom 25. April 2005) nahm die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2005 die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2005 teilweise in Höhe von monatlich 172,89 Euro mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und forderte von dem Kläger die Erstattung von 691,56 Euro. Unter Bezugnahme auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) führte die Beklagte zur Begründung aus, der Kläger habe gewusst bzw. hätte wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch ganz oder teilweise weggefallen sei. Wenn er dies nicht gewusst habe, weil er das ihm ausgehändigte Merkblatt Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II - Sozialgeld) nicht gelesen bzw. beachtet habe, so sei dies als grob fahrlässig anzusehen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. November 2005 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Januar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er trägt vor: Nach seinem Umzug habe er sich am 10. Februar 2004 beim Einwohnermeldeamt umgemeldet und sei anschließend mit dem geänderten Personalausweis sowohl zur Arbeitsagentur Berlin Nord, Filiale Charlottenburg in der Storkower Straße als auch in die Reha-Abteilung in der Königin-Elisabeth-Straße gegangen. Bei beiden Stellen habe er seine neue Anschrift angegeben und diese sei dann von den jeweiligen Mitarbeiterinnen auch im PC aufgenommen worden. Mit Bescheid vom 19. April 2005 habe die Beklagte dem Kläger Leistungen ab April 2005 bewilligt, hierbei seien jedoch entgegen den Angaben des Klägers im Antragsformular die alten Wohnkosten zugrunde gelegt worden, was jedoch in keiner Weise in seinem Verantwortungsbereich liege. Er habe davon ausgehen können, dass bei dem Leistungsbescheid vom 19. April 2005 die von ihm am 15. April 2005 persönlich eingereichten Änderungen bezüglich der Mietzinshöhe mit berücksichtigt worden seien. Hier sei nicht nachvollziehbar, warum in diesem Bescheid noch von der vorherigen Mietzinshöhe ausgegangen worden sei. Auch sei es nicht als grob fahrlässig zu bewerten, wenn ihm in dem Bescheid vom 19. April 2005 nicht aufgefallen sei, dass ihm zu hohe Wohnkosten bewilligt worden seien. In der Regel sei ein Laie, der sich ganz intensiv mit der Gestaltung der Alg II-Bescheide beschäftige, überfordert, die Bedeutung der einzelnen Beträge zu überblicken und z.B. zu unterscheiden, welche von den zahlreichen Beträgen sich konkret auf seine eigene Situation beziehen und welche lediglich Pauschalen darstellen würden und woran schließlich maßgebende Änderungen erkennbar seien. Er habe daher bei den insgesamt bezogenen Sozialleistungen darauf vertraut, dass ihm diese zustehen würden und nicht damit gerechnet, erstattungspflichtig zu sein. Da die Beklagte hier aufgrund der Kenntnis einer mit Nachteilen für ihn verbundenen Änderung eine Schadensbegrenzungspflicht habe, erfordere die Aufhebung des Leistungsbescheids weiterhin Ermessen. Ein solches sei hier nicht ausgeübt worden, so dass der Bescheid auch aus diesem Grunde aufzuheben sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, die Ausführungen des Klägers seien nicht geeignet, das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X in Zweifel zu ziehen. Die Ausführungen, wonach dieser nicht gewusst habe, welche Auswirkungen die tatsächlichen Wohnkosten auf den Umfang der ihm zustehenden Leistungen haben würden, stellten sich als reine Schutzbehauptung dar. Der Kläger habe bei der Erstantragstellung die Kosten seiner Unterkunft und Heizung anzugeben und nachzuweisen gehabt. In sämtlichen den Bewilligungsbescheiden beigefügten Berechnungsbögen seien die Kosten der Unterkunft und Heizung explizit ausgewiesen gewesen. Eben dies sei bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (Alhi) gerade nicht der Fall gewesen. Dem Kläger habe sich demnach aufdrängen müssen, dass die veränderten Kosten der Unterkunft und Heizung Einfluss auf dessen Leistungsanspruch hätten haben müssen.
Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte war gemäß § 45 Abs. 1 SGB X berechtigt, die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2005 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit dem Kläger objektiv rechtswidrig ein um monatlich 172,89 Euro höheres Alg II bewilligt worden war. Der für diesen Zeitraum überzahlte Betrag in Höhe von 691,56 Euro ist von dem Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er u.a. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, Satz 3 Nr. 3 SGB X). Im letztgenannten Fall wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) ist der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers entbindet diese Vorschrift die Beklagte bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X von der Verpflichtung, bei der Rücknahme ihr Ermessen auszuüben. Eine Ermessensausübung ist danach nur erforderlich, wenn ein Verwaltungsakt unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB X für die Zukunft zurückgenommen wird.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alg II-Bewilligung mit Wirkung vom 1. Februar 2005 sind vorliegend erfüllt. Denn es ist davon auszugehen, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit der Alg II-Bewilligung in dem in Rede stehenden Umfang zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb dasjenige nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen des Begünstigten sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen.
Dem Kläger ist zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von der teilweisen Rechtswidrigkeit der Alg II-Bewilligung anzulasten, soweit diese auf der Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung für die ehemalige Wohnung des Klägers in der W straße und nicht der ab 1. Februar 2005 nach § 22 Abs. 1 Satz 1 tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung des Klägers in der E straße beruhte. Die Kammer hat insoweit ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass es für den Kläger ohne Mühe erkennbar war, dass die Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Miete u.a. für die Höhe des zu gewährenden Alg II maßgeblich war. Dieses ergibt sich nicht nur aus dem Antragsformular, in dessen Zusatzblatt 1 speziell nach den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gefragt wird sowie dem in dem Antragsformular enthaltenen Hinweis, dass Änderungen u.a. in den Vermögensverhältnissen unverzüglich mitzuteilen sind, sondern vor allem aus den jeweiligen Anlagen zu den Bewilligungsbescheiden selbst. Hier findet sich unter der Überschrift "Höhe der monatlich zustehenden Leistungen" die Rubrik "Kosten für Unterkunft und Heizung". Der Anlage kann unschwer entnommen werden, dass der insoweit eingesetzte Betrag Teil der für die Ermittlung des Gesamtbedarfs (und damit für den letztlich auszuzahlenden Gesamtbetrag) maßgeblichen Summe aus Regelleistung, Mehrbedarf und eben den Kosten für Unterkunft und Heizung ist. Damit vermag der Hinweis auf die andere Berechnungsweise der von dem Kläger vor dem 1. Januar 2005 bezogenen Alhi sowie darauf, dass nicht erkennbar sei, ob es sich bei dem Posten "Kosten für Unterkunft und Heizung" möglicherweise um einen Pauschalbetrag handele, nicht zu überzeugen. Dies muss umso mehr gelten, als der Kläger im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren ausdrücklich betont hat, seine Pflicht zu unverzüglichen Mitteilung einer Änderung der Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung gekannt und ihr auch uneingeschränkt entsprochen zu haben. Dem akademisch vorgebildeten Kläger hätten sich damit die Grundsätze für die Berechnung des Alg II und die Bedeutung der Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Kosten für Unterkunft und Heizung für diese Berechnung ohne weiteres erschließen müssen. Soweit der Kläger aber in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass er sich die Bescheide gar nicht durchgesehen habe, weil er davon ausgegangen sei, dass es schon stimmen werde, wird der Umstand der grob fahrlässigen Verkennung der Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 19. April 2005 noch unterstrichen. Demgegenüber vermochte der Einwand des Klägers, er habe sich aufgrund einer depressiven Erkrankung nicht mit den Bescheiden vom 19. April 2005 auseinandersetzen können, nicht zu überzeugen. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er in der Vergangenheit wegen einer leichten depressiven Reaktion durch seinen Hausarzt behandelt worden sei. Dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 19. April 2005 aber eine schwerwiegende psychische Erkrankung vorgelegen hat, die eine Einschränkung des Konzentrations- und Einsichtsvermögens des Klägers plausibel hätte machen können, ist jedoch nicht erkennbar, zumal auch eine fachärztliche Behandlung in neurologisch-psychiatrischer Hinsicht nicht in Anspruch genommen wurde. Infolgedessen hat der Kläger aber seine Sorgfaltspflicht in besonders hohem Maße verletzt, wenn er außer Acht gelassen hat, dass die Verringerung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in den Monaten Februar bis Mai 2005 gegenüber dem Monat Januar 2005 auch zu einer Verringerung des Alg II-Anspruchs führen musste. Soweit demgegenüber in den Anlagen der Bescheide vom 19. April 2005 die Kosten für Unterkunft und Heizung für die Monate Februar bis Mai 2005 in identischer Höhe wie für den Monat Januar 2005 ausgewiesen wurden, hätte es sich dem Kläger in Bezug auf die offensichtliche Unrichtigkeit der ausgewiesenen Kosten für Unterkunft und Heizung aufdrängen müssen, dass die Beklagte irrtümlich bei der Berechnung des Alg II-Anspruchs für die Monate Februar bis Mai 2005 noch von den im Monat Januar 2005 tatsächlich entrichteten Kosten für Unterkunft und Heizung ausgegangen ist.
Auch für den Fall, dass die Beklagte entsprechend dem Vorbringen des Klägers den zur Überzahlung führenden Fehler zu vertreten hätte, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn ist die Beklagte - wie hier nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II - verpflichtet, rechtswidrige Bewilligungen zurückzunehmen, darf sie auch dann nicht davon absehen, wenn der Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes allein auf Fehler der Verwaltung zurückzuführen ist, die der Begünstigte - wie hier der Kläger - ohne weiteres hätte erkennen müssen (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 253/99 B -). Die Rücknahmefristen des § 45 Abs. 3 und 4 SGB X sind gewahrt.
Dass die Beklagte die streitbefangenen Bescheide auf § 48 SGB X gestützt hat, ist nicht klagebegründend. Denn das so genannte "Nachschieben von Gründen" (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt bzw. erschwert wird. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlage grundsätzlich zulässig. Auch vorliegend ist das Auswechseln der Rechtsgrundlage unbedenklich, weil dieselbe Rechtsfolge eintritt. Das Interesse des Klägers daran, dass ein belastender Verwaltungsakt nicht nachträglich auf eine andere ihn tragende Rechtsgrundlage gestützt wird, ist rechtlich nicht per se geschützt. Dies gilt im Hinblick auf § 330 Abs. 2 SGB III auch bei der Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7 a AL 18/05 R).
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden auch die aufgelaufene Überzahlung in Höhe von 691,56 Euro (Differenz zwischen den veranschlagten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,00 Euro und den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 163,11 Euro in Höhe von 172,89 Euro; dieser Betrag multipliziert mit 4 Monaten = 691,56 Euro), zu deren Erstattung der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet ist, gemäß § 50 Abs. 3 SGB X beanstandungsfrei geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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